Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.05.2014, Az. I ZB 64/13

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5309

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenanmeldung: Unterscheidungskraft einer eine abkürzende Buchstabenfolge enthaltenden Wortmarke für Dienstleistungen - ECR-Award


Leitsatz

ECR-Award

Ob der Verkehr eine Marke als beschreibende Angabe oder Abkürzung erkennt, ist anhand der Marke selbst zu beurteilen. Der Inhalt des Dienstleistungsverzeichnisses kann zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses nicht herangezogen werden.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des 27. Senats ([X.]) des [X.] vom 8. Juli 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Anmelderin hat beim [X.] die Eintragung der Wortmarke

[X.]-Award

für die folgenden Dienstleistungen der [X.] beantragt:

Organisation und Durchführung von Preisverleihungen für Managementleistungen, insbesondere im Bereich Efficient Consumer Response, die intelligente Kooperation zum Nutzen der Konsumenten.

2

Die Markenstelle des [X.]s hat die Anmeldung wegen Fehlens der Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen ([X.], Beschluss vom 8. Juli 2013 - 27 W (pat) 521/13, juris). Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihren Eintragungsantrag weiter.

3

II. Das [X.] hat die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] für gegeben erachtet und dazu ausgeführt:

4

Die Buchstabenfolge "[X.]" könne vielfältige Bedeutungen haben. Welche konkrete Bedeutung sie tatsächlich habe, lasse sich ohne Berücksichtigung der Dienstleistungen, welche die Anmeldung beanspruche, kaum ergründen. Im konkreten Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen werde der angesprochene Verkehr, der aus Fachleuten für Managementdienstleistungen bestehe, "[X.]" als Hinweis auf die prämierte Leistung sehen. Zwar werde das angesprochene Publikum aufgrund der Vielzahl der Bedeutungen der Abkürzung "[X.]" nicht zwingend als Thema die optimierte Lagerlogistik erkennen. Es werde den Begriff jedenfalls nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auf einen thematisch bestimmten Preis auffassen. Dieser Begriff werde von der Anmelderin selbst im Dienstleistungsverzeichnis als eine beschreibende Angabe verwendet. Hiervon ausgehend könne der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zuerkannt werden. Es bestehe hinsichtlich aller angemeldeten Dienstleistungen zudem ein Freihaltebedürfnis.

5

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

6

1. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet die volle rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass das Rechtsbeschwerdegericht auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfrage beschränkt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Juli 1995 - [X.], [X.]Z 130, 187, 191 - Füllkörper; Beschluss vom 16. Juli 2009 - [X.], [X.]Z 182, 325 Rn. 14 - Legostein).

7

2. Die Beurteilung des [X.]s, dass hinsichtlich der angemeldeten Wortmarke "[X.]-Award" das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] gegeben sei, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

8

a) Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist der Eintragungsantrag zurückzuweisen, wenn der angemeldeten Marke im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 2010 - [X.]/08, [X.]. 2010, [X.] = [X.], 228 Rn. 33 - [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2011 - [X.], [X.], 270 Rn. 8 = [X.], 337 - Link economy; Beschluss vom 4. April 2012 - [X.], [X.], 1143 Rn. 7 = [X.], 1396 - Starsat; Beschluss vom 22. November 2012 - [X.], [X.], 731 Rn. 11 = [X.], 909 - [X.]). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], Beschluss vom 4. Dezember 2008 - [X.], [X.], 778 Rn. 11 = [X.], 813 - Willkommen im Leben; Beschluss vom 24. Juni 2010 - [X.]/08, [X.], 1100 Rn. 10 = [X.], 1504 - [X.]!; Beschluss vom 19. Februar 2014 - [X.], [X.], 569 Rn. 10 = [X.], 573 - [X.]).

9

Maßgeblich für die Unterscheidungskraft einer Marke ist die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen ([X.], Urteil vom 8. Mai 2008 - [X.]/06, [X.]. 2008, [X.] = [X.], 608 Rn. 67 - [X.]; [X.], Beschluss vom 15. Januar 2009 - [X.], [X.], 411 Rn. 8 = [X.], 439 - [X.]; [X.], [X.], 731 Rn. 11 - [X.]; [X.], [X.], 569 Rn. 11 - [X.]). Dieser wird die Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen ([X.], [X.], 270 Rn. 12 - Link economy).

Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren ist grundsätzlich das angemeldete Zeichen als Ganzes (vgl. [X.], [X.], 884, 885 - [X.] alloy). Besteht das angemeldete Zeichen aus mehreren Bestandteilen, darf sich die Prüfung nicht darauf beschränken, ob [X.] hinsichtlich eines oder mehrerer Zeichenbestandteile bestehen. Die Eintragung ist vielmehr nur zu versagen, wenn das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit die Voraussetzungen eines Schutzhindernisses erfüllt. Eine Prüfung der Gesamtheit der Bestandteile des Zeichens ist auch deshalb erforderlich, weil Bestandteile, die für sich betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, in ihrer Kombination unterscheidungskräftig sein können ([X.], Beschluss vom 10. Juni 2010 - [X.], [X.], 65 Rn. 10 = [X.], 65 - Buchstabe T mit Strich).

Für das Vorliegen des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] reicht es aus, wenn das angemeldete Zeichen verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt. Der allein durch die Existenz verschiedener Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand des Verkehrs reicht für die Bejahung einer Unterscheidungskraft nicht aus ([X.], Beschluss vom 22. Januar 2009 - [X.], [X.], 952 Rn. 15 = [X.], 960 - [X.]; [X.], [X.], 569 Rn. 11 - [X.]; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 8 Rn. 131 f.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rn. 113).

b) Das [X.] hat das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bejaht, weil es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine beschreibende Angabe handele. Die Abkürzung "[X.]" stehe nicht nur für "Efficient Consumer Response", sondern unter anderem auch für die Begriffe "[X.]", "[X.]", "[X.]", "[X.] Register", "[X.]", "Engineer Change Request", "Extended Control Register" oder "Elektrische Straßenbahn [X.]". Welche konkrete Bedeutung der Begriff "[X.]" tatsächlich habe, lasse sich ohne Berücksichtigung der Dienstleistungen, welche die streitgegenständliche Anmeldung beanspruche, kaum ergründen. Im konkreten Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen werde der angesprochene Verkehr auch ohne eine analysierende Betrachtungsweise die angemeldete Marke in dem von dem [X.] angenommenen Sinn deuten und in der darin enthaltenen Abkürzung "[X.]" einen Hinweis auf die prämierte Leistung sehen. Das angesprochene Publikum werde aufgrund der Vielzahl der Bedeutungen der Abkürzung "[X.]" nicht zwingend die optimierte Lagerlogistik als Thema erkennen; es werde jedoch den Begriff nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auf einen "thematisch bestimmten" Preis auffassen.

c) Diesen Ausführungen kann nicht zugestimmt werden. Aus ihnen ergibt sich nicht, dass der angesprochene inländische Verkehr "[X.]-Award" ohne weiteres und ohne Unklarheiten als bekannte und gebräuchliche Abkürzung für "[X.]" erkennt. Vielmehr ist der Verkehr nach den Feststellungen des [X.]s ohne Berücksichtigung der im Verzeichnis angegebenen Dienstleistungen nicht in der Lage, "[X.]" als Abkürzung für "Efficient Consumer Response" zu begreifen. Zu dem gegenteiligen Ergebnis ist das [X.] nur dadurch gelangt, dass es rechtsfehlerhaft zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses den Inhalt des [X.] herangezogen hat. Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass das Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen dem die Marke wahrnehmenden Verkehr nicht bekannt ist. Nur dessen Verständnis anhand der Marke selbst und der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen ist maßgebend für die Frage, ob eine Marke als beschreibende Angabe oder Abkürzung verstanden werden kann ([X.], Urteil vom 15. März 2012 - [X.]/11 und [X.]/11, [X.], 616 Rn. 37 f. - [X.]/[X.]). Ohne Kenntnis des Inhalts des [X.] kann der Verkehr der angemeldeten Marke nach den Feststellungen des [X.]s keine bestimmte, ohne weiteres beschreibende Bedeutung beilegen.

Dies gilt selbst dann, wenn das Zeichen im Zusammenhang mit einer Preisverleihung im Bereich "Efficient Consumer Response" benutzt wird, weil sich auch in diesem Fall kein die Dienstleistungen glatt beschreibender Begriff ergibt. Wie aus den Ausführungen des [X.]s folgt, auf die das [X.] verwiesen hat, ist dieser Begriff nicht einfach durch Übersetzung der [X.] Wörter zu ermitteln. Das [X.] hat vielmehr angenommen, die Wortfolge bezeichne eine Initiative zur Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Händlern, die auf Kostenreduktion und bessere Befriedigung von [X.] abzielt. Dagegen ist das [X.] davon ausgegangen, "Efficient Consumer Response" beschreibe ein Konzept zur optimierten Lagerlogistik, ohne dass deutlich wird, wie das [X.] zu diesem Verkehrsverständnis gelangt ist.

3. Da nach den bisherigen Feststellungen des [X.]s nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei der angemeldeten Wortmarke "[X.]-Award" um eine beschreibende Angabe handelt, kann die angefochtene Entscheidung auch nicht mit der nicht näher begründeten Auffassung des [X.]s aufrechterhalten werden, dass hinsichtlich der angemeldeten Dienstleistungen ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] besteht.

IV. Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 [X.]).

Büscher                     Schaffert                         Koch

                Löffler                       Schwonke

Meta

I ZB 64/13

22.05.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 8. Juli 2013, Az: 27 W (pat) 521/13, Beschluss

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.05.2014, Az. I ZB 64/13 (REWIS RS 2014, 5309)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5309


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 27 W (pat) 521/13

Bundespatentgericht, 27 W (pat) 521/13, 13.04.2015.

Bundespatentgericht, 27 W (pat) 521/13, 08.07.2013.


Az. I ZB 64/13

Bundesgerichtshof, I ZB 64/13, 22.05.2014.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZB 64/13 (Bundesgerichtshof)


27 W (pat) 521/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "ECR-Award II" – keine Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu Marken, die eine Abkürzung (Akronym) …


27 W (pat) 521/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "ECR-Award" – keine Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


25 W (pat) 578/17 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "GTLAB" – keine Unterscheidungskraft


27 W (pat) 516/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "ECR-Tag" – Freihaltungsbedürfnis


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.