Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.08.2017, Az. III ZA 42/16

3. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 6717

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Gegenstand

Prozesskostenhilfeverfahren: Bewilligung für das Mahnverfahren; Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung bei Beantragung eines Mahnbescheids über einen Hauptsachebetrag von 400.000.000 €


Leitsatz

1. Für das Mahnverfahren (§§ 688 ff. ZPO) kann - beschränkt auf dieses Verfahren - Prozesskostenhilfe bewilligt werden.

2. Zur Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 Abs. 2 ZPO) bei Beantragung eines Mahnbescheids über einen Hauptsachebetrag von 400.000.000 €, wenn der Antragsgegner im Rahmen der Anhörung nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Anspruch bestritten und bereits Widerspruch gegen einen etwaigen Mahnbescheid angekündigt hat.

Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] - 3. Zivilkammer - vom 24. November 2016 - 33 T 34/16 - wird abgelehnt

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens. Er hat beim [X.]    - Zentrales Mahngericht - den Erlass eines Mahnbescheids über einen Betrag von 400.000.000 € beantragt, wobei er als Antragsgegner das "[X.]    " und als Anspruchsgrund "Schadensersatz aus [X.]/aus Zinsen zum [X.]" angegeben hat. Zugleich hat er um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Kosten des Mahnverfahrens nachgesucht. Das [X.], dem dieser Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Stellungnahme übersandt worden war, teilte mit, Forderungen des Antragstellers gegen den [X.]    bestünden nicht, und bei Erlass eines Mahnbescheids würde umgehend Widerspruch eingelegt werden. Daraufhin hat das Amtsgericht (Rechtspfleger) den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, das Mahnverfahren biete nicht die nötige Aussicht auf Erfolg. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch bei Beantragung von Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren zu prüfen sei. Für ein - wie hier - von vornherein aussichtsloses Mahnverfahren, bei dem von Anfang an mit einem Widerspruch des Antragsgegners zu rechnen und ein Vollstreckungsbescheid deswegen nicht zu erreichen sei, könne der Antragsteller nicht erwarten, das Verfahren auf Kosten der Staatskasse durchführen zu können.

2

Das [X.] hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO zugelassen, da in der Instanzrechtsprechung und der Literatur zur Frage der Zulässigkeit der Prüfung der Erfolgsaussichten im Mahnverfahren sowie zum Umfang dieser Prüfung unterschiedliche Auffassungen vertreten würden.

II.

3

Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil das beabsichtigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das [X.] hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfe für das Mahnverfahren versagenden Beschluss des Amtsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

4

Dabei kann dahinstehen, ob der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Mahnverfahren - wie das [X.] meint - bereits deshalb die Erfolgsaussicht fehlt, weil mit einem Widerspruch des Antragsgegners gegen einen etwaigen Mahnbescheid zu rechnen ist. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung erweist sich als mutwillig im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO.

5

1. Der sachliche Geltungsbereich der §§ 114 ff ZPO erstreckt sich auf alle in der Zivilprozessordnung geregelten Verfahren. Für das Mahnverfahren kann - beschränkt auf dieses Verfahren - Prozesskostenhilfe bewilligt werden (allg. Meinung; vgl. nur [X.]/Voit/[X.], ZPO, 14. Aufl., § 114 Rn. 8; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 38. Aufl., [X.]. § 688 Rn. 12; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 114 Rn. 2; [X.]. [X.]). Dabei gilt die Voraussetzung fehlender Mutwilligkeit auch für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren (MüKoZPO/Wache, 5. Aufl., § 114 Rn. 22).

6

2. Mutwilligkeit liegt insbesondere vor, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige [X.] bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Senat, Beschluss vom 21. November 2013 - [X.], BeckRS 2013, 22403 Rn. 9; [X.], Beschluss vom 6. Juli 2010 - [X.], [X.], 3522 Rn. 6). Aus der gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutzgleichheit folgt, dass die mittellose [X.] nur einer solchen "normalen" [X.] gleichgestellt werden muss, die ihre [X.] vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt ([X.], NJW 1991, 413; NJW 2013, 2013, 2014). Es ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe, auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Personen Prozesse zu ermöglichen, die eine wirtschaftlich leistungsfähige [X.] bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde ([X.]/Voit/[X.] aaO § 114 Rn. 30 [X.]).

7

3. Nach diesen Maßstäben ist die Rechtsverfolgung des Antragstellers mutwillig. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage würde eine verständige [X.], die selbst für die Gerichtskosten aufzukommen hat, davon absehen, einen Mahnbescheid über einen [X.] von 400.000.000 € gegen den [X.]    zu beantragen, auch wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass nach §§ 688 ff ZPO vorliegen sollten.

8

Dass dem Antragsteller, der keiner geregelten Beschäftigung nachgeht, durch Strafverfolgungsmaßnahmen ein Schaden in der geltend gemachten Größenordnung entstanden sein könnte, ist gänzlich fernliegend. Die Staatsanwaltschaft [X.]hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass der Antragsteller in dem Strafverfahren 501 Js 140433/09 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist, die vollständig vollstreckt wurde. Die in dem weiteren Strafverfahren 501 Js 117364/09 gegen den Antragsteller vollzogene Untersuchungshaft von 75 Tagen wurde nach Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Rahmen der Strafvollstreckung auf die vorgenannte Freiheitsstrafe angerechnet. Eine Entschädigungspflicht der Staatskasse wurde in keinem der Strafverfahren festgestellt. Dementsprechend hat die Staatsanwaltschaft [X.]Schadensersatzansprüche des Antragstellers mit Bescheid vom 25. April 2016 abgelehnt. Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller berechtigt sein könnte, einen Schaden in der - nicht näher erläuterten - ungewöhnlichen Größenordnung von 400.000.000 € zu beanspruchen, zumal der Antragsgegner den Anspruch bestritten und bereits Widerspruch gegen einen etwaigen Mahnbescheid angekündigt hat. Bei dieser Sachlage drängt es sich auf, dass der Antragsteller die Allgemeinheit für Gerichtskosten in Anspruch nehmen möchte, die eine die [X.] vernünftig abwägende und auch das Kostenrisiko berücksichtigende verständige [X.] niemals tragen würde.

9

4. Der Versagung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren steht nicht entgegen, dass das [X.] die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Die vom Beschwerdegericht aufgeworfene Frage, ob Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren bereits mangels Erfolgsaussicht zu verneinen sei, wenn ein Widerspruch des Antragsgegners absehbar sei, ist nicht entscheidungserheblich, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung im konkreten Fall mutwillig erscheint und Prozesskostenhilfe schon deshalb nicht in Betracht kommt. Das Vorliegen von Mutwilligkeit kann auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung und der vorliegenden Rechtsprechung abschließend beantwortet werden.

[X.]

Meta

III ZA 42/16

10.08.2017

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZA

vorgehend LG Coburg, 24. November 2016, Az: 33 T 34/16

§ 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 114 Abs 2 ZPO, § 118 Abs 1 S 1 ZPO, § 688 ZPO, §§ 688ff ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.08.2017, Az. III ZA 42/16 (REWIS RS 2017, 6717)

Papier­fundstellen: MDR 2017, 1408 REWIS RS 2017, 6717


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. III ZA 42/16

Bundesgerichtshof, III ZA 42/16, 10.08.2017.


Az. 33 T 34/16

LG Coburg, 33 T 34/16, 24.11.2016.


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