Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.06.2023, Az. I ZB 65/22

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 4439

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Gegenstand

Markenrechtliches Widerspruchsverfahren: Unterlassung einer an sich gebotenen Zulassung der Rechtsbeschwerde; Anforderungen an das Bestreiten der Benutzung einer Widerspruchsmarke - Silver Horse/Power Horse


Leitsatz

Silver Horse/Power Horse

1. Die Unterlassung einer an sich gebotenen Zulassung der Rechtsbeschwerde stellt keinen Begründungsmangel dar und kann deshalb nicht mit Erfolg gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde angegriffen werden. Gegen eine nicht gerechtfertigte Unterlassung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist allein die Verfassungsbeschwerde mit der Begründung der Verletzung des Grundrechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes eröffnet.

2. Für das Bestreiten der Benutzung einer Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG ist eine eindeutige Erklärung erforderlich. Allgemeine Ausführungen zur Benutzungslage in anderem Zusammenhang, wie zum Beispiel bei der Erörterung der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren oder Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft oder anderer Aspekte der Verwechslungsgefahr können grundsätzlich nicht als Nichtbenutzungseinwand ausgelegt werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 26. Senats ([X.]) des [X.] vom 26. Juli 2022 wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Gründe

1

Für die Markeninhaberin ist die am 10. September 2013 angemeldete und am 29. Oktober 2013 in [X.] eingetragene Wort-Bild-Marke Nr. 30 2013 050 102 für die Waren der [X.] "Alkoholfreie Getränke" geschützt:

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2

Gegen die am 29. November 2013 veröffentlichte Eintragung der Marke hat die Widersprechende aus der am 1. April 2011 international registrierten Wort-Bild-Marke Nr. 1 037 284

Abbildung

Widerspruch erhoben, die für die [X.] der [X.] "[X.] drinks; preparations for making beverages" Schutz genießt.

3

Das [X.] hat mit Beschluss vom 30. Mai 2017 den Widerspruch zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Widersprechenden hat das [X.] das [X.] angewiesen, die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs zu löschen ([X.], [X.] 2022, 428).

4

Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie eine mangelnde Begründung der Entscheidung und eine Verletzung ihres Grundrechts auf rechtliches Gehör rügt.

5

II. Das [X.] hat zunächst in einem Hinweis vom 8. Februar 2018 ausgeführt, der angegriffene Beschluss des [X.] sei rechtmäßig. In einem weiteren Hinweis vom 21. Juli 2021 hat es angekündigt, es sei beabsichtigt das [X.] anzuweisen, die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs zu löschen. Entsprechend diesem zweiten Hinweis hat es mit dem angegriffenen Beschluss entschieden. Zur Begründung hat es ausgeführt:

6

Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke bestehe [X.]. Die Erklärung der Inhaberin der angegriffenen Marke in ihrem Schriftsatz vom 29. Oktober 2021 könne nicht als rechtswirksames Bestreiten der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke ausgelegt werden. Das Vorbringen der Inhaberin der angegriffenen Marke zum zweiten Hinweisbeschluss des Gerichts, die ältere Marke sei nicht schutzwürdig, weil sie selbst am Markt nicht teilnehme, stelle keine eindeutige Erklärung dahingehend dar, dass die Benutzung der Widerspruchsmarke in Abrede gestellt werde. Sie lasse nur den Willen der Inhaberin der angegriffenen Marke erkennen, eine Kennzeichnungsschwäche der älteren Marke und das Fehlen der [X.] darzulegen, nicht aber, eine Benutzung des [X.] zu bestreiten. Bei anwaltlicher Vertretung sei eine eindeutige Nichtbenutzungseinrede zu erwarten.

7

Zwischen den [X.] bestehe Identität. Die identischen Kollisionswaren richteten sich an breite Verkehrskreise, nämlich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher als auch an den Getränkefachhandel und den Gastronomiefachverkehr. Da es sich um Artikel des täglichen Bedarfs beziehungsweise um kurzlebige Erzeugnisse des [X.] handele, begegneten ihnen die angesprochenen Verkehrskreise mit eher geringem Aufmerksamkeitsgrad. Die Widerspruchsmarke verfüge nur über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Ihre Kennzeichnungskraft sei nicht durch [X.] geschwächt. Ausreichende Anhaltspunkte für eine durch intensive Nutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich. Den bei identischen [X.], geringer Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise und normaler Kennzeichnungskraft der älteren Marke gebotenen Abstand halte die jüngere Marke wegen komplexer Markenähnlichkeit nicht mehr ein. Die Vergleichsmarken unterschieden sich in der Gesamtheit durch die abweichenden Anfangsworte und die Bildelemente deutlich voneinander. In klanglicher Hinsicht würden sie von ihren jeweiligen Wortelementen geprägt. Da sie nicht durch das Wort "Horse" geprägt würden, stünden sich die Markenwörter "[X.] [X.]" und "[X.]" gegenüber. Diese Markenwörter wiesen eine Reihe von Übereinstimmungen auf. Allerdings unterschieden sich die stärker beachteten Wortanfänge. Gemeinsamkeiten lägen auch in schriftbildlicher Hinsicht vor. In begrifflicher Hinsicht gebe es ebenfalls Übereinstimmungen, weil beide Marken den Wortbestandteil "[X.]" mit einer vorangestellten Eigenschaftsangabe kombinierten. Allerdings werde der begriffliche Unterschied zwischen "[X.]" und "[X.]" von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Schwierigkeiten erkannt. Ob die klanglichen, schriftbildlichen und begrifflichen Gemeinsamkeiten für sich genommen schon zur Bejahung einer unmittelbaren [X.] ausreichten, müsse nicht abschließend beurteilt werden. Denn auch wenn die vorhandenen Übereinstimmungen wegen der gleichzeitigen Abweichungen für sich gesehen nicht genügen sollten, um eine ausreichende Markenähnlichkeit zu begründen, kämen sich die Vergleichsmarken klanglich, (schrift)bildlich und begrifflich so nahe, dass die Annahme einer komplexen Markenähnlichkeit gerechtfertigt sei. Die Rechtsfigur der sogenannten komplexen Markenähnlichkeit oder [X.] sei von der Rechtsprechung des [X.]s entwickelt worden. Sie werde mit dem Erfahrungssatz begründet, dass die Vergleichsmarken fast nie gleichzeitig nebeneinander wahrgenommen würden, so dass letztlich nur das meist ungenaue Erinnerungsbild entscheide, das der Verkehr von der Marke habe, wenn er die andere Marke höre oder sehe. Wenn sich die Kollisionsmarken klanglich, schriftbildlich und begrifflich sehr nahekämen, könnten Verwechslungen aus der Erinnerung heraus nicht mehr mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, so dass eine komplexe Ähnlichkeit und [X.] vorliege. So liege es im Streitfall. Da die [X.] als Rechtsfrage keiner Beweisaufnahme zugänglich sei, komme die von der Inhaberin der angegriffenen Marke beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu nicht in Betracht.

8

III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete, nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat keinen Erfolg.

9

1. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre [X.] folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf einen Begründungsmangel (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 [X.]) und eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.]). Diese [X.] hat die Rechtsbeschwerde im Einzelnen begründet. Darauf, ob die [X.] durchgreifen, kommt es für die [X.] der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 6. Juli 2017 - [X.]/16, [X.], 111 [juris Rn. 7] = WRP 2018, 197 - [X.]; Beschluss vom 15. September 2022 - [X.], [X.], 513 [juris Rn. 11], mwN).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen. Weder leidet die angegriffene Entscheidung an einem Begründungsmangel noch ist der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

a) Die angegriffene Entscheidung leidet nicht unter einem Begründungsmangel im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 6 [X.].

aa) Die Rechtsbeschwerde rügt, das [X.] habe zwar erkannt, dass nach den Vorgaben der Rechtsprechung der Unionsgerichte die klangliche Markenähnlichkeit bei der Beurteilung der [X.] in den Hintergrund trete, soweit die betreffenden Waren wie diejenigen, die im Streitfall in Rede stünden, überwiegend auf Sicht gekauft würden. Diese Vorgabe werde jedoch dadurch ad absurdum geführt, dass das [X.] weiter ausgeführt habe, bei einem Kauf auf Sicht könnten häufig mündliche Empfehlungen und Nachfragen sowie Gespräche vorausgehen und selbst bei nur optischer Wahrnehmung einer Marke werde gleichzeitig der klangliche Charakter des [X.] unausgesprochen mit aufgenommen und damit die Erinnerung an klanglich ähnliche Marken geweckt, die von früheren Begegnungen bekannt seien. Die klangliche [X.] werde insoweit nicht durch ein unmittelbares Hören, sondern durch die ungenauen Erinnerungen an den Klang beider Marken ausgelöst. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, eine solche Argumentation stelle sich als verworren und inhaltslos dar, weil danach die von der Rechtsprechung der Unionsgerichte geforderten Vorgaben zum Kauf auf Sicht niemals zur Anwendung kommen könnten.

Gleiches gelte, soweit das [X.] auf die von ihm selbst entwickelte Rechtsfigur der "komplexen Markenähnlichkeit oder [X.]" abstelle, ohne dass dem [X.] bisher Gelegenheit gegeben worden sei, sich hiermit auseinanderzusetzen. Die Rechtsfigur erweise sich - wie der Streitfall zeige - als konturlos und in ihrer Begründung nicht mehr nachvollziehbar. Im Erfinden solcher Rechtsfiguren liege ein Begründungsmangel.

bb) Die Vorschrift des § 83 Abs. 3 Nr. 6 [X.] soll allein den Anspruch der Beteiligten auf Mitteilung der Gründe sichern, aus denen ihr Rechtsbegehren keinen Erfolg hat. Sie dient dagegen nicht der Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung (zu § 100 Abs. 3 Nr. 5 [X.] aF [§ 100 Abs. 3 Nr. 6 [X.] nF] vgl. [X.], Beschluss vom 21. Dezember 1962 - [X.], [X.]Z 39, 333, 341 - [X.]). Es kommt nur darauf an, ob erkennbar ist, welcher Grund für die Entscheidung maßgebend gewesen ist; dies kann auch bei lückenhafter und unvollständiger Begründung der Fall sein. Eine Entscheidung ist nur dann "nicht mit Gründen versehen", wenn aus ihr nicht zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Das ist auch dann der Fall, wenn zwar Gründe vorhanden sind, diese aber ganz unverständlich und so verworren sind, dass objektiv nicht mehr zu erkennen ist, welche Erwägungen tatsächlicher oder rechtlicher Art die Entscheidung tragen sollen oder wenn die Gründe sachlich inhaltslos sind und sich in leeren Redensarten oder der einfachen Wiedergabe des Gesetzestextes erschöpfen ([X.], Beschluss vom 22. Juni 1993 - [X.], [X.], 896 [juris Rn. 6] mwN - Leistungshalbleiter). Nicht entscheidend ist, ob die Beurteilung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist ([X.], Beschluss vom 7. Oktober 2020 - [X.] 123/19, juris Rn. 26 mwN). Nach diesem Maßstab liegt kein Begründungsmangel vor.

cc) Die Entscheidung des [X.]s lässt erkennen, aus welchen Gründen es den Widerspruch aus der älteren Marke für begründet gehalten hat. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Rechtsbeschwerde eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der vom [X.] für seine Entscheidung gegebenen Begründung möglich ist, die sie mit näherer Begründung für rechtlich verfehlt hält. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, bei der Prüfung der klanglichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken habe das [X.] die Rechtsprechung der Unionsgerichte zur Neutralisierung einer klanglichen Zeichenähnlichkeit bei auf Sicht gekauften Waren in einer Weise angewandt, dass für sie kein Anwendungsbereich verbleibe, wendet sie sich gegen die sachliche Richtigkeit der Entscheidung, die im Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nicht zur Überprüfung steht.

dd) Die Beanstandung der Rechtsbeschwerde, das [X.] habe die für seine Entscheidung maßgebliche Beurteilung der Zeichenähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken auf die Rechtsfigur der "komplexen Markenähnlichkeit oder [X.]" gestützt, ohne dass der [X.] bislang Gelegenheit gehabt habe, diese Rechtsfigur einer rechtlichen Nachprüfung zu unterziehen, trifft zwar inhaltlich zu.

Bislang hat das [X.] die Frage, ob die von ihm entwickelte Rechtsfigur der komplexen Markenähnlichkeit, wonach die Kumulation einer je einzeln an sich nicht ausreichenden Annäherung in mehreren Richtungen (Klang, Begriff, Schriftbild und Zeichenaufbau) zur [X.] im Sinne des Markengesetzes führen kann, dem [X.] nicht zur rechtlichen Überprüfung zugänglich gemacht. Diese Frage ist vielmehr, wie sich aus dem im angefochtenen Beschluss zitierten Aufsatz und aktuellem Schrifttum ergibt, seit dem Inkrafttreten des Markengesetzes im Jahr 1994 ungeklärt ([X.], [X.], 269, 273; [X.], [X.] 2022, 512; BeckOK.[X.]/[X.], 33. Edition [Stand: 1. Januar 2023], § 14 [X.] Rn. 388).

Die Unterlassung einer an sich gebotenen Zulassung der Rechtsbeschwerde stellt jedoch keinen Begründungsmangel im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 6 [X.] dar. Der Sache nach macht die Rechtsbeschwerde geltend, das [X.] habe das Recht der Inhaberin der angegriffenen Marke auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, weil es seine Entscheidung auf eine ausschließlich von Senaten des [X.]s vertretene Rechtsansicht gestützt, die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen und damit die maßgebliche verfahrensrechtliche Vorschrift (hier: § 83 Abs. 2 [X.]) in unhaltbarer Weise gehandhabt habe. Liegt wie im Streitfall eine Rechtsmittelzulassung objektiv nahe und finden sich weder in der Entscheidung noch anderweitig Anhaltspunkte zu Überlegungen des Gerichts, warum es in möglicherweise sachlich gerechtfertigter Weise von der Zulassung abgesehen hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich von einer verfassungswidrigen Nichtzulassung auszugehen (zur unterbliebenen Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG vgl. [X.], [X.], 1643 [juris Rn. 11]; zur unterbliebenen Zulassung der Revision [X.], Beschluss vom 13. April 2023 - 1 BvR 667/22, [X.], 364 [juris Rn. 15 f.]). Ein solcher Vorwurf kann mit der Rüge einer fehlenden Begründung der Entscheidung gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 6 [X.] jedoch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

b) Der Markeninhaberin wurde im Verfahren vor dem [X.] auch nicht das rechtliche Gehör im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG versagt.

aa) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene [X.] zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt, wenn das Gericht einen Parteivortrag zwar zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, daraus jedoch andere rechtliche Schlüsse gezogen hat als die [X.]. Das Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde dient nicht der Überprüfung, ob die Entscheidung des [X.]s in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.], 111 [juris Rn. 11] - [X.], mwN).

bb) Eine unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde kann gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnen. Dies setzt voraus, dass die Rechtsbeschwerde erfolgreich rügt, das [X.] habe unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers übergangen, mit dem dieser geltend gemacht habe, der Streitfall erfordere eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 [X.] ([X.], Beschluss vom 22. Mai 2014 - [X.] 34/12, [X.], 1232 [juris Rn. 14] = WRP 2015, 53 - [X.]). Die Entscheidung des [X.]s, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, ist fachgerichtlich nicht überprüfbar und unterliegt damit keinem verfassungsrechtlichen Begründungszwang. Das [X.] muss deshalb im Regelfall eine unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde nur begründen, wenn ein Verfahrensbeteiligter einen entsprechenden Zulassungsgrund geltend gemacht hat ([X.], [X.], 1232 [juris Rn. 15] - [X.], mwN). Die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass nach diesen Maßstäben eine Gehörsverletzung vorliege. Sie legt nicht dar, dass die Markeninhaberin nach dem zweiten Hinweis des [X.]s, mit dem dieses darauf hingewiesen hatte, es gehe von einer "komplexen Markenähnlichkeit" zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen beziehungsweise einer "komplexen [X.]" aus, die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt hätte.

cc) Die Rechtsbeschwerde macht vielmehr geltend, das [X.] habe den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör mit seiner Annahme verletzt, diese habe den [X.] nicht erhoben. Die Markeninhaberin habe in ihrer Stellungnahme zu dem ihr ungünstigen zweiten Hinweis des [X.]s vorgetragen: "Die sog. ältere Marke der Widerspruchsführerin ist auch schon deshalb nicht schutzwürdig, weil sie selbst am Markt nicht teilnimmt und es sicherlich nicht ausreichend ist, wohlgefälligen, aber letztlich inhaltslosen Schriftverkehr seitens der Widerspruchsführerin vorzulegen, wie geschehen." Dabei habe sie auf die Passage im Hinweisbeschuss des [X.]s Bezug genommen, in der ausgeführt werde, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke werde nicht durch [X.] geschwächt, weil es an einer ausreichenden Anzahl von [X.] fehle, deren Benutzung liquide oder gerichtsbekannt sei. Die Bezugnahme der Markeninhaberin auf "wohlgefälligen aber letztlich inhaltslosen Schriftverkehr" habe sich nur auf den von der Widersprechenden vorgelegten Schriftwechsel mit der [X.] beziehen können, den das [X.] in anderem, mit der Erörterung der Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch Benutzung stehenden Zusammenhang als unzureichend angesehen habe, weil den Bestätigungen weder die Art oder Menge der Getränke noch deren Kennzeichnung entnommen werden könne. Die Erklärung der Markeninhaberin habe sich damit auf die fehlende Schutzfähigkeit der Widerspruchsmarke mangels Teilnahme am Markt, auch aufgrund fehlender Nachweise bezogen. In jedem Fall hätte das [X.] seine Zweifel am Aussagegehalt der Erklärungen der Markeninhaberin beziehungsweise sein Verständnis von diesen Erklärungen im Rahmen seiner Hinweispflichten zur Vermeidung von gehörswidrigen Überraschungsentscheidungen darlegen müssen. Die Markeninhaberin habe ausdrücklich um einen Hinweis gebeten. Die mündliche Verhandlung vor dem [X.] wäre ein geeignetes Forum gewesen, um mögliche Unklarheiten zu beseitigen. Die Markeninhaberin hätte dann bestätigt, dass sie die Einrede aus § 43 Abs. 1 [X.] geltend mache.

dd) Das [X.] hat den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es eine von der Markeninhaberin erhobene Einrede einer mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke unberücksichtigt gelassen hätte. Es ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass die Markeninhaberin eine solche Einrede nicht erhoben hat.

(1) [X.] einer Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 [X.] unterliegt dem Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz und stellt damit eine Ausnahme von dem das patentamtliche und patentgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschenden Grundsatz dar, dass der Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und das Vorbringen der Beteiligten bis zum Erlass der Entscheidung in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Mai 1998 - [X.] 9/96, [X.], 938 [juris Rn. 24] = WRP 1998, 993 - [X.]). Hierfür ist eine eindeutige Erklärung erforderlich. Allgemeine Ausführungen zur Benutzungslage in anderem Zusammenhang, wie zum Beispiel bei der Erörterung der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren oder Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft oder anderer Aspekte der [X.] können grundsätzlich nicht als [X.] ausgelegt werden (vgl. [X.]E 25, 53; [X.]E 32, 98, 100; [X.], Beschluss vom 30. Oktober 2009, 24 W (pat) 54/08, juris Rn. 29; BeckOK.[X.]/[X.], 33. Edition [Stand 1. April 2023], § 43 [X.] Rn. 7; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 43 [X.] Rn. 7; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 43 Rn. 15; [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 43 Rn. 35). Diese Maßstäbe gelten jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - die Inhaberin der angegriffenen Marke anwaltlich vertreten ist. Diese Grundsätze, die das [X.] seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat, stellt die Rechtsbeschwerde nicht in Frage.

(2) Das [X.] ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Streitfalls zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass der Vortrag der Markeninhaberin diesen Anforderungen nicht genügt und nicht zweifelsfrei erkennen lässt, dass sie die Erhebung der Einrede einer mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 [X.] beabsichtigt hat.

Der Vortrag der Markeninhaberin, auf den sich die Rechtsbeschwerde beruft, ist im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage erfolgt, welcher Grad an Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zuzumessen ist. Er bezog sich ausdrücklich auf die Ausführungen des [X.]s in dessen zweiten Hinweisbeschluss, mit denen dieses eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch [X.] wegen nicht liquider oder glaubhaft gemachter Benutzung dieser [X.] verneint hat. Das Vorbringen der Markeninhaberin konnte - wie die Beschwerde selbst geltend macht - außerdem dahin verstanden werden, dass die Markeninhaberin den vom [X.] als nicht glaubhaft gemacht angesehenen Vortrag der Widersprechenden bestreiten wollte, die Widerspruchsmarke habe bereits im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke über eine durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt. Das [X.] hat außerdem mit Recht darauf hingewiesen, die Markeninhaberin habe im Zusammenhang mit ihren Darlegungen zur [X.] ausgeführt, dass "die Kombattanten am Markt teilnehmen, liegt in der Natur der Sache", und dieser Vortrag spreche gegen die Annahme, die Markeninhaberin habe geltend machen wollen, die Widerspruchsmarke werde überhaupt nicht (rechtserhaltend) benutzt.

(3) Das [X.] war angesichts des geltenden Beibringungsgrundsatzes nicht gehalten, die Markeninhaberin darauf hinzuweisen, dass sie die Einrede mangelnder Benutzung nicht in eindeutiger Weise erhoben hat. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung verweist mit Recht darauf, dass das [X.] damit gegen seine Pflicht zur Unparteilichkeit gegenüber den Parteien verstoßen hätte. Das Gericht darf nicht auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel hinweisen. Es ist ihm daher insbesondere verwehrt, auf die Möglichkeit der Erhebung der Nichtbenutzungseinrede hinzuweisen ([X.], Beschluss vom 31. Mai 2006 - 29 W (pat) 127/04, juris Rn. 49; BeckOK.[X.]/[X.] aaO § 43 [X.] Rn. 7; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 43 Rn. 13). Das [X.] war danach nicht nur nicht verpflichtet, der Markeninhaberin einen Hinweis zu erteilen. Es war ihm vielmehr aus Gründen der prozessualen Fairness untersagt, sie auf die Erforderlichkeit einer unzweideutigen Einrede der mangelnden Benutzung hinzuweisen.

IV. [X.] beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Koch     

  

Löffler     

  

Schwonke

  

Feddersen     

  

Odörfer     

  

Meta

I ZB 65/22

01.06.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 26. Juli 2022, Az: 26 W (pat) 38/17, Beschluss

Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 43 Abs 1 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 6 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.06.2023, Az. I ZB 65/22 (REWIS RS 2023, 4439)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4439


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 65/22

Bundesgerichtshof, I ZB 65/22, 24.08.2023.

Bundesgerichtshof, I ZB 65/22, 01.06.2023.


Az. 26 W (pat) 38/17

Bundespatentgericht, 26 W (pat) 38/17, 26.07.2022.


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Referenzen
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Zitiert

I ZB 55/22

I ZB 45/16

I ZB 34/12

1 BvR 667/22

I ZB 32/22

I ZB 59/16

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