Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.04.2020, Az. VII B 53/19

7. Senat | REWIS RS 2020, 3554

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Die Revision ist zuzulassen, soweit über Säumniszuschläge für die Zeit nach dem 31.12.2009 abgerechnet wurde


Leitsatz

NV: Im Revisionsverfahren wird zu entscheiden sein, ob sich Zweifel an der Vereinbarkeit der nach der Abgabenordnung gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festzusetzenden Zinsen mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG auch auf Säumniszuschläge gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO übertragen lassen.

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] - 12 K 1952/17 wird die Revision zugelassen, soweit der Abrechnungsbescheid vom 09.06.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2017 Säumniszuschläge für die [X.] nach dem 31.12.2009 betrifft.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wenden sich gegen einen Abrechnungsbescheid, mit dem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) über den Anfall von Säumniszuschlägen zur Einkommensteuer betreffend die Jahre 2005, 2006 und 2009, zu [X.] für bestimmte Quartale der Jahre 2013 bis 2015 sowie zum Solidaritätszuschlag 2005 abgerechnet hat. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Die Kläger beantragen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) sowie wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Entscheidungsgründe

[X.]

2

1. Die Revision ist zuzulassen, soweit die Beschwerde im [X.] vom 09.06.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2017 enthaltene Säumniszuschläge für die [X.] nach dem 31.12.2009 betrifft.

3

Im Revisionsverfahren wird zu entscheiden sein, ob sich die Zweifel an der Vereinbarkeit der nach der Abgabenordnung ([X.]) festzusetzenden Zinsen gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] mit dem Grundgesetz --[X.]-- (vgl. Verfahren vor dem [X.] --[X.]-- 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17; Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 25.04.2018 - IX B 21/18, [X.], 431, [X.], 415, zu § 233a [X.], und vom 03.09.2018 - VIII B 15/18, [X.], 1279; vgl. auch anhängige Verfahren vor dem [X.] 15/17, [X.] und [X.]; Schreiben des [X.] --BMF-- vom 14.12.2018 - IV A 3 - S 0465/18/10005-01, 2018/1019336, BStBl I 2018, 1393, ergänzt durch BMF-Schreiben vom [X.] - S 0465/19/10004:001, 2019/1038543, BStBl I 2019, 1266) auch auf Säumniszuschläge gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 [X.] übertragen lassen.

4

Im Übrigen ergeht der Beschluss nach § 116 Abs. 5 Satz 2 letzte Alternative [X.]O insoweit ohne Begründung.

5

2. Soweit sich die Beschwerde auf Säumniszuschläge für die [X.] bis zum 31.12.2009 bezieht, ist sie unbegründet, sofern sie den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O i.V.m. § 115 Abs. 2 [X.]O entspricht. Für die [X.] bis zum 31.12.2009 gibt es keinen Grund, an der Vereinbarkeit des § 240 [X.] mit dem [X.] zu zweifeln (für das [X.] zu § 233a [X.] noch ablehnend [X.]-Urteil vom 09.11.2017 - III R 10/16, [X.], 9, [X.], 255).

6

a) Die Revision ist nicht wegen eines [X.] von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O zuzulassen.

7

(1) Ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.]) liegt nicht vor.

8

(a) Die Übertragung auf den Einzelrichter entsprach § 6 [X.]O.

9

Eine Besetzungsrüge (vgl. §§ 116 Abs. 1 Nr. 1 und 119 Nr. 1 [X.]O) mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 [X.]O für eine Übertragung auf den Einzelrichter hätten nicht vorgelegen, kann nur ausnahmsweise Erfolg haben, etwa, wenn sich der Einzelrichter selbst bestellt hat oder wenn ihm der Rechtsstreit statt durch Senatsbeschluss durch Verfügung des Vorsitzenden zugewiesen wurde, wenn gegen § 6 Abs. 2 oder § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.]O verstoßen wurde oder wenn sich die Übertragung auf den Einzelrichter aus sonstigen Gründen als greifbar gesetzeswidrig erweist (vgl. etwa [X.] vom 19.01.1994 - II R 69/93, [X.] 1994, 725). Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.]O erfolgt die Übertragung auf den Einzelrichter außerhalb der mündlichen Verhandlung durch Senatsbeschluss in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und ohne ehrenamtliche [X.]. Einer vorherigen Anhörung der Beteiligten bedarf es dabei nicht (Senatsbeschluss vom 09.01.2002 - VII B 275/01, [X.] 2002, 926; [X.] vom 16.09.1999 - XI R 83/97, [X.] 2000, 332).

Im Streitfall gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass andere als die geschäftsplanmäßig zuständigen drei Berufsrichter an dem Beschluss, mit dem die Streitsache auf den Vorsitzenden übertragen wurde, mitgewirkt haben könnten, dass dieser nicht der geschäftsplanmäßig zuständige [X.] war oder dass der Beschluss aus sonstigen Gründen gesetzeswidrig gewesen sein könnte. Die Übertragung auf den Einzelrichter rechtfertigt somit die Zulassung der Revision nicht.

(b) Der Einzelrichter war nicht gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]O, § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) wegen der Besorgnis der Befangenheit von einer Mitwirkung an dem Verfahren ausgeschlossen.

Die Kläger haben das Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit vom 18.02.2019 im Wesentlichen damit begründet, der Einzelrichter habe nur einem ersten Terminverlegungsantrag entsprochen, jedoch eine erneute Verlegung der mündlichen Verhandlung bis Anfang April 2019 zu Unrecht abgelehnt. Auch habe der [X.] das Verfahren nicht gemäß § 74 [X.]O ausgesetzt, weshalb eine ordnungsgemäße Verhandlungsführung durch ihn nicht zu erwarten sei. Dieser Antrag wurde durch Senatsbeschluss vom [X.] in einer Besetzung ohne den abgelehnten [X.] zurückgewiesen. Die Begründung dieses Beschlusses ist nicht willkürlich und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

In der (im Hinblick auf eine Erkrankung des Einzelrichters auf den 03.04.2019 verlegten) mündlichen Verhandlung lehnte der Prozessbevollmächtigte den [X.] erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da er über die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 [X.]O keine sofortige Entscheidung getroffen habe.

Dieses ohne neue oder ergänzende Erwägungen vorgetragene Ablehnungsgesuch hat der [X.] zu Recht in der Vorentscheidung als unzulässig verworfen, da inzident bereits mit Beschluss vom [X.] entschieden worden war, dass die Ablehnung der Aussetzung des einen [X.] betreffenden Verfahrens gemäß § 74 [X.]O keine Besorgnis der Befangenheit begründe (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 51 Rz 34, m.w.N.).

(2) Ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) liegt auch nicht deshalb vor, weil das Finanzgericht ([X.]) das Verfahren nicht ausgesetzt, sondern in der Sache durch Urteil entschieden hat.

(a) Die Bescheidung des Aussetzungsantrages im (angefochtenen) Urteil statt durch gesonderten Beschluss stellt keinen Verfahrensmangel dar ([X.]-Urteil vom 14.07.1992 - V R 91/85, [X.] 1995, 836, unter [X.] [Rz 40], m.w.N.).

(b) Unterlässt das [X.] eine gebotene Aussetzung des Verfahrens nach § 74 [X.]O, liegt darin zwar ein Verfahrensfehler i.S. eines Verstoßes gegen die Grundordnung des Verfahrens ([X.]-Urteil vom 16.05.2013 - V R 23/12, [X.], 242, [X.], 325, Rz 16, m.w.N.). Voraussetzung für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 [X.]O ist jedoch, dass die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Eine Abhängigkeit zwischen zwei anhängigen Verfahren in diesem Sinne besteht, wenn der Ausgang des einen (möglicherweise auszusetzenden) Rechtsstreits von dem anderen in der Sache beeinflusst werden kann ([X.] vom 02.03.2017 - II B 33/16, [X.], 27, [X.], 646, Rz 12; [X.]-Urteil in [X.], 242, [X.], 325, Rz 17).

Inwiefern diese Voraussetzungen in Bezug auf den streitgegenständlichen [X.] erfüllt sein könnten, ist nicht substantiiert dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich.

Selbst wenn die Kläger --wie sie [X.] erreichen könnten, dass die Gewinne des [X.] aus seinen drei Kanzleien/Praxen wegen Feststellungsverjährung nicht mehr gesondert festgestellt werden können (wofür keine Anhaltspunkte bestehen), würde das nicht dazu führen, dass die bereits ergangenen Einkommensteuerbescheide (Folgebescheide) nichtig sind. Die Einkommensteuerbescheide sind gemäß §§ 171 Abs. 10, 179 ff., 182 Abs. 1 [X.] anzupassen, sobald Grundlagenbescheide, etwa Bescheide über die gesonderte Gewinnfeststellung, erlassen, geändert oder aufgehoben werden, und allenfalls rechtswidrig, wenn sie nicht an die Bescheidlage der Grundlagenbescheide angepasst werden. Dass die Festsetzung der Einkommensteuer einschließlich des Solidaritätszuschlags wegen des Fehlens oder der Fehlerhaftigkeit eines Feststellungsbescheides nichtig ist, kommt so selten vor, dass es eines eingehenden Vortrags bedurft hätte, weshalb dies im Streitfall in Betracht kommen könnte. Entsprechendes gilt für die Festsetzung der Vorauszahlungen.

Auch hinsichtlich der im [X.] genannten Säumniszuschläge besteht keine Abhängigkeit i.S. des § 74 [X.]O von den anhängigen Feststellungsverfahren oder den die Einkommensteuer(vorauszahlungs)bescheide (einschließlich Festsetzung des Solidaritätszuschlags) betreffenden Verfahren; Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Steuerbescheide bestehen, wie ausgeführt, nicht.

Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Säumniszuschläge zu entrichten, falls eine Steuer nicht bis zum Ablauf des [X.] gezahlt wird. Solange die Einkommensteuer(vorauszahlung) bzw. die [X.] wirksam (nicht notwendig rechtmäßig) festgesetzt sind, können Säumniszuschläge anfallen. Nach § 240 Abs. 1 Satz 4 [X.] bleiben die verwirkten Säumniszuschläge unberührt, wenn die Festsetzung einer Steuer aufgehoben oder geändert wird. Einwendungen gegen die Höhe der Säumniszuschläge können nach der Senatsrechtsprechung ggf. im Erlassverfahren geltend gemacht werden (vgl. Senatsurteil vom 17.09.2019 - VII R 31/18, [X.], 113).

Dieses (grundsätzlich, vgl. Senatsurteil vom 19.12.2000 - VII R 63/99, [X.], 524, [X.] 2001, 217, unter [X.] [Rz 7]) zweistufige Verfahren --Anfall der Säumniszuschläge kraft Gesetzes und Einzelfallprüfung im [X.] ist mit Verfassungsrecht (vgl. [X.]-Beschluss vom 30.01.1986 - 2 BvR 1336/85, juris; [X.]-Urteil vom 20.05.2010 - V R 42/08, [X.], 83, [X.] 2010, 955, Rz 21; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 240 [X.] Rz 19; [X.]/Rüsken, [X.], 14. Aufl., § 240 Rz 23; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 240 [X.] Rz 4) und Unionsrecht vereinbar (vgl. [X.] in [X.], § 240 [X.] Rz 20).

Im Streitfall ist kein Grund ersichtlich, die Würdigung des [X.] in Frage zu stellen, nach der die Einkommensteuerbescheide wirksam und nicht nichtig waren. Die Kläger haben lediglich vorgetragen, dass gegen bestimmte gesonderte Feststellungsbescheide Verfahren anhängig seien und dass der [X.] ein finanzgerichtliches Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen habe. Selbst wenn (was fraglich ist) die Einkünfte des [X.] aus seiner Berufstätigkeit in den Streitjahren im Ergebnis nicht versteuert werden müssen, gibt es im Streitfall keinen Grund zu der Annahme, dass die Einkommensteuerbescheide (von Anfang an) nichtig gewesen sein könnten oder dass die Kläger in dem nach dem [X.] maßgeblichen [X.]punkt keine Einkommensteuervorauszahlungen, keinen Solidaritätszuschlag und keine Säumniszuschläge schuldeten. Sollte es zu einer Herabsetzung der Steuern bzw. des Solidaritätszuschlags kommen, steht es ihnen frei, einen neuen [X.] zu beantragen. Einwendungen gegen die Höhe der Säumniszuschläge wären ggf. in einem Erlassverfahren geltend zu machen (vgl. Senatsurteil in [X.], 113).

(c) Eine Aussetzung des Verfahrens kann auch dann entsprechend der Vorschrift des § 74 [X.]O geboten sein, wenn vor dem [X.] ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, zahlreiche Parallelverfahren vorliegen, keiner der Verfahrensbeteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim [X.] anhängigen Verfahrens hat und die Musterverfahren und das Klageverfahren hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Streitfrage im Wesentlichen gleichgelagert sind ([X.] in [X.], 27, [X.], 646; [X.]-Urteil vom 05.02.2015 - III R 19/14, [X.]E 249, 441, [X.] 2015, 840, Rz 27, m.w.N.). Aber auch diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

(3) Das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 [X.], § 96 Abs. 2 [X.]O) der Kläger wurde nicht dadurch verletzt, dass kein Vertreter des [X.] an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat.

Der Grundsatz, dass ein Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden kann, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (vgl. etwa [X.]-Beschlüsse vom 10.12.2012 - VI B 135/12, [X.] 2013, 569, und vom 20.06.1974 - IV B 55-56/73, [X.]E 113, 4, [X.] 1974, 637), richtet sich an das Gericht. Er beinhaltet nicht, dass das Erscheinen der anderen Partei in jedem Fall erzwungen werden kann oder muss, zumal wenn die Haltung der anderen Partei --wie im [X.] aus dem Schriftwechsel im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bekannt ist.

Das Recht der Kläger auf rechtliches Gehör wurde im Streitfall somit nicht dadurch verletzt, dass das [X.] nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und infolgedessen darauf verzichtet hat, seine Auffassung noch einmal mündlich vorzutragen. Es ist nicht ersichtlich, dass oder weshalb sich der Prozessbevollmächtigte nur in Gegenwart eines Vertreters des [X.] zu den relevanten Sach- und Rechtsfragen hätte äußern können, oder dass irgendwelche Rechte der Kläger durch die Nichtteilnahme des [X.] an der mündlichen Verhandlung verletzt worden sein könnten.

(4) Die [X.] der Versagung des rechtlichen Gehörs im Übrigen und des Erlasses einer Überraschungsentscheidung (Art. 103 Abs. 1 [X.], § 96 Abs. 2 [X.]O), eines Verstoßes gegen die richterlichen Hinweispflichten gemäß § 76 Abs. 2 [X.]O, der mangelhaften Sachverhaltsaufklärung (§ 76 [X.]O), der mangelnden Beweiserhebung und -würdigung (§ 81 [X.]O), der fehlerhaften Sachverhaltsdarstellung im Urteil und eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten usw. sind in keiner Weise substantiiert und damit nicht ordnungsgemäß erhoben. Gleiches gilt für die Behauptung, der [X.] habe weitere offensichtliche Pflichtverletzungen begangen, er habe den Anspruch der Kläger auf ein faires Verfahren verletzt, er habe sich gesetz- und sachwidrige Rechts- und [X.] zuschulden kommen lassen etc.

(a) Eine schlüssige Rüge eines Verstoßes gegen den Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 [X.]O, Art. 103 Abs. 1 [X.]) hätte vorausgesetzt, dass konkret unter Angabe der Fundstelle benannt wird, welches Vorbringen das [X.] vermeintlich unberücksichtigt gelassen hat. Auch wäre aufzuzeigen gewesen, aus welchen Gründen dem Urteil entnommen werden kann, dass das Gericht das Vorbringen nicht in Erwägung gezogen hat (Senatsbeschlüsse vom 11.11.2015 - VII B 74/15, [X.] 2016, 370, und vom 15.12.2008 - VII B 24/08, [X.] 2009, 1124, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Die Kläger behaupten lediglich, dass das Gericht Tatsachen nicht beachtet habe, die seine Entscheidung hätten beeinflussen können, ohne konkrete Angaben zu machen und ohne entsprechende Fundstellen in den Akten zu benennen.

(b) Wird die Verletzung der Sachaufklärungspflicht gerügt, muss dargelegt werden, weshalb sich auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des [X.] eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Dies erfordert nicht nur die genaue Angabe des [X.] und der Beweismittel, die das Gericht nicht berücksichtigt hat. [X.] ist darüber hinaus die Darlegung, welches Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme nach Auffassung der Kläger erbracht hätte und wieso dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des [X.] hätte führen können (vgl. Gräber/Ratschow, a.a.[X.], § 116 Rz 48 f.). Die Beschwerdebegründung genügt schon diesen Anforderungen nicht. Überdies geht das [X.] bei verzichtbaren Verfahrensmängeln (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 ZPO), zu denen auch die Verletzung der Sachaufklärungspflicht gehört, schon durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren. Anders kann dies bei einem fachkundig vertretenen Verfahrensbeteiligten nur dann sein, wenn er aufgrund des Verhaltens des [X.] die Rüge für entbehrlich halten durfte ([X.] vom 27.11.2017 - IX B 144/16, [X.], 218). Die fachkundig vertretenen Kläger haben indes in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] keinen Beweisantrag gestellt und auch das Unterlassen einer von Amts wegen --auch ohne entsprechenden Beweisantrag-- gebotenen Sachaufklärung nicht gerügt. Sie haben auch keinen Sachverhalt geschildert, aufgrund dessen eine solche Rüge entbehrlich hätte sein können.

(c) [X.] in einem § 105 Abs. 2 Nr. 5 [X.]O verletzenden Ausmaß, also Mängel, die dazu führen, dass die vom [X.] fixierten Entscheidungsgründe zum Nachweis der Rechtmäßigkeit des Urteilsspruchs ungeeignet erscheinen und den Beteiligten keine (hinlängliche) Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Erwägungen das Urteil beruht (vgl. [X.] vom 26.09.2012 - III B 222/10, [X.] 2013, 71, Rz 39), sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

(d) Soweit die Kläger der Auffassung sind, dass der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten und Unklarheiten enthält, die über Schreib-, Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten hinausgehen, hätten sie binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestands stellen müssen (§ 108 Abs. 1 [X.]O).

(e) Die Beschwerde reiht auch im Übrigen lediglich allgemeine Rechtsgrundsätze, Gesetzes- und Urteilszitate aneinander, ohne den notwendigen Bezug zum konkreten Fall herzustellen. Sie hat z.B. nicht dargelegt, wie sich das behauptete Fehlverhalten des [X.]s geäußert haben soll, welche Anträge nicht verbeschieden worden sein sollen oder in welchen Punkten das "Prozedere" von dem "normalerweise üblichen Verfahren" abgewichen sein soll. Auf derartige Darlegungen konnte die Beschwerde auch nicht verzichten, da ein Fehlverhalten nach Aktenlage nicht erkennbar ist.

b) Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 1 [X.]O) zuzulassen, soweit die Vorentscheidung Säumniszuschläge für die [X.] bis zum 31.12.2009 betrifft.

Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Erforderlichkeit der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 [X.]O) sind nicht nur hinreichend bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche, abstrakte Rechtsfragen zu formulieren, sondern es ist auch schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschlüsse vom 12.09.2013 - VII B 5/13, [X.] 2014, 78, und vom 28.08.2003 - VII B 260/02, [X.] 2004, 69).

Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht; sie behauptet die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Fragen lediglich und setzt sich u.a. nicht mit Rechtsprechung und Literatur auseinander.

Im Übrigen wurde bereits ausgeführt, dass ein Klageverfahren gegen einen [X.] gemäß § 74 [X.]O nicht zwingend bis zur Bestandskraft des [X.] auszusetzen ist; dies gilt auch dann, wenn der [X.] über einen Vorauszahlungsbescheid zur Einkommensteuer ergangen ist. Die Beantwortung der Frage, ob ein Klageverfahren gegen einen [X.] gemäß § 74 [X.]O bis zur Feststellung der Nichtigkeit der Einkommensteuerbescheide bzw. des [X.] zur Einkommensteuer zwingend gemäß § 74 [X.]O hätte ausgesetzt werden müssen, liefe auf ein Rechtsgutachten hinaus, weshalb eine Zulassung der Revision nicht in Betracht kommt (vgl. etwa [X.] vom 29.02.2012 - I B 88/11, [X.] 2012, 1089). Die Frage stellt sich zudem im Streitfall nicht, da keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Einkommensteuer(vorauszahlungs)bescheide nichtig sind.

c) Die Revision ist schließlich auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) zuzulassen, soweit die Vorentscheidung Säumniszuschläge für [X.]en bis zum 31.12.2009 betrifft.

Für die Zulassung der Revision zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 16.04.2002 - X B 140/01, [X.] 2002, 1046; vom 02.05.2002 - VI B 158/99, [X.] 2002, 1051, unter 2.) noch die fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls (vgl. [X.] in [X.] 2002, 1046) noch bloße Subsumtionsfehler des [X.] aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung der Entscheidung des [X.] mit der finanzgerichtlichen Rechtsprechung im Grundsätzlichen oder eines offensichtlichen (materiellen oder formellen) Rechtsanwendungsfehlers des [X.] von erheblichem Gewicht i.S. einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 14.08.2001 - XI B 57/01, [X.] 2002, 51, unter 2.b am Ende; vom 30.08.2001 - IV B 79, 80/01, [X.]E 196, 30, [X.] 2001, 837, unter [X.]3.b; vom 28.06.2002 - III B 28/02, [X.] 2002, 1474; vom 24.07.2002 - III B 54/02, [X.] 2002, 1488). Die schlüssige Darlegung einer Abweichung erfordert u. a., dass der Beschwerdeführer kenntlich macht, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Divergenz vorliegt. In der Beschwerdebegründung müssen abstrakte (tragende) Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der höchstrichterlichen Divergenzentscheidung gegenübergestellt und so genau bezeichnet werden, dass eine Abweichung erkennbar wird (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 15.09.1999 - VIII B 47/99, [X.] 2000, 329; vom 25.04.2002 - II B 24/01, [X.] 2002, 1311; Senatsbeschluss vom [X.] - VII B 41/01, [X.] 2002, 932). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie reiht auch hier lediglich allgemeine Rechtsgrundsätze, Gesetzes- und Urteilszitate aneinander, ohne den notwendigen Bezug zum konkreten Fall herzustellen und ohne abstrakte (tragende) Rechtssätze des angefochtenen Urteils und einer höchstrichterlichen Divergenzentscheidung so gegenüberzustellen und so genau zu bezeichnen, dass eine Abweichung erkennbar wird.

d) Im Übrigen tragen die Kläger letztlich nur vor, dass das Gericht rechtsfehlerhaft entschieden habe bzw. nicht ihrer, sondern der Auffassung des [X.] gefolgt sei; dies genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge nicht (vgl. etwa Senatsbeschluss in [X.] 2014, 78).

e) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 erste Alternative [X.]O ab.

3. [X.] beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 [X.]O.

Meta

VII B 53/19

14.04.2020

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 3. April 2019, Az: 12 K 1952/17, Urteil

§ 240 AO, § 6 FGO, § 74 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 105 FGO, § 108 FGO, § 115 FGO, § 116 FGO, § 119 Nr 1 FGO, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 85 AO, § 227 AO, § 91 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.04.2020, Az. VII B 53/19 (REWIS RS 2020, 3554)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3554

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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