Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.09.2023, Az. VIII B 64/22 (AdV)

8. Senat | REWIS RS 2023, 6565

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Gegenstand

Aussetzung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheids über Säumniszuschläge


Leitsatz

NV: Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung, soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind (Anschluss an Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 23.05.2022 - V B 4/22 (AdV), BFHE 276, 535 und vom 31.08.2021 - VII B 69/21 (AdV)).

Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 11.11.2022 - [X.]/22 (AdV) wird aufgehoben.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des [X.] vom 25.04.2022 -

12 V 570/22 AO aufgehoben.

Die Vollziehung des Abrechnungsbescheids vom 01.09.2022 über Säumniszuschläge zur Einkommensteuer für das erste Quartal 2021 wird rückwirkend ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung oder einer anderweitigen Beendigung des [X.] aufgehoben.

Der Antrag der Antragsteller auf Aufhebung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids vom 01.09.2022 über Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 2019 und zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2019 wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Säumniszuschlägen zur Einkommensteuer 2019, zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2019 sowie zur Einkommensteuervorauszahlung für das erste Quartal 2021.

2

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --[X.]--) erließ am 10.01.2022 entsprechende [X.], gegen die sich die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) mit dem Einspruch und einem Antrag auf Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung (AdV) wandten.

3

Das [X.] lehnte die begehrte AdV ab und stellte die gegen die [X.] erhobenen Einsprüche im Hinblick auf das beim [X.] ([X.]) anhängige Revisionsverfahren VII R 55/20 ruhend. Hierauf beantragten die Antragsteller beim Finanzgericht ([X.]) die AdV der angefochtenen [X.].

4

Das [X.] gab dem [X.] mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1083 veröffentlichten Beschluss vom 25.04.2022 - 12 V 570/22 [X.] statt. Es war der Auffassung, die Rechtmäßigkeit der in den [X.]n ausgewiesenen Säumniszuschläge sei ernstlich zweifelhaft, soweit die Säumniszuschläge --wie im [X.] nach dem 31.12.2018 entstanden seien. Die ernstlichen Zweifel ergäben sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zur Verfassungsmäßigkeit der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen nach § 233a [X.]. § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) daraus, dass auch Säumniszuschlägen nicht nur die Funktion eines Druckmittels, sondern die einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern, mithin auch eine zinsähnliche Funktion zukomme.

5

Der hiergegen vom [X.] zugelassenen Beschwerde des [X.] hat das [X.] mit Beschluss vom [X.] nicht abgeholfen.

6

Das [X.] macht mit der Beschwerde geltend, die AdV sei im Streitfall bereits deswegen abzulehnen, weil den Antragstellern das besondere [X.] fehle. Ein solches besonderes [X.] sei erforderlich, wenn die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des zugrundeliegenden Gesetzes beruhten. Zwar werde auch in diesen Fällen dem [X.] des Steuerpflichtigen der Vorrang vor dem öffentlichen [X.] eingeräumt, wenn das [X.] eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt habe. Das sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Entscheidung des [X.] vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 ([X.]E 158, 282) zur Höhe der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen nach § 233a [X.]. § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei nicht auf Säumniszuschläge übertragbar, weil sich der Normzweck des § 240 [X.] erheblich von dem des § 233a [X.] unterscheide. Bei Säumniszuschlägen handele es sich nicht in erster Linie um Zinsen, sondern um ein Sanktionsmittel eigener Art.

7

Das [X.] beantragt,
den Beschluss des [X.] Münster vom 25.04.2022 - 12 V 570/22 [X.] aufzuheben und den Antrag auf AdV abzulehnen.

8

Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde des [X.] zurückzuweisen.

9

Während des [X.] erließ das [X.] unter dem 01.09.2022 einen geänderten Abrechnungsbescheid, in dem Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 2019 und zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2019 nach Erlass in Höhe von jeweils 0 € ausgewiesen sind. Eine Abschrift des geänderten Abrechnungsbescheids wurde dem beschließenden Senat jedoch erst nach Bekanntgabe des Beschlusses vom 11.11.2022 - VIII B 64/22 (AdV) zu den Akten gereicht.

Entscheidungsgründe

[X.]

1. Die nach § 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) statthafte Beschwerde des [X.] führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des [X.]. Denn Gegenstand des finanzgerichtlichen [X.] waren die [X.] vom 10.01.2022 über Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 2019, zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2019 und zur Einkommensteuervorauszahlung für das erste Quartal 2021. Damit liegen dem Beschluss des [X.] nicht mehr existierende Bescheide zugrunde mit der Folge, dass die gewährte [X.] ebenfalls gegenstandslos geworden ist (vgl. [X.] vom 12.09.2011 - [X.]I B 70/09, Rz 6, m.w.[X.]). Entsprechendes gilt für den Beschluss des Senats vom 11.11.2022 - [X.]I B 64/22 ([X.]). Auch er ist deshalb aufzuheben.

2. [X.] ist analog § 68 Satz 1 [X.]O Gegenstand des [X.] geworden. Denn § 68 [X.]O gilt entsprechend im gerichtlichen Aussetzungsverfahren ([X.] vom 12.09.2011 - [X.]I B 70/09, Rz 7). Eine Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Entscheidung ist zwar zulässig, aber vorliegend nicht zweckmäßig. Die Sache ist spruchreif. Die Feststellungen des [X.] und die vorliegende Akte des [X.] reichen im Hinblick auf den geänderten [X.] aus, um über den [X.] abschließend entscheiden zu können.

3. Der Antrag der Antragsteller, die Vollziehung des [X.]s vom 01.09.2022 über Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 2019 und zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2019 aufzuheben, ist mangels Beschwer abzulehnen. Denn aufgrund des zwischenzeitlichen Erlasses der Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 2019 und zum Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2019 steht fest, dass die Antragsteller hinsichtlich dieser Beträge nicht mehr in Anspruch genommen werden können. Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller für ihr Aussetzungsbegehren ist daher insoweit entfallen (vgl. [X.] vom 30.01.2007 - [X.] B 338/05, [X.], 1372, unter [X.] [Rz 10]; [X.]-Urteil vom 26.02.1985 - [X.] R 134/81, [X.] 1987, 205, unter [X.]b [Rz 16]).

4. Der sinngemäße Antrag der Antragsteller, die Vollziehung des [X.]s vom 01.09.2022 über Säumniszuschläge zur Einkommensteuer für das erste Quartal 2021 aufzuheben, ist begründet.

a) Der [X.] vom 01.09.2022 enthält zwar keine ausdrückliche Regelung über Säumniszuschläge zur Einkommensteuer für das erste Quartal 2021. Da der Bescheid jedoch den [X.] vom 10.01.2022 geändert hat und gemäß § 68 [X.]O an dessen Stelle getreten ist, hat dieser den Bescheid vom 10.01.2022 in seinen Regelungsinhalt mit aufgenommen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des [X.] des [X.] vom 25.10.1972 - GrS 1/72, [X.]E 108, 1, [X.] 1973, 231; [X.]-Urteile vom 24.07.1984 - [X.] R 122/80, [X.]E 141, 470, [X.] 1984, 791 und vom 07.11.2006 - [X.]I R 18/98, [X.], 667). Daraus folgt für den Streitfall, dass die im [X.] vom 10.01.2022 getroffene Regelung zu den Säumniszuschlägen zur Einkommensteuer für das erste Quartal 2021 --jedenfalls konkludent-- in den Regelungsinhalt des [X.]s vom 01.09.2022 aufgenommen wurde, zumal keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das [X.] auch diese Säumniszuschläge erlassen hat oder aus anderen Gründen als gegenstandslos betrachtet.

b) Nach § 128 Abs. 3 [X.]. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 [X.]O ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung (§ 69 Abs. 2 Satz 7 [X.]O).

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids, neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 30.03.2021 - V B 63/20 ([X.]) und vom 08.04.2009 - I B 223/08, [X.] 2009, 1437). Dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen, wird dabei nicht vorausgesetzt (vgl. [X.] vom 15.04.2020 - IV B 9/20 ([X.]), m.w.[X.]). Ernstliche Zweifel können auch verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] vom 04.07.2019 - [X.]I B 128/18, m.w.[X.]).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die begehrte Aufhebung der Vollziehung in Bezug auf die Säumniszuschläge zur Einkommensteuer für das erste Quartal 2021 zu gewähren.

aa) Nach dem Beschluss des [X.] vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 ([X.]E 158, 282) verstößt § 233a [X.]. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes und ist daher verfassungswidrig, soweit die Regelung auf Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 zur Anwendung gelangt. Aufgrund einer Fortgeltungsanordnung für die Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 ist der Zinssatz von 6 % pro Jahr für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 nicht mehr anwendbar.

bb) Das [X.] hat festgestellt, dass andere Verzinsungstatbestände der Abgabenordnung einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Wertung bedürfen ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 241 f.). Sowohl der [X.]. Senat des [X.] als auch der [X.] des [X.] haben jedoch auch im [X.] an die Entscheidung des [X.] ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge geäußert, soweit Säumniszuschlägen nicht die Funktion eines Druckmittels zukommt, sondern sie die Funktion einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern haben --zinsähnliche Funktion-- (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 26.05.2021 - [X.] B 13/21 ([X.]) mit Hinweis u.a. auf [X.] vom 14.04.2020 - [X.] B 53/19; vom 23.05.2022 - V B 4/22 ([X.])). Soweit nach dem Beschluss des [X.] hinsichtlich anderer Verzinsungstatbestände zu berücksichtigen sei, dass Steuerpflichtige im Bereich der Teilverzinsungstatbestände grundsätzlich die Wahl hätten, ob sie den [X.] verwirklichen oder ob sie die Steuerschuld tilgen und sich im Bedarfsfall die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung der Steuerschuld anderweitig zu günstigeren Konditionen beschaffen ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 243), müsse im Hauptsacheverfahren geklärt werden, welche Bedeutung diesen Überlegungen in Bezug auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe in § 240 AO zukomme.

cc) Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und teilt bei der gebotenen summarischen Prüfung die ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe in § 240 AO. Denn es ist in der Rechtsprechung und überwiegend auch im Schrifttum anerkannt, dass Säumniszuschlägen auch die Funktion einer Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zukommt (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 23.08.2022 - [X.] R 21/21, [X.]E 278, 1, [X.] 2023, 304, Rz 32; vom 17.09.2019 - [X.] R 31/18, [X.]E 266, 113, [X.] 2023, 221, Rz 22 und vom 24.04.2014 - V R 52/13, [X.]E 245, 105, [X.] 2015, 106, Rz 13; [X.], Abgabenordnung, 4. Aufl., § 240 Rz 3; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 240 AO Rz 13; [X.]/[X.], [X.], 422, 427 f.; Steck, [X.] Steuer-Zeitung 2019, 143, 144 ff.). Der Umstand, dass Säumniszuschläge nicht ausschließlich zinsähnlichen Charakter haben, sondern ihnen auch die Funktion eines Druckmittels zukommt, das den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung fälliger Steuern anhalten, also verhaltenslenkend wirken und zugleich entstandenen Verwaltungsaufwand ausgleichen soll, steht der Annahme ernstlicher Zweifel in Bezug auf die Höhe der Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO nicht entgegen. Vielmehr führt das Bestehen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe in § 240 Abs. 1 Satz 1 AO dazu, dass die streitgegenständlichen Säumniszuschläge in voller Höhe von der Vollziehung auszusetzen sind, da es keine Teilverfassungswidrigkeit in Bezug auf einen bestimmten Zweck einer Norm gibt (vgl. bereits [X.] vom 04.07.2019 - [X.]I B 128/18, Rz 16 zu ernstlichen Zweifeln bei Aussetzungszinsen; gleiche Ansicht [X.] vom 23.05.2022 - V B 4/22 ([X.]), Rz 47 zu Säumniszuschlägen).

d) Anders als das [X.] meint, ist auch ein berechtigtes Interesse der Antragsteller an der [X.] des angefochtenen [X.]s zu bejahen. Dabei kann offen bleiben, ob es in den Fällen, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit der dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm beruhen, eines besonderen Aussetzungsinteresses bedürfen (vgl. zum Streitstand [X.] vom 23.05.2022 - V B 4/22 ([X.]), Rz 22 f., m.w.[X.]; vgl. auch [X.]-Beschluss vom 06.05.2013 - 1 BvR 821/13, [X.] 2013, 639, Rz 7). Jedenfalls im Streitfall fällt die Interessenabwägung zugunsten der Antragsteller aus. Bei dieser Abwägung hat sich der Senat davon leiten lassen, dass die Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit hinsichtlich der Höhe der Säumniszuschläge nach § 240 AO von hinreichendem Gewicht sind, zumal die Entscheidung des [X.] zur Verfassungswidrigkeit der Zinshöhe nach § 233a [X.]. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282) bei der gebotenen summarischen Prüfung auch eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung des in den Säumniszuschlägen enthaltenen Zinsanteils erforderlich erscheinen lässt (vgl. aber Entwurf eines [X.] zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung, [X.] 157/22, S. 6). Außerdem ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Gewährung der [X.] im Streitfall das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung berühren könnte. Angesichts dessen ist dem Interesse der Antragsteller an einer [X.] des angefochtenen [X.]s Vorrang zu geben.

e) Aus der Entscheidung des [X.] vom 04.05.2022 - 2 BvL 1/22 zur Unzulässigkeit einer Richtervorlage hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge nach § 193 Abs. 6 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes ([X.]) folgt für den Streitfall nichts anderes. Das [X.] hat seine Entscheidung maßgeblich damit begründet, das vorlegende Gericht habe bereits nicht hinreichend im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes dargelegt, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 193 Abs. 6 Satz 2 [X.] im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich sei und inwiefern von der Verfassungswidrigkeit dieser Norm ausgegangen werden könne ([X.]-Beschluss vom 04.05.2022 - 2 BvL 1/22, Rz 20 ff. und 25 ff.). Ein entscheidungstragender Rechtssatz, dass die Grundsätze der Rechtsprechung des [X.] zur Verfassungswidrigkeit der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen im Sinne des § 233a [X.]. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282) in der Sache nicht auf einen in den Säumniszuschlägen gemäß § 240 AO enthaltenen Zinsanteil zu übertragen seien, kann der Entscheidung des [X.] nach Auffassung des Senats nicht entnommen werden.

f) Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht im Sinne von § 11 Abs. 2 [X.]O von der Entscheidung des [X.] Senats des [X.] vom 20.09.2022 - II B 3/22 ([X.]) ab. Zwar hat der [X.] Senat des [X.] dort in Rz 18 die Gewährung der [X.] eines [X.]s über Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer mit der Begründung abgelehnt, dass sich im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des [X.] vom 04.05.2022 - 2 BvL 1/22 ein Gleichlauf der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Höhe von Zinsen nach § 233a AO und von Säumniszuschlägen nach § 240 AO verbiete. Eine Anrufung des [X.] des [X.] wegen einer Rechtsfrage im Verfahren der [X.], in dem die Rechtsfrage nicht abschließend zu beantworten ist, kommt jedoch nicht in Betracht ([X.] vom 15.04.2010 - IV B 105/09, [X.]E 229, 199, [X.] 2010, 971).

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1, § 138 Abs. 2 Satz 1 [X.]O.

Meta

VIII B 64/22 (AdV)

22.09.2023

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend BFH, 11. November 2022, Az: VIII B 64/22 (AdV), Beschluss

§ 240 Abs 1 S 1 AO, § 69 Abs 3 S 1 FGO, § 69 Abs 2 S 2 FGO, § 11 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.09.2023, Az. VIII B 64/22 (AdV) (REWIS RS 2023, 6565)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6565

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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