Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.09.2020, Az. I ZR 66/19

1. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 650

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Gegenstand

Urheberrechtliche Gerätevergütung: Indizwirkung der in einem gerichtlich festgesetzten Gesamtvertrag vereinbarten Vergütung; Nichtgewährung des im Gesamtvertrag vorgesehenen Gesamtvertragsnachlasses – Gesamtvertragsnachlass


Leitsatz

Gesamtvertragsnachlass

1. Eine indizielle Wirkung für die Angemessenheit einer Gerätevergütung kann nicht nur vertraglich vereinbarten, sondern auch gerichtlich festgesetzten Gesamtverträgen zukommen (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. März 2013 - I ZR 84/11, GRUR 2013, 1220 Rn. 20 = WRP 2013, 1627 - Gesamtvertrag Hochschul-Intranet).

2. Wird bei der gerichtlichen Festsetzung der Gerätevergütung einem Gesamtvertrag eine indizielle Wirkung für die Angemessenheit der Gerätevergütung entnommen, so stellt die Nichtgewährung des im Gesamtvertrag vorgesehenen Gesamtvertragsnachlasses eine mit Art. 20 EU-Grundrechtecharta und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbare sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 14. März 2019 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein Zusammenschluss [X.] Verwertungsgesellschaften, die urheberrechtliche Vergütungsansprüche für Vervielfältigungen im Wege der Bild- und Tonaufzeichnung nach § 54 [X.] in der vom 1. Januar 2008 bis zum 28. Februar 2018 geltenden Fassung (aF) geltend machen können. Die Beklagte stellt [X.] mit und ohne [X.] her. Die Klägerin macht gegen die Beklagte wegen des Inverkehrbringens solcher [X.] in den Jahren 2008 bis 2010 Ansprüche auf Zahlung der Vergütung nach §§ 54, 54a [X.] aF geltend.

2

Die Klägerin hat ihrer Berechnung der Vergütungshöhe folgende Vergütungssätze zugrunde gelegt, die sie einem unter ihrer Beteiligung geschlossenen Gesamtvertrag mit dem [X.] und neue Medien e.V. ([X.]) entnommen hat, dem die Beklagte nicht angehört:

[X.] Vergütung für [X.] (mit Ausnahme von [X.] gemäß folgender Ziffer II)

1. Im Ausland hergestellte und im Sinne von § 54b [X.] nach [X.] gewerblich eingeführte oder wieder eingeführte [X.]

a. [X.] mit [X.]: € 15,0625 je Stück

b. [X.] ohne [X.]: € 13,1875 je Stück

2. In [X.] hergestellte [X.]

a. [X.], in die der Hersteller [X.] eingebaut hat, den er im Sinne von § 54b [X.] nach [X.] gewerblich eingeführt oder wieder eingeführt hat: € 15,0625 je Stück

b. [X.], in die der Hersteller [X.] eingebaut hat, den er in [X.] bezogen hat: € 13,1875 je Stück

c. [X.] ohne [X.]: € 13,1875 je Stück

I[X.] Vergütung für [X.], die von den Herstellern/Importeuren direkt an gewerbliche Endabnehmer veräußert werden

1. Im Ausland hergestellte und im Sinne von § 54b [X.] nach [X.] gewerblich eingeführte oder wieder eingeführte [X.]

a. [X.] mit [X.]: € 5,875 je Stück

b. [X.] ohne [X.]: € 4 je Stück

2. In [X.] hergestellte [X.]

a. [X.], in die der Hersteller [X.] eingebaut hat, den er im Sinne von § 54b [X.] nach [X.] gewerblich eingeführt oder wieder eingeführt hat: € 5,875 je Stück

b. [X.], in die der Hersteller [X.] eingebaut hat, den er in [X.] bezogen hat: € 4 je Stück

c. [X.] ohne [X.]: € 4 je Stück

3

Die Klägerin hat auf der Grundlage der von der [X.] erteilten Auskunft die Verurteilung der [X.] zur Zahlung von insgesamt 951.878,99 € nebst Zinsen beantragt. Sie hat den zunächst gestellten Antrag auf Auskunft und Feststellung der Vergütungspflicht dem Grunde nach für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der ihr zugestellten Teilerledigungserklärung nicht widersprochen.

4

Das [X.] hat der Klage stattgegeben und die Revision beschränkt auf die Höhe der geltend gemachten Ansprüche zugelassen. Die von der [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision hinsichtlich des Anspruchsgrunds eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 28. Mai 2020 zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision der [X.] zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

5

I. Das [X.] hat die Klage für zulässig und begründet gehalten und zur Begründung ausgeführt:

6

Die Klage sei zulässig, da die Parteien ein Schiedsstellenverfahren vor der [X.] durchgeführt hätten.

7

Die Klage sei begründet, weil die Beklagte als Herstellerin und Importeurin der vergütungspflichtigen [X.] zur Zahlung der verlangten Vergütung verpflichtet sei. Die von der Klägerin zugrunde gelegten Vergütungssätze entsprächen den Vergütungssätzen (ohne den [X.] von 20%), die der [X.] in der Entscheidung "Gesamtvertrag [X.]", die zu dem von der Klägerin, der [X.] und der [X.] mit dem [X.] abgeschlossenen "Gesamtvertrag zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht gemäß §§ 54 ff. [X.] für [X.] für die [X.] vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2010" (nachfolgend: Gesamtvertrag [X.]) ergangen sei, als angemessen gebilligt habe. Diese Entscheidung entfalte gegenüber der [X.] zwar keine Rechtskraft, da sie als "Außenseiterin" nicht an dem [X.]verfahren beteiligt gewesen sei. Sie sei dem Gesamtvertrag auch nicht beigetreten. Die in der Entscheidung "Gesamtvertrag [X.]" niedergelegten Vergütungssätze hätten im Streitfall jedoch Indizwirkung, auch wenn die Beklagte auf die Verhandlungen keinen Einfluss habe nehmen können. Nicht nur bestünden Parallelen mit Blick auf die zu vergütenden Gerätearten und die betroffenen [X.]räume. Darüber hinaus sei die Vergütungsfestsetzung im "Gesamtvertrag [X.]"-Verfahren in einem Gerichtsverfahren über zwei Instanzen nach vorheriger Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens erfolgt. Eine vertragliche Einigung habe dort gerade nicht erzielt werden können, so dass es der gerichtlichen Festsetzung bedurft habe. Soweit der [X.] dort auf den ausgehandelten Gesamtvertrag für den [X.]raum ab 2011 als Vergleichsmaßstab abgestellt habe, enthalte dieser keine überhöhten Vergütungen.

8

Es sei zu vermuten, dass die in [X.] niedergelegten Vergütungssätze eher der angemessenen Vergütung entsprächen als empirisch errechnete Vergütungssätze. Darin, dass die Klägerin durch den Gesamtvertrag gebundenen Unternehmen einen Nachlass von 20% einräume, nicht aber der [X.], liege kein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Der [X.] habe die Teilnahme offengestanden; zudem gehe mit dem Abschluss des [X.] eine Verwaltungsvereinfachung für die Verwertungsgesellschaften einher.

9

Die von der Klägerin geforderte Vergütung sei auch nicht unverhältnismäßig. Insoweit habe die Beklagte eine Überschreitung der Kappungsgrenze des § 54a Abs. 4 [X.] nicht schlüssig dargelegt. Die Vergütung unterliege der Umsatzsteuer.

II. Die Revision der [X.] bleibt ohne Erfolg. Das [X.] hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass sich die von der [X.] gemäß § 54 Abs. 1 und § 54b Abs. 1 [X.] aF geschuldete Vergütung auf die zugesprochene Höhe beläuft.

1. Die Verurteilung der [X.] hinsichtlich der Pflicht zur Zahlung der Gerätevergütung dem Grunde nach ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens; insoweit ist das angegriffene Urteil rechtskräftig geworden.

2. Die von der Revision gegen die Bestimmung der Vergütungshöhe durch das [X.] vorgebrachten [X.] bleiben ohne Erfolg.

a) Nach den im Streitfall anwendbaren § 54 Abs. 1 und § 54b Abs. 1 [X.] aF hat der Urheber des Werkes gegen den Hersteller sowie den Importeur und den Händler von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme von Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] aF benutzt wird, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung, wenn nach der Art des Werkes zu erwarten ist, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] aF vervielfältigt wird.

b) Die Höhe der nach § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 [X.] aF geschuldeten Gerätevergütung entspricht der Höhe des Schadens, den Urheber und Leistungsschutzberechtigte dadurch erleiden, dass das jeweilige Gerät als Typ ohne ihre Erlaubnis tatsächlich für nach § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] aF zulässige Vervielfältigungen genutzt wird. Zum Ausgleich dieses Schadens ist grundsätzlich die angemessene Vergütung zu zahlen, die die Nutzer hätten entrichten müssen, wenn sie die Erlaubnis für die Vervielfältigungen eingeholt hätten ([X.], Urteil vom 19. November 2015 - I ZR 151/13, [X.], 792 Rn. 30 = [X.], 1123 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik; Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 212/14, [X.], 161 Rn. 37 = [X.], 193 - Gesamtvertrag Speichermedien).

aa) Nach § 54a Abs. 1 [X.] aF ist für die Vergütungshöhe maßgebend, in welchem Maß die Geräte und Speichermedien als Typen tatsächlich für Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] aF genutzt werden.

bb) Die in § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] aF vorgesehenen Beschränkungen des [X.] und der in § 54 Abs. 1 [X.] aF geregelte Anspruch auf angemessene Vergütung beruhen auf Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/[X.] zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des [X.]s und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und sind daher richtlinienkonform auszulegen.

Der "gerechte Ausgleich" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/[X.] soll den Urhebern die ohne ihre Genehmigung erfolgende Anfertigung von Kopien ihrer geschützten Werke vergüten und ist daher als Ersatz für den Schaden anzusehen, der ihnen durch eine solche ungenehmigte Kopie entsteht ([X.], Urteil vom 21. Oktober 2010 - [X.]/08, [X.]. 2010, [X.] = [X.], 50 Rn. 40 und 42 - Padawan; Urteil vom 27. Juli 2013 - [X.]/11 bis [X.]/11, [X.], 812 Rn. 31 und 32 = [X.], 1174 - [X.] u.a.; Urteil vom 10. April 2014 - [X.]/12, [X.], 546 Rn. 50 = [X.], 682 - [X.] u.a.; Urteil vom 12. November 2015 - [X.]/13, [X.], 55 Rn. 36 = [X.], 176 - [X.]; Urteil vom 21. April 2016 -[X.]/14, [X.]. 2016, 582 Rn. 19 - [X.]). Im Rahmen des ihnen bei der Bestimmung des gerechten Ausgleichs zustehenden weiten Ermessens bestimmen die Mitgliedstaaten, welche Personen diesen Ausgleich zu zahlen haben, und legen dessen Form, Einzelheiten und Höhe fest. Allerdings müssen der gerechte Ausgleich und folglich die ihm zugrundeliegende Regelung und seine Höhe einen Bezug zu dem Schaden haben, der den Rechteinhabern durch die Herstellung der Kopien entstanden ist ([X.], [X.], 50 Rn. 40 und 42 - Padawan/[X.]; [X.], Urteil vom 16. Juni 2011 - [X.]/09, [X.]. 2011, [X.] = [X.], 909 Rn. 23 und 24 - Stichting; Urteil vom 11. Juli 2013 - [X.]/11, [X.], 1025 Rn. 20 = [X.], 1169 - [X.] u.a.; Urteil vom 5. März 2015 - [X.]/12, [X.], 478 Rn. 20 und 21 = [X.], 706 - [X.]/[X.]; [X.], [X.]. 2016, 582 Rn. 18 und 19 - [X.]).

cc) Der Schaden, der den Urhebern durch die in § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] aF angeordnete Beschränkung ihres ausschließlichen Rechts entsteht, Vervielfältigungen ihrer Werke zu verbieten oder (gegen Zahlung einer Vergütung) zu gestatten, entspricht der Lizenzgebühr, die die Urheber für die Einräumung des Rechts zu den in § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] aF genannten Nutzungen ihrer Werke hätten erzielen können. Der Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 [X.] aF soll den Urhebern einen Ausgleich für die ihnen aufgrund der Einschränkung ihres [X.] gemäß § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] aF entgehenden individual-vertraglichen Lizenzeinnahmen verschaffen ([X.], [X.], 161 Rn. 43 - Gesamtvertrag Speichermedien, mwN).

c) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des [X.]s, die Vergütungssätze nach dem zwischen der Klägerin, der [X.] und der [X.] mit dem [X.] abgeschlossenen Gesamtvertrag [X.] entfalteten im vorliegenden Zusammenhang für die angemessene Vergütung eine indizielle Wirkung.

aa) In der Rechtsprechung des [X.]s ist anerkannt, dass die Festsetzung einer Vergütung für Geräte oder Speichermedien in einem Gesamtvertrag einen gewichtigen Anhaltspunkt für die Angemessenheit dieser Vergütung bieten kann (vgl. [X.], Urteil vom 20. März 2013 - [X.], [X.], 1220 Rn. 20 = [X.], 1627 - Gesamtvertrag [X.]; Urteil vom 16. März 2017 - [X.]/15, [X.] 2017, 839 Rn. 38). Dies gilt insbesondere, wenn ein solcher Vertrag zwischen den Parteien oder unter Beteiligung einer der Parteien geschlossen worden ist ([X.], Urteil vom 16. März 2017 - [X.], [X.], 694 Rn. 58 = [X.], 826 - Gesamtvertrag [X.]; Urteil vom 18. Mai 2017 - I ZR 266/15, [X.], 486 Rn. 29).

bb) Das [X.] hat danach rechtsfehlerfrei dem unter Beteiligung der Klägerin zustande gekommenen Gesamtvertrag eine indizielle Wirkung für die Bestimmung der angemessenen Vergütung zugemessen.

(1) Es unterliegt keinen Bedenken, solchen zeitlich und inhaltlich einschlägigen [X.], die nicht von Vertragsparteien geschlossen, sondern im Zuge eines streitigen Verfahrens gerichtlich festgesetzt wurden, gleichermaßen eine indizielle Wirkung für die Angemessenheit der Vergütung zu entnehmen. Die Annahme der indiziellen Wirkung vereinbarter Gesamtverträge knüpft an den Umstand an, dass ein im Wege privatautonomer Verhandlungen zwischen sachkundigen Verhandlungspartnern erzieltes Vertragsergebnis ein angemessenes Abbild des den [X.] durch die in § 53 Abs. 1 bis 3 [X.] aF genannten Nutzungen tatsächlich entstehenden Schadens darstellt. Für einen Gesamtvertrag, der nach Durchführung eines Verfahrens vor einer sachkundigen Schiedsstelle im Zuge eines zwei Instanzen umfassenden Gerichtsverfahrens gerichtlich festgestellt wird, gilt im Ergebnis nichts anderes. Gegenstand einer solchen gerichtlichen Feststellung, auf die die Parteien des Verfahrens durch kontradiktorischen Vortrag einwirken, ist ebenfalls das konkrete Maß des den [X.] durch erlaubnisfreie Nutzungen konkret entstehenden Schadens.

(2) Das [X.] hat bei der Bestimmung der angemessenen Vergütung zu Recht der gerichtlichen Festsetzung des [X.] [X.] eine indizielle Wirkung für die im Streitfall angemessene Vergütungshöhe entnommen. Der Gesamtvertrag [X.] betrifft zeitlich den auch im Streitfall relevanten [X.]raum der Jahre 2008 bis 2010 und inhaltlich ebenfalls [X.] mit und ohne [X.], so dass den darin festgesetzten Vergütungssätzen indizielle Wirkung zukommt.

(3) Entgegen der Auffassung der Revision lässt die Annahme einer indiziellen Wirkung die Darlegungs- und Beweislast der Verwertungsgesellschaft für die Angemessenheit der zugrunde gelegten Vergütungssätze unberührt. Die Annahme einer indiziellen Wirkung kommt auch nicht der Annahme einer faktischen Bindungswirkung und damit einem unzulässigen Vertrag zulasten Dritter gleich. Es bleibt einer am [X.]verfahren nicht beteiligten Partei wie der [X.] unbenommen, die Angemessenheit der verlangten Vergütung zu bestreiten. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Beklagte habe die Angemessenheit der verlangten Vergütung unter Hinweis darauf bestritten, es seien in unzulässiger Weise kaufmännische Gesichtspunkte in die Bestimmung der Vergütungshöhe eingeflossen. Das [X.] hat insoweit - ohne dass die Revision auf übergangenen Vortrag zu verweisen vermag - festgestellt, dass es an substantiiertem Sachvortrag der [X.] gefehlt habe. Soweit die Revision auf eine ihr zugespielte, von den [X.]vergütungssätzen abweichende Berechnung verweist, die auf einer empirischen Untersuchung beruhe, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Übrigen ist zu vermuten, dass eine gesamtvertraglich festgesetzte Vergütung eher der angemessenen Vergütung entspricht als eine solche, die auf der Grundlage einer Studie errechnet worden ist (vgl. [X.], [X.], 694 Rn. 60 - Gesamtvertrag [X.]; [X.] 2017, 839 Rn. 40). Auch insoweit gilt für festgesetzte Gesamtverträge nichts anderes als für solche, die vertraglich vereinbart wurden.

(4) Die Annahme einer indiziellen Wirkung des [X.] verletzt entgegen der Auffassung der Revision nicht das Grundrecht der [X.] auf Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 [X.] und Art. 9 Abs. 1 GG.

Ob im Streitfall die Grundrechte der [X.] oder des Grundgesetzes anwendbar sind, kann dahinstehen, da ihre Prüfung nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führt (vgl. [X.] 152, 152 Rn. 71 - Recht auf Vergessen I; [X.] 152, 216 Rn. 81 - Recht auf Vergessen II).

Art. 12 Abs. 1 [X.] und Art. 9 Abs. 1 GG schützen nicht nur das Recht, eine Vereinigung zu bilden oder ihr beizutreten, sondern auch das Recht, einer Vereinigung fernzubleiben oder aus einer solchen auszutreten (negative Vereinigungsfreiheit; vgl. [X.], Urteil vom 9. März 2006 - [X.]/04, [X.]. 2006, [X.] = EuZW 2006, 276 Rn. 33 - Werhof; [X.] 85, 360, 370 [juris Rn. 32]; 123, 186, 237 [juris Rn. 158]; 136, 194 Rn. 190, jeweils mwN).

Dieses Grundrecht der [X.] ist durch die Annahme einer indiziellen Wirkung eines festgesetzten [X.] für die Bestimmung der angemessenen Vergütung nicht tangiert. Die Beklagte wird durch die Annahme der Indizwirkung in der Freiheit ihrer Entscheidung, einer Nutzervereinigung und etwaig nachfolgend einem von dieser abgeschlossenen Gesamtvertrag beizutreten oder dies nicht zu tun, nicht beeinträchtigt.

d) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Nichtgewährung des im Gesamtvertrag vorgesehenen Nachlasses von 20% durch das [X.] stelle eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der [X.] dar.

aa) Die in Art. 5 der Richtlinie 2001/29/[X.] vorgesehenen Ausnahmen sind unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung gemäß Art. 20 [X.] und Art. 3 Abs. 1 GG anzuwenden, nach dem vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt. Die Mitgliedstaaten dürfen daher keine Modalitäten für einen gerechten Ausgleich vorsehen, die dazu führen, dass verschiedene Kategorien von Wirtschaftsteilnehmern, die vergleichbare, von der für Privatkopien geltenden Ausnahme erfasste Güter vermarkten, oder verschiedene Gruppen von Nutzern geschützter Gegenstände ohne Rechtfertigung ungleich behandelt werden (vgl. [X.], [X.], 478 Rn. 31 bis 33 - [X.]/[X.]; [X.], Urteil vom 22. September 2016 - [X.]/15, [X.], 155 Rn. 44 = [X.], 1482 - [X.] u.a.; [X.], Urteil vom 21. Juli 2016 - [X.], [X.], 172 Rn. 66 = [X.], 206 - [X.]; Urteil vom 16. März 2017 - [X.], [X.], 716 Rn. 79 = [X.], 978 - [X.] mit Festplatte II).

bb) Die in der Nichtgewährung des [X.]es liegende Ungleichbehandlung ist durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Die Verwertungsgesellschaften erzielen durch den Abschluss von [X.] eine Verwaltungsvereinfachung in Gestalt der Verringerung ihres Verwaltungs- und Kontrollaufwands ([X.], Urteil vom 11. Mai 1973 - [X.], [X.], 35, 37 [juris Rn. 18] - Musikautomat; Urteil vom 14. Oktober 2010 - [X.], [X.], 61 Rn. 11 = [X.], 95 - Gesamtvertrag Musikabrufdienste; Reinbothe in Schricker/Loewenheim, [X.], 6. Aufl., § 35 [X.] Rn. 3; [X.] in Dreier/[X.], [X.], 6. Aufl., § 35 [X.] Rn. 2). Diese Verwaltungsvereinfachung, die sich zugunsten der [X.]sinhaber in Form einer Kostenersparnis der Verwertungsgesellschaften auswirkt, entfällt, wenn die Verwertungsgesellschaft - wie im Streitfall - mit einzelnen Herstellern oder Importeuren, die dem Gesamtvertrag nicht beigetreten sind, über die angemessene Höhe der Vergütung streiten muss. Der sachliche Grund für die Nichtgewährung des im Gesamtvertrag vorgesehenen Rabatts liegt in diesen Fällen im erhöhten Verwaltungsaufwand der Verwertungsgesellschaft.

cc) Der Umstand, dass der [X.] es für unzulässig erklärt hat, die Höhe der zu zahlenden Vergütung davon abhängig zu machen, ob die die Werke vervielfältigenden Personen an der Einziehung der Vergütung mitwirken, weil der beim Urheber entstehende Nachteil von einer solchen Mitwirkung unberührt bleibe ([X.], [X.], 55 Rn. 79 - [X.]), steht dieser Beurteilung - entgegen der Auffassung der Revision - nicht entgegen. Der [X.] betrifft nicht die nachträgliche Einziehung einer Vergütung von den Personen, die die Vervielfältigungen vornehmen, sondern die bei den Herstellern und Importeuren im Vorhinein erhobene Vergütung, die zwangsläufig pauschalen Charakter hat, weil der Umfang des von den Urhebern erlittenen Nachteils im [X.]punkt des Inverkehrbringens der Geräte noch nicht bekannt ist (vgl. [X.], [X.], 55 Rn. 70 f. - [X.]). Der erforderliche Zusammenhang mit dem durch die Vervielfältigung bei den Urhebern entstehenden Nachteil liegt in diesen Fällen vor, weil die Urheber von dem durch die Gewährung eines [X.]es erreichten Abschluss von [X.] profitieren.

3. Eine Vorlage an den [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, [X.]. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - [X.] u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - [X.]/14, [X.]. 2015, 1152 Rn. 43 - [X.], mwN). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.

III. Damit ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Koch     

        

Schaffert     

        

Feddersen

        

Pohl      

        

Schmaltz      

        

Meta

I ZR 66/19

10.09.2020

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 14. März 2019, Az: 6 Sch 10/15 WG, Urteil

Art 20 EUGrdRCh, Art 3 Abs 1 GG, § 54 Abs 1 UrhG vom 26.10.2007, § 54b Abs 1 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.09.2020, Az. I ZR 66/19 (REWIS RS 2020, 650)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 501-503 GRUR 2021, 604 REWIS RS 2020, 650

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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