Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 17.02.2022, Az. 1 BvR 743/21

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2022, 1185

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Pflicht der Eltern zum Kindesumgang (§ 1684 Abs 1 BGB) mit Blick auf Elternverantwortung (Art 6 Abs 2 S 1 GG) grds gerechtfertigt - Abgrenzung gegenüber BVerfGE 121, 69 hinsichtlich der Rechtfertigung der Androhung einer zwangsweisen Durchsetzung der Umgangspflicht durch fachgerichtlichen Hinweis gem § 89 Abs 2 FamFG - Verfassungsbeschwerde gegen Umgangsregelung mangels hinreichender Substantiierung unzulässig


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft gerichtliche Entscheidungen zur Regelung des Umgangsrechts.

2

1. Der Beschwerdeführer ist Vater von drei 2010, 2013 und 2015 geborenen Söhnen. Diese gingen aus der inzwischen geschiedenen Ehe des Beschwerdeführers mit der die Kinder betreuenden Mutter hervor. Die Eltern üben das Sorgerecht gemeinsam aus. Da der Beschwerdeführer einen gleichzeitigen Umgang mit allen drei Söhnen ablehnte, beantragte die Mutter eine gerichtliche Regelung des Umgangs.

3

a) Mit angegriffenem Beschluss vom 2. September 2020 regelte das Familiengericht den Umgang dahingehend, dass der Beschwerdeführer zum Umgang mit den Kindern alle zwei Wochen von Samstagvormittag bis Sonntagnachmittag sowie jeweils in der ersten Hälfte der die Kinder betreffenden Kindergarten- und Schulferien und am ersten Weihnachtsfeiertag berechtigt und verpflichtet ist. Der vom Beschwerdeführer gewünschte getrennte Umgang mit den Kindern entspreche nicht dem Kindeswohl. Die [X.] warne vor einer Trennung der Söhne beim Umgang mit dem Beschwerdeführer, um Sonderrollen und Stigmatisierungen zu vermeiden. Den Einwänden des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner beengten räumlichen Verhältnisse und eingeschränkten Belastbarkeit durch Folgen einer Erkrankung sei durch die Verkürzung des [X.] auf eine Übernachtung nachzukommen. Soweit der jüngste [X.] Probleme mit dem langen Aufenthalt beim Beschwerdeführer haben sollte, sei es Aufgabe beider Elternteile, ihn an solche Aufenthalte heranzuführen. Da der Beschwerdeführer den so geregelten Umgang nicht wünsche, sei er ausdrücklich zu dessen Wahrnehmung zu verpflichten.

4

b) Die hiergegen eingereichte Beschwerde des Beschwerdeführers wies das [X.] mit angegriffenem Beschluss vom 17. Dezember 2020 mit der Maßgabe zurück, dass der Beschwerdeführer in der ersten Hälfte (lediglich) der Schulferien zum Umgang berechtigt und verpflichtet ist. Weiter sprach das [X.] den im familiengerichtlichen Beschluss unterbliebenen Hinweis auf die Vollstreckung durch Ordnungsmittel nach § 89 Abs. 2 FamFG aus. Ein den Umgang regelnder Beschluss müsse diesen Hinweis enthalten. Deshalb habe der Senat ihn nachgeholt.

5

Die Umgangsregelung des Familiengerichts sei nicht zu beanstanden. Lediglich der [X.] bedürfe der Klarstellung, dass dieser sich alleine nach den Schulferien richte, von denen die Kindergartenferien erheblich abweichen könnten. Im Übrigen sei insbesondere der gemeinsame Umgang aller drei Kinder mit dem Beschwerdeführer dem Kindeswohl dienlich. Die [X.] habe ein positives Bild der geschwisterlichen Gemeinschaft aufgezeigt und überzeugend auf Gefahren der ungleichen Behandlung bei unterschiedlichen [X.] hingewiesen. Die Empfehlung korrespondiere mit der Stellungnahme des [X.]. Auch der Kindeswille stehe nicht entgegen. Das Jugendamt und die [X.] hätten mitgeteilt, dass die Kinder diese Regelung nunmehr gut fänden und mit ihr zufrieden seien. Durch den kürzeren [X.] würden die Belastungen des Beschwerdeführers hinreichend berücksichtigt. Die vom Beschwerdeführer gewünschte Reduzierung der Ferienumgänge sei nicht geboten und nicht mit den Bedürfnissen der Mutter vereinbar. Der Beschwerdeführer könne gegebenenfalls auf Betreuungsangebote der Schule oder anderer Anbieter zurückgreifen.

6

c) Mit weiterem angegriffenem Beschluss vom 31. März 2021 wies das [X.] eine Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zurück. Verletzungen des Rechts auf rechtliches Gehörs lägen nicht vor.

7

2. Der Beschwerdeführer sieht sich durch die fachgerichtlichen Entscheidungen vor allem in seinem Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, aber auch in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sowie in Art. 6 Abs. 1 GG und dem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Zudem macht er geltend, seine Kinder würden in ihren Grundrechten aus "Art. 2 und Art. 6 GG unverhältnismäßig verletzt".

8

a) Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des [X.] zu einem mit Androhung von Zwangsgeld erzwungenen Umgang (vgl. [X.] 121, 69 ff.) führt er aus, die gegen ihn ausgesprochene Verpflichtung, den geregelten Umgang wahrzunehmen, sei unverhältnismäßig. Die Androhung von Zwangsmitteln führe bei ihm zur Ablehnung des Umgangs. Sie sei gänzlich ungeeignet, den Zweck einer Umgangsregelung zu erreichen, einen dem Wohl der Kinder dienlichen Umgang zu gewährleisten. Kürzerer Umgang von maximal einer Woche am Stück reiche für die Aufrechterhaltung der [X.] aus. Die Umgangsregelung sei nicht erforderlich, weil er bereits zuvor Umgang ausgeübt habe. Die [X.] oder zumindest kürzere [X.] wären daher ein milderes Mittel gewesen. Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Seine neue Ehefrau empfinde die lautstarken Streitereien der Kinder als Zumutung. Mit den umfangreichen [X.] sei es ihnen als Ehepaar nicht möglich, mehrere Wochen in die entfernte Heimat seiner neuen Ehefrau zu reisen. An seinem Wohnort stehe keine Ferienbetreuung zur Verfügung, so dass er viele Urlaubstage dafür nutzen müsse. Der Schutz seiner neuen Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG werde verletzt.

9

Der jüngste [X.] habe wiederholt geäußert, nicht so lange bei ihm bleiben zu wollen. Zweck der Umgangsregelung sei mehr die Entlastung der Mutter als das Wohl der Kinder. In unzulässiger Weise hätten die Fachgerichte auch die Umgangspflicht in gleicher Weise wie das Umgangsrecht bestimmt. Dies sei unzutreffend, die Pflicht würde in anderen Entscheidungen deutlich geringer festgesetzt. Die Gerichte orientierten sich hier an der üblichen Regelung, die erfolge, wenn der [X.] sein Recht geltend mache. Eine Pflicht in diesem Umfang gebe es aber nicht.

b) Das [X.] habe zudem den Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG ohne Anhörung der Beteiligten und unter Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör erteilt. Die Zurückweisung seiner Anhörungsrüge sei zu Unrecht erfolgt. Er sei entgegen der Begründung des [X.]s den Ausführungen der [X.] mit entscheidungserheblichen Argumenten entgegengetreten.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. [X.] nach § 93a Abs. 2 [X.] liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt. Sie ist aus mehreren von einander unabhängigen Gründen insgesamt unzulässig.

1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Familiengerichts richtet, ist sie unzulässig, weil der familiengerichtliche Beschluss durch die Beschwerdeentscheidung des [X.]s prozessual überholt ist. Eine isoliert fortbestehende Grundrechtsverletzung insoweit hat der Beschwerdeführer weder vorgetragen noch ist eine solche ersichtlich (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 27. November 2020 - 1 BvR 836/20 -, Rn. 13 m.w.N.).

2. Im Übrigen zeigt der Beschwerdeführer entgegen den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] folgenden Anforderungen nicht die Möglichkeit auf, durch die angegriffenen Beschlüsse des [X.]s in eigenen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein.

a) Eine diesen Vorschriften genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll. Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des [X.] bereits vor, so ist der behauptete [X.] in Auseinandersetzung mit den vom [X.] entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. [X.] 149, 86 <108 f. Rn. 61>; 151, 67 <84 f. Rn. 49>; [X.], Beschluss des [X.] vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, Rn. 89; stRspr).

b) Diesen Anforderungen wird die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Der Beschwerdeführer zeigt insbesondere nicht die Möglichkeit auf, dass die getroffene Umgangsregelung oder der gerichtliche Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG, dass bei schuldhafter Pflichtverletzung Ordnungsgeld oder ersatzweise Ordnungshaft angeordnet werden kann, ihn in seinem Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt.

aa) Das Grundrecht schützt den engeren persönlichen Lebensbereich und die Erhaltung seiner Grundbedingungen. Der persönliche Lebensbereich umfasst ‒ insoweit wie Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. [X.], Beschluss des [X.] vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, Rn. 108 m.w.N.) ‒ auch den familiären Bereich und die persönlichen Beziehungen zu den anderen Familienmitgliedern (vgl. [X.] 96, 56 <61>) einschließlich derjenigen zwischen einem Elternteil und seinem Kind (vgl. [X.] 121, 69 <90>). Wie sich das Verhältnis zwischen ihnen gestaltet wird geprägt von ihren jeweiligen persönlichen Gefühlen, Einstellungen und Erfahrungen, die sich wechselseitig beeinflussen. Die Entscheidung, mit seinem Kind Umgang zu haben oder ihn abzulehnen, ist Ausdruck des individuellen Verständnisses von Elternschaft und der emotionalen Beziehung zum Kind ([X.] 121, 69 <90>).

Eine Verpflichtung zum Umgang mit dem Kind, den der Elternteil gar nicht oder nicht in der gerichtlich geregelten Weise will, greift in das Grundrecht des betroffenen Elternteils aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein, während Art. 6 Abs. 1 GG vor allem die zwischen den Familienmitgliedern [X.] freie Entscheidung über die Art und Weise der Gestaltung des familiären Zusammenlebens sichert.

bb) Die Verfassungsbeschwerde lässt allerdings nicht das mögliche Fehlen einer Rechtfertigung der für den Beschwerdeführer verpflichtenden gerichtlichen Regelung des Umgangs mit seinen Söhnen erkennen.

(1) Zur gerichtlichen Verpflichtung eines Elternteils zum Umgang mit dem Kind hat das [X.] entschieden, dass der Eingriff in das Recht des Elternteils auf Schutz der Persönlichkeit im Hinblick auf die den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auferlegte Verantwortung für ihre Kinder grundsätzlich gerechtfertigt ist (vgl. [X.] 121, 69 <95 f.>). Dieser Elternverantwortung trägt § 1684 Abs. 1 BGB Rechnung, indem er den Umgang mit dem Kind zur elterlichen Pflicht erhebt. Es ist einem Elternteil grundsätzlich zumutbar, auch unter Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitssphäre zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient (vgl. [X.] 121, 69 <97 f.>).

(2) Dass das [X.] mit seiner Umgangsregelung § 1684 Abs. 1 BGB in einer Weise ausgelegt und angewendet haben könnte, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG beruht und einen unverhältnismäßigen Eingriff darin bewirkt, zeigt er nicht auf.

(a) Besteht Streit über die Ausübung des Umgangsrechts, haben die Gerichte eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt (vgl. [X.] 31, 194 <206 f.>; 64, 180 <188>). Die Gerichte müssen sich im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (vgl. [X.]K 9, 274 <277 f.>; 17, 407 <411> m.w.N.).

Die von den Fachgerichten getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die von ihnen im Einzelnen vorgenommene Abwägung hat das [X.] nicht nachzuprüfen. Der verfassungsgerichtlichen Prüfung unterliegt jedoch, ob fachgerichtliche Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruhen (vgl. [X.] 18, 85 <92 f.>). Die Intensität dieser Prüfung hängt davon ab, in welchem Maße von der Entscheidung Grundrechte beeinträchtigt werden (vgl. [X.] 83, 130 <145> m.w.N.; [X.]K 17, 407 <412> m.w.N.).

Grundrechtsschutz ist auch durch die Gestaltung des Verfahrens sicherzustellen (vgl. [X.] 55, 171 <182>); das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung geeignet und angemessen sein, um der Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen wirkungsvoll zu dienen (vgl. [X.] 84, 34 <49>). Diesen Anforderungen werden die Gerichte nur gerecht, wenn sie sich mit den Besonderheiten des Einzelfalls auseinandersetzen, die Interessen der Eltern sowie deren Einstellung und Persönlichkeit würdigen und auf die Belange des Kindes eingehen (vgl. [X.] 31, 194 <210>). Der Wille des Kindes ist zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist. Voraussetzung hierfür ist, dass das Kind in dem gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erhält, seine persönlichen Beziehungen zu den Eltern erkennbar werden zu lassen. Die Gerichte müssen ihr Verfahren deshalb so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (vgl. [X.] 55, 171 <182>; [X.]K 9, 274 <278 f.>; 17, 411 <412>).

(b) Dem wird der Beschluss des [X.]s vom 17. Dezember 2020 zur Regelung des Umgangs gerecht.

Der Regelung des Umgangs liegt eine umfassende Ermittlung des Sachverhalts durch Anhörung der Eltern und der Kinder sowie des [X.] und der für die Kinder bestellten [X.] zugrunde. Dass das Verfahren keine hinreichend zuverlässige Basis für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung bot, ist nicht erkennbar. [X.] Einwände hiergegen macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Soweit er eine erhebliche Belastung bei eingeschränkter Belastbarkeit durch den Umgang geltend macht, setzt er sich nicht mit den hierauf eingehenden Ausführungen des [X.]s auseinander, insbesondere benennt er keine Erkenntnisse, die das [X.] zu Unrecht unberücksichtigt gelassen oder die es unzutreffend gewürdigt hat. Weiterhin befasst er sich auch nicht näher mit dem Hinweis auf die angebotenen Hilfen des [X.].

cc) Die Begründung der Verfassungsbeschwerde legt auch nicht in substantiierter Weise dar, dass der im Beschwerdebeschluss des [X.]s erfolgte Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG auf die mögliche Anordnung von Ordnungsgeld oder ‒ im Fall dessen Uneinbringlichkeit ‒ Ordnungshaft in nicht gerechtfertigter Weise in sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingreifen könnte. Der Beschwerdeführer zeigt weder hinreichend auf, dass mit dem Beschluss des [X.]s die Androhung einer zwangsweisen Durchsetzung einhergeht, noch berücksichtigt er die aktuelle fachrechtliche Rechtslage zur Durchsetzbarkeit von verpflichtenden [X.].

(1) Zwar ist nach der Rechtsprechung des [X.] die Androhung der zwangsweisen Durchsetzung der Umgangspflicht regelmäßig nicht geeignet, den mit ihr verfolgten legitimen Zweck zu erreichen und daher verfassungsrechtlich regelmäßig nicht gerechtfertigt (vgl. [X.] 121, 69 <98>). Die Verpflichtung zum Umgangsrecht diene dem Zweck, dem Kind einen Umgang mit seinem Elternteil zu ermöglichen, der zu einer gedeihlichen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes beitrage. Dieser Zweck werde mit der Androhung einer Vollstreckung regelmäßig verfehlt, denn während die an sich noch folgenlose gerichtliche Verpflichtung zum Umgang lediglich als Ermahnung an den umgangsunwilligen Elternteil wirke, ihm aber die Handlungsoption erhalte, sich ohne Zwangsmittel für den Umgang zu entscheiden, dränge ihn die drohende Zwangsvollstreckung dazu, den Umgang gegen seinen Widerwillen wahrzunehmen. Da der Umgang nicht nur seine Anwesenheit, sondern auch seine emotionale Zuwendung zum Kind erfordere, könne ein Kind beim Umgang nicht die bezweckte elterliche Zuwendung erleben, sondern müsse spüren, wie es von seinem Elternteil abgelehnt werde, falls dieser seinen Widerwillen nicht ablegen sollte. Dies könne schädigende Auswirkungen auf sein Selbstwertgefühl haben; ein solcher Umgang schade dem Kindeswohl (vgl. [X.] 121, 69 <99 f.>).

Maßstab für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines durch Zwangsmittelandrohung vollstreckten Umgangs sei das Kindeswohl. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass ein Elternteil, der seinen Widerwillen gegen den Umgang zum Ausdruck bringe und sich auch nicht durch eine gerichtliche Umgangsverpflichtung beeindrucken lasse, diesen Widerwillen auch durch eine Vollstreckungsandrohung nicht ablegen werde, so dass ein in solcher Weise erzwungener Umgang nicht dem Kindeswohl diene. Im Einzelfall könne sich jedoch auch ein solcher erzwungener Umgang als kindeswohldienlich erweisen. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer durch Zwangsmittel durchzusetzenden Umgangsverpflichtung erfordere daher, dass im konkreten Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dennoch dienlich sein werde (vgl. [X.] 121, 69 <99 ff.>).

(2) Dass die Entscheidung des [X.]s mit dem gesetzlich gebotenen Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG diesen Maßstäben nicht gerecht wird, zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend substantiiert auf.

(a) Der Beschwerdeführer legt bereits nicht dar, dass die Erwägungen aus der Entscheidung des [X.] zum mittels Zwangsmittelandrohung erzwungenen Umgang (vgl. [X.] 121, 69 ff.) auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar sind.

Er setzt sich nicht damit auseinander, dass der Entscheidung des [X.] eine Konstellation zugrunde lag, in der ein Elternteil, der jeglichen Umgang mit seinem Kind ablehnte, dazu gezwungen werden sollte, diesen Kontakt aufzunehmen. Hierauf baute es seine Annahme auf, regelmäßig werde bei einem solchen allein unter dem Druck des [X.] erfolgenden Kontakt der Elternteil seine Abneigung dem Kind gegenüber nicht verbergen können, weshalb die Gefahr bestehe, dass das Kind durch den so erzwungenen Umgang Schaden nehme. Daraus hat das [X.] als Grundsatz abgeleitet, dass ein durch die Androhung von Zwangsmitteln herbeigeführter Umgang grundsätzlich nicht geeignet ist, einen kindeswohldienlichen Umgang herbeizuführen.

Im Unterschied hierzu lehnt der Beschwerdeführer den Umgang mit seinen Kindern nicht grundsätzlich ab. Im Gegenteil wünscht auch er den Umgang mit ihnen. Er lehnt lediglich die konkrete Ausgestaltung des Umgangs durch die erfolgte gerichtliche Regelung ab. Bei einer solchen Fallgestaltung war das [X.] verfassungsrechtlich nicht gehalten, davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei Wahrnehmung des gerichtlich geregelten Umgangs gegenüber den Kindern eine persönliche Abneigung ihnen gegenüber zum Ausdruck bringen werde und dies die Gefahr beinhaltete, dass die Kinder beim Umgang die Ablehnung durch den Vater erleben und dadurch erheblich verunsichert würden. Etwas Anderes legt auch der Beschwerdeführer nicht dar. Soweit er ausführt, die Umgangsregelung mit dem erteilten Hinweis auf die Folgen der Zuwiderhandlung führe bei ihm zur Ablehnung des Umgangs, behauptet er dies lediglich pauschal. Er benennt keine Anhaltspunkte aus dem Verfahren, aus denen das [X.] hierauf hätte schließen können. Sein Vortrag bezieht sich im [X.] allein auf die konkrete Ausgestaltung des Umgangs nicht aber dessen vollständige Ablehnung.

(b) Der Beschwerdeführer nimmt zudem nicht die veränderte Rechtslage zur zwangsweisen Durchsetzung von [X.] in den Blick.

[X.] des [X.] vom 1. April 2008 ([X.] 121, 69 ff.) lag die damalige Rechtslage zur Androhung eines [X.] nach § 33 Abs. 1 und 3 [X.] zugrunde. Mittlerweile wurde die Vollstreckung einer Umgangsregelung aber grundlegend neu geregelt. Dass der ihm erteilte Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG dieselbe, dem Kindeswohl nicht dienliche Zwangswirkung entfaltet, wie die Androhung eines [X.] nach früherem Recht, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf.

Nach der nunmehr geltenden Rechtslage hat statt der gesonderten Androhung des [X.] nach § 33 Abs. 3 Satz 1 [X.] im Rahmen des [X.] bereits im Ausgangsverfahren ein Hinweis auf die Möglichkeit der Verhängung von [X.] zu erfolgen (§ 89 Abs. 2 FamFG). Gleichzeitig hat der Gesetzgeber in § 89 Abs. 1 FamFG geregelt, dass das Gericht Ordnungsmittel verhängen "kann". Die Vollstreckung der Umgangsregelung steht damit im Ermessen des Gerichts. Dabei geht der Gesetzgeber zwar grundsätzlich von einer Verdichtung des Ermessens zu einer Pflicht aus, die Umgangsregelung zu vollstrecken. Gerade wegen der Entscheidung des [X.] zum erzwungenen Umgang ([X.] 121, 69 ff.) hat er jedoch angenommen, dass die Vollstreckung gegen den umgangsunwilligen Elternteil im Rahmen des [X.]s die Prüfung voraussetzt, ob auch der durch Vollstreckung erzwungene Umgang im konkreten Fall dem Kindeswohl dient (vgl. BTDrucks 16/9733, [X.] f.; siehe auch [X.], Beschluss vom 12. September 2013 - 5 [X.] -, [X.], [X.]; [X.], Beschluss vom 28. Juli 2016 - 13 [X.]/16 -, [X.], [X.]; [X.], in: [X.], FamFG, 5. Aufl. 2020, § 89 Rn. 17; [X.], in: [X.], ZPO, 34. Aufl. 2022, § 89 FamFG Rn. 5). Die Anordnung von [X.] darf nur erfolgen, wenn der Verpflichtete zuvor auf diese Ordnungsmittel hingewiesen worden ist (§ 89 Abs. 2 FamFG; vgl. [X.], Beschluss vom 17. August 2011 - [X.] 621/10 -, Rn. 8 ff.). Durch die Erteilung des Hinweises im Ausgangsverfahrens soll die Vollstreckung beschleunigt werden (vgl. BTDrucks 16/6308, [X.]). Die Erteilung des Hinweises steht dabei nach dem Wortlaut und der Auslegung der fachgerichtlichen Rechtsprechung ‒ selbst dann, wenn eine Umgangspflicht des nicht betreuenden Elternteils geregelt wird ‒ nicht im Ermessen des Gerichts (vgl. [X.], Beschluss vom 17. August 2011 - [X.] 621/10 -, Rn. 17).

Mit dieser geänderten Rechtslage setzt sich der Beschwerdeführer in der Verfassungsbeschwerde nicht auseinander. Dass ein Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG auf den Beschwerdeführer dieselbe Zwangswirkung hat, wie eine Androhung eines [X.] nach früherem Recht liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Die neue Rechtslage unterscheidet sich von der bisherigen Regelung der Vollstreckung von [X.] dadurch, dass mit der Erteilung des Hinweises nach § 89 Abs. 2 FamFG nach der gesetzlichen Konzeption noch keine Entscheidung darüber getroffen wird, ob die Zwangsvollstreckung auch erfolgt. Das [X.], im Rahmen dessen auch die Prüfung zu erfolgen hat, ob der Umgang trotz des Zwangs durch die Vollstreckung dem Kindeswohl dient, kann das Gericht gemäß § 89 Abs. 1 FamFG erst bei der Entscheidung über die Reaktion auf einen Verstoß gegen die Umgangsregelung ausüben. Anders als die an den konkreten Verpflichteten gerichtete und auf eine bestimmte Handlung bezogene (vgl. [X.]/[X.], in: [X.]/[X.], Freiwillige Gerichtsbarkeit, 8. Aufl. 2006, § 33 [X.], Rn. 11; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, § 33 [X.] Rn. 22a; [X.], in: [X.]/[X.], [X.] RPflG, 11. Aufl. 2007, § 33 [X.] Rn. 15) Androhung der Zwangsvollstreckung richtet sich der Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG an beide Elternteile und ist auf sämtliche Verpflichtungen aus der Umgangsregelung bezogen. Aus der Erteilung des Hinweises kann damit nicht in gleicher Weise wie bei der Androhung des [X.] nach dem früheren Recht darauf geschlossen werden, dass ein Verstoß gegen eine Verpflichtung aus einer Umgangsregelung zwingend die Anordnung von [X.] nach sich zieht. Zudem kann der zum Umgang Verpflichtete im Rahmen der Vollstreckung des [X.] im Falle eines [X.] (vgl. § 93 Abs. 1 Nr. 4 FamFG) die Einstellung der Vollstreckung geltend machen und sich dazu auf neu hinzugetretene Umstände stützen (vgl. [X.], in: [X.] Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2018, § 89 Rn. 19 m.w.N.) sowie sich gegen die Festsetzung des Ordnungsmittels mit der sofortigen Beschwerde (§ 87 Abs. 4 FamFG) wehren (vgl. [X.] a.a.O. § 89 Rn. 32).

(3) Selbst wenn die Erwägungen des [X.] zum mittels Zwangsmittelandrohung erzwungenen Umgang nach früherem Recht auf die vorliegende Fallgestaltung zu übertragen wären, legt der Beschwerdeführer nicht dar, dass die angegriffene Entscheidung diesen Maßstäben nicht genügt. Das [X.] hat festgestellt, dass auch der unter Berücksichtigung der durch die ausgesprochene Verpflichtung und den Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG erzwungene Umgang dem Kindeswohl dienlich ist. Verfassungsrechtlich relevante Fehler des [X.]s bei der Feststellung und Würdigung der entsprechenden Umstände zeigt der Beschwerdeführer nicht auf. Es hat sich mit seinen Einwänden befasst und begründet, warum es den gemeinsamen Umgang aller drei Kinder mit dem Beschwerdeführer für besser mit dem Kindeswohl vereinbar hält als den getrennten Umgang. Mit der guten Bindung der Kinder zum Beschwerdeführer und dem beschriebenen guten geschwisterlichen Zusammenhalt sowie der sonst bestehenden Gefahr von Stigmatisierungen und Absonderungen hat das [X.] auch konkrete Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass der so geregelte Umgang dem Kindeswohl dient. Die Bedenken des Beschwerdeführers hat es berücksichtigt und der einfachrechtlichen Regelung des § 1697a BGB entsprechend in nachvollziehbarer Art und Weise gegen die Bedürfnisse der Kinder und auch die berechtigten Interessen der Mutter abgewogen.

c) Die Möglichkeit einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG legt der Beschwerdeführer ebenfalls nicht substantiiert dar. Zwar mag ihm das [X.] vor Ergehen der Beschwerdeentscheidung nicht ausreichend Gelegenheit eingeräumt haben, zu Schriftsätzen der Mutter sowie Stellungnahmen der [X.] und des [X.] seinerseits Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hat aber nicht angegeben, was er bei ausreichender Stellungnahmemöglichkeit vorgetragen hätte (zu diesem Erfordernis [X.] 112, 185 <206> m.w.N.). Damit wird ‒ unabhängig von einer möglichen Heilung im [X.] bereits nicht die Möglichkeit einer für die Entscheidung über die Beschwerde erheblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs dargetan.

3. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Grundrechten seiner Söhne geltend macht, lässt sich der Verfassungsbeschwerde nicht entnehmen, dass er trotz des gemeinsamen Sorgerechts alleine dazu berechtigt sein könnte.

4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 743/21

17.02.2022

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Köln, 31. März 2021, Az: 25 UF 191/20, Beschluss

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 S 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 1684 Abs 1 BGB, § 89 Abs 1 FamFG, § 89 Abs 2 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 17.02.2022, Az. 1 BvR 743/21 (REWIS RS 2022, 1185)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1185


Verfahrensgang

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Az. 1 BvR 743/21

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 743/21, 17.02.2022.


Az. 18 F 139/20

Az. 25 UF 191/20

Oberlandesgericht Köln, 25 UF 191/20, 31.03.2021.

Oberlandesgericht Köln, 25 UF 191/20, 17.12.2020.


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