Bundessozialgericht, Urteil vom 17.06.2010, Az. B 14 AS 17/10 R

14. Senat | REWIS RS 2010, 5755

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Sozialgeld - Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistung im Jahre 2005


Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe der den Klägern im [X.]raum vom 1.1. bis zum [X.] zu gewährenden Leistungen nach dem [X.] ([X.]).

2

Die Eltern der Kläger sind verheiratet und leben mit ihren Kindern, den Klägern zu 1 (geboren am 29.3.1997) und zu 2 (geboren am [X.]) gemeinsam in einer Wohnung. Die Mutter der Kläger bezog bis Januar 2004 Arbeitslosengeld (Alg) nach dem [X.] ([X.]). Anschließend erhielt sie Arbeitslosenhilfe (Alhi). Der Vater der Kläger erzielte im streitigen [X.]raum ein Erwerbseinkommen aus abhängiger Beschäftigung in Höhe von monatlich 853,32 Euro netto. Für die Wohnung waren 380,99 Euro Grundmiete, 129,35 [X.] und 76 Euro Heizkosten monatlich zu zahlen.

3

Die Beklagte bewilligte den vier Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft (Vater, Mutter und die beiden klagenden Kinder) mit Bescheid vom 2.12.2004 für die [X.] vom 1.1. bis zum [X.] Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem [X.] in Höhe von insgesamt 716,88 Euro monatlich. Dabei setzte sie für die Eltern je 311 Euro, die Kläger je 207 Euro als Regelleistung und insgesamt Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 572,66 Euro an, was einen Gesamtbedarf von 1608,66 Euro ergab. Als Einkommen berücksichtigte sie bei den Klägern je 154 Euro Kindergeld. Vom Erwerbseinkommen des [X.] der Kläger setzte sie 583,78 Euro ab.

4

Den hiergegen am 31.1.2005 eingelegten Widerspruch, mit dem die Kläger insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der gewährten Leistungen geltend machten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom [X.] als unbegründet zurück.

5

Mit der dagegen beim Sozialgericht ([X.]) [X.] erhobenen Klage haben sich die damals ebenfalls noch klagenden Eltern maßgeblich zunächst nur gegen die Absenkung der Regelleistung für zwei Partner einer Bedarfsgemeinschaft auf 90 % der [X.] (311 Euro) gemäß § 20 Abs 3 [X.] gewandt. Eine im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens von der Beklagten durchgeführte Überprüfung ua der angefochtenen Bescheide hat für die [X.] vom 1.1. bis zum 31.7.2005 einen Nachzahlungsbetrag von 114,58 Euro ergeben. Das [X.] hat die weitergehende Klage mit Urteil vom 24.7.2006 abgewiesen.

6

Die hiergegen eingelegte Berufung hat das [X.] (L[X.]) [X.] mit Urteil vom [X.] zurückgewiesen. Das L[X.] hat in seiner Entscheidung zunächst festgestellt, dass auf Klägerseite Beteiligte des Verfahrens die damaligen Kläger zu 1 bis 4 seien, weil jedes einzelne Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft seinen eigenen Leistungsanspruch verfolge. Sowohl die Vorschrift des § 20 Abs 3 [X.] zur Höhe der Regelleistung für Partner in Höhe von 90 % der [X.] (311 Euro) als auch § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 [X.] zur Höhe der Regelleistung für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in Höhe von 60 % der [X.] nach § 20 Abs 2 [X.] (207 Euro) seien mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Gesetzgeber trage mit der Regelung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 [X.] den mit zunehmendem Alter der Kinder wachsenden Bedürfnissen in vertretbarer und damit verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise Rechnung. Es sei zulässig, Bedarfe gruppenbezogen zu erfassen und bei Massenverfahren eine Typisierung vorzunehmen. Auch bei der Festlegung der Regelleistung für Kinder sei dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zuzubilligen. Es sei daher auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber Sozialgeld nicht in Höhe der Ausgaben von Kindern in Haushalten mit Durchschnittseinkommen gewähre, sondern hiervon einen erheblichen Abschlag vornehme. Ebenso wenig sei der Gesetzgeber gehalten gewesen, sich an die bisherigen Altersabstufungen des § 2 Abs 3 der Regelsatzverordnung nach dem [X.] zu halten.

7

Gegen diese Entscheidung wenden sich nur die Kläger zu 1 und 2 mit ihrer Revision. Sie rügten zunächst insbesondere die Verfassungswidrigkeit des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 [X.] und trugen vor, mit einer Regelleistung in Höhe von 60 % der [X.] eines Erwachsenen könne der Bedarf eines Kindes bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres nicht gedeckt werden. Die Regelleistung für Minderjährige werde lediglich durch ein prozentuales Herabrechnen der [X.] für Erwachsene gewonnen. Dass minderjährige Angehörige einen geringeren Bedarf hätten, finde weder in der Ermittlungsmethode des Gesetzgebers einen Rückhalt, noch werde dies vom Gesetzgeber näher begründet.

8

Der erkennende Senat hat durch Beschluss vom 27.1.2009 das Verfahren nach Art 100 Abs 1 Grundgesetz (GG) ausgesetzt und dem [X.] ([X.]) vorgelegt (Beschluss vom 27.1.2009 - [X.]/11b [X.]). Das [X.] hat durch Urteil vom [X.] in dieser Sache entschieden ([X.]) und den Rechtsstreit an das [X.] (B[X.]) zurückverwiesen. Die Kläger sind auch nach dem Urteil des [X.] in dieser Sache der Auffassung, dass ihnen höhere Regelleistungen für den streitigen [X.]raum zustehen. Insbesondere machen sie geltend, das [X.] habe zu dem (vom B[X.] gerügten) [X.] nach Art 3 Abs 1 GG noch keine Stellung bezogen.

9

Die Kläger beantragen,

        

das Urteil des [X.]s [X.] vom [X.] sowie das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 24.7.2006 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 2.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom [X.] zu verurteilen, ihnen für die [X.] vom 1.1. bis zum [X.] höhere Leistungen nach dem [X.] zu gewähren,

hilfsweise,

        

das Verfahren auszusetzen und den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen,

hilfsweise weiter,

        

das Verfahren auszusetzen und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen.

Die Beklagte beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ([X.]) begründet. Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des [X.] ist es dem Senat nicht möglich, abschließend zu entscheiden, ob den Klägern höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] zustehen. Insbesondere fehlt es an nachvollziehbaren Feststellungen zu dem Einkommen des [X.] der Kläger und zur Höhe der Kosten der Unterkunft gemäß § 22 [X.] (sogleich unter 1.). Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen nach der Entscheidung des [X.] vom [X.] (aaO) hingegen mehr dagegen, dass die Beklagte für den hier streitigen Zeitraum vom 1.1. bis [X.] die Regelleistung der beiden Kinder gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] [X.] mit 207 [X.] festgesetzt hat (hierzu unter 2.). Die weiteren prozessualen Anregungen der Kläger ("Hilfsanträge") blieben ebenfalls ohne Erfolg (hierzu unter 3.).

1. Streitgegenstand des Rechtsstreits sind - nachdem die Eltern der Kläger zu 1 bis 2 keine Revision eingelegt haben - nur noch die Ansprüche der zu Beginn des Jahres 2005 sieben bzw fünf Jahre alten Kläger. Diese Ansprüche umfassen alle den Klägern nach dem [X.] rechtlich möglichen Leistungen, hier insbesondere die Regelleistung gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] [X.] und als Sozialgeld im weiteren Sinne die anteiligen Kosten der angemessenen Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 [X.]. Die Höhe der [X.] der Kläger hängt nach dem Konzept der Bedarfsgemeinschaft gemäß §§ 7, 9 Abs 2 [X.] grundsätzlich von dem gesamten Bedarf der Bedarfsgemeinschaft und dessen Deckung durch Einkommen und Vermögen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ab (grundlegend [X.], 217, 219 = [X.]-4200 § 22 [X.], jeweils Rd[X.]1 ff; vgl zum Konzept der [X.], [X.] 2007, 121; [X.], Die Ansprüche zusammenlebender Personen nach [X.] und [X.], 2008). Nach § 9 Abs 2 Satz 2 [X.] (in der Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.], 2954) ist bei minderjährigen unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem Einkommen oder Vermögen beschaffen können, auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen. § 9 Abs 2 Satz 3 [X.] bestimmt weiterhin: Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig. Hieraus folgt, dass der gesamte ungedeckte Bedarf in einer Bedarfsgemeinschaft anteilig auf die einzelnen Mitglieder proportional verteilt wird, jeweils in Abhängigkeit von ihrem Anteil am Gesamtbedarf (zur [X.]widrigkeit dieser Regelung [X.], [X.], 217; kritisch auch [X.]/[X.] in [X.], LPK-[X.], 3. Aufl 2009, § 9 RdNr 54). Ergänzt (und verkompliziert) wird die Einkommens- und Leistungsberechnung in der Bedarfsgemeinschaft durch die Regelung des § 19 Satz 2 [X.] (ebenfalls in der Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt, aaO: jetzt § 19 Satz 3 [X.]). Hiernach mindert das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen die Geldleistungen der [X.]. Nur soweit Einkommen und Vermögen darüber hinaus zu berücksichtigen ist, mindert es die Geldleistungen der kommunalen Träger (kritisch zu den Folgen des § 19 Satz 3 [X.] für die kommunalen Träger vgl [X.], [X.], 106; anders Spellbrink, Sozialrecht aktuell 2008, 10).

Hieraus folgt, dass auch die Höhe des gemäß §§ 11, 30 [X.] zu berücksichtigenden Erwerbseinkommens der Eltern die Leistungshöhe (den ungedeckten Bedarf) der Kinder beeinflusst. Wäre das im Rahmen der § 11 Abs 2 [X.] und § 30 [X.] zu bereinigende Elterneinkommen niedriger anzusetzen, so würde der - ungedeckte - Bedarf der Bedarfsgemeinschaft insgesamt und damit auch der Bedarf der Kläger steigen. Diese Zusammenhänge erhellt die in den in Bezug genommenen Verwaltungsakten vorliegende sog Horizontalberechnung der Beklagten für den Monat Januar 2005. Zunächst war gemäß § 11 Abs 1 Satz 3 [X.] das Kindergeld schon bei der Errechnung des Bedarfs der Kinder abzusetzen, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird (zur [X.]gemäßheit dieser Regelung vgl bereits [X.], 254 = [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]0; sowie Urteil vom 18.6.2008 - [X.]/11b [X.]/06 R - [X.]-4200 § 22 [X.]2). Als Erwerbseinkommen seitens des [X.] wurden ausweislich dieses Bescheides monatlich 607,15 [X.] berücksichtigt, was mit den im Urteil des [X.] wiedergegebenen "Absetzbeträgen" von 583,78 [X.] in Einklang zu bringen ist. Unter Anwendung des § 19 Satz 2 [X.] wurde von der Beklagten dieses Einkommen sodann zunächst bei den Leistungen der [X.] ([X.]) berücksichtigt. Die den vier Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zustehenden Regelleistungen in Höhe von 2 x 311 [X.] (§ 20 Abs 3 Satz 1 [X.]) und 2 x 207 [X.] (§ 28 Abs 1 Satz 3 [X.] [X.]) minderte die Beklagte um das anteilig auf die vier Köpfe der Bedarfsgemeinschaft umgelegte Einkommen des [X.] in Höhe von 607,15 [X.]. Entsprechend den Anteilen am Gesamtbedarf wurde von der Beklagten sodann ein Berücksichtigungsbetrag von 212,01 [X.] bei den Eltern und von je 91,57 [X.] bei den Kindern aus den 607,15 [X.] Einkommen errechnet. Mithin überstieg nach dieser Berechnung das zu berücksichtigende Einkommen der beiden Kinder (je 91,57 [X.] anteilig aus dem Einkommen des [X.] und das ihnen zustehenden Kindergeld in Höhe von 154 [X.] monatlich) ihren Bedarf an Leistungen bei der [X.] in Höhe der Regelleistung nach § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] [X.] (Sozialgeld) von 207 [X.] monatlich.

Die Kläger haben bislang im streitigen Zeitraum ausweislich der in Bezug genommenen Bescheide wegen der Rangfolge der Berücksichtigung von Einkommen gemäß § 19 Satz 2 [X.] überhaupt keine Regelleistungen gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] [X.] erhalten, sondern nur anteilige Kosten der Unterkunft gemäß § 22 [X.]. Der erkennende Senat hat deshalb in seinem Vorlagebeschluss an das [X.] vom 27.1.2009 ausgeführt, dass den Klägern im vorliegenden Fall unter drei Voraussetzungen höhere Leistungen zustehen könnten. Dies wäre der Fall:

a)   

wenn das zu berücksichtigende Einkommen des [X.] bzw der Eltern im Rahmen des [X.] gemäß §§ 9, 11, 30 [X.] falsch berechnet worden wäre, was zur Folge hätte, dass der ungedeckte Bedarf der Bedarfsgemeinschaft insgesamt höher würde;

b)   

die angemessenen Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 [X.] (auf der [X.]) in unzutreffender Weise berechnet oder festgesetzt worden wären und schließlich

c)   

die Höhe der den Grundbedarf festlegenden Regelleistungen in § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] (bzw § 20 Abs 2) [X.] vom Gesetzgeber in verfassungswidriger Weise falsch festgesetzt worden wäre, was ebenfalls den Bedarf in der Bedarfsgemeinschaft insgesamt erhöhen würde.

Der Senat hat seinerzeit auch darauf hingewiesen, dass er über die Möglichkeiten für die Kläger zu einer höheren Leistung zu gelangen, die unter a) und b) genannt sind, auf Grund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht abschließend entscheiden kann. Das [X.] hat sich in dem angefochtenen Urteil lediglich auf eine Prüfung der [X.]gemäßheit der Festsetzung der Höhe der Regelleistung gemäß § 20 [X.] beschränkt und zu der Höhe und Angemessenheit der Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 [X.] ebenso wie zu den Nebeneinkünften der Eltern der Kläger gemäß §§ 11, 30 [X.] keinerlei Feststellungen getroffen. Insofern ist der Rechtsstreit jetzt an das [X.] zurückzuverweisen, das abschließend über die Höhe der Ansprüche der Kläger unter Berücksichtigung dieser beiden Sachverhaltselemente zu entscheiden haben wird.

2. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen hingegen mehr dagegen, dass die Beklagte die Regelleistungen der Kläger für den hier streitigen Zeitraum vom 1.1. bis [X.] gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] [X.] mit jeweils 207 [X.] festgesetzt hat. Das [X.] hat in dem zitierten Urteil vom [X.] zwar § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] [X.] für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Zugleich hat es jedoch deutlich gemacht ([X.] des Originalurteils, RdNr 211 der elektronischen Fassung), dass nicht festgestellt werden könne, dass die zum damaligen Zeitpunkt gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge evident unzureichend sind. Der Gesetzgeber sei daher auch nicht unmittelbar von [X.] wegen verpflichtet, rückwirkend höhere Leistungen festzusetzen. Weiterhin hat das [X.] auf [X.] 76 (RdNr 217) des Urteils deutlich gemacht, dass eine rückwirkende Neufestsetzung etwaiger höherer Leistungen für den gesamten Zeitraum ab dem 1.1.2005 auch unvertretbare fiskalische Wirkungen hätte. Von einer Rückwirkung der Neuregelung könne der Gesetzgeber daher absehen, weil im Hinblick auf die beanstandeten Vorschriften eine evidente Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht feststellbar ist, sondern diesen allein ein nicht realitätsgerechtes Verfahren der Ermittlung des Existenzminimums zu Grunde liege. Folglich ist im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass die den Klägern im Jahre 2005 bewilligte Regelleistung in Höhe von 207 [X.] für den hier streitigen Zeitraum hinzunehmen ist, weil eine evidente Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht feststellbar ist. Das [X.] hat in seinem Urteil den ihm vom Senat vorgelegten Sachverhalt umfassend verfassungsrechtlich gewürdigt. Eine solche verfassungsrechtliche Prüf- und [X.] steht nach der Rechtsordnung des [X.] ausschließlich dem [X.] zu (vgl Art 93 [X.] iVm Art 100 [X.]). Entgegen der Rechtsansicht der Revision ist es dem Senat deshalb auch verwehrt, nunmehr selbst auf den Prüfungsgesichtspunkt des Art 3 Abs 1 [X.] abzustellen, nur weil das [X.] einen anderen verfassungsrechtlichen Prüfungsschwerpunkt (Art 1 [X.]) gewählt hat. Würde der Senat weiterhin einen Gleichheitsverstoß gemäß Art 3 Abs 1 [X.] als gegeben erachten, so hätte er gemäß Art 100 [X.] erneut den Rechtsstreit dem [X.] vorlegen müssen.

3. Hierzu besteht aber keinerlei Veranlassung, ebenso wenig wie die von den Klägern hilfsweise angeregte "Vorlage" an den [X.]päischen Gerichtshof ([X.]) bzw an den [X.]päischen Gerichtshof für Menschenrechte ([X.]) in Betracht kommt.

Es ist nicht ersichtlich und von den Klägern auch nicht vorgetragen, dass die spezifischen Voraussetzungen des Art 267 (vormals Art 234 [X.]) der konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.]päischen Union (- [X.] -, [X.] [X.] vom [X.]) vorliegen. Insbesondere ist es nicht Aufgabe des [X.], Urteile des [X.] als letzte Instanz zu überprüfen, wovon die Revision offenbar ausgeht. Eine "Vorlage" eines innerstaatlichen Gerichts an den [X.] ist nach der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ([X.], [X.]I 2002, 1054) ohnehin nicht vorgesehen. Die [X.] kennt in Art 33 und 34 nur die [X.] bzw die Individualbeschwerde. Ein Verfahren, wie es Art 100 [X.] und Art 267 [X.] vorsehen - Aussetzung des Verfahrens durch Beschluss und Vorlage an das kompetenzmäßig zur Klärung der verfassungs- oder europarechtlichen (Vor)Frage durch das hierfür zuständige Gericht - kennt die [X.] nicht.

Das [X.] wird auch über die Kosten des Rechtsstreits unter Beachtung des gesamten [X.] zu entscheiden haben. Hierbei wird auch zu berücksichtigen sein, dass das [X.] ([X.] 77 des Urteils; RdNr 219) davon ausgegangen ist, dass die [X.]widrigkeit des § 28 Abs 1 Satz 3 [X.] [X.] bei [X.] zu Gunsten der klagenden Hilfebedürftigen angemessen zu berücksichtigen ist.

Meta

B 14 AS 17/10 R

17.06.2010

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Dortmund, 24. Juli 2006, Az: S 32 (5,38) AS 89/05, Urteil

§ 28 Abs 1 S 1 SGB 2, § 28 Abs 1 S 3 Nr 1 SGB 2, § 20 SGB 2, Art 1 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 6 GG, Art 20 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.06.2010, Az. B 14 AS 17/10 R (REWIS RS 2010, 5755)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5755

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