Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 51/09 R

14. Senat | REWIS RS 2010, 2251

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einbeziehung unverheirateter volljähriger Kinder bis zum 25. Lebensjahr in die Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern ab 1.7.2006 - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

1. Es ist nicht verfassungswidrig, dass der Gesetzgeber zum 1.7.2006 die Altersgrenze für die Einbeziehung von erwachsenen, im Haushalt lebenden Kindern in die Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern auf 25 Jahre erhöht hat.

2. Die Berücksichtigung von Einkommen innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft ist unabhängig vom Bestehen familienrechtlicher Unterhaltspflichten.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen den Beschluss des [X.] vom 10. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger zu 1 für den Zeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]) zusteht. Streitig ist dabei insbesondere, ob die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit des [X.] zu 2 als Einkommen zu berücksichtigen ist.

2

Der ledige Kläger zu 1 ist am 1985 geboren. Er lebt mit seinem 1961 geborenen Vater (Kläger zu 2) in einem gemeinsamen Haushalt im Eigenheim des [X.] zu 2. Weiterhin lebt in diesem Haus die 1986 geborene [X.], die über eigenes Einkommen verfügt und keine Ansprüche nach dem [X.] geltend macht. Der Kläger zu 2 bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer, die ab Juli 2005 in einer Höhe von monatlich 615,84 [X.] gewährt wurde. Der Kläger zu 1 bezog bis August 2005 Arbeitslosengeld ([X.]) nach dem [X.]. Anschließend stand er im Bezug von [X.] Von Juni bis September 2006 war er gegen Entgelt als Maler beschäftigt. Das dabei erzielte Entgelt deckte seinen Bedarf, sodass für diesen Zeitraum kein Anspruch auf [X.] geltend gemacht wurde.

3

Am [X.] beantragte der Kläger zu 1 die Bewilligung von Leistungen nach dem [X.], weil er weder Einkommen erziele noch über Vermögen verfüge. Daraufhin bewilligte die [X.] ihm mit Bescheid vom 8.11.2006 [X.] in Höhe von 400,64 [X.] für den Oktober 2006 und in Höhe von monatlich 175,64 [X.] für den Zeitraum von November 2006 bis März 2007. Die [X.] ging dabei von einer Regelleistung für den Kläger zu 1 in Höhe von 276 [X.] monatlich, sowie von einem Zuschlag von 80 [X.] monatlich aus. Die Kosten der Unterkunft bezifferte sie für den Oktober 2006 mit 235,92 [X.] und für den Zeitraum November 2006 bis März 2007 mit 10,92 [X.] monatlich. Weiterhin berücksichtigte die [X.] die Erwerbsunfähigkeitsrente des [X.] zu 2 mit jeweils monatlich 191,28 [X.] als Einkommen.

4

Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Nach der ab [X.] maßgeblichen Rechtslage bilde der Kläger zu 1 gemäß § 7 Abs 3 Nr 2 [X.] als unter 25-jähriger mit seinem Vater eine Bedarfsgemeinschaft. Die Erwerbsunfähigkeitsrente des [X.] zu 2 sei daher als Einkommen zu berücksichtigen. Die Rente in Höhe von monatlich 615,84 [X.] sei jedoch um die [X.] von 30 [X.], um die Aufwendungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung von 38,64 [X.] monatlich auf 547,20 [X.] monatlich zu bereinigen. [X.] man bei dem Kläger zu 2 einen Bedarf in Höhe von 355,92 [X.] monatlich zu Grunde (345 [X.] monatliche Regelleistung und 10,92 [X.] Kosten der Unterkunft), so sei der diesen Bedarf übersteigende Betrag von 191,28 [X.] als Einkommen bei dem Kläger zu 1 zu berücksichtigen.

5

Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des [X.] vom 10.7.2008; Beschluss des [X.] <[X.]> vom 10.12.2008). Zur Begründung seines die Berufung zurückweisenden Beschlusses hat das [X.] ausgeführt, die Klage des [X.] zu 2 sei bereits mangels Beschwer unzulässig gewesen. Zwar bilde er mit seinem [X.], dem Kläger zu 1, eine Bedarfsgemeinschaft, jedoch stünden ihm keine eigenen Leistungen nach dem [X.] zu, weil er erwerbsunfähig sei. [X.] zu Recht habe der Kläger zu 1 Leistungen nur an sich selbst geltend gemacht, weil die [X.] in den angefochtenen Bescheiden über Ansprüche des [X.] zu 2 auch keine Verfügung iS des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch getroffen habe. Die Klage des [X.] zu 1 habe keinen Erfolg. Die Berücksichtigung des Einkommens des [X.] zu 2 folge aus seiner Mitgliedschaft in einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Kläger zu 1. Nach § 7 Abs 3 Nr 2 [X.] in der ab [X.] geltenden Fassung gehöre auch der im Haushalt lebende nicht erwerbsfähige Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, zur Bedarfsgemeinschaft. Der Gesetzgeber habe mit dem Gesetz vom [X.] die ursprüngliche Altersgrenze von 18 Jahren als Austrittsgrenze aus der Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern auf 25 Jahre angehoben, um bewusst keinen Anreiz mehr zum Auszug aus dem elterlichen Haushalt und zur Gründung eines eigenen Haushalts zu schaffen. Nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 7 [X.] würden die Kläger zu 1 und zu 2 eine Bedarfsgemeinschaft bilden, die mit bürgerlich rechtlichen Unterhaltspflichten nicht zur Deckung gebracht werden könne. Es bestünden auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung. Das [X.] ([X.]) habe entschieden, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums berechtigt sei, typisierende Regelungen zu schaffen, bei denen das Eintreten Dritter auf Grund rechtlicher oder moralischer Verpflichtung typischerweise erwartet werden könne. So lägen die Verhältnisse hier, weil auch aus dem von der Verfassung geschützten tradierten Familienbild (Art 6 Abs 2 Grundgesetz ) folge, dass leibliche Eltern ihre bei ihnen wohnenden Kinder in Notsituationen unterstützen würden. Hieran habe der Gesetzgeber anknüpfen dürfen. Auch sei ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG nicht zu erkennen. Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung der Altersgrenze (25 Jahre) zum [X.] typischerweise davon ausgehen dürfen, dass Kinder bis zu 25 Jahren, die zusammen mit ihren Eltern in einem gemeinsamen Haushalt leben, Unterstützung innerhalb der Haushaltsgemeinschaft erhielten.

6

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer, vom Senat zugelassenen, Revision. Sie rügen eine Verletzung des § 7 Abs 3 Nr 2 [X.] in der ab [X.] geltenden Fassung iVm § 9 Abs 2 Satz 2 [X.]. Diese Regelungen verstießen gegen Verfassungsrecht. Insbesondere rügen sie eine Verletzung der Art 20 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG und Art 14 Abs 1 GG. Hinsichtlich des [X.] zu 1 liege eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips (Art 20 Abs 1 GG) vor. Bei ihm würden fiktive Unterhaltsleistungen des [X.] zu 2 berücksichtigt, die familienrechtlich überhaupt nicht bestünden. Nach § 1603 Abs 1 [X.] (BGB) stehe dem Kläger zu 2 ein Selbstbehalt zu, den er mit seiner Erwerbsunfähigkeitsrente nicht erreiche. Der Anspruch des [X.] zu 1 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dürfe nicht von einem familienrechtlich nicht bestehenden Unterhaltsanspruch abhängig gemacht werden. Des Weiteren werde der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verletzt. Die gerügten Normen bewirkten, dass junge Erwachsene unter 25 Jahren auf staatliche Hilfe keinen oder nur geringeren Anspruch hätten, während Personen in derselben Lebenslage ab dem 25. Geburtstag Hilfe erhielten. Eine Änderung in den Verhältnissen trete aber durch die Vollendung des 25. Lebensjahres nicht ein. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wieso Erwachsene, die nach dem 25. Lebensjahr bei ihren Eltern lebten, nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen werden müssten. Der Kläger zu 2 macht geltend, dass durch die Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente, die lediglich etwa 615 [X.] monatlich betrage, sein durch Art 14 Abs 1 GG geschütztes Eigentum verletzt werde, weil ihm die wirtschaftliche Verfügungsmacht über diese Rente entzogen werde. Des Weiteren rügt der Kläger zu 2 eine Verletzung des Gleichheitssatzes, weil die Mutter des [X.] zu 1, die sich nicht um den Kläger zu 1 kümmere, in keiner Weise belastet werde. Er habe den Kläger zu 1 in seinem Haushalt aufgenommen und allein erzogen, mit der Konsequenz, dass seine Rente nunmehr als Einkommen bei seinem [X.] berücksichtigt werde. Im Übrigen sei auch davon auszugehen, dass § 7 Abs 3 Nr 2 [X.] nunmehr insbesondere Frauen benachteilige, die in der Regel die Last der Alleinerziehung tragen würden. Insofern werde wegen der mittelbaren Diskriminierung durch diese Norm auch ein Verstoß gegen Art 3 Abs 2 GG gerügt. Der Kläger zu 1 macht im Revisionsverfahren darüber hinaus geltend, dass ihm die Regelleistung in Höhe von [X.] (345 [X.]) und nicht nur in Höhe von 276 [X.] zustehen müsse.

7
Die Kläger beantragen,
1.
den Beschluss des [X.] vom 10. Dezember 2008 und das Urteil des [X.] vom 10. Juli 2008 aufzuheben,
2.
die [X.] unter Änderung ihres Bescheids vom 8. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2007 zu verurteilen, an den Kläger zu 1 höheres Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich zusätzlich 260,28 [X.] für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis 31. März 2007 zu zahlen.

8

Die [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die [X.] hält die Revision des [X.] zu 1 für unbegründet, diejenige des [X.] zu 2 für unzulässig. Der Kläger zu 2 werde durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert. Die Berechnung der Höhe des dem Kläger zu 1 zustehenden [X.] entspreche der nach dem [X.] geltenden Rechtslage. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtslage bestünden nicht. Im Übrigen habe das [X.] bereits entschieden, dass aus einer Inkongruenz zwischen zivilrechtlichen Unterhaltspflichten und öffentlich rechtlichen Einstandspflichten keine zwingende Verfassungswidrigkeit der sozialrechtlichen Regelungen folge (Hinweis auf das Urteil vom 13.11.2008 - [X.] [X.]/08 R).

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] zu 2 ist unbegründet, weil dieser nicht klagebefugt ist (vgl unter 1.). Die Revision des [X.] zu 1 ist nicht begründet, denn die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Erwerbsunfähigkeitsrente des [X.] zu 2 bei dem Kläger zu 1 als Einkommen zu berücksichtigen ist (vgl im Einzelnen unter 2.). Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber in § 7 Abs 3 [X.] davon ausging, dass zwischen dem im streitigen Zeitraum 21 Jahre alten Kläger zu 1 und seinem erwerbsunfähigen Vater (Kläger zu 2) eine Bedarfsgemeinschaft bestand (hierzu unter 3.).

1. Die Revision des [X.] zu 2 ist unbegründet, denn der Kläger zu 2 ist nicht klagebefugt. Er kann sich keiner Verletzung seiner spezifisch rechtlichen Interessen durch die Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente als Einkommen seines [X.], des [X.] zu 1 (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.] 9. Aufl 2008, § 54 Rd[X.]2a ff), berühmen. Das BSG hat klargestellt, dass es sich bei den Ansprüchen der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft um [X.] handelt, die jeweils gesondert und einzeln von dem rechtlich Betroffenen gerichtlich geltend zu machen sind (grundlegend [X.] B 7b [X.] - [X.], 217, 219 ff = [X.] 4-4200 § 22 [X.], jeweils Rd[X.]2 ff). Der Kläger zu 2 kann keine eigenen rechtlichen Ansprüche im Rahmen des [X.] geltend machen, weil er vom Leistungsbezug gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 8 [X.] ausgeschlossen ist. Soweit er höhere Leistungen für seinen [X.], den Kläger zu 1, fordert, steht das rechtliche Interesse hieran ausschließlich seinem [X.] zu. Dass bei dem Kläger zu 1 die Rente des [X.] zu 2 wegen ihrer Berücksichtigung als Einkommen zu einem geringeren Leistungssatz führt, berührt mithin lediglich die wirtschaftlichen Interessen des [X.] zu 2. Denn das BSG hat ebenfalls klargestellt, dass aus der Verklammerung von Personen zu Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft im [X.] keinerlei Rechtsansprüche der zusammenveranlagten Personen auf Unterhaltsleistungen bzw auf einen sozialrechtlichen Ausgleich der berücksichtigten Einkommensanteile entstehen (vgl hierzu bereits [X.] [X.] [X.]/06 R - [X.], 242 = [X.] 4-4200 § 20 [X.], Rd[X.]9: "Es ist ... nicht Aufgabe des [X.], bis in jede Einzelheit für eine Verteilung der für das Existenzminimum der einzelnen Personen notwendigen Gelder zwischen allen Beteiligten zu sorgen"). So kann der Kläger zu 1 den bei ihm berücksichtigten Einkommensanteil aus der Erwerbsunfähigkeitsrente seines [X.] gegen diesen nicht (sozial-) rechtlich geltend machen, weshalb rechtliche Interessen des [X.] zu 2 hierdurch gerade nicht berührt werden können. Die bloß wirtschaftliche Reflexwirkung der Entscheidung gegenüber dem Kläger zu 1 auf den Gesamthaushalt der beiden Kläger schafft noch keine Klagebefugnis für den Kläger zu 2.

2. Dem Kläger zu 1 stehen im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.10.2006 bis [X.] keine höheren als die ihm durch den Bescheid vom 8.11.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.]) bewilligten Leistungen zu. Der Kläger zu 1 war nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] erwerbsfähig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]. Der Kläger zu 1 war auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]. Bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit war die Erwerbsunfähigkeitsrente des [X.] zu 2 als Einkommen zu berücksichtigen. Der Kläger zu 2 war zwar als Bezieher einer Erwerbsunfähigkeitsrente wegen dauerhafter Erwerbsunfähigkeit vom Bezug der Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen. Dennoch bestand zwischen ihm und seinem im streitigen Zeitraum 21jährigen [X.] gemäß § 7 Abs 3 [X.] eine Bedarfsgemeinschaft. Hiernach gehören zur Bedarfsgemeinschaft die im Haushalt lebenden Eltern eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (vgl § 7 Abs 3 [X.] idF des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom [X.], [X.] 558; in [X.]). Dass der Kläger zu 2 selbst keine Leistungen nach dem [X.] beziehen konnte, hindert nicht das Entstehen einer sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaft.

Nach § 9 Abs 2 Satz 2 [X.] (hier in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.], [X.] 1706) war das Einkommen des [X.] des [X.] zu 1 bei diesem als Einkommen zu berücksichtigen. § 9 Abs 2 Satz 2 bestimmt: Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auf das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partner zu berücksichtigen. Zu Recht hat die Beklagte daher den Anteil der Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 191,28 Euro, der den (fiktiven) Bedarf des [X.] zu 2 nach dem [X.] übersteigt, als Einkommen bei dem Kläger zu 1 berücksichtigt. Gegen die weitere Berechnung der Höhe der Leistungen des [X.] zu 1 sind weder Bedenken vorgetragen, noch nach dem Gesamtinhalt der Akten ersichtlich. Insbesondere bestehen auch keine ([X.] Probleme, weil dem Kläger zu 1 lediglich eine Regelleistung in Höhe von [X.] gemäß § 20 Abs 2 Satz 2 [X.] zuerkannt wurde. Es ist kein rechtlicher Ansatzpunkt erkennbar, nach dem der Kläger zu 1 wie ein Alleinstehender gemäß § 20 Abs 2 Satz 1 [X.] behandelt werden könnte, mit der Konsequenz, dass ihm eine Regelleistung in Höhe von [X.] zustehen würde. Der Kläger zu 1 soll vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers des [X.] - wie ausgeführt - gerade keine "eigene" Bedarfsgemeinschaft für sich bilden.

3. Entgegen der Rechtsansicht der Revision ist die Vorschrift des § 7 Abs 3 [X.] in der ab 1.7.2006 (aaO) geltenden Fassung auch nicht verfassungswidrig.

a) Die Regelung des § 7 Abs 3 [X.] (iVm § 9 Abs 2 Satz 2 [X.]) verletzt nicht Art 1 iVm Art 20 Abs 1 GG. Dem Kläger zu 1 steht nach der Rechtsprechung des [X.] (<[X.]> Urteil vom [X.] - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 -) aus Art 1 und Art 20 Abs 1 GG zwar ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu. Das [X.] hat jedoch auch betont, dass dem Gesetzgeber bei der genauen Ausgestaltung und Bezifferung des grundrechtlich zu gewährenden Existenzminimums ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht (aaO, Rd[X.]33). Im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums kann und darf der Gesetzgeber davon ausgehen, dass ein Hilfebedürftiger nach dem [X.] zunächst Hilfe von Anderen zu beanspruchen hat, was aus dem Grundsatz der Subsidiarität der steuerfinanzierten Leistungen nach dem [X.] folgt (vgl § 3 Abs 3 Satz 1 [X.]). Der Gesetzgeber war bei der Ausgestaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes und dem Prinzip, dass Hilfebedürftige gehalten sind, jede Unterstützung von anderen einzuholen, nicht gehalten, an die Regelungen des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts anzuknüpfen (zum Verhältnis von zivilrechtlichem Unterhaltsrecht und [X.] vgl [X.], 18. [X.], 2010, [X.] ff). Die Kläger weisen zwar zu Recht darauf hin, dass angesichts der geringen Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente von etwa 615 Euro monatlich ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gemäß § 1603 Abs 1 [X.] angesichts des Selbstbehalts des [X.] zu 2 wohl nicht bestanden hätte (zum Selbstbehalt von 1100 Euro - ggf abzüglich des Vorteils des Wohnens im eigenen Haus vgl Palandt/[X.], [X.], 69. Aufl 2010, Einf v § 1601, Rd[X.]4).

Der fürsorgerechtliche Gesetzgeber darf jedoch bei der Frage, ob der Einsatz staatlicher Mittel gerechtfertigt ist, von den Regelungen des Unterhaltsrechts abweichen und typisierend unterstellen, dass in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige (die hier in gerader Linie verwandt sind) sich unterstützen. Dies hat der Senat im Einzelnen in seinem Urteil vom 13.11.2008 ([X.] [X.]/08 R - [X.], 76 = [X.] 4-4200 § 9 [X.]; zustimmende Anmerkung von [X.], [X.] 2009, 741) begründet. Der Gesetzgeber darf mithin (so das BSG, aaO, Rd[X.]5) bei der Gewährung von Sozialleistungen unabhängig von bestehenden bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten die Annahme von Hilfebedürftigkeit davon abhängig machen, ob sich für den Einzelnen typisierend aus dem Zusammenleben mit anderen Personen Vorteile ergeben, die die Gewährung staatlicher Hilfe nicht oder nur noch in eingeschränktem Umfang gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei kann allerdings nicht jedes Zusammenleben in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft beachtlich sein. Nur wenn die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann und sie sich so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrenntlebender Ehegatten bzw der eingetragenen Lebenspartnerschaften, in denen Unterhaltsansprüche tatsächlich bestehen, vergleichbar (vgl [X.]E 87, 234 = [X.] 3-4100 § 137 [X.]). Der Gesetzgeber durfte hier typisierend unterstellen, dass Eltern, die mit ihren unter 25-jährigen Kindern in einem Haushalt zusammenleben, auch tatsächlich für diese aufkommen.

Auch das Grundrecht des [X.] zu 2 auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ([X.] aaO), das hier im Rahmen der Prüfung der Rechtsansprüche des [X.] zu 1 herangezogen werden kann, ist gewahrt. Bei der Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit seines [X.] im [X.] wurde bei dem Kläger zu 2 - unabhängig davon, dass für ihn keine Rechtspflicht zur Zahlung an den [X.] entstand - ein "fürsorgerechtlicher Selbstbehalt", der dem Existenzminimum im [X.] entspricht (zur Berücksichtigung des Existenzminimums als Selbstbehalt beim Erwachsenenunterhalt gemäß § 1603 [X.] vgl auch [X.], [X.], 845, 847) zu Grunde gelegt. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach dem [X.] wird nur der Einkommensanteil des [X.] zu 2 bei seinem [X.] als Einkommen berücksichtigt, der das dem Kläger zu 2 zustehende Existenzminimum nach den Bestimmungen des [X.] überschreitet. Insofern scheidet auch ein Verstoß gegen Art 1 IVm Art 20 Abs 1 GG aus.

b) Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Soweit die Revision geltend macht, die Altersgrenze von 25 Jahren sei willkürlich gewählt, ist den Klägern einzuräumen, dass auch bei 26- oder 27-jährigen Kindern, die weiterhin im Haushalt ihrer Eltern leben, eine Ersparnis der Generalkosten anfällt und die Lage in tatsächlicher Hinsicht nicht anders ist als bei Kindern unter 25 Jahren. Insofern ist der Revision zuzugestehen, dass das [X.] in seinem Urteil vom [X.] (aaO) betont hat, dass aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch folgt, dass der Gesetzgeber die maßgeblichen Entscheidungen in einem transparenten Verfahren anhand sachgerechter Kriterien zu fällen hat ([X.], aaO, Rd[X.]39 ff). Ob dies allerdings für jede im [X.] gewählte Altersgrenze gilt, lässt sich dem Urteil des [X.] nicht zweifelsfrei entnehmen. Hinzu kommt, dass dem Gesetzgeber im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG bei sogenannten Stichtagsregelungen generell ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Die mit der formellen Starrheit eines Stichtags verbundenen zwangsweise Härten sind grundsätzlich hinzunehmen (vgl [X.]E 71, 364, 397 ff; 77, 308, 338; 80, 297, 311 = [X.] 5795 § 4 [X.]; [X.]E 87, 1, 43, 47 = [X.] 3-5761 Allg [X.] S 12, 15). Der Gesetzgeber verfolgte mit der Einführung der [X.] zudem verfassungsrechtlich legitime Zwecke (vgl BT-Drucks 16/688 S 13, zu [X.], zu [X.]). Es sollte insbesondere verhindert werden, dass Kinder, die im Haushalt der Eltern leben, mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden (zu den Motiven des Gesetzgebers insoweit auch [X.], [X.] 2005, 413, der aufzeigt, dass der Steuerzahler nach der früheren Regelung den Auszug aus dem Elternhaus zu finanzieren hatte).

Soweit die Revision schließlich geltend macht, Art 3 Abs 2 GG werde verletzt, weil nur das Einkommen von Eltern berücksichtigt werde, die mit dem erwachsenen Kind in einem Haushalt leben, nicht hingegen dasjenige einer getrenntlebenden Ehefrau, die insofern privilegiert werde, so wird verkannt, dass zwischen dem Kläger zu 2 und einem getrenntlebenden bzw nicht im Haushalt lebenden Elternteil Unterschiede von "solcher Art und solchem Gewicht" bestehen (vgl hierzu [X.]E 55, 72, 88; 84, 133, 157; 87, 1, 36 = [X.] 3-5761 Allg [X.] S 7; [X.]E 95, 39, 45; 102, 41, 54 = [X.] 3-3100 § 84a [X.] S 18; vgl auch BSG [X.] 4-4200 § 11 [X.]0 Rd[X.]4), die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen. Der Gesetzgeber des [X.] durfte bei der Regelung der Bedarfsgemeinschaft gerade an den Gesichtspunkt anknüpfen, dass gemeinsam in einer Wohnung bzw in einem Haushalt zusammenlebende Verwandte in gerader Linie sich auch tatsächlich Unterhalt leisten. Lebt - wie hier - die Mutter des [X.] zu 1 nicht in dem Haushalt, so ist sie nach den fürsorgerechtlichen Regelungen gerade nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Dieser Unterschied rechtfertigt auch die je unterschiedliche Behandlung des Einkommens des [X.] und der Mutter des [X.] zu 1.

c) Die Berücksichtigung der Erwerbsunfähigkeitsrente des [X.] zu 2 als Einkommen seines [X.] verletzt schließlich auch nicht das Eigentumsgrundrecht des [X.] zu 2, was hier im Rahmen des Vorbringens des [X.] zu 1 zu würdigen ist. Hierbei ist nochmals klarzustellen, dass für den Kläger zu 2 aus der Berücksichtigung seiner Rente als Einkommen seines [X.] im [X.] keinerlei rechtliche Pflichten erwachsen, seinen [X.] tatsächlich mit dem betreffenden Betrag auch zu unterstützten (vgl oben unter 1.). Darüber hinaus ist entgegen der Rechtsauffassung der Revision auch bereits der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Art 14 Abs 1 GG nicht berührt. Durch die Berücksichtigung der Erwerbsunfähigkeitsrente als Einkommen bei dem [X.] wird allenfalls das Vermögen des [X.] zu 2 gefährdet, der eventuell moralisch - nicht rechtlich - sich verpflichtet fühlen könnte, seinen [X.] zu unterstützen. [X.] ist damit in keiner Weise die spezifische Substanz seiner ggf eigentumsgeschützten [X.] (zum Eigentumsschutz der [X.]en vgl [X.]E 53, 257, 291; 69, 272, 301 = [X.] 2200 § 165 [X.]). Das Vermögen als solches ist von Art 14 Abs 1 GG nicht geschützt (vgl insbesondere [X.]E 78, 232, 243; 91, 207, 220; 95, 267, 300).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Meta

B 14 AS 51/09 R

19.10.2010

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Regensburg, 10. Juli 2008, Az: S 8 AS 112/07, Urteil

§ 7 Abs 3 Nr 2 SGB 2 vom 20.07.2006, § 7 Abs 3 Nr 2 SGB 2 vom 24.03.2006, § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 vom 20.07.2006, § 1603 BGB, Art 1 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 51/09 R (REWIS RS 2010, 2251)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2251

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