Bundessozialgericht, Urteil vom 14.06.2018, Az. B 14 AS 13/17 R

14. Senat | REWIS RS 2018, 7821

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Ausgleichsrente nach PrVG BE 1991


Leitsatz

Die Ausgleichsrente des Gesetzes über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus (PrVG; juris: PrVG BE 1991) des Landes Berlin ist nicht von der Berücksichtigung als Einkommen nach dem SGB II ausgenommen.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des den Klägern zu zahlenden [X.] bzw [X.] nur noch für den Mai 2009.

2

Die 1964 geborene Klägerin zu 1 und ihr 1940 geborener Ehemann sind die Eltern der 1996 geborenen Klägerin zu 2 und des 2004 geborenen [X.] zu 3. Die Kläger beziehen seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] Seit 1.5.2006 bewohnen sie eine 112,88 qm große Vier-Zimmer-Wohnung, für die laut Mietvertrag 931,26 [X.] zu zahlen waren. Das beklagte Jobcenter berücksichtigte ab diesem [X.]punkt nur eine aus seiner Sicht angemessene Gesamtmiete von 619 [X.] für einen Vier-Personen-Haushalt. Ab dem 1.5.2008 belief sich die monatliche Gesamtmiete auf 874,82 [X.], wobei der Beklagte weiterhin die als angemessen angesehenen 619 [X.] für die Familie zugrunde legte, sodass für jeden der Kläger und den Ehemann jeweils Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 154,75 [X.] berücksichtigt wurden.

3

[X.] ist als Verfolgter gemäß § 2 Abs 1 [X.] des Gesetzes über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus ([X.]) des [X.] vom 13.4.1956 in der Fassung vom 21.1.1991 (GVBl 1991 S 38) anerkannt. Seit der Vollendung des 65. Lebensjahres erhält er eine Rente nach diesem Gesetz mit einem monatlichen Auszahlungsbetrag ab dem [X.] in Höhe von 1131,06 [X.] (305,24 [X.] Grundrente und 825,82 [X.] [X.]; Bescheid vom 14.7.2008). Darüber hinaus bezog er rückwirkend ab dem [X.] Wohngeld in Höhe von 113 [X.] monatlich (Bescheid vom 18.9.2009).

4

Der Beklagte bewilligte den Klägern Leistungen nach dem [X.] für die [X.] vom 1.12.2008 bis zum [X.] von monatlich 489,18 [X.], wobei er als Kosten der Unterkunft und Heizung 619 [X.] ansetzte. Weiterhin wurde die dem Ehemann gewährte [X.] von 825,82 [X.] monatlich nach Abzug der allgemeinen [X.] von 30 [X.] und seines von dem Beklagten zugrunde gelegten Bedarfs (316 [X.] Regelleistung zzgl 154,75 [X.] für Unterkunft und Heizung) im Umfang von 325,07 [X.] bei den Klägern berücksichtigt, außerdem als Einkommen der Kläger zu 2 und zu 3 jeweils das Kindergeld von 154 [X.] (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]).

5

Für den Bewilligungszeitraum von Dezember 2008 bis Mai 2009 erließ der Beklagte am [X.] zum einen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wegen des dem Ehemann rückwirkend bewilligten Wohngelds und zum anderen ebenfalls am [X.] einen Bewilligungsbescheid mit niedrigeren monatlichen Leistungen. Die nur gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] gerichtete Klage hat das [X.] mit Urteil vom 5.9.2014 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das L[X.] mit Beschluss vom 13.8.2015 zurückgewiesen.

6

Die Klagen gegen den Bewilligungsbescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] hat das [X.] abgewiesen (Urteil vom 14.1.2013) und das L[X.] die Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom 15.10.2015). Die dem Ehemann gezahlte, sich aus einer Grund- sowie einer [X.] zusammensetzende Rente nach dem [X.] sei gemäß § 11 Abs 1 [X.] als Einkommen anzusehen, von dem nur die Grundrente ausgenommen sei. Die [X.] sei dagegen mit dem den Bedarf des Ehemanns übersteigenden Teil als Einkommen bei den Klägern zu berücksichtigen. Etwas anderes ergebe sich weder durch eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes ([X.]), noch durch eine Analogie zu § 11 Abs 1 Satz 1 [X.] aF. Die [X.] sei auch keine zweckbestimmte Einnahme gemäß § 11 Abs 3 [X.] Buchst a [X.] aF, denn sie diene demselben Zweck wie die Leistungen des [X.] und des [X.]B XII.

7

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen. Sie rügen eine Verletzung des § 11 Abs 3 [X.] Buchst a [X.] in der im Bewilligungszeitraum vom 1.12.2008 bis zum [X.] geltenden Fassung. Dass die [X.] der Existenzsicherung und damit dem gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem [X.] diene, lasse sich nicht aus dem [X.] herleiten. Alle Leistungen nach dem [X.] stellten eine besondere Betreuung des [X.] für die Verfolgten des Nationalsozialismus dar. Zwischen den einzelnen Leistungen, insbesondere zwischen der Grund- und der [X.], werde nicht unterschieden. Das [X.] sei ein soziales Betreuungsgesetz mit Ehrungscharakter, das nach dem Willen des Gesetzgebers für eine relativ kleine Gruppe Verfolgter geschaffen worden sei, die sich nach Art und Schwere der erlittenen Verfolgung aus dem Kreis der [X.] heraushebe und im [X.] lebe, und sehe neben der Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz ([X.]) eine besondere Anerkennung und zusätzliche Betreuung und Versorgung vor. Nach ihrem Zweck und nach dem Willen des Gesetzgebers seien die Leistungen allenfalls dazu bestimmt, die Existenz des Verfolgten selbst und nicht auch der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen zu sichern.

8

Nach einem Teilvergleich, mit dem sich die Beteiligten für die [X.] vom 1.12.2008 bis zum 30.4.2009 dem Ausgang des Rechtsstreits für den Mai 2009 unterworfen haben, beantragen die Kläger,

        

die Urteile des [X.] vom 15. Oktober 2015 und des [X.] vom 14. Januar 2013 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2009 und den Bescheid vom 15. Januar 2010 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen höhere Leistungen nach dem [X.] für Mai 2009 zu zahlen.

9

Der Beklagte verteidigt das Urteil des L[X.] und beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Urteils des [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]G). Die Kläger haben zwar keinen Anspruch auf [X.] bzw Sozialgeld ohne Berücksichtigung der von dem Ehemann bezogenen Ausgleichsrente nach [X.] als Einkommen nach dem [X.] Eine abschließende Entscheidung über die Höhe der ihnen für Mai 2009 zu gewährenden Leistungen war jedoch mangels Feststellungen zu der Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht möglich.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile des [X.] vom 14.1.2013 und des [X.] vom 15.10.2015, mit welchen das Begehren der Kläger auf höhere Leistungen nach dem [X.]B II für die [X.] vom 1.12.2008 bis zum [X.] abgewiesen bzw zurückgewiesen wurde, sowie der Bescheid des beklagten Jobcenters vom [X.], mit dem der Klägerin zu 1 [X.] bzw den Klägern zu 2 und 3 Sozialgeld für den genannten [X.]raum unter Berücksichtigung der dem Ehemann gezahlten Ausgleichsrente bewilligt wurde, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 [X.]G) und des [X.] vom [X.], mit dem niedrigere Leistungen als zuvor festgesetzt wurden (§ 96 Abs 1 [X.]G).

2. Die Revisionen sind zulässig, ihnen steht insbesondere nicht die Rechtskraft des Urteils des [X.] vom 5.9.2014 hinsichtlich des ursprünglich identischen streitigen [X.]raums in Bezug auf die Aufhebung von Leistungsbescheiden und eine Erstattungsforderung wegen nicht berücksichtigten [X.] entgegen, ohne dass es noch darauf ankommt, ob eine Trennung des im Grundsatz einheitlichen Streitgegenstands rechtlich zulässig war. Das [X.] hat in seinem nach der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das [X.] rechtskräftig gewordenen Urteil nur eine Teilentscheidung in Bezug auf das Wohngeld durch den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom [X.] getroffen, sodass der [X.] nicht an einer Entscheidung über die vorliegend noch streitige Höhe der Leistungen insgesamt gehindert ist.

3. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des [X.]s nicht entgegen. Insbesondere war der 1940 geborene Ehemann, der gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 [X.]B II nicht leistungsberechtigt war, in diesem Rechtsstreit nicht notwendig beizuladen (§ 75 Abs 2 Alt 1 [X.]G), denn er ist lediglich in seinen wirtschaftlichen Interessen betroffen (vgl B[X.] vom 23.11.2006 - B 11b [X.] - B[X.]E 97, 265 = [X.] 4-4200 § 20 [X.], beides [X.]). Über eine einfache Beiladung nach § 75 Abs 1 [X.]G war vom [X.] nicht zu befinden, da diese im Ermessen des Gerichts steht und eine Unterlassung keinen Verfahrensmangel begründen kann (vgl nur B[X.] vom [X.] KA 71/04 R - B[X.]E 95, 141, 143 = [X.] 4-2500 § 83 [X.], jeweils Rd[X.] 6; B[X.] vom 12.12.2012 - [X.] KA 3/12 R - [X.] 4-2500 § 75 [X.] Rd[X.] 11).

Die Kläger verfolgen ihr Begehren auf höheres [X.] bzw Sozialgeld zutreffend mit kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]G). Soweit sie keinen bezifferten Klageantrag gestellt haben, begehren sie zulässig den Erlass eines Grundurteils im Höhenstreit (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]G; vgl B[X.] vom [X.] - [X.] AS 21/17 R - vorgesehen für [X.], Rd[X.] 9).

4. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids vom [X.] ist § 40 Abs 1 Satz 1, Abs 2 [X.] [X.]B II in der im Rücknahmezeitpunkt geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom [X.] ([X.] 2917; zur Maßgeblichkeit des im [X.]punkt der Aufhebung geltenden Rechts vgl letztens B[X.] vom 7.12.2017 - [X.] [X.]/17 R - vorgesehen für [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.] 10) iVm § 45 [X.]B X und § 330 Abs 2 [X.]B III. Danach ist eine rechtswidrige begünstigende Bewilligung von Leistungen nach dem [X.]B II auch nach Unanfechtbarkeit mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Maßstab hierfür in materieller Hinsicht ist § 7 iVm §§ 11 ff, §§ 19 ff [X.]B II in der Fassung, die das [X.]B II zuletzt vor dem streitbefangenen [X.]raum durch das [X.] in [X.] vom [X.] ([X.] 416) erhalten hat (Geltungszeitraumprinzip, vgl B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.] 14 f). Ob den Klägern danach mit Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] rechtswidrig begünstigend zu hohe Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Mai 2009 zuerkannt worden sind, vermag der [X.] auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht zu entscheiden.

5. Die Klägerin zu 1 erfüllte nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen die Grundvoraussetzungen als leistungsberechtigte Person nach § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II und es lag für sie kein [X.] vor. Entsprechendes gilt für die im Streitzeitraum unter 15 Jahre alten Kläger zu 2 und zu 3, die die Voraussetzungen des § 7 Abs 2 iVm § 28 [X.]B II aF erfüllten.

Die Kläger bildeten eine Bedarfsgemeinschaft mit dem Ehemann der Klägerin zu 1 (§ 7 Abs 3 [X.] Buchst a [X.]B II). Die Prüfung der Hilfebedürftigkeit der Kläger ist nach den Grundsätzen durchzuführen, die das B[X.] für sog gemischte Bedarfsgemeinschaften entwickelt hat (vgl grundlegend B[X.] vom 15.4.2008 - [X.]/7b [X.]/06 R - [X.] 4-4200 § 9 [X.]). Danach sind zunächst die Bedarfe der Kläger zu bestimmen und anschließend ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang diesen Bedarfen eigenes Einkommen oder Einkommen des Ehemanns sowie verwertbares Vermögen entgegensteht.

6. Die Bedarfe der Kläger sowie des Ehemanns setzen sich zusammen aus den [X.] (früher Regelleistung) gemäß § 20 Abs 2 und Abs 3 [X.]B II für die beiden volljährigen Partner der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von [X.] der Regelleistung nach Abs 2 und für die minderjährigen Kinder Sozialgeld nach § 28 Abs 1 [X.] 1 in Höhe von [X.] der nach § 20 Abs 2 Satz 1 [X.]B II maßgebenden Regelleistung. Hinzu kommen die Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 [X.]B II in Höhe des Kopfteils (siehe dazu letztens B[X.] vom 14.2.2018 - [X.] AS 17/17 R - vorgesehen für B[X.]E und [X.] 4, Rd[X.] 14 ff) für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Die Gesamthöhe der Bedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts kann nicht abschließend ermittelt werden, weil Feststellungen des [X.] dazu fehlen, ob die Begrenzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung von tatsächlich zu zahlenden 874,82 Euro auf anerkannte 619 Euro (geteilt durch vier Personen, also 154,75 Euro pro Kopfteil) rechtmäßig ist. Diese Prüfung wird das [X.] in dem wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

7. Zur Ermittlung der Ansprüche der Kläger auf [X.] bzw Sozialgeld sind diesen Bedarfen zunächst ihre eigenen Einkommen gegenüberzustellen. Für den hier streitgegenständlichen Monat Mai 2009 ist als solches Einkommen lediglich das Kindergeld von je 154 Euro bei den Klägern zu 2 und zu 3 zu berücksichtigen 11 Abs 1 Satz 3, 2 [X.]B II).

Des Weiteren ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang Einkommen des Ehemanns bei den Klägern zu berücksichtigen ist. Nach § 9 Abs 2 Satz 1 [X.]B II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ua auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen, nach Satz 3 dieser Vorschrift gilt jede Person einer Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist.

Da nur das den Bedarf des nicht leistungsberechtigten Mitglieds übersteigende Einkommen auf die hilfebedürftigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu verteilen ist (B[X.] vom 15.4.2008 - [X.]/7b [X.]/06 R - [X.] 4-4200 § 9 [X.] Rd[X.] 47 ff), ist eine abschließende Entscheidung aufgrund der fehlenden Feststellungen hinsichtlich der zu berücksichtigenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung (siehe 6.) nicht möglich.

8. Bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens des Ehemanns ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass die Ausgleichsrente zu berücksichtigen ist (§ 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II), wohingegen die Grundrente in Höhe von 305,24 Euro zu Recht von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen wurde (§ 11 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 [X.]B II).

a) Dass der Gesetzgeber zwischen Grundrente und Ausgleichsrente unterscheidet, wird bereits in der historischen Entwicklung seit Erlass des [X.] im Jahre 1961 deutlich. In § 76 Abs 1 [X.] (in der Neufassung vom [X.], [X.] 1153) waren bereits "Leistungen nach diesem Gesetz" und die Grundrente nach dem [X.] von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen. Eine weitere Änderung durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des [X.] vom [X.] ([X.] 1657) sollte sicherstellen, dass Leistungen, die Verfolgte und deren Hinterbliebene nach dem [X.] erhalten, die wegen fehlender Zweckbestimmung iS von § 77 Abs 1 [X.] als Einkommen galten, ebenso wie die Grundrente nach dem [X.] und Schmerzensgeld nach § 847 BGB zukünftig nicht als Einkommen berücksichtigt würden. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 10/4662 [X.]) ist ausgeführt, dass eine Gleichstellung der durch den Nationalsozialismus Verfolgten mit den Kriegsopfern in der Sozialhilfe geboten sei, weshalb § 76 Abs 1 [X.] dahingehend neu gefasst werde, dass die gezahlte Entschädigung, soweit sie nach Art der Entschädigung und Personenkreis und nach ihrer Höhe mit der geltenden Ausnahmeregelung für die Grundrente nach dem [X.] korrespondiere, nicht als Einkommen berücksichtigt werde. Dass eine Grundrente nach dem [X.] oder vergleichbaren Gesetzen ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen sowie gesellschaftliche oder berufliche Stellung gezahlt wird (vgl dazu Dau in [X.], [X.], 2012, § 31 [X.] Rd[X.] 1), betont den immateriellen Gehalt, auch in Form der Genugtuung, der dieser Grundrente innewohnt.

Zudem ergibt sich aus der zitierten Fassung des § 76 Abs 1 [X.], dass bereits zu dessen Geltungszeiten nur Grundrenten, nicht aber darüber hinausgehende Rentenzahlungen von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen waren. Diese Regelung des [X.] wurde in § 11 Abs 1 [X.]B II bzw in § 82 Abs 1 Satz 1 [X.]B XII ausdrücklich vom Gesetzgeber übernommen (BT-Drucks 15/1516 [X.] Zu § 11). Der Wortlaut des § 11 Abs 1 [X.]B II stimmt mit dem Text des [X.] überein, hier wurde die Beschränkung der Einkommensprivilegierung auf Grundrenten übernommen. Dazu hat das B[X.] bereits ausgeführt, dass der Gesetzgeber des [X.] ausdrücklich nur bestimmte Leistungen, nämlich die Grundrenten nach dem [X.] sowie Renten und Beihilfen, die nach dem [X.] gewährt werden, in Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem [X.] von der Einkommensanrechnung ausgenommen hat (B[X.] vom [X.] - B 2 U 12/02 R - B[X.]E 90, 172 = [X.] 3-5910 § 76 [X.] 4; vgl auch B[X.] vom [X.] [X.] 3/15 R - B[X.]E 121, 283 = [X.] 4-3500 § 82 [X.] 11, Rd[X.]4, 27).

b) Da § 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II auf das [X.] Bezug nimmt, sind hinsichtlich der Berücksichtigung von Einkommen nicht nur die Vorschriften bzgl der Grundrente, sondern daraus folgend auch bzgl der Ausgleichsrente in den Blick zu nehmen. Nach § 32 [X.] wird die Ausgleichsrente gezahlt, wenn eine zumutbare Erwerbstätigkeit nicht oder nur in beschränktem Umfang oder nur mit überdurchschnittlichem Kräfteaufwand ausgeübt werden kann. Das zeigt, dass eine Ausgleichsrente rein materiell ausgerichtet ist, sodass sie sich von der Grundrente mit ihrem immateriellen Gehalt unterscheidet (vgl B[X.] vom 5.9.2007 - B 11b [X.] - B[X.]E 99, 47 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]3; B[X.] vom 6.12.2007 - [X.]/7b [X.]/06 R - Rd[X.]0). Die Ausgleichsrente wird bei fehlender Erwerbstätigkeit gezahlt und soll den allgemeinen Lebensunterhalt unabhängig von der Sozialhilfe auf einem Mindestniveau sichern (B[X.] vom 17.10.2013 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 114, 249 = [X.] 4-4200 § 11 [X.] 65, Rd[X.]9).

c) Auch wenn sich das [X.] von seiner Zielrichtung her von dem [X.] unterscheidet, weil es nur auf eine relativ kleine Gruppe Verfolgter gerichtet ist, die sich nach Art und Schwere der erlittenen Verfolgung aus dem Kreis der [X.] heraushebt und im [X.] lebt, enthält es von seiner Anlage her ebenso wie das [X.] und vergleichbare Gesetze einen immateriellen Teil, der der besonderen Anerkennung und Würdigung der Verfolgten dienen soll und der mit der Grundrente abgedeckt ist, sowie eine zusätzliche Betreuung und Versorgung, die rein materiell ausgerichtet ist und sich von der Grundrente mit ihrem immateriellen Gehalt unterscheidet (vgl insofern [X.] vom [X.] - 1 BvR 284/96 und 1 BvR 1659/96 - [X.]E 102, 41 = [X.] 3-3100 § 84a [X.]). Mit der für viele Gewaltopfer gleichermaßen geltenden Unterscheidung zwischen Grund- und Ausgleichsrente, die typisierend auf den immateriellen Gehalt der einen und den materiellen Gehalt der anderen abstellt, ist eine Bewertung der Schwere des einzelnen Verfolgungsschicksals ausdrücklich nicht verbunden.

d) Angesichts dieser Ausgangslage bleibt kein Raum dafür, die Ausgleichsrente nach dem [X.] durch erweiternde Auslegung des § 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II in die Privilegierung der Grundrente miteinzubeziehen. Auch eine Analogie, die zu einer Privilegierung dieser Ausgleichsrente führen könnte, ist ausgeschlossen, weil - wie bereits ausgeführt - nach der historischen Entwicklung ausdrücklich nur die Grundrente von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen wurde und es ansonsten - abgesehen von den in § 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II übernommenen Ausnahmen - bei dem allgemeinen Prinzip der Einbeziehung aller Einkünfte in die Einkommensberechnung bleibt. Es fehlt insofern an einer planwidrigen Lücke im [X.], wie sich aus der Begründung zum 13. Änderungsgesetz des [X.] ergibt, mit dem ein neuer § 13a eingefügt wurde, nach dem (nur) die Grundrente als Einkommen bei der Gewährung von Sozialhilfe unberücksichtigt bleibt. Dadurch sollte die bisherige Verwaltungsregelung auf der Grundlage des § 77 [X.], wonach bei der Gewährung von Sozialhilfe keine Anrechnung der Grundrente nach dem [X.] erfolgen sollte, zur Vermeidung von Streitigkeiten eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage im [X.] Landesrecht erhalten ([X.], Drucks 13/2648).

e) Aus dem Einwand der Kläger, es sei vorliegend eine andere Konstellation gegeben und der Gesetzgeber des [X.] sei ausschließlich von dem Rentenbezieher ausgegangen, der selbst Leistungen nach dem [X.] bezieht, ergibt sich nichts anderes. Zutreffend hat das [X.] ausgeführt, dass auch nach § 11 Abs 1 Satz 2 [X.] das Einkommen des Ehegatten bei der Berechnung des Anspruchs des Hilfeempfängers bzw der Eltern bei der Berechnung des Anspruchs der Kinder zu berücksichtigen war (vgl [X.], [X.], 16. Aufl 2002, § 11 Rd[X.] 17).

9. Als zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 [X.] 1 Buchst a [X.]B II kann die Ausgleichsrente nach dem [X.] ebenfalls nicht von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen werden, weil sie nicht zu einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem [X.]B II gezahlt wird. Der Zweck der Ausgleichsrente besteht vielmehr ebenso wie die Leistungen nach dem [X.]B II in der Existenzsicherung des Leistungsempfängers. § 11 Abs 3 [X.] 1 Buchst a [X.]B II fasste die Regelungen des § 77 Abs 1 Satz 1 [X.] und des § 78 [X.] zusammen. Damit sollte gewährleistet werden, dass Einkommen nur insoweit berücksichtigt wird, als es demselben Zweck wie die existenzsichernden Leistungen dient und zugleich sollte vermieden werden, dass eine besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des [X.]B II verfehlt wird. Auf der anderen Seite war es Ziel der Vorschrift zu verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (vgl nur B[X.] vom 6.12.2007 - [X.]/7b [X.] - B[X.]E 99, 240, 242 = [X.] 4-4200 § 11 [X.] 8; B[X.] vom 18.1.2011 - B 4 [X.]/10 R). Auch insofern ist nach der zuvor zitierten Begründung des [X.], die zu § 13a [X.] führte, deutlich gemacht, dass nur bezüglich der Grundrente nach § 13 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] von einer anderen Zweckbestimmung iS des § 77 Abs 1 [X.] ausgegangen werden sollte.

Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 13/17 R

14.06.2018

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 14. Januar 2013, Az: S 61 AS 14324/09, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 24.12.2003, § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 vom 24.12.2003, § 2 Abs 1 Nr 1 PrVG BE 1991, § 13a PrVG BE 1991, § 76 Abs 1 BSHG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 14.06.2018, Az. B 14 AS 13/17 R (REWIS RS 2018, 7821)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7821

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