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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Internationale Zuständigkeit: Schadensersatzklage gegen eine Bank mit weltweiten Niederlassungen
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 6. Juli 2021 - 5 U 710/20 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Streitwert: 30.000.000 €
Die Re[X.]htssa[X.]he hat weder grundsätzli[X.]he Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) no[X.]h ist eine Ents[X.]heidung des Revisionsgeri[X.]hts zur Fortbildung des Re[X.]hts oder zur Si[X.]herung einer einheitli[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung erforderli[X.]h (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
Entgegen der Ansi[X.]ht der Bes[X.]hwerde folgt insbesondere ein Revisionszulassungsgrund ni[X.]ht daraus, dass das Berufungsgeri[X.]ht die Beklagte in Bezug auf die Frage des Bestehens einer Hauptniederlassung im Sinne von Art. 63 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die geri[X.]htli[X.]he Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre[X.]kung von Ents[X.]heidungen in Zivil- und Handelssa[X.]hen ([X.] L 351, [X.]; im Folgenden [X.]) als sekundär darlegungsbelastet angesehen hat. Es bedarf hierzu keiner Vorabents[X.]heidung des Geri[X.]htshofs der [X.] gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 A[X.]V. Es liegt insoweit ein a[X.]te [X.]lair vor. Der Geri[X.]htshof hat zum Übereinkommen vom 27. September 1968 über die geri[X.]htli[X.]he Zuständigkeit und die Vollstre[X.]kung geri[X.]htli[X.]her Ents[X.]heidungen in Zivil- und Handelssa[X.]hen ([X.] 1972, [X.], [X.]; EuGVÜ) und zur Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 ([X.] L 12, [X.]; [X.] aF) ausdrü[X.]kli[X.]h ausgespro[X.]hen, dass das Übereinkommen beziehungsweise die Verordnung ni[X.]ht die Vereinheitli[X.]hung der Verfahrensregeln zum Gegenstand hat, sondern die Verteilung der geri[X.]htli[X.]hen Zuständigkeiten für Zivil- und Handelssa[X.]hen im Verhältnis zwis[X.]hen den Vertragsstaaten ([X.], Urteile vom 15. März 2012 - [X.]/10, [X.] 2012, 544 Rn. 44 und vom 7. März 1995 - [X.]/93, NJW 1995, 1881 Rn. 35; [X.]. [X.]). Ni[X.]hts Anderes kann für die aktuelle Fassung der [X.] gelten.
Im Übrigen entspri[X.]ht es ständiger Re[X.]htspre[X.]hung des Geri[X.]htshofs, dass hinsi[X.]htli[X.]h der Verfahrensregeln auf die für das nationale Geri[X.]ht geltenden nationalen Re[X.]htsvors[X.]hriften zurü[X.]kzugreifen ist, soweit deren Anwendung ni[X.]ht die praktis[X.]he Wirksamkeit der Verordnung - beziehungsweise zuvor des Übereinkommens - beeinträ[X.]htigt (vgl. zB [X.], Urteile vom 28. Januar 2015 - [X.]/13, NJW 2015, 1581 Rn. 59 f, 65 und vom 7. März 1995 aaO Rn. 36; [X.]. [X.]). Dies gilt au[X.]h für die Anforderungen, die an den Vortrag zur Darlegung der internationalen Zuständigkeit zu stellen sind (vgl. [X.], Urteile vom 29. November 2011 - [X.], [X.], 455 Rn. 12 und vom 30. Oktober 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 935; [X.]. [X.]) eins[X.]hließli[X.]h der Frage, unter wel[X.]hen Voraussetzungen die Darlegung und Beweisführung erlei[X.]htert werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 7. März 1995 aaO Rn. 37 ff; [X.], Urteil vom 15. Januar 2015 - [X.], NJW 2015, 2339 Rn. 28 ff). Darunter fallen au[X.]h die Konstellationen, in denen dem Gegner des [X.] eine sekundäre Darlegungslast auferlegt wird. Dana[X.]h werden S[X.]hwierigkeiten beim Führen eines Beweises im Falle eines Informationsgefälles, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des betreffenden Ges[X.]hehensablaufs steht, dadur[X.]h ausgli[X.]hen, dass der Gegner, der anders als der [X.] die maßgebenden Tatsa[X.]hen kennt, dazu im Rahmen des [X.] substantiiert vorzutragen hat, mit der Folge, dass bei mangelnder Substanz das Klägervorbringen als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 2 und 3 ZPO; st. Rspr., vgl. zB Senat, Urteile vom 27. Oktober 2022 - [X.], [X.], 134 Rn. 17 und vom 9. Juni 2022 - [X.], NJW 2022, 2754 Rn. 36, zur Veröffentli[X.]hung in [X.]Z 234, 102 vorgesehen; [X.], Urteile vom 19. Februar 2019 - [X.], [X.]Z 221, 139 Rn. 17; vom 24. Januar 2019 - [X.], [X.]Z 221, 110 Rn. 45 f; Bes[X.]hluss vom 7. November 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 343 und Urteil vom 20. Januar 1961 - [X.], NJW 1961, 826, 828). Dieser Grundsatz ist au[X.]h mit dem Zwe[X.]k der Verordnung, die den Re[X.]htss[X.]hutz der in der [X.] ansässigen Personen unter anderem in der Weise verbessern soll, dass ein Kläger ohne S[X.]hwierigkeiten festzustellen vermag, wel[X.]hes Geri[X.]ht er anrufen kann, ohne weiteres zu vereinbaren. Demgegenüber wird der Beklagte dur[X.]h das Erfordernis, zu ihm bekannten oder zumutbar zu ermittelnden Tatsa[X.]hen vorzutragen, ni[X.]ht unangemessen bena[X.]hteiligt. Die Vorhersehbarkeit, an wel[X.]hem Geri[X.]ht er verklagt werden kann, ers[X.]hwert dies ni[X.]ht.
Ebenso wenig bestehen vernünftige Zweifel daran, dass es si[X.]h bei der Hauptniederlassung im Sinne von Art. 63 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] (vgl. dazu Begründung des [X.] vom 14. Juli 1999, [X.]), 348 endg. [X.]), wenn es mehrere Niederlassungen eines Unternehmens gibt, um diejenige handelt, bei der der S[X.]hwerpunkt der externen - auf den Markt bezogenen - Ges[X.]häftstätigkeit liegt, was dur[X.]h die dort vorhandenen Personal- und Sa[X.]hmittel, die für den Umfang des Ges[X.]häftsvolumens maßgebli[X.]h sind, zum Ausdru[X.]k kommt ([X.], 182 Rn. 34 [X.]; [X.], Urteil vom 14. November 2017 - [X.], NJW-RR 2018, 290 Rn. 19), und dies dur[X.]h einen Größenverglei[X.]h zu ermitteln ist. Sowohl in Anbetra[X.]ht des Wortlauts der Norm, in der - formuliert im Singular - ledigli[X.]h von "der Hauptniederlassung" die Rede ist, als au[X.]h na[X.]h der natürli[X.]hen Wortbedeutung ist es ebenso unzweifelhaft, dass es nur eine Hauptniederlassung und ni[X.]ht mehrere geben kann. Eine mit mehreren Hauptniederlassungen verbundene Vervielfa[X.]hung der allgemeinen Geri[X.]htsstände stünde au[X.]h mit dem Zwe[X.]k der [X.], Re[X.]htssi[X.]herheit zu s[X.]haffen (vgl. zB [X.], Urteil vom 17. Juni 2021 - [X.]/19, [X.] 2021, 890 Rn. 25, 39), ni[X.]ht in Einklang.
Die Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] Kassationshofs steht dem - anders als die Bes[X.]hwerde meint - ni[X.]ht entgegen. Zwar mag die Erste Zivilkammer des Geri[X.]hts in ihrer Ents[X.]heidung vom 19. Oktober 2016 zu Art. 60 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] aF no[X.]h eine abwei[X.]hende Definition des Begriffs der Hauptniederlassung verwendet haben (unalex Re[X.]htspre[X.]hung, Ents[X.]heidung [X.]). Diese Definition, die eher der einer Hauptverwaltung entspri[X.]ht, würde aber erst re[X.]ht dazu führen, dass ein Geri[X.]htsstand na[X.]h der [X.] ni[X.]ht begründet ist. Dessen ungea[X.]htet ist die Ents[X.]heidung überholt. Mit Urteil vom 22. Februar 2017 (unalex Re[X.]htspre[X.]hung, Ents[X.]heidung [X.]) hat derselbe Spru[X.]hkörper den Begriff der Hauptniederlassung in Übereinstimmung mit der vorzitierten Re[X.]htspre[X.]hung des Bundesgeri[X.]htshofs und des Bundesarbeitsgeri[X.]hts als den Ort definiert, an dem die Gesells[X.]haft im Wesentli[X.]hen ihre Ges[X.]häftstätigkeit ausübt.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Herrmann |
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Remmert |
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Arend |
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Bött[X.]her |
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Kessen |
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Meta
23.02.2023
Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZR
vorgehend OLG München, 6. Juli 2021, Az: 5 U 710/20, Urteil
Art 4 Abs 1 EUV 1215/2012, Art 63 Abs 1 Buchst c EUV 1215/2012
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.02.2023, Az. III ZR 242/21 (REWIS RS 2023, 1285)
Papierfundstellen: REWIS RS 2023, 1285
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
OLG München, 5 U 710/20, 06.07.2021.
Bundesgerichtshof, III ZR 242/21, 23.02.2023.
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