Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2016, Az. I ZB 29/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 2636

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:101116BIZB29.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 29/16
vom
10. November 2016
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren

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Der I.
Zivilsenat des [X.] hat am 10.
November 2016 durch [X.]
Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Löffler, die Richterin Dr.
[X.] und den Richter Feddersen

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des [X.] vom 26. Februar 2016 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Beschwerdewe

Gründe:
I. Das [X.] hat der Zahlungs-
und Auskunftsklage der Klägerin mit Teilurteil vom 29. September 2015 teilweise stattgegeben. Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 1.
Oktober 2015 zugestellte Urteil am 30.
Oktober 2015 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 2.
Dezember 2015, bei Gericht am [X.] per Fax eingegangen,
hat die Klägerin wegen Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2015, bei Gericht am selben Tag per Fax einge-gangen, hat sie den Wiedereinsetzungsantrag sowie die Berufung begründet.
Zur Begründung des [X.] hat die Klägerin vorge-tragen:
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Im Zuge der Einlegung der Berufung seien
eine Berufungsakte angelegt und die auf den 23.
November, 27.
November und 1.
Dezember 2015 notierte
Vor-, Mittel

und Hauptfrist für die Berufungsbegründung aus der [X.] in die neu angelegte Akte übertragen worden.
Am 23.
November 2015 sei die Akte dem Prozessbevollmächtigten vorgelegt worden, der sie [X.] in das Sekretariat zurückverfügt habe. An jedem Donnerstag erhalte der Prozessbevollmächtigte morgens die Fristenliste für die kommende Woche ausgehändigt. In der ihm am 26. November 2015 vorgelegten Fristenliste habe der Prozessbevollmächtigte eine auf den 30.
November 2015 zum vorliegenden Aktenzeichen notierte Frist zur Einzahlung eines Auslagenvorschusses sowie eine auf den 4.
Dezember 2015 notierte [X.] für eine Verjährung mit einem "./."
gekennzeichnet,
die übrigen Fristen mit dem Vermerk "erl."
markiert und die Liste am 27. November 2015 der Mitarbeiterin Frau S.

ausgehändigt.
In der Sozietät des Prozessbevollmächtigten bestehe die Anweisung, die noch nicht als erledigt oder unbeachtlich ausgetragenen Fristen zu überwachen und die jeweilige [X.] des Fristablaufs auf dem Schreibtisch des Rechtsanwalts unübersehbar bereit zu legen und ihn auch mündlich an die Ein-haltung der Frist zu erinnern. Am 1.
Dezember 2015 habe Frau S.

entgegen dieser Anweisung
die Akte weder am Morgen noch im Laufe des [X.] dem Prozessbevollmächtigten vorgelegt und ihn auch nicht auf den Fristab-lauf angesprochen. Am 2. Dezember 2015 sei dem Prozessbevollmächtigten die Fristversäumung aufgefallen, als er beiläufig einen Blick auf die Fristenliste des Sekretariats geworfen habe. Frau S.

sei mit einer Unterbrechung
von Januar 2004 bis März 2004 seit 1993 in der Sozietät des [X.] beschäftigt und erledige ihre Aufgaben uneingeschränkt zuverläs-sig. Während ihrer gesamten Tätigkeit sei es noch nicht vorgekommen, dass sie vergessen habe, am Tag des Fristablaufs die jeweilige Akte vorzulegen und den Rechtsanwalt an die Erledigung der Frist zu erinnern.
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Nachdem der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 darauf hingewiesen hatte, dass eine wirksame [X.] es erfordere, am Ende eines jeden Arbeitstags zu prüfen, ob noch fristgebundene Sachen anstehen, machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 11.
Januar 2016 geltend, dass in seinem Büro auch eine [X.] gewährleistet sei. Fristen dürften erst gestrichen oder als erledigt gekennzeich-net werden, wenn die fristwahrenden Maßnahmen tatsächlich durchgeführt worden seien. Ferner sei im Zuge der [X.] zu prüfen, ob die [X.] eingehalten worden seien. Bereits aus dem Wiedereinsetzungsantrag [X.] sich, dass Frau S.

sowohl die Vorlage der Akte als auch die Kon-
trolle der Fristen für diesen Tag versäumt
und auch nicht geprüft habe, ob der fällige Schriftsatz gefertigt worden sei.
Sie habe den gesamten Tag entgegen der Anweisung den Blick in den [X.] unterlassen; dies erkläre die Versäumnisse
bei
der Aktenvorlage sowie der Prüfung des Kalenders am Abend.
Mit Beschluss vom 26. Februar 2016 hat das Berufungsgericht den [X.] zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verwor-fen. Zur Begründung hat es ausgeführt, aus der Begründung des [X.] ergebe sich nicht, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durch eine Anweisung für eine wirksame [X.] gesorgt habe, der zufolge die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeits-tags durch eine dazu beauftragte Bürokraft anhand des [X.]s [X.] selbständig überprüft werde. Die Angaben im Schriftsatz vom 11. Januar 2016 seien nicht zu berücksichtigen, da ein Nachschieben von [X.] grundsätzlich ausgeschlossen sei. Nur erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, dürften nach Fristablauf noch erläutert oder vervollständigt wer-den.
Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor.
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II. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde
der Klägerin hat keinen Er-folg.
1. Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 in Verbindung mit
§
238 Abs.
2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbe-schwerde gegen einen die Berufung als
unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, sind nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbe-schwerde ist eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Der angefochtene Beschluss verletzt weder den Anspruch der Klägerin auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch deren An-spruch auf
rechtliches Gehör
(Art. 103 Abs. 1 GG).
2. Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden gehindert, die Frist für die Berufungsbegründung einzuhalten. Ihr Prozessbevollmächtigter hat diese Frist schuldhaft versäumt; dessen Verschulden muss sich die Klägerin
gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
a) Nach der Rechtsprechung des [X.] müssen Rechts-anwälte in ihrem Büro eine [X.] schaffen, die zuverlässig ge-währleistet, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Zu einer wirksamen [X.] gehört eine Anordnung des Rechtsanwalts, durch die gewährleistet
wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden [X.] anhand des [X.]s von einem dazu beauftragten Mitarbeiter nochmals abschließend selbständig geprüft wird (st. Rspr.;
vgl nur [X.], Beschluss vom 4. November 2014 -
VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 8; Beschluss vom 9. Dezember 2014 -
VI [X.], NJW-RR 2015, 442 Rn. 8; Beschluss vom 25. Februar 2016 -
III ZB 42/15, [X.], 563 Rn. 10; Beschluss vom 6. April 2016 -
VII ZB 7/15, NJW-RR 2016, 507 Rn.
10).
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b) Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im
Schriftsatz vom 4.
Dezember 2015, mit dem er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand [X.] hat, nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er eine Ausgangskontrol-le in der dargelegten Weise organisiert hat. Er hat lediglich glaubhaft gemacht, dass die Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß notiert wurde und seine Mitarbeiterin entgegen der in der Sozietät bestehenden Anweisung ihm weder am Morgen oder
im Laufe des Tages die Akte vorgelegt noch ihn auf den Frist-ablauf angesprochen hat. Ausführungen zu den allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen in der Kanzlei für die [X.] waren in diesem [X.] nicht enthalten.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Schriftsatz vom 11.
Januar 2016 erstmalig Angaben zu einer [X.] gemacht hat, kann die Rechtsbeschwerde hierauf nicht gestützt werden. Nach § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO müssen alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wieder-einsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung
sein können, innerhalb der maßgeblichen Antragsfrist vorgetragen werden. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO gebo-ten gewesen wäre, dürfen nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt wer-den. Später
nachgeschobene Tatsachen, die nicht der Erläuterung oder Ergän-zung fristgerecht geltend gemachter Wiedereinsetzungsvoraussetzungen die-nen, müssen unberücksichtigt bleiben ([X.], Beschluss vom 12.
Mai 1998

VI
ZB 10/98, NJW 1998, 2678, 2679; Beschluss vom 5.
Oktober 1999

VI
ZB
22/99, [X.], 365, 366; [X.], NJW-RR 2016, 507 Rn. 11). Danach ist der Inhalt des Schriftsatzes vom 11. Januar 2016 nicht zu berücksichtigen. Dieser hat neuen Tatsachenvortrag über allgemeine organisatorische Vorkeh-rungen für die [X.] in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten zum Gegenstand.
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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Begründung des [X.] vom 4. Dezember 2015 nicht dahingehend zu [X.], neben der Anweisung, die [X.] oder im Laufe des Tags des Fristablaufs vorzulegen, bestehe auch eine Fristenausgangskontrolle. Die zur Begründung der Wiedereinsetzung dargelegte Anweisung ging dahin, die [X.] vorzulegen und den Rechtsanwalt auf den Fristablauf anzusprechen. Einen Bezug zur [X.] weist dieser Vortrag nicht auf. Er
ist insoweit auch weder
unklar noch erläuterungsbedürftig. Ebenso
we-nig enthielt der Vortrag
eine Lücke, die auf Hinweis der Gegenseite noch nach-träglich
hätte beseitigt
werden können
(vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Oktober 1999 -
VI
ZB
22/99, [X.], 365, 366). Bei der im Schriftsatz vom 4.
Dezember 2015 enthaltenen
Begründung des [X.] handelte es sich um
eine geschlossene Sachverhaltsdarstellung, die sich auf die Nichtbefolgung der Anweisung zur Aktenvorlage und Ansprache des Rechtsanwalts
am Tag des Fristablaufs bezog und beschränkte.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Büscher
Schaffert
Löffler

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.09.2015 -
5 [X.]/15 -

OLG [X.], Entscheidung vom 26.02.2016 -
I-17 [X.] -

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Meta

I ZB 29/16

10.11.2016

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2016, Az. I ZB 29/16 (REWIS RS 2016, 2636)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2636

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VIII ZB 38/14

VI ZB 42/13

III ZB 42/15

VII ZB 7/15

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