Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.12.2015, Az. 3 StR 163/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 917

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Gegenstand

Verständigung im Strafverfahren: Anforderungen an die Mitteilungspflicht des Vorsitzenden Richters; Beruhensprüfung bei Verstößen gegen die Mitteilungspflicht


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. Juli 2014 wird verworfen; jedoch wird der Strafausspruch dahin ergänzt, dass die in [X.] erlittene Freiheitsentziehung im Maßstab 1:1 auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen [X.] in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt nur zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Ergänzung des Strafausspruchs; im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 [X.].

2

I. Die auf die Sachbeschwerde gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Angriffe der Revision auf die - sorgfältige - Beweiswürdigung und rechtliche Bewertung durch das [X.] nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des [X.] in seiner Antragsschrift vom 16. Juni 2015 (S. 8 f.) Bezug.

3

Allerdings hat es das [X.] entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB unterlassen, den Anrechnungsmaßstab für die vom Angeklagten in dieser Sache in [X.] erlittene Auslieferungshaft zu bestimmen. Da hier ersichtlich nur ein Anrechnungsmaßstab von 1:1 in Betracht kommt (vgl. [X.], Beschluss vom 15. April 2008 - 1 [X.], juris), bestimmt der Senat diesen in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 [X.] ([X.], Beschluss vom 28. Mai 2014 - 3 [X.], juris Rn. 2) selbst.

4

II. Die erhobenen Verfahrensbeanstandungen sind aus den in der Antragsschrift des [X.] vom 16. Juni 2015 dargelegten Gründen ohne Erfolg. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:

5

1. Die [X.] der Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 2 [X.] ist jedenfalls unbegründet.

6

a) Der [X.] liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

7

Im Verlauf des ersten [X.]es (23. Oktober 2012) unterbrach der Vorsitzende die Hauptverhandlung, um mit den Verteidigern des Angeklagten, denjenigen der Mitangeklagten sowie der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit einer Verständigung zu erörtern. Das sich hieran anschließende Gespräch fand nichtöffentlich und in Abwesenheit der Angeklagten statt. Zunächst stellten die Staatsanwaltschaft und sodann das Gericht ihre Vorstellungen zu den in Betracht kommenden Strafen im Falle einer geständigen Einlassung des Angeklagten und der Mitangeklagten dar. Der vom Vorsitzenden in Aussicht gestellte Strafrahmen für die in diesem Fall gegen den Angeklagten festzusetzende Freiheitsstrafe betrug fünf Jahre bis fünf Jahre und sechs Monate. Der anwesende Verteidiger des Angeklagten nahm hierzu Stellung und rügte insbesondere das Verhältnis des in Aussicht gestellten Strafmaßes im Verhältnis zu denjenigen der Mitangeklagten; eine Einigung wurde nicht erzielt. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung ließ sich der Mitangeklagte [X.]     zu seiner Person ein. Sodann gab der Vorsitzende bekannt, dass in der Sitzungsunterbrechung ein [X.] stattgefunden habe, das bislang nicht zu einer Verständigung geführt habe. Der Angeklagte äußerte sich erstmals am 8. Januar 2014, dem 74. [X.], zur Sache. In der Hauptverhandlung vom 10. April 2014 (88. [X.]) verlas der Vorsitzende einen von ihm verfassten Vermerk über das am ersten [X.] geführte [X.]. Hierin teilte er die im Gespräch vom 23. Oktober 2012 hinsichtlich des Angeklagten geäußerte Strafmaßvorstellung des Gerichts, die Straferwartung der Staatsanwaltschaft und die Erwiderung des damals anwesenden Verteidigers des Angeklagten mit. Der Angeklagte ließ sich nach der Mitteilung vom 10. April 2014 noch mehrfach zur Sache ein. Eine Verständigung kam auch im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht zustande. Das Urteil erging am 31. Juli 2014 nach insgesamt 101 [X.]en.

8

b) Es kann offen bleiben, ob es - wie vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 16. Juni 2015 vertreten - bereits der Zulässigkeit der [X.] entgegensteht, dass die Revision nicht mitgeteilt hat, ob sowie gegebenenfalls wie und wann der Revisionsführer von seinen Verteidigern über den Inhalt des am 23. Oktober 2012 geführten Gesprächs unterrichtet worden war. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob es aufgrund der Einheitlichkeit des Rechtsmittels (vgl. KK-Gericke, [X.], 7. Aufl., § 345 Rn. 21) der Zulässigkeit der sowohl von Rechtsanwalt B.    als auch von Rechtsanwalt Prof. Dr. S.      vorgebrachten Verfahrensbeanstandung insgesamt entgegensteht, dass Rechtsanwalt [X.]in seiner [X.] die Mitteilung des Vorsitzenden der [X.] über das durchgeführte [X.] zur Erzielung einer Verständigung vorgetragen hat, während Rechtsanwalt Prof. Dr. S.      in seiner Revisionsrechtfertigungsschrift hierzu widersprüchlich und unzutreffend behauptet hat, der Vorsitzende habe ins Protokoll keinen Hinweis aufgenommen, dass Gespräche stattgefunden hätten. Die [X.] ist jedenfalls unbegründet, weil das Urteil auf der Rechtsverletzung nicht beruht. Hierzu gilt:

9

aa) Gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 [X.] ist über Erörterungen nach §§ 202a, 212 [X.] zu berichten, die - wie hier - außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c [X.]) gewesen ist. Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und durch die Möglichkeit, Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung zu führen, kein informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben wird (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., [X.]E 133, 168, 215 ff.; [X.], Beschluss vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, [X.], 418 mwN). Die Mitteilungspflicht erstreckt sich auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist ([X.], Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, [X.], 72, 73; vom 15. Januar 2015 - 1 [X.], NJW 2015, 645). Dabei ist über die stattgefundenen Erörterungen jedenfalls in der Regel unverzüglich zu informieren ([X.], Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, [X.], 72, 73; vom 27. Januar 2015 - 1 StR 393/14, [X.], 353).

Diesen inhaltlich an die Mitteilung zu stellenden Maßstäben genügte die nur formelhaft gehaltene Erklärung vom ersten [X.] nicht; die ergänzende Erklärung vom 10. April 2014 war verspätet.

bb) Das Urteil beruht jedoch nicht im Sinne von § 337 Abs. 1 [X.] auf dem Verfahrensverstoß.

Ein Urteil beruht auf einem Rechtsfehler, wenn es ohne diesen möglicherweise anders ausgefallen wäre. An einer solchen Möglichkeit fehlt es, wenn ein ursächlicher Zusammenhang mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann bzw. rein theoretischer Natur ist. Insbesondere bei Verstößen gegen das Verfahrensrecht hängt diese Entscheidung stark von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. etwa [X.], Urteile vom 15. November 1968 - 4 [X.], [X.]St 22, 278, 280; vom 8. November 1984 - 1 StR 608/84, [X.], 135; vom 11. Mai 2011 - 2 StR 590/10, [X.]St 56, 235, 238; Beschluss vom 19. August 2010 - 3 [X.], [X.], 73, 74; Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 [X.], juris Rn. 17).

(1) Ausgehend von diesen Maßstäben ist zunächst auszuschließen, dass der Schuldspruch durch die unzureichende Mitteilung vom 23. Oktober 2012 über das geführte Gespräch beeinflusst wurde. Seine Feststellungen hat das [X.] nach umfassender Beweisaufnahme und aufgrund einer - ausweislich der [X.] sehr sorgfältigen - Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei getroffen. Auch im Falle eines frühzeitigen Geständnisses wäre die [X.] zwingend gehalten gewesen, das Geständnis umfassend auf seine Glaubhaftigkeit zu überprüfen ([X.], Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., [X.]E 133, 168, 209 f.). Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten noch umfassender oder unter noch weitergehendem Beweisantritt in Abrede gestellt hätte, wenn er über den Inhalt des Gesprächs vom 23. Oktober 2012 bereits zu diesem [X.]punkt vollumfänglich informiert worden wäre.

Es ist weiter auszuschließen, dass sich der Angeklagte bei rechtzeitiger vollständiger Unterrichtung über das Gespräch vom 23. Oktober 2012 frühzeitig geständig im Sinne der getroffenen Feststellungen eingelassen hätte und der Strafausspruch wegen des in diesem Fall gegebenen bestimmenden Strafmilderungsgrundes ohne den Rechtsfehler milder ausgefallen wäre. Der Angeklagte hat sich nach der Mitteilung vom 10. April 2014 noch mehrfach zur Sache eingelassen, ohne auf den [X.] zurückzukommen. Daneben war er ausweislich seiner in der Hauptverhandlung vom 10. April 2014 zu Protokoll genommenen schriftlichen Erklärung von seinem Verteidiger darüber informiert worden, dass die [X.] eine Straferwartung von fünf Jahren geäußert hatte. Ob die Ausführungen in der Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Prof. Dr. S.      (S. 3), dem Angeklagten sei von seiner Verteidigung lediglich mitgeteilt worden, "welche Höchststrafe sich das Gericht für ihn" vorstelle, dahin zu verstehen sind, dass der Angeklagte auch über die Höchstgrenze von fünf Jahren sechs Monaten unterrichtet war, kann dahinstehen. Da der Angeklagte nach seiner Erklärung vom 10. April 2014 schon kein Interesse an einer Verständigung auf Grundlage der von der [X.] genannten Strafuntergrenze von fünf Jahren hatte, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Angeklagte an einer Verständigung auf Grundlage der am 23. Oktober 2012 geäußerten Vorstellungen insgesamt nicht interessiert war. Dass der Angeklagte die Vorgänge in seiner Erklärung vom 10. April 2014 im Übrigen insoweit richtig wiedergegeben und nicht der Mitteilung des Vorsitzenden vom selben Tage angepasst hat, folgt bereits daraus, dass der Angeklagte seine Erklärung schriftlich vorformuliert hatte.

(2) Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass die Rechtsprechung des [X.] der oben dargelegten, bereits vom [X.] begründeten Auslegung des § 337 [X.] nicht entgegensteht und die maßgebend auf die Kausalität abstellende [X.]prüfung auch bei Verletzung von § 243 Abs. 4 [X.] nicht um normative Gesichtspunkte zu ergänzen ist ([X.], Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 [X.], juris Rn. 21 ff.). Selbst wenn man jedoch unter Zurückstellung der in der Entscheidung vom 23. Juli 2015 dargelegten Bedenken den in den Kammerentscheidungen des [X.] (Beschlüsse vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, [X.], 170; 2 BvR 2055/14, [X.], 172) aufgestellten Maßstäben zur normativen [X.]prüfung folgen würde, wäre nach den dort aufgezeigten Kriterien hier ein Fall gegeben, der die Wertung, dass das Urteil auf dem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 [X.] nicht beruht, rechtfertigen würde. Hierzu gilt:

Das Schutzgut der Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit ist angesichts des konkreten [X.] schon nicht verletzt worden, weil der Vorsitzende über das Gespräch vom 23. Oktober 2012 - jedenfalls soweit sich die Erörterungen auf den Angeklagten bezogen - am 10. April 2014 ausreichend detailliert unterrichtet hatte. Zwar ist die Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 [X.] in der Regel unverzüglich zu machen; dies betrifft indes lediglich die Unterrichtung des Angeklagten, da die Mitteilung auf sein Prozessverhalten entscheidenden Einfluss haben kann. Die Öffentlichkeit hat hingegen keinen Anspruch auf eine rechtzeitige Unterrichtung. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang weiter rügt, die Unterrichtung durch den Vorsitzenden vom 10. April 2014 sei unvollständig gewesen, wird dies von dem [X.] nicht getragen, da diesem ein weitergehender Inhalt des Erörterungsgesprächs vom 23. Oktober 2012 nicht zu entnehmen ist (zu dem Erfordernis, zum Inhalt der [X.] vorzutragen vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 47/13, [X.]St 58, 315, 318).

Es steht fest, dass eine rechtswidrige und informelle Verständigung zu keinem [X.]punkt beabsichtigt war. Der zweifelsfreie, vom Revisionsführer selbst mitgeteilte Inhalt des am 23. Oktober 2012 geführten Gesprächs gibt mit Blick auf den [X.] des § 257c Abs. 2 [X.] keinen Grund zur Beanstandung. Dass der [X.] an einer verständigungsbasierten Beendigung des Verfahrens gelegen war, wurde zu keiner [X.] verschwiegen. Vielmehr hatte der Vorsitzende der [X.] dies noch am 23. Oktober 2012 in der Hauptverhandlung durch seine Erklärung, ein entsprechendes [X.] sei erfolglos verlaufen, öffentlich gemacht.

Auch Art und Schwere des Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 [X.] begründen bei der nach der Kammerrechtsprechung des [X.] gebotenen normativen Betrachtung ein Beruhen des Urteils auf der unterlassenen Mitteilung nicht. Unter diesem Gesichtspunkt ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass das Vorgehen der [X.] durch die Mitteilung des Vorsitzenden vom ersten [X.] sowohl gegenüber dem Angeklagten als auch gegenüber der Öffentlichkeit offen gelegt wurde. Angesichts des feststehenden unbedenklichen Inhalts des geführten Gesprächs ist nicht zu erkennen, dass der Angeklagte, der jedenfalls über die Strafmaßvorstellungen des Gerichts durch seinen Verteidiger informiert worden war, unzutreffend über weitere Details des Gesprächs von seinen Verteidigern unterrichtet worden ist oder worden wäre, hätte er sich - soweit eine weitere Unterrichtung unterblieben sein sollte - bei diesen nach der Mitteilung des Vorsitzenden über Inhalt und Verlauf des Gesprächs detailliert erkundigt. Schließlich sind der Angeklagte und die Öffentlichkeit später detailliert unterrichtet worden (zu einem Ausschluss des [X.] bei vergleichbarer Sachlage [X.], Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, [X.], 170, 172; [X.], Beschluss vom 11. Juni 2015 - 1 StR 590/14, [X.], 379).

c) Soweit Rechtsanwalt Prof. Dr. S.      in seiner [X.] (Revisionsbegründung S. 9 f.) rügt, die [X.] habe in gesetzeswidriger Weise Druck ausgeübt, weil die Differenz zwischen der im Falle eines Geständnisses und der nach [X.] Beweisaufnahme zu erwartenden Strafe unverhältnismäßig groß gewesen sei (sog. "Sanktionsschere"), verhilft auch dies der [X.] nicht zum Erfolg. Dass der Vorsitzende im Rahmen des Erörterungsgesprächs vom 23. Oktober 2012 auch eine Straferwartung für den Fall einer unterbleibenden oder die Anklagevorwürfe in Abrede stellenden Einlassung nannte, behauptet die Revision selbst nicht. Der Vorsitzende war hierzu auch nicht verpflichtet (vgl. [X.], Urteil vom 3. September 2013 - 5 [X.], [X.], 671). Soweit die Revision in diesem Zusammenhang das Urteil angreift, weil das [X.] im weiteren Verlauf des Verfahrens mit einer unvertretbar hohen Strafe gedroht habe, "um ein prozesskonformes Verhaltes des Revisionsführers durch Abgabe eines Geständnisses zu erzwingen", ist die [X.] unzulässig. Konkrete Tatsachen hierzu sind nicht vorgetragen worden. Dies gilt auch, soweit die Revision in diesem Zusammenhang auf Ausführungen in [X.] Bezug nimmt, da diese weder vorgelegt noch inhaltlich mitgeteilt worden sind.

Dass die gegen den Angeklagten verhängte Strafe von den im Gespräch vom 23. Oktober 2012 für den Fall eines frühzeitigen Geständnisses genannten Strafmaß deutlich abweicht, vermag einen Verfahrensfehler unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des § 243 Abs. 4 [X.] von vornherein nicht zu begründen. Die Frage nach dem Vorliegen einer unzulässig weit geöffneten "Sanktionsschere" bezieht sich hinsichtlich beider Alternativen (mit und ohne Geständnis) auf den [X.]punkt der [X.] ([X.], Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 257c Strafrahmen 1).

2. Zur [X.] einer Verletzung von § 338 Nr. 8, § 140 Abs. 1 Nr. 1 [X.], weil der Angeklagte nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen und der Vorsitzende gehalten gewesen sei, die Pflichtverteidiger D.      und von Dr.    auszutauschen und zumindest einen neuen Pflichtverteidiger zu bestellen (Revisionsbegründung [X.], [X.] ff.), gilt das Folgende:

a) Soweit die Revision einen Verstoß gegen § 338 Nr. 8 [X.] rügt, bleibt der [X.] schon deshalb der Erfolg versagt, weil die Vorschrift eine Beschränkung der Verteidigung durch Gerichtsbeschluss voraussetzt (vgl. auch KK-Gericke aaO, § 338 Rn. 102); bei den im Rahmen der [X.] im Einzelnen angegriffenen Beschlüssen handelt es sich jedoch sämtlich um Entscheidungen des Vorsitzenden.

b) Aber auch unter der Stoßrichtung einer Verletzung von § 140 Abs. 1 Nr. 1, § 141 [X.] bleibt die [X.] erfolglos. Die eine Entpflichtung der Pflichtverteidiger ablehnenden Beschlüsse vom 25. April 2014 (Revisionsbegründung [X.], S. 36 f.), vom 8. Mai 2014 (Revisionsbegründung [X.], S. 42 f.) und vom 17. Juni 2014 (Revisionsbegründung [X.], S. 45 f.) zeigen aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 16. Juni 2015 keinen Rechtsfehler auf. Hinsichtlich des Ablehnungsbeschlusses vom 8. Juli 2014 (Revisionsbegründung [X.], S. 89 f.) ist die [X.] bereits unzulässig, da die Revision weder das in dem Ablehnungsbeschluss in Bezug genommene Schreiben vom 26. Januar 2014 vorgelegt hat noch dessen vollständiger Inhalt der Revisionsbegründung zu entnehmen ist. Zudem liegt dem Beschluss vom 8. Juli 2014 die als [X.] ausgelegte schriftliche Erklärung des Angeklagten vom 20. Juni 2014 zugrunde, die ihrerseits zur Begründung, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und seinen [X.] nachhaltig und endgültig zerrüttet sei, maßgeblich Bezug auf einen früheren vom Angeklagten korrigierten [X.] nimmt. Diesen hat die Revision zwar vorgelegt, jedoch sind die handschriftlichen Anmerkungen des Angeklagten vermehrt nicht lesbar (vgl. [X.], Urteil vom 3. Oktober 1984 - 2 StR 166/84, [X.]St 33, 44; KK-Gericke aaO, § 344 Rn. 38).

Unzulässig ist die [X.] schließlich auch hinsichtlich des [X.] des Angeklagten vom 16. Juli 2014 und des hierzu ergangenen Beschlusses des Vorsitzenden vom 29. Juli 2014 (Revisionsbegründung [X.], [X.] f.). Ob das den [X.] und hier insbesondere Rechtsanwalt D.     vorgeworfene Verhalten geeignet war, das Vertrauensverhältnis des Angeklagten zu seinen [X.] zu zerstören, kann ohne Kenntnis der Erklärungen der Verteidiger hierzu nicht beurteilt werden. Dementsprechend sind solche Erklärungen des Verteidigers gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] bei einer Verfahrensrüge mitzuteilen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. November 2003 - 1 [X.], [X.], 632, 633). Die Erklärungen der Pflichtverteidiger zu den von dem Angeklagten in seinem [X.] vom 16. Juli 2014 erhobenen Vorwürfen teilt die Revision indes nicht mit. Der Revisionsbegründung lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Pflichtverteidiger zu den Vorwürfen keine Stellungnahme abgegeben haben, obwohl diesen - was die Revision ebenfalls nicht vorträgt - seitens des Vorsitzenden mit Verfügung vom 16. Juli 2014 Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden ist (Hauptakte [X.], [X.]). Ob der von der Revision vorgetragene Schriftsatz der Pflichtverteidiger D.     und von Dr.    vom 24. Juli 2014 mit dem [X.] vom 16. Juli 2014 in Zusammenhang stand, lässt sich der Revisionsbegründung nicht entnehmen. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Revision auch hätte vortragen müssen, weshalb dem Wahlverteidiger Prof. Dr. S.      eine Wahrnehmung des [X.] vom 30. Juli 2014 und damit ein Schlussvortrag nicht möglich war, nachdem der Angeklagte das am 16. Juli 2014 von Rechtsanwalt D.     gehaltene Plädoyer für unzureichend hielt (vgl. zu diesem [X.] im Rahmen von § 338 Nr. 8 [X.]: [X.], Beschluss vom 12. Januar 2012 - 1 [X.], [X.], 462, 463).

3. Die [X.], das [X.] habe zu Unrecht einen in der Hauptverhandlung vom 26. März 2014 gestellten Beweisantrag wegen Prozessverschleppung abgelehnt (Revisionsbegründung [X.], S. 40 ff.), ist unzulässig. In dem angegriffenen Ablehnungsbeschluss vom 27. März 2014 hat die [X.] zur Begründung ihrer Auffassung, der Beweisantrag sei ausschließlich gestellt worden, um das Verfahren zu verzögern, unter anderem darauf abgestellt, dass die Beweiserhebung nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme nichts ergeben werde, und wegen der Begründung auf einen früheren Ablehnungsbeschluss (Ablehnung des Antrags des Angeklagten auf Vernehmung "aller von ihm angesprochenen Kunden" und des [X.]    [Anlage 6 zum Protokoll vom 13. März 2014]) verwiesen. Diesen Ablehnungsbeschluss trägt die Revision zwar ebenfalls noch vor, nicht jedoch den dort weiter in Bezug genommenen Ablehnungsbeschluss hinsichtlich der Vernehmung des Zeugen W.      . In diesem Beschluss hat die [X.] dargelegt, aus welchen Gründen sie nach dem bisherigen Beweisergebnis davon überzeugt war, dass es sich bei dem von der [X.] betriebenen Vertriebssystem um ein Schneeballsystem handelte. Dieser Umstand war für den Schuldspruch und insbesondere die Tatbestandsmerkmale Täuschung, Irrtum und Vermögensschaden von maßgebender Bedeutung. Seine Kenntnis ist daher für die Beurteilung erforderlich, ob der Schluss der Kammer, die im Beweisantrag vom 26. März 2014 beantragte Beweiserhebung werde keine Beweisergebnisse zugunsten des Angeklagten erbringen, rechtsfehlerfrei begründet war.

Zudem wurde der abgelehnte Beweisantrag am 13. Juni 2014 noch einmal wiederholt (Revisionsbegründung [X.], S. 47). Insoweit hätte es zur Zulässigkeit der [X.] gehört, auch den hierzu ergangenen Ablehnungsbeschluss der Kammer mitzuteilen; die neue Bescheidung eines wiederholt gestellten [X.] kann etwaige Fehler der ersten Ablehnung heilen, weil der Angeklagte seine Verteidigung auf die neue Beurteilung einstellen kann ([X.], Beschlüsse vom 22. Februar 2012 - 1 [X.], [X.], 178; vom 14. Oktober 2014 - 3 [X.], juris Rn. 25).

Becker                         Hubert                          Mayer

                 Gericke                        [X.]

Meta

3 StR 163/15

10.12.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 31. Juli 2014, Az: 14 KLs 10/12

§ 243 Abs 4 S 2 StPO, § 337 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.12.2015, Az. 3 StR 163/15 (REWIS RS 2015, 917)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 917


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 163/15

Bundesgerichtshof, 3 StR 163/15, 08.03.2018.

Bundesgerichtshof, 3 StR 163/15, 10.12.2015.

Bundesgerichtshof, 3 StR 163/15, 10.12.2015.


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1 StR 169/15 (Bundesgerichtshof)


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