Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.10.2012, Az. II ZR 294/11

2. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2086

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Gegenstand

Prospekthaftung bei geschlossenem Immobilienfonds: Erfordernis der eindeutigen Festlegung des Pflichtenumfangs eines Mietgaranten


Leitsatz

Ein Emissionsprospekt ist auch dann fehlerhaft, wenn der Umfang der Pflichten eines Mietgaranten nicht so eindeutig festgelegt ist, dass darüber kein Streit entstehen kann, und die Anleger auf das Risiko einer für den Fonds ungünstigen Auslegung nicht hingewiesen werden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 26. Zivilsenats des [X.] vom 14. Februar 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisions- und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Ehemann der Klägerin beteiligte sich im Jahr 1995 über eine Treuhandkommanditistin mit 200.000 DM zuzüglich 10.000 DM Agio an der [X.] Fonds Fünf (im Folgenden: Fonds). Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes gegen die Beklagte als Gründungskommanditistin Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinne geltend. Die Beklagte begehrt im Wege der [X.] die Feststellung, dass sich die Klägerin alle Ausschüttungen und Steuervorteile im Zusammenhang mit der Anlage anrechnen lassen muss.

2

Das [X.] hat der Klage überwiegend und der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

4

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5

Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinne seien verjährt. Aber auch aus [X.] im weiteren Sinne sei die Klage unbegründet.

6

Ob die Übertragung der Gesellschafterstellung vom Ehemann der Klägerin (im Folgenden einheitlich: Klägerin) auf die Klägerin etwaige Schadensersatzansprüche umfasse, könne offen bleiben. Denn jedenfalls sei der Prospekt überwiegend nicht fehlerhaft, und soweit er Fehler aufweise, seien diese entweder nicht ursächlich für den Beitritt der Klägerin oder die Beklagte treffe kein Verschulden. Über die Frage, ob unter die Mietgarantie auch die [X.]n Nebenkosten fielen, sei in dem Prospekt nicht unzutreffend informiert worden. Jedenfalls treffe die Beklagte kein Verschulden. Die Mietgarantin habe insoweit zunächst Zahlungen geleistet und sich erst nach Jahren auf den Standpunkt gestellt, die Mietgarantie erfasse die Nebenkosten nicht.

7

II. Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Kontrolle nicht in allen Punkten stand.

8

Der Prospekt ist hinsichtlich der Angaben zum Umfang der Mietgarantie fehlerhaft, und die Beklagte trifft insoweit auch ein Verschulden.

9

1. Die Prospektangaben zu dem [X.] sind unzureichend, weil sie auf eine falsche Risikoverteilung hinsichtlich der [X.]n Nebenkosten schließen lassen, soweit die Mietflächen nicht unter den [X.] fallen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s muss einem Anleger für seine [X.] ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1980 - [X.], [X.]Z 79, 337, 344; Urteil vom 7. April 2003 - [X.], [X.], 1086, 1088; Urteil vom 7. Dezember 2009 - [X.], [X.], 176 Rn. 18; Urteil vom 22. März 2010 - [X.], [X.], 1030 Rn. 9; Urteil vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 13 ff.). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1980 - [X.], [X.]Z 79, 337, 344; Urteil vom 21. Oktober 1991 - [X.], [X.]Z 116, 7, 12; Urteil vom 10. Oktober 1994 - [X.], [X.], 1851, 1853; Urteil vom 7. April 2003 - [X.], [X.], 1086, 1088). Beruht der wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen Immobilienfonds allein auf der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung oder Verpachtung von [X.], so ist in dem Anlageprospekt deutlich auf mögliche, der Erreichbarkeit dieser Einnahmen entgegenstehende Umstände und die sich hieraus für den Anleger ergebenden Risiken hinzuweisen ([X.], Urteil vom 1. März 2004 - [X.], [X.], 1104, 1106).

b) Diesen Anforderungen wird der verwendete Prospekt nicht gerecht. Der [X.] kann die Auslegung uneingeschränkt selbst vornehmen, weil der Emissionsprospekt über den Bezirk des [X.] hinaus verwendet wurde und daher ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Auslegung besteht ([X.], Urteil vom 22. März 2007 - [X.], [X.], 871 Rn. 6; Urteil vom 19. Juli 2011 - [X.], [X.], 1657 Rn. 46; Urteil vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 14).

Der Prospekt klärt den Anleger auch unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre (vgl. [X.], Urteil vom 31. März 1992 - [X.], [X.], 912, 915; Urteil vom 14. Juni 2007 - [X.], [X.], 1507 Rn. 8) nicht zutreffend über die Risikoverteilung hinsichtlich der [X.]n Nebenkosten auf, soweit Mietflächen nicht unter den [X.] fallen. Wie der [X.] bereits entschieden hat, erweckt der Prospekt den Eindruck, dass [X.] Nebenkosten bei den der Mietgarantie unterfallenden Flächen nicht dem Fonds zur Last fallen, sondern wie bei den dem [X.] unterfallenden Flächen von dem Mieter bzw. Garanten zu tragen sind ([X.], Urteile vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 15 ff. und [X.], juris Rn. 14 ff.; s. auch Urteil vom 23. April 2012 - [X.], juris Rn. 14 zu [X.]; Beschluss vom 13. Dezember 2011 - [X.], [X.], 117 Rn. 33 ff. zu [X.]). Die Begriffe [X.] und Mietgarantie werden in dem Prospekt unterschiedslos nebeneinander verwendet. Dies musste bei dem Anleger den Eindruck hervorrufen, die durch die Verträge gewährleistete Mietsicherheit sei bei beiden Vertragsarten deckungsgleich.

Ob das tatsächlich der Fall ist oder ob sich die Mietgarantin zu Recht unter Bezug auf das von ihr eingeholte Rechtsgutachten vom 1. Juni 2004 auf den Standpunkt stellt, die Nebenkosten nicht zu schulden, muss hier nicht entschieden werden. Denn der Prospekt war in jedem Fall unrichtig, weil die Übernahme der umlagefähigen Nebenkosten durch die Mietgarantin in dem Vertragswerk jedenfalls nur unzureichend umgesetzt war. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich die Mietgarantin nach den Feststellungen des [X.] später auf den Standpunkt stellen konnte, im Rahmen der Mietgarantie nicht zum Ausgleich [X.]r Nebenkosten verpflichtet zu sein, ohne dass diese durch ein Rechtsgutachten untermauerte Auffassung der Mietgarantin auch unter Berücksichtigung des bis dahin gegenteiligen gemeinsamen Verständnisses als offensichtlich haltlos zurückgewiesen werden konnte. Regelte der [X.] die Übernahme der [X.]n Nebenkosten aber jedenfalls insoweit nicht hinreichend deutlich, so liegt eine die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB begründende Pflichtverletzung schon darin, dass die Beklagte weder für eine deutlichere Fassung des [X.]s Sorge getragen hat, die derartige, nicht ohne weiteres ausräumbare Zweifel an der Verpflichtung der Mietgarantin zur Zahlung auch der Nebenkosten verhindert hätte, noch die [X.] auf die Gefahr einer gegenteiligen Auslegung des Vertrages durch die Mietgarantin hingewiesen hat (vgl. [X.], Urteil vom 21. März 2005 - [X.], [X.], 763, 765; Urteil vom 3. Dezember 2007 - [X.], [X.], 412 Rn. 9).

2. Dieser Prospektfehler ist erheblich. Es ist ein die Werthaltigkeit der Anlage entscheidend beeinflussender Faktor, dass der Fonds bei den Wohnungen, die unter den [X.] fallen, mit den [X.]n Nebenkosten belastet werden kann, weil ein Anspruch aus dem [X.] gegen die Mietgarantin nicht gegeben ist oder jedenfalls die ernstliche Gefahr besteht, dass ein solcher Anspruch aufgrund einer nicht hinreichend deutlichen Fassung des Vertrags wegen erheblicher rechtlicher Zweifel tatsächlich nicht durchgesetzt werden kann. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung musste die Klägerin dafür nicht darlegen, wie hoch das wirtschaftliche Risiko der [X.]n Nebenkosten im Einzelnen zu bemessen ist. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Mietnebenkosten regelmäßig einen nicht unerheblichen Teil der Miete ausmachen (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 2012 - [X.], juris Rn. 15; Beschluss vom 13. Dezember 2011 - [X.], [X.], 117 Rn. 35). Das gilt auch für Leerstände. Dabei muss auch im Hinblick auf das von der Revisionserwiderung angeführte Investitionsvolumen von über 1 Mrd. DM für den Gesamtfonds nicht für jede einzelne Fondsimmobilie festgestellt werden, ob sie unter den [X.] oder unter die Mietgarantie fällt, da unstreitig beide Verträge angewandt wurden (vgl. [X.], Urteil v. 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 17).

3. Damit kommt es auf die Frage, ob der Prospekt noch weitere Unrichtigkeiten aufweist, nicht an.

4. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht festgestellt, ob dieser Prospektfehler für den Beitritt des Ehemanns der Klägerin ursächlich geworden ist. Das wird es in der neu eröffneten mündlichen Verhandlung nachzuholen haben.

5. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Beklagte jedenfalls kein Verschulden an dem Prospektfehler treffe.

Bei der Haftung aus § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB wird das Verschulden des pflichtwidrig handelnden Schuldners gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Es ist also Sache der Beklagten, Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass sie den Prospektfehler und damit die Falschberatung der Klägerin ausnahmsweise nicht verschuldet hat.

Dafür genügt es entgegen der Auffassung des [X.] nicht, dass sich die Beklagte auf die anfängliche Zahlung der Nebenkosten durch die Mietgarantin beruft. Denn der Beklagten wird gerade zur Last gelegt, dass sie weder für eine deutlichere, abweichende Auslegungen - auch erst später - nicht zulassende Formulierung des [X.]es gesorgt noch die Anleger auf das bestehende Risiko einer abweichenden Auslegung hingewiesen hat.

Danach wäre die Beklagte nur dann entschuldigt, wenn sie mit einer Auslegung des Vertrages, wie sie jetzt von der Mietgarantin vertreten wird, nicht hätte rechnen können. Dazu hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Der bloße Hinweis auf die - möglicherweise rechtsirrtümliche - Praxis der Vorjahre genügt insoweit nicht. Eine solche Annahme liegt auch nicht nahe. Zwar mag sich die Beklagte insoweit in einem Rechtsirrtum befunden haben. Ein Rechtsirrtum wirkt aber nur dann entschuldigend, wenn er seinerseits nicht verschuldet ist. Daran stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen ([X.], Urteil vom 11. Januar 1984 - [X.], [X.]Z 89, 296, 303; Urteil vom 14. Juni 1994 - [X.], [X.], 1350; Urteil vom20. September 2011 - [X.], [X.], 2097 Rn. 16). Es ist nicht ersichtlich, dass diese hier erfüllt wären.

III. Damit ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

Für das weitere Verfahren verweist der [X.] auf seine Ausführungen im Urteil vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 29 ff..

Bergmann                               Strohn                            Caliebe

                      Reichart                             Sunder

Meta

II ZR 294/11

23.10.2012

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 14. Februar 2011, Az: 26 U 210/09

§ 280 Abs 1 S 2 BGB, § 311 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.10.2012, Az. II ZR 294/11 (REWIS RS 2012, 2086)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2086

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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