Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.10.2012, Az. II ZR 189/10

2. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2059

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Gegenstand

Prospekthaftung bei geschlossenem Immobilienfonds: Erfordernis der eindeutigen Festlegung des Pflichtenumfangs eines Mietgaranten


Tenor

Auf die Revision des [X.] zu 4 wird das Urteil des 26. Zivilsenats des [X.] vom 30. August 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger zu 4 beteiligte sich im Jahr 1998 über eine Treuhandkommanditistin mit insgesamt 160.000 DM (81.806,70 €) an der [X.] Fonds Zwölf (im Folgenden: Fonds). Er macht gegen die Beklagte als Gründungskommanditistin Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinne geltend.

2

Das [X.] hat gegen die Kläger zu 1 bis 9 Versäumnisurteil erlassen und dieses hinsichtlich der Kläger zu 3 und 4 aufrechterhalten. Die Kläger zu 1 und 2 und 5 bis 9 haben ihre Klagen im ersten Rechtszug zurückgenommen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zu 3 und 4 zurückgewiesen. Der Kläger zu 3 hat seine Klage im Revisionsverfahren zurückgenommen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger zu 4 (im Folgenden: Kläger) sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

4

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5

Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinne seien verjährt. Aber auch aus Prospekthaftung im weiteren Sinne sei die Klage unbegründet.

6

In dem Prospekt werde entgegen der Auffassung des [X.] nicht ausgesagt, dass die Mietgarantie auch Mietminderungen erfasse. Die Angaben zum Andienungsrecht der Anleger wiesen keine Fehler auf. Auch mache der Prospekt keine irreführenden Angaben zur Werthaltigkeit der Fondsimmobilien. Offen bleiben könne schließlich, ob unter die Mietgarantie auch die [X.]n Nebenkosten fielen. Denn insoweit treffe die [X.] jedenfalls kein Verschulden. Die Mietgarantin habe insoweit zunächst Zahlungen geleistet und sich erst nach Jahren auf den Standpunkt gestellt, die Mietgarantie erfasse die Nebenkosten nicht.

7

II. Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Kontrolle nicht in allen Punkten stand.

8

Das Berufungsgericht hätte die Frage, ob der Prospekt in ausreichendem Maße über den Umfang der Mietgarantie aufgeklärt hat, nicht offen lassen dürfen. Denn seine Erwägung, die [X.] treffe insoweit jedenfalls kein Verschulden, ist nicht frei von Rechtsfehlern.

9

1. Die Prospektangaben zu dem [X.] sind unzureichend, weil sie auf eine falsche Risikoverteilung hinsichtlich der [X.]n Nebenkosten schließen lassen, soweit die Mietflächen nicht unter den [X.] fallen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s muss einem Anleger für seine [X.] ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1980 - [X.], [X.]Z 79, 337, 344; Urteil vom 7. April 2003 - [X.], [X.], 1086, 1088; Urteil vom 7. Dezember 2009 - [X.], [X.], 176 Rn. 18; Urteil vom 22. März 2010 - [X.], [X.], 1030 Rn. 9; Urteil vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 13). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1980 - [X.], [X.]Z 79, 337, 344; Urteil vom 21. Oktober 1991 - [X.], [X.]Z 116, 7, 12; Urteil vom 10. Oktober 1994 - [X.], [X.], 1851, 1853; Urteil vom 7. April 2003 - [X.], [X.], 1086, 1088). Beruht der wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen Immobilienfonds allein auf der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung oder Verpachtung von [X.], so ist in dem Anlageprospekt deutlich auf mögliche, der Erreichbarkeit dieser Einnahmen entgegenstehende Umstände und die sich hieraus für den Anleger ergebenden Risiken hinzuweisen ([X.], Urteil vom 1. März 2004 - [X.], [X.], 1104, 1106).

b) Diesen Anforderungen wird der verwendete Prospekt nicht gerecht. Der [X.] kann die vom Berufungsgericht in Bezug auf die Mietgarantie unterlassene Auslegung uneingeschränkt selbst vornehmen, weil der Emissionsprospekt über den Bezirk des [X.] hinaus verwendet wurde und daher ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Auslegung besteht ([X.], Urteil vom 22. März 2007 - [X.], [X.], 871 Rn. 6; Urteil vom 19. Juli 2011 - [X.], [X.], 1657 Rn. 46; Urteil vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 14).

Der Prospekt klärt den Anleger auch unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre (vgl. [X.], Urteil vom 31. März 1992 - [X.], [X.], 912, 915; Urteil vom 14. Juni 2007 - [X.], [X.], 1507 Rn. 8) nicht zutreffend über die Risikoverteilung hinsichtlich der [X.]n Nebenkosten auf, soweit Mietflächen nicht unter den [X.] fallen. Wie der [X.] für insoweit im Wesentlichen inhaltsgleiche Prospekte mehrerer Schwesterfonds entschieden hat, erweckt der Prospekt den Eindruck, dass [X.] Nebenkosten bei den der Mietgarantie unterfallenden Flächen nicht dem Fonds zur Last fallen, sondern wie bei den dem [X.] unterfallenden Flächen von dem Mieter bzw. Garanten zu tragen sind ([X.], Urteil vom 23. April 2012 - [X.], juris Rn. 14 zu [X.], 9 und 13; Beschluss vom 13. Dezember 2011 - [X.], [X.], 117 Rn. 33 zu [X.]; Urteile vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 15 ff. und [X.], juris Rn. 14 ff., jeweils zu [X.]). Die Begriffe [X.] und Mietgarantie werden in dem Prospekt unterschiedslos nebeneinander verwendet. Dies musste bei dem Anleger den Eindruck hervorrufen, die durch die Verträge gewährleistete Mietsicherheit sei bei beiden Vertragsarten deckungsgleich.

Ob das tatsächlich der Fall ist oder ob sich die Mietgarantin zu Recht unter Bezug auf das von ihr eingeholte Rechtsgutachten vom 1. Juni 2004 auf den Standpunkt stellt, die Nebenkosten nicht zu schulden, muss hier nicht entschieden werden. Denn der Prospekt war in jedem Fall unrichtig, weil die Übernahme der umlagefähigen Nebenkosten durch die Mietgarantin in dem Vertragswerk jedenfalls nur unzureichend umgesetzt war. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich die Mietgarantin nach den Feststellungen des [X.] später auf den Standpunkt stellen konnte, im Rahmen der Mietgarantie nicht zum Ausgleich [X.]r Nebenkosten verpflichtet zu sein, ohne dass diese durch ein Rechtsgutachten untermauerte Auffassung der Mietgarantin auch unter Berücksichtigung des bis dahin gegenteiligen gemeinsamen Verständnisses als offensichtlich haltlos zurückgewiesen werden konnte. Regelte der [X.] die Übernahme der [X.]n Nebenkosten aber jedenfalls insoweit nicht hinreichend deutlich, so liegt eine die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB begründende Pflichtverletzung schon darin, dass die [X.] weder für eine deutlichere Fassung des [X.]s Sorge getragen hat, die derartige, nicht ohne weiteres ausräumbare Zweifel an der Verpflichtung der Mietgarantin zur Zahlung auch der Nebenkosten verhindert hätte, noch die [X.] auf die Gefahr einer gegenteiligen Auslegung des Vertrages durch die Mietgarantin hingewiesen hat (vgl. [X.], Urteil vom 21. März 2005 - [X.], [X.], 763, 765; Urteil vom 3. Dezember 2007 - [X.], [X.], 412 Rn. 9).

2. Dieser Prospektfehler ist erheblich. Es ist ein die Werthaltigkeit der Anlage entscheidend beeinflussender Faktor, dass der Fonds bei den Wohnungen, die unter den [X.] fallen, mit den [X.]n Nebenkosten belastet werden kann, weil ein Anspruch aus dem [X.] gegen die Mietgarantin nicht gegeben ist oder jedenfalls die ernstliche Gefahr besteht, dass ein solcher Anspruch aufgrund einer nicht hinreichend deutlichen Fassung des Vertrags wegen erheblicher rechtlicher Zweifel tatsächlich nicht durchgesetzt werden kann. Nach der Lebenserfahrung machen die Mietnebenkosten regelmäßig einen nicht unerheblichen Teil der Miete aus (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 2012 - [X.], juris Rn. 15; Beschluss vom 13. Dezember 2011 - [X.], [X.], 117 Rn. 35). Das gilt auch für Leerstände. Dabei muss auch im Hinblick auf das Investitionsvolumen von über 1 Mrd. DM für den Gesamtfonds nicht für jede einzelne Fondsimmobilie festgestellt werden, ob sie unter den [X.] oder unter die Mietgarantie fällt, da unstreitig beide Verträge angewandt wurden (vgl. [X.], Urteil v. 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 17).

3. Damit kommt es auf die Frage, ob der Prospekt noch weitere Unrichtigkeiten aufweist, nicht an.

4. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht festgestellt, ob dieser Prospektfehler für den Beitritt des [X.] ursächlich geworden ist. Das wird es in der neu eröffneten mündlichen Verhandlung nachzuholen haben.

5. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die [X.] jedenfalls kein Verschulden an dem Prospektfehler treffe.

Bei der Haftung aus § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB wird das Verschulden des pflichtwidrig handelnden Schuldners gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Es ist also Sache der [X.]n, Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass sie den Prospektfehler und damit die Falschberatung des [X.] ausnahmsweise nicht verschuldet hat.

Dafür genügt es entgegen der Auffassung des [X.] nicht, dass sich die [X.] auf die anfängliche Zahlung der Nebenkosten durch die Mietgarantin beruft. Denn der [X.]n wird gerade zur Last gelegt, dass sie weder für eine deutlichere, abweichende Auslegungen - auch erst später - nicht zulassende Formulierung des [X.]es gesorgt noch die Anleger auf das bestehende Risiko einer abweichenden Auslegung hingewiesen hat.

Danach wäre die [X.] nur dann entschuldigt, wenn sie mit einer Auslegung des Vertrages, wie sie jetzt von der Mietgarantin vertreten wird, nicht hätte rechnen können. Dazu hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Der bloße Hinweis auf die - möglicherweise rechtsirrtümliche - Praxis der Vorjahre genügt insoweit nicht. Eine solche Annahme liegt auch nicht nahe. Zwar mag sich die [X.] insoweit in einem Rechtsirrtum befunden haben. Ein Rechtsirrtum wirkt aber nur dann entschuldigend, wenn er seinerseits nicht verschuldet ist. Daran stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen ([X.], Urteil vom 11. Januar 1984 - [X.], [X.]Z 89, 296, 303; Urteil vom 14. Juni 1994 - [X.], [X.], 1350; Urteil vom 20. September 2011 - [X.], [X.], 2097 Rn. 16). Es ist nicht ersichtlich, dass diese hier erfüllt wären.

III. Damit ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

Für das weitere Verfahren verweist der [X.] auf seine Ausführungen im Urteil vom 23. April 2012 ([X.], [X.], 1231 Rn. 29 ff.) zu dem vergleichbaren [X.].

Bergmann                                Strohn                              Caliebe

                        [X.]

Meta

II ZR 189/10

23.10.2012

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 30. August 2010, Az: 26 U 132/09

§ 280 Abs 1 S 2 BGB, § 311 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.10.2012, Az. II ZR 189/10 (REWIS RS 2012, 2059)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2059

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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