Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.10.2012, Az. II ZR 45/11

2. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2091

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Gegenstand

Prospekthaftung bei geschlossenem Immobilienfonds: Erfordernis der eindeutigen Festlegung des Pflichtenumfangs eines Mietgaranten


Tenor

Auf die Revisionen der Kläger zu 1 und 2 wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 11. Januar 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung  auch über die Kosten des Revisionsverfahrens  an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger zu 1 und 2 (im Folgenden: Kläger) beteiligten sich im Jahr 1996 über eine Treuhandkommanditistin mit 100.000 DM an der [X.] Fonds [X.] (im Folgenden: Fonds). Sie machen gegen die Beklagte als Gründungskommanditistin Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinne geltend. Die Beklagte begehrt im Wege der [X.] die Feststellung, dass sich die Kläger alle Ausschüttungen und Steuervorteile im Zusammenhang mit der Anlage anrechnen lassen müssen. Der Kläger zu 3 hat seine Klage im ersten Rechtszug zurückgenommen.

2

Das [X.] hat die Zahlungsklage dem Grunde nach für berechtigt erklärt und der weitergehenden Feststellungsklage sowie der [X.] stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit den vom erkennenden Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revisionen haben Erfolg und führen unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

4

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5

Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinne seien verjährt. Aber auch aus [X.] im weiteren Sinne sei die Klage unbegründet.

6

Eine Haftung der [X.]n scheide zwar nicht schon deshalb aus, weil die Kläger an dem Fonds zunächst nur mittelbar über die Treuhandkommanditistin beteiligt gewesen seien. Denn nach dem Gesellschaftsvertrag seien die Treugeber im Innenverhältnis wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter zu behandeln. Der Prospekt weise jedoch keine von der [X.]n zu vertretenden haftungsrelevanten Fehler auf, die eine Einstandspflicht der [X.]n unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne begründen könnten.

7

In diesem Zusammenhang könne dahingestellt bleiben, ob die Prospektangaben zum [X.] hinsichtlich [X.]r Nebenkosten unrichtig und aufklärungsbedürftig seien. Denn insoweit treffe die [X.] jedenfalls kein Verschulden. Dem Wortlaut des [X.], der ohnedies erst nach dem Beitritt der Kläger geschlossen worden sei, habe nicht entnommen werden können, dass die Mietgarantie die [X.]n Nebenkosten nicht einschließe. Dementsprechend habe die Mietgarantin insoweit zunächst Zahlungen geleistet und sich erst nach Jahren auf den Standpunkt gestellt, die Mietgarantie erfasse die Nebenkosten nicht.

8

II. Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Kontrolle nicht in allen Punkten stand.

9

Das Berufungsgericht hätte die Frage, ob der Prospekt in ausreichendem Maße über den Umfang der Mietgarantie aufgeklärt hat, nicht offen lassen dürfen. Denn seine Erwägung, die [X.] treffe insoweit jedenfalls kein Verschulden, ist nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Die Prospektangaben zu dem [X.] sind unzureichend, weil sie auf eine falsche Risikoverteilung hinsichtlich der [X.]n Nebenkosten schließen lassen, soweit die Mietflächen nicht unter den [X.] fallen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s muss einem Anleger für seine [X.] ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1980 - [X.], [X.]Z 79, 337, 344; Urteil vom 7. April 2003 - II ZR 160/02, [X.], 1086, 1088; Urteil vom 7. Dezember 2009 - [X.], [X.], 176 Rn. 18; Urteil vom 22. März 2010 - [X.], [X.], 1030 Rn. 9; Urteil vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 13 ff.). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1980 - [X.], [X.]Z 79, 337, 344; Urteil vom 21. Oktober 1991 - II ZR 204/90, [X.]Z 116, 7, 12; Urteil vom 10. Oktober 1994 - [X.], [X.], 1851, 1853; Urteil vom 7. April 2003 - II ZR 160/02, [X.], 1086, 1088). Beruht der wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen Immobilienfonds allein auf der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung oder Verpachtung von [X.], so ist in dem Anlageprospekt deutlich auf mögliche, der Erreichbarkeit dieser Einnahmen entgegenstehende Umstände und die sich hieraus für den Anleger ergebenden Risiken hinzuweisen ([X.], Urteil vom 1. März 2004 - [X.], [X.], 1104, 1106).

b) Diesen Anforderungen wird der verwendete Prospekt nicht gerecht. Der [X.] kann die vom Berufungsgericht in Bezug auf die Mietgarantie unterlassene Auslegung uneingeschränkt selbst vornehmen, weil der Emissionsprospekt über den Bezirk des [X.] hinaus verwendet wurde und daher ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Auslegung besteht ([X.], Urteil vom 22. März 2007 - [X.], [X.], 871 Rn. 6; Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 300/08, [X.], 1657 Rn. 46; Urteil vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 14).

Der Prospekt klärt den Anleger auch unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre (vgl. [X.], Urteil vom 31. März 1992 - [X.], [X.], 912, 915; Urteil vom 14. Juni 2007 - [X.], [X.], 1507 Rn. 8) nicht zutreffend über die Risikoverteilung hinsichtlich der [X.]n Nebenkosten auf, soweit Mietflächen nicht unter den [X.] fallen. Wie der [X.] für insoweit im Wesentlichen inhaltsgleiche Prospekte mehrerer Schwesterfonds entschieden hat, erweckt der Prospekt den Eindruck, dass [X.] Nebenkosten bei den der Mietgarantie unterfallenden Flächen nicht dem Fonds zur Last fallen, sondern wie bei den dem [X.] unterfallenden Flächen von dem Mieter bzw. Garanten zu tragen sind ([X.], Urteil vom 23. April 2012 - [X.], juris Rn. 14; s. auch Beschluss vom 13. Dezember 2011 - [X.], [X.], 117 Rn. 33 ff. zu [X.]; Urteile vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1231 Rn. 15 ff. und [X.], juris Rn. 14 ff., jeweils zu [X.]). Die Begriffe [X.] und Mietgarantie werden in dem Prospekt unterschiedslos nebeneinander verwendet. Dies musste bei dem Anleger den Eindruck hervorrufen, die durch die Verträge gewährleistete Mietsicherheit sei bei beiden Vertragsarten deckungsgleich.

Ob das tatsächlich der Fall ist oder ob sich die Mietgarantin zu Recht unter Bezug auf das von ihr eingeholte Rechtsgutachten vom 1. Juni 2004 auf den Standpunkt stellt, die Nebenkosten nicht zu schulden, muss hier nicht entschieden werden. Ebenso kann offenbleiben, ob der [X.] zum Zeitpunkt des Beitritts der Kläger bereits geschlossen war. Denn der Prospekt war in jedem Fall unrichtig. War ein [X.] noch nicht geschlossen, so war der Prospekt schon deshalb unrichtig, weil er den Anlegern vorspiegelte, der Garantievertrag sei bereits abgeschlossen. Lag der [X.] dagegen bereits vor, so war, wie die Revision mit Recht rügt, die Übernahme der umlagefähigen Nebenkosten durch die Mietgarantin in dem Vertragswerk jedenfalls nur unzureichend umgesetzt. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich die Mietgarantin nach den Feststellungen des [X.] später auf den Standpunkt stellen konnte, im Rahmen der Mietgarantie nicht zum Ausgleich [X.]r Nebenkosten verpflichtet zu sein, ohne dass diese durch ein Rechtsgutachten untermauerte Auffassung der Mietgarantin auch unter Berücksichtigung des bis dahin gegenteiligen gemeinsamen Verständnisses als offensichtlich haltlos zurückgewiesen werden konnte. Regelte der [X.] die Übernahme der [X.]n Nebenkosten aber jedenfalls insoweit nicht hinreichend deutlich, so liegt eine die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB begründende Pflichtverletzung schon darin, dass die [X.] weder für eine deutlichere Fassung des [X.]s Sorge getragen hat, die derartige, nicht ohne weiteres ausräumbare Zweifel an der Verpflichtung der Mietgarantin zur Zahlung auch der Nebenkosten verhindert hätte, noch die [X.] auf die Gefahr einer gegenteiligen Auslegung des Vertrages durch die Mietgarantin hingewiesen hat (vgl. [X.], Urteil vom 21. März 2005  II ZR 149/03, [X.], 763, 765; Urteil vom 3. Dezember 2007 - [X.], [X.], 412 Rn. 9).

2. Dieser Prospektfehler ist erheblich. War der [X.] bei Anwerbung der Kläger noch nicht geschlossen, so beeinflusste das die Werthaltigkeit der Anlage in entscheidender Weise. Denn dann war eine Absicherung der Mieteinnahmen zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewährleistet. Im Ergebnis nichts anderes gilt aber auch für den Fall, dass der [X.] schon abgeschlossen war. Dann kann der Fonds bei den Wohnungen, die unter den [X.] fallen, mit den [X.]n Nebenkosten belastet werden, weil ein Anspruch aus dem [X.] gegen die Mietgarantin nicht gegeben ist oder jedenfalls die ernstliche Gefahr besteht, dass ein solcher Anspruch aufgrund einer nicht hinreichend deutlichen Fassung des Vertrags wegen erheblicher rechtlicher Zweifel tatsächlich nicht durchgesetzt werden kann. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung mussten die Kläger dafür nicht darlegen, wie hoch das wirtschaftliche Risiko der [X.]n Nebenkosten im Einzelnen zu bemessen ist. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Mietnebenkosten regelmäßig einen nicht unerheblichen Teil der Miete ausmachen (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 2012 - [X.], juris Rn. 15; Beschluss vom 13. Dezember 2011 - [X.], [X.], 117 Rn. 35). Das gilt auch für Leerstände. Dabei muss auch im Hinblick auf das von der Revisionserwiderung angeführte Investitionsvolumen von 800 Mio. DM für den Gesamtfonds nicht für jede einzelne Fondsimmobilie festgestellt werden, ob sie unter den [X.] oder unter die Mietgarantie fällt, da unstreitig beide Verträge angewandt wurden (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 2012 - [X.], juris Rn. 15 f.).

3. Damit kommt es auf die Frage, ob der Prospekt noch weitere Unrichtigkeiten aufweist, nicht an.

4. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht festgestellt, ob dieser Prospektfehler für den Beitritt der Kläger ursächlich geworden ist. Das wird es in der neu eröffneten mündlichen Verhandlung nachzuholen haben.

5. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die [X.] jedenfalls kein Verschulden an dem Prospektfehler treffe.

Bei der Haftung aus § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB wird das Verschulden des pflichtwidrig handelnden Schuldners gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Es ist also Sache der [X.]n, Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass sie den Prospektfehler und damit die Falschberatung der Kläger ausnahmsweise nicht verschuldet hat.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der [X.] einschließlich des [X.]s erst nach dem Beitritt der Kläger geschlossen wurde, wie das Berufungsgericht annimmt. In diesem Fall wusste die [X.], dass die im Prospekt angegebene Mietgarantie noch nicht vertraglich abgesichert war. Das Berufungsgericht hat auch nicht etwa festgestellt, dass die [X.] im Zeitpunkt des Beitritts der Kläger mit Sicherheit die Vereinbarung einer Mietgarantie erwarten konnte, die die [X.]n Nebenkosten zweifelsfrei abdecken werde. Eine dahingehende Annahme läge auch fern, weil der dann zustande gekommene [X.], der mit den Mietgarantieverträgen früherer [X.] Fonds inhaltlich übereinstimmt, die [X.]n Nebenkosten gerade nicht oder jedenfalls nicht eindeutig umfasst.

Es genügt auch nicht, dass sich die [X.] auf die anfängliche Zahlung der Nebenkosten durch die Mietgarantin beruft. Denn der [X.]n wird gerade zur Last gelegt, dass sie weder für eine deutlichere, abweichende Auslegungen - auch erst später - nicht zulassende Formulierung des [X.]es gesorgt noch die Anleger auf das bestehende Risiko einer abweichenden Auslegung hingewiesen hat.

Danach wäre die [X.] nur dann entschuldigt, wenn sie mit einer Auslegung des Vertrages, wie sie jetzt von der Mietgarantin vertreten wird, nicht hätte rechnen können. Dazu hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Eine solche Annahme liegt auch nicht nahe. Zwar mag sich die [X.] insoweit in einem Rechtsirrtum befunden haben. Ein Rechtsirrtum wirkt aber nur dann entschuldigend, wenn er seinerseits nicht verschuldet ist. Daran stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen ([X.], Urteil vom 11. Januar 1984 - [X.], [X.]Z 89, 296, 303; Urteil vom 14. Juni 1994 - [X.], [X.], 1350; Urteil vom 20. September 2011 - II ZR 234/09, [X.], 2097 Rn. 16). Es ist nicht ersichtlich, dass diese hier erfüllt wären.

III. Damit ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

Für das weitere Verfahren verweist der [X.] auf seine Ausführungen in den Urteilen vom 23. April 2012 - [X.], juris, Rn. 18 ff. und [X.], [X.], 1231 Rn. 30, 38 ff. - zu den vergleichbaren [X.] und 6.

Bergmann                             Strohn                               Caliebe

                     [X.]

Meta

II ZR 45/11

23.10.2012

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 11. Januar 2011, Az: 4 U 67/09

§ 280 Abs 1 S 2 BGB, § 311 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.10.2012, Az. II ZR 45/11 (REWIS RS 2012, 2091)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2091

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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