Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2017, Az. V ZB 166/15

5. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15878

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Gegenstand

Grundbuchverfahren auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung: Grundbuchfähigkeit einer società semplice italienischen Rechts mit Firmensitz in Italien; notwendige Ermittlung ausländischen Rechts durch das Beschwerdegericht


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] vom 20. Oktober 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandwert des [X.] beträgt 72.000 €.

Gründe

I.

1

Mit notariellem Vertrag vom 27. September 2013 verkaufte die als Eigentümerin im [X.]rundbuch eingetragene Beteiligte zu 1 das eingangs bezeichnete Wohnungseigentum an die Beteiligte zu 2, eine [X.] [X.] („einfache [X.]esellschaft“) [X.] Rechts mit Sitz in [X.]      ([X.]). Zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsübertragung bewilligte die Beteiligte zu 1 die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Beteiligten zu 2.

2

Die Beteiligte zu 2 hat die Eintragung der Auflassungsvormerkung unter Vorlage eines Auszugs aus dem [X.] (Unternehmensregister) der Camera di Commercio Industria Artigianato e Agricoltura di [X.]      (Industrie- und Handelskammer von [X.]     ) beantragt. Das [X.]rundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen. Mit der Beschwerde hat die Beteiligte zu 2 hilfsweise beantragt, die [X.] [X.] mit dem Zusatz „bestehend aus den [X.]esellschaftern      V.    und      [X.].“ einzutragen. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Beteiligte zu 2 weiterhin ihre Eintragung erreichen.

II.

3

Nach Auffassung des [X.] setzt die Eintragung einer ausländischen [X.]esellschaft unter ihrem Namen in das [X.]rundbuch die Rechtsfähigkeit voraus. Hieran fehle es nach dem insoweit maßgeblichen [X.] Recht. Eine [X.] [X.] sei keine juristische Person und - trotz Abweichungen bei [X.]eschäftsführung und Haftung - mit einer [X.] [X.]esellschaft bürgerlichen Rechts vergleichbar. Jedenfalls dann, wenn die [X.] [X.] einen [X.]esellschaftszweck wie die Beteiligte zu 2 verfolge, müsse sie nicht in das [X.] Unternehmensregister eingetragen werden. Eine fakultative Eintragung habe lediglich verlautbarenden Charakter und begründe keine mit § 15 H[X.]B vergleichbaren Publizitätswirkungen. Entscheidungen [X.]r [X.]erichte, in denen der [X.] [X.] - vergleichbar mit einer [X.] [X.]esellschaft bürgerlichen Rechts ([X.]bR) - Teilrechtsfähigkeit zuerkannt werde, seien nicht ersichtlich. [X.]emäß Art. 2659 Abs. 1 Nr. 1 Codice civile sei die [X.] [X.] in Ansehung von Rechten an [X.]rundstücken allenfalls dann erwerbsfähig, wenn in der [X.] in das [X.] Immobilienregister auch die Personalien der Personen angegeben würden, die sie nach dem [X.]ründungsvertrag vertreten. Eine solche Eintragung könne nach dem anzuwendenden [X.] Verfahrensrecht (§ 15 [X.]) nicht erfolgen. Auch die Voraussetzungen für die mit der Beschwerde beantragte Eintragung der Beteiligten zu 2 unter gleichzeitiger Eintragung ihrer [X.]esellschafter lägen nicht vor, da § 47 Abs. 2 [X.] aufgrund des Bezugs zu § 899a [X.] nur für die [X.] [X.]bR gelte.

III.

4

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die statthafte (§ 78 Abs. 1 und 3 [X.]) und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamF[X.]) Rechtsbeschwerde ist begründet.

5

1. Im Ausgangspunkt zu Recht nimmt das Beschwerdegericht allerdings an, dass eine ausländische [X.]esellschaft nur dann unter ihrem Namen als Vormerkungsberechtigte in das [X.]rundbuch eingetragen werden kann, wenn sie nach ihrem Personalstatut selbst Eigentum an [X.]rundstücken erwerben kann und ihr damit nach dem [X.] [X.]rundbuchverfahrensrecht als der lex fori die materielle [X.]rundbuchfähigkeit zukommt. Zutreffend sieht es das [X.] Recht als Personalstatut an. Denn die Beteiligte zu 2 hat in [X.] nicht nur ihren Sitz, sondern ist dort auch gegründet worden (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2013 - [X.] 197/12, [X.], 14 Rn. 11; [X.] 2002, 413, 415 f.; MüKo[X.]/[X.], 6. Aufl., [X.] Rn. 152 ff.; jeweils mwN).

6

2. Mit Erfolg beanstandet die Beteiligte zu 2 mit der Verfahrensrüge jedoch, dass das Beschwerdegericht das [X.] Recht unzureichend ermittelt hat.

7

a) Es kann dahinstehen, ob sich das Verfahren zur Ermittlung ausländischen Rechts im Verfahren der freiwilligen [X.]erichtsbarkeit nach § 293 ZPO richtet oder ob die in § 26 FamF[X.] normierte Amtsermittlungspflicht maßgeblich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2013 - [X.] 197/12, NJW 2013, 3656 Rn. 25 mwN, insoweit in [X.], 14 nicht abgedruckt). Denn in jedem Fall hat der Tatrichter ausländisches Recht von Amts wegen zu ermitteln. Wie er sich diese Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Jedoch darf sich die Ermittlung des fremden Rechts nicht auf die Heranziehung der Rechtsquellen beschränken, sondern muss auch die konkrete Ausgestaltung des Rechts in der ausländischen Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, berücksichtigen. Der Tatrichter ist gehalten, das Recht als [X.]anzes zu ermitteln, wie es sich in Lehre und Rechtsprechung entwickelt hat. Er muss dabei die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpfen (für § 293 ZPO st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteil vom 14. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1244 Rn. 15; Urteil vom 10. September 2015 - [X.], [X.], 2248 Rn. 15; [X.]/Meyer-Holz, FamF[X.], 19. Aufl., § 72 FamF[X.] Rn. 54; dahingehend auch für § 26 FamF[X.] [X.]/Sternal, aaO, § 26 Rn. 27 f.). Durch das Rechtsbeschwerdegericht wird insoweit lediglich überprüft, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat (vgl. für § 293 ZPO [X.], Beschluss vom 30. April 2013 - [X.], [X.], 1225 Rn. 39; Urteil vom 14. Januar 2014 - [X.], aaO Rn. 15).

8

b) Daran gemessen hat das Beschwerdegericht das [X.] Recht verfahrensfehlerhaft ermittelt.

9

aa) Für die [X.]rundbuchfähigkeit der Beteiligten zu 2 ist - wie auch das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt erkennt - nicht entscheidend, ob nach [X.]m Recht eine umfassende Rechtsfähigkeit der [X.] [X.] besteht. Da das [X.]esetz auch eine auf bestimmte Bereiche (wie etwa den Erwerb von [X.]rundstücken) beschränkte Teilrechtsfähigkeit vorsehen kann, kommt es vielmehr darauf an, ob die ausländische [X.]esellschaft selbst Trägerin von Rechten an [X.]rundstücken sein kann (vgl. [X.], 28. Edition, Internationale Bezüge Rn. 101 f.). Im Hinblick auf diese Rechtsfrage ist die Ermessenausübung des [X.] bei der Ermittlung des ausländischen Rechts bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil es die ihm vorliegende Literatur zum ausländischen Recht unzureichend ausgewertet hat. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet, wird in dem von dem Beschwerdegericht herangezogenen Werk von [X.] zum [X.] Handels- und Wirtschaftsrecht mit Nachweisen aus der Rechtsprechung der [X.] erläutert, es sei anerkannt, dass das Eigentum an den [X.]egenständen des [X.]esellschaftsvermögens der [Personen-] [X.]esellschaft selbst - und nicht den [X.]esellschaftern gemeinsam - zustehe, und dass die durch die [X.]esellschafter eingebrachten [X.]egenstände in das Eigentum der [X.]esellschaft übergingen ([X.], [X.]isches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 4 Rn. 21 f.); andererseits würden [X.]esellschaft und [X.]esellschafter in der [X.] Rechtsprechung häufig rechtlich gleichgestellt, und es ergebe sich kein einheitliches Bild ([X.], [X.]isches Handels- und Wirtschaftsrecht, aaO Rn. 23). Angesichts dieser Ausführungen zur [X.] Rechtspraxis konnte sich das Beschwerdegericht auch nicht auf zwei Kommentare zur [X.] [X.]rundbuchordnung stützen, in denen die Rechtsfähigkeit der [X.] [X.] ohne weitere Begründung verneint wird (Meikel/Hertel, [X.], 11. Aufl., [X.]. [X.] Rn. 127; Hügel/Zeiser, [X.], 2. Aufl., Internationale Bezüge Rn. 111.11).

bb) Die Heranziehung der maßgeblichen Normen des Codice civile macht die Ermittlung der [X.] Rechtspraxis anhand von [X.]r Rechtsprechung und Rechtsliteratur ebenfalls nicht entbehrlich, zumal die [X.]esetzesbestimmungen ihrem Wortlaut nach nicht eindeutig gegen die Erwerbs- und damit die [X.]rundbuchfähigkeit der [X.] [X.] sprechen. Dies gilt insbesondere, soweit das Beschwerdegericht meint, aus Art. 2659 Abs. 1 Nr. 1 Codice Civile ergebe sich eine Erwerbsfähigkeit der [X.] [X.] in Ansehung von Rechten an [X.]rundstücken allenfalls dann, wenn in der [X.] auch die Personalien der Personen angegeben würden, die sie nach dem [X.]ründungsvertrag vertreten. Insoweit beschränkt sich das Beschwerdegericht nämlich auf sein aus dem Wortlaut abgeleitetes Verständnis der Vorschrift, ohne das Recht als [X.]anzes und die hierauf bezogene [X.] Rechtspraxis zu ermitteln. Sollte Art. 2659 Abs. 1 Nr. 1 Codice Civile - wie die Rechtsbeschwerde unter Auswertung von [X.]r Literatur ausführt - das Verfahren regeln, mit dem eine lediglich deklaratorische Eintragung des bereits vollzogenen Immobilienerwerbs der [X.]esellschaft in das Immobilienregister herbeigeführt wird, beträfe die Norm - anders als das Beschwerdegericht meint - gerade nicht die Erwerbsfähigkeit der [X.] [X.].

IV.

Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Da die Sache wegen der fehlenden Feststellungen insbesondere zum Inhalt des [X.] Rechts nicht zur Endentscheidung reif ist, macht der Senat von der auch im Verfahren der freiwilligen [X.]erichtsbarkeit bestehenden Möglichkeit [X.]ebrauch, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 78 Abs. 3 [X.], § 74 Abs. 6 Satz 2 FamF[X.], § 563 Abs. 4 ZPO analog; vgl. [X.]/Meyer-Holz, FamF[X.], 19. Aufl., § 74 Rn. 84; [X.]/[X.]/[X.], FamF[X.], 11. Aufl., § 74 Rn. 9). Das Beschwerdegericht wird nunmehr die fehlenden Feststellungen zum [X.] Recht nachzuholen und - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung - zu prüfen haben, ob die Beteiligte zu 2 nach [X.]m Recht in eigener [X.] Wohnungseigentum erwerben kann. Dazu dürfte die Einholung eines Rechtsgutachtens bzw. ein Auskunftsersuchen (dazu MüKoZPO/Prütting, 5. Aufl., § 293 Rn. 33 ff.) geboten sein. Sollte die genannte Rechtsfrage zu bejahen sein, könnte zugleich gutachterlich geklärt werden, inwieweit die Eintragung in das [X.] Unternehmensregister Existenz und [X.] der Beteiligten zu 2 nachweist (vgl. etwa [X.]/Stöber, [X.]rundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 3636b).

III.

Die [X.] beruht auf § 61 Abs. 1, § 46 Abs. 1 [X.]NotK[X.].

Stresemann     

       

Schmidt-Räntsch     

       

Brückner

       

[X.]öbel     

       

Haberkamp     

       

Meta

V ZB 166/15

09.02.2017

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 20. Oktober 2015, Az: 1 W 400/15, Beschluss

§ 15 HGB, § 19 GBO, § 47 Abs 1 GBO, § 47 Abs 2 GBO, § 71 GBO, §§ 71ff GBO, Art 2251 CC ITA, Art 2251ff CC ITA, Art 2659 Abs 1 Nr 1 CC ITA, § 26 FamFG, § 293 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2017, Az. V ZB 166/15 (REWIS RS 2017, 15878)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15878

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