Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.12.2018, Az. V ZB 175/15

5. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 440

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EINSTWEILIGE VERFÜGUNG VOLLZIEHUNGSFRIST IZVR ARREST

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Gegenstand

Vollziehung einer italienischen Sicherstellungsbeschlagnahme: Geltung der für die Vollziehung eines Arrestbefehls bestehenden Monatsfrist


Leitsatz

Die in § 929 Abs. 2 ZPO geregelte Monatsfrist erfasst auch die Vollziehung eines Arrestbefehls, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen (hier: italienische Sicherstellungsbeschlagnahme) und in Deutschland für vollstreckbar erklärt worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, Società Immobiliare Al Bosco Srl, C-379/17, EU:C:2018:806, NJW 2019, 581).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] - 34. Zivilsenat - vom 16. November 2015 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 300.000 €.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist eine [X.] in der Rechtsform einer società a responsibilità limitata. Sie erwirkte am 19. November 2013 vor dem [X.] [X.] eine Sicherstellungsbeschlagnahme („sequestro conservativo“) gegen [X.](im Folgenden: Schuldner). Hierdurch wurde sie ermächtigt, die Sicherstellungsbeschlagnahme bis zu einem Betrag von 1.000.000 Euro auf bewegliche und unbewegliche, materielle und immaterielle Werte sowie Forderungen des Schuldners vorzunehmen. Mit Beschluss vom 22. August 2014 erklärte das [X.] die Entscheidung in [X.] für vollstreckbar.

2

Am 23. April 2015 hat die Antragstellerin beantragt, eine verteilte Sicherungshypothek an dem im Rubrum genannten, in [X.] belegenen Grundbesitz des Schuldners (einer Eigentumswohnung nebst zwei Tiefgaragenstellplätzen) einzutragen. Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat den [X.] zurückgewiesen. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen, weil die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht eingehalten worden sei. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Antragstellerin weiterhin die Eintragung der Sicherungshypothek erreichen. Mit Beschluss vom 11. Mai 2017 (abgedruckt u.a. in [X.] 2018, 305) hat der Senat dem [X.] folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

3

„Ist es mit Art. 38 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vereinbar, eine im Recht des [X.]es vorgesehene Frist, aufgrund derer aus einem Titel nach Ablauf einer bestimmten Zeit nicht mehr vollstreckt werden darf, auch auf einen funktional vergleichbaren Titel anzuwenden, der in einem anderen Mitgliedsstaat erlassen und in dem [X.] anerkannt und für vollstreckbar erklärt worden ist?“

4

Der [X.] hat die Vorlagefrage mit Urteil vom 4. Oktober 2018 ([X.], [X.]/17, [X.]:C:2018:806, veröffentlicht u.a. in [X.] 2018, 756) wie folgt beantwortet:

5

„Art. 38 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der für die Vollziehung eines [X.]s eine Frist gilt, nicht entgegensteht, wenn es um einen [X.] geht, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurde und dem im [X.] Vollstreckbarkeit beigelegt worden ist.“

II.

6

Nach Auffassung des [X.] ([X.], [X.] 2016, 68 ff.) steht der beantragten Eintragung der Ablauf der in § 929 Abs. 2 ZPO geregelten Vollziehungsfrist von einem Monat entgegen. Die dem ausländischen Titel nach Art. 38 der Verordnung Nr. 44/2001 verliehene Vollstreckbarkeit decke sich inhaltlich mit der einem entsprechenden inländischen Titel zukommenden Vollstreckbarkeit. Die Vollstreckung als solche richte sich nach der lex fori. Da die Sicherstellungsbeschlagnahme nach [X.] Recht mit einem [X.] [X.] vergleichbar sei, seien die hierfür maßgeblichen Verfahrensvorschriften und damit auch § 929 Abs. 2 ZPO einzuhalten. In die Entscheidungshoheit des ausländischen Staates werde hierdurch nicht eingegriffen, da die Vollziehungsfrist die zwangsweise Durchsetzung eines erstrittenen Arresttitels, nicht aber dessen Wirksamkeit als solche beschränke.

III.

7

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.

8

1. Die [X.] Entscheidung vom 19. November 2013 ist nach der Verordnung Nr. 44/2001 in [X.] für vollstreckbar erklärt worden; diese Verordnung ist auch weiterhin anzuwenden, weil die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung vor dem 10. Januar 2015 ergangen ist (Art. 66 Abs. 2 der Verordnung [[X.]] Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; vgl. [X.], Urteil vom 4. Oktober 2018, [X.], [X.]/17, [X.]:C:2018:806 Rn. 22). Grundlage der Zwangsvollstreckung in [X.] ist die inländische Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung (vgl. [X.], Beschluss vom 4. März 1993 - [X.], [X.]Z 122, 16, 18 mwN). Wird - wie hier - die Eintragung einer Sicherungshypothek beantragt, hat das Grundbuchamt die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung selbständig zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2013 - [X.] 151/12, [X.] 2013, 779 Rn. 7 mwN).

9

2. Rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet ordnet das Beschwerdegericht die [X.] Sicherstellungsbeschlagnahme funktional wie einen [X.] nach [X.] Recht ein. Infolgedessen richtet sich die Zwangsvollstreckung aus der inländischen Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung nach den [X.] Vorschriften über die Vollziehung des [X.]s.

a) Zu den maßgeblichen Verfahrensvorschriften gehört auch § 929 Abs. 2 ZPO. Die dort geregelte Monatsfrist erfasst auch die Vollziehung eines [X.]s, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen und in [X.] für vollstreckbar erklärt worden ist. Nach der auf Vorlage des Senats ergangenen Entscheidung des [X.] steht Art. 38 der Verordnung Nr. 44/2001 der Anwendung einer solchen, im Recht des [X.]s vorgesehenen Frist nicht entgegen ([X.], Urteil vom 4. Oktober 2018, [X.], [X.]/17, [X.]:C:2018:806 Rn. 51). An diese Auslegung des Unionsrechts sind die nationalen Gerichte gebunden (vgl. nur [X.], Urteil vom 28. Oktober 2015 - [X.], [X.]Z 207, 209 Rn. 33).

b) Danach ist der [X.] nicht mehr vollziehbar. Der Lauf der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO wird im Anwendungsbereich von Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 durch den Zugang (vgl. § 10 Abs. 3 [X.]) der Vollstreckbarerklärung an den Gläubiger in Gang gesetzt (vgl. [X.], Urteil vom 4. Oktober 2018, [X.], [X.]/17, [X.]:C:2018:806 Rn. 50). Nach den Feststellungen des [X.] war mehr als ein Monat seit dem Zugang der Vollstreckbarerklärung an die Gläubigerin verstrichen, als die Eintragung der Sicherungshypothek beantragt wurde. Da gemäß § 932 Abs. 3 ZPO der [X.] maßgeblich ist, ist die Vollziehungsfrist nicht eingehalten.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Gegenstandswert ist nach dem Nennbetrag der verteilten [X.] festgesetzt worden (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GNotKG).

[X.]     

      

Brückner     

      

Kazele

      

Göbel     

      

Hamdorf     

      

Meta

V ZB 175/15

13.12.2018

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend EuGH, 4. Oktober 2018, Az: C-379/17, Urteil

§ 929 Abs 2 ZPO, Art 38 Abs 1 EGV 44/2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.12.2018, Az. V ZB 175/15 (REWIS RS 2018, 440)

Papier­fundstellen: WM2019,270 REWIS RS 2018, 440


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. V ZB 175/15

Bundesgerichtshof, V ZB 175/15, 13.12.2018.

Bundesgerichtshof, V ZB 175/15, 11.05.2017.


Az. 34 Wx 314/15

OLG München, 34 Wx 314/15, 16.11.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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