Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 11.05.2017, Az. V ZB 175/15

5. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 11107

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EINSTWEILIGE VERFÜGUNG VOLLZIEHUNGSFRIST IZVR ARREST

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Gegenstand

Vorlage an den EuGH zur Auslegung der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen: Anwendbarkeit der nach dem Recht des Vollstreckungsstaats bestehenden Vollziehungsfrist auf einen funktional vergleichbaren Titel eines anderen Mitgliedstaats


Leitsatz

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. a AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es mit Art. 38 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vereinbar, eine im Recht des Vollstreckungsstaates vorgesehene Frist, aufgrund derer aus einem Titel nach Ablauf einer bestimmten Zeit nicht mehr vollstreckt werden darf, auch auf einen funktional vergleichbaren Titel anzuwenden, der in einem anderen Mitgliedsstaat erlassen und in dem Vollstreckungsstaat anerkannt und für vollstreckbar erklärt worden ist?

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem [X.] wird zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. a AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es mit Art. 38 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vereinbar, eine im Recht des [X.]es vorgesehene Frist, aufgrund derer aus einem Titel nach Ablauf einer bestimmten Zeit nicht mehr vollstreckt werden darf, auch auf einen funktional vergleichbaren Titel anzuwenden, der in einem anderen Mitgliedsstaat erlassen und in dem [X.] anerkannt und für vollstreckbar erklärt worden ist?

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist eine [X.] in der Rechtsform einer società a responsibilità limitata. Sie erwirkte am 19. November 2013 vor dem [X.] [X.] eine Sicherstellungsbeschlagnahme („sequestro conservativo“) gegen [X.](im Folgenden: Schuldner). Hierdurch wurde sie ermächtigt, die Sicherstellungsbeschlagnahme bis zu einem Betrag von 1.000.000 Euro auf bewegliche und unbewegliche, materielle und immaterielle Werte sowie Forderungen des Schuldners vorzunehmen. Mit Beschluss vom 22. August 2014 erklärte das [X.] die Entscheidung in [X.] für vollstreckbar.

2

Am 23. April 2015 hat die Antragstellerin beantragt, eine Sicherungshypothek an dem im Rubrum genannten, in [X.] belegenen Grundbesitz des Schuldners (einer Eigentumswohnung nebst zwei Tiefgaragenstellplätzen) einzutragen. Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat den [X.] zurückgewiesen. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Antragstellerin weiterhin die Eintragung der Sicherungshypothek erreichen.

II.

3

Nach Auffassung des [X.] ([X.], [X.] 2016, 68 ff.) steht der beantragten Eintragung der Ablauf der Vollziehungsfrist von einem Monat gemäß § 929 Abs. 2 ZPO entgegen. Die dem ausländischen Titel nach Art. 38 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen verliehene Vollstreckbarkeit decke sich inhaltlich mit der einem entsprechenden inländischen Titel zukommenden Vollstreckbarkeit. Die Vollstreckung als solche richte sich nach der lex fori. Da die Sicherstellungsbeschlagnahme nach [X.] Recht mit einem [X.] [X.] vergleichbar sei, seien die hierfür maßgeblichen Verfahrensvorschriften und damit auch § 929 Abs. 2 ZPO einzuhalten. In die Entscheidungshoheit des ausländischen Staates werde hierdurch nicht eingegriffen, da die Vollziehungsfrist die zwangsweise Durchsetzung eines erstrittenen Arresttitels, nicht aber dessen Wirksamkeit als solche beschränke.

III.

4

Die Begründetheit der statthaften (§ 78 Abs. 1 und 3 GBO) und auch im Übrigen zulässigen (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde hängt in entscheidungserheblicher Weise von der Beantwortung der im Tenor formulierten Vorlagefrage durch den Gerichtshof der [X.] ab.

5

1. Die [X.] Entscheidung vom 19. November 2013 ist nach der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. [X.] 2001 Nr. L 12/01, [X.] ff., im Folgenden: [X.] aF) in [X.] für vollstreckbar erklärt worden. Grundlage der Zwangsvollstreckung in [X.] ist die inländische Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung (vgl. [X.], Beschluss vom 4. März 1993 - [X.], [X.]Z 122, 16, 18). Wird - wie hier - die Eintragung einer Sicherungshypothek beantragt, hat das Grundbuchamt die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung selbständig zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2013 - [X.] 151/12, [X.] 2013, 779 Rn. 7 mwN).

6

2. Rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet ordnet das Beschwerdegericht die [X.] Sicherstellungsbeschlagnahme funktional wie einen [X.] nach [X.] Recht ein. Infolgedessen richten sich die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung in [X.] nach den [X.] Vorschriften über die Vollziehung des [X.].

7

a) Zu der Vollziehung des [X.] in ein Grundstück enthält die [X.] Zivilprozessordnung unter anderem die folgenden Regelungen:

§ 929 ZPO

(2) Die Vollziehung des [X.] ist unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Befehl verkündet oder der [X.], auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist.

(3) Die Vollziehung ist vor der Zustellung des [X.] an den Schuldner zulässig. Sie ist jedoch ohne Wirkung, wenn die Zustellung nicht innerhalb einer Woche nach der Vollziehung und vor Ablauf der für diese im vorhergehenden Absatz bestimmten Frist erfolgt.

§ 932 ZPO

(1) Die Vollziehung des [X.] in ein Grundstück (…) erfolgt durch Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung (…).

(3) Der Antrag auf Eintragung der Hypothek gilt im Sinne des § 929 Abs. 2, 3 als Vollziehung des [X.].

8

b) Ob die in § 929 Abs. 2 ZPO geregelte Vollziehungsfrist abgelaufen ist, muss das Vollstreckungsorgan (hier das Grundbuchamt) von Amts wegen prüfen. Ist die Frist verstrichen, darf der [X.] nicht mehr vollzogen werden; er kann nicht mehr als Titel für eine neue Vollstreckung dienen. Die Regelung dient dem Schuldnerschutz. Sie soll verhindern, dass Entscheidungen, die aufgrund eines summarischen Eilverfahrens erlassen werden, über längere [X.] und trotz möglicherweise veränderter Verhältnisse vollziehbar, also vollstreckbar bleiben ([X.], Urteil vom 25. Oktober 1990 - [X.], [X.]Z 112, 356, 361; [X.], NJW 1988, 3141; MüKoZPO/[X.], 5. Aufl., § 929 Rn. 1). Den Interessen des Gläubigers trägt das [X.] Prozessrecht dadurch Rechnung, dass er sogleich erneut einen Arrest (oder eine einstweilige Verfügung) erwirken kann (vgl. [X.], NJW 1988, 3141; MüKoZPO/[X.], 5. Aufl., § 929 Rn. 14).

9

3. Die Entscheidung über die Beschwerde hängt davon ab, ob § 929 Abs. 2 ZPO auf die [X.] Sicherstellungsbeschlagnahme angewendet werden darf oder nicht.

a) Nach den Feststellungen des [X.] war mehr als ein Monat seit dem Zugang der Vollstreckbarerklärung in [X.] an die Gläubigerin verstrichen, als die Eintragung der Sicherungshypothek beantragt wurde. Da gemäß § 932 Abs. 3 ZPO der [X.] maßgeblich ist, könnte die Sicherungsbeschlagnahme nicht mehr vollzogen werden, wenn § 929 Abs. 2 ZPO anwendbar wäre.

b) Ob auch das [X.] Recht eine Vollziehungsfrist enthält und wie diese im Einzelnen ausgestaltet ist, ist in dem jetzigen Verfahrensstadium nicht zu prüfen. Denn in [X.] ist die Vollstreckbarkeit der Sicherstellungsbeschlagnahme bescheinigt worden (Art. 53, 54 i.V.m. [X.] aF). Daraufhin ist die [X.] Entscheidung in [X.] anerkannt und für vollstreckbar erklärt worden. Das Vollstreckungsorgan (hier das Grundbuchamt) hat bei der Vollstreckung ausschließlich [X.]s Vollstreckungsrecht als lex fori anzuwenden. Ob das Recht des [X.] eine Vollziehungsfrist vorsieht und wie diese im Einzelnen ausgestaltet ist, kann das Vollstreckungsorgan weder ermitteln noch dürfte es eine Regelung des ausländischen Rechts anwenden. Dies gilt in gleicher Weise für den erkennenden Senat, der ausschließlich die Entscheidung des [X.] (und nachfolgend die des [X.]) zu überprüfen hat. Für das Verfahren des [X.] ist nur bedeutsam, ob § 929 Abs. 2 ZPO beachtet werden muss oder nicht. Sollte der Titel wegen des [X.]ablaufs auch nach [X.] Recht nicht mehr vollstreckbar sein, müsste der Schuldner dies mit einem Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung geltend machen; in einem solchen Rechtsbehelfsverfahren könnte die Einhaltung der Vorgaben des [X.] Rechts überprüft werden (so jeweils zur [X.] aF: Schlosser, [X.]-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 38 [X.] Rn. 3; [X.]/von [X.], [X.], 9. Aufl., Art. 38 [X.] Rn. 11 und Art. 43 [X.] Rn. 30; [X.]/Schütze, [X.], 3. Aufl., Art. 38 [X.] Rn. 2).

4. Ob es mit Art. 38 Abs. 1 [X.] aF vereinbar ist, eine im Recht des [X.]es vorgesehene Frist (wie § 929 Abs. 2 ZPO), aufgrund derer aus einem Titel (hier: [X.]) nach Ablauf einer bestimmten [X.] nicht mehr vollstreckt werden darf, auch auf einen funktional vergleichbaren Titel anzuwenden, der in einem anderen Mitgliedsstaat erlassen und in dem [X.] anerkannt und für vollstreckbar erklärt worden ist, lässt sich nicht mit der für eine Entscheidung durch den Senat erforderlichen Gewissheit beantworten (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982, [X.], [X.]/81, [X.]:C:1982:335, Rn. 16). Diese Rechtsfrage stellt sich in gleicher Weise unter der Geltung von Art. 39 der [X.] ([X.]) Nr. 1215/2015 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. [X.] Nr. [X.], [X.] nF). Sie betrifft nicht nur die Auslegung des [X.] nationalen Rechts, sondern weist Gemeinschaftsbezug auf.

a) Nicht hinreichend geklärt ist, ob eine Regelung wie § 929 Abs. 2 ZPO der Vollstreckbarkeit des Titels zuzuordnen ist, die sich gemäß Art. 38 [X.] aF nach dem Recht des [X.] richtet, oder ob sie als vollstreckungsrechtliche Norm der lex fori anzusehen ist.

aa) [X.] gesehen knüpft die Vollziehungsfrist - anders als etwa eine Vorschrift über die Verjährung titulierter Ansprüche - nicht an das materielle Recht an. So gesehen könnte sie dem Vollstreckungsrecht zuzuordnen sein, das die [X.] aF nicht erfasst; das Abkommen regelt nur das Verfahren zur Zulassung der Zwangsvollstreckung aus ausländischen vollstreckbaren Titeln und lässt die eigentliche Zwangsvollstreckung unberührt, die dem nationalen Recht des [X.]es unterliegt (vgl. [X.], Urteil vom 3. Oktober 1985, [X.] und [X.], [X.]/84, [X.]:[X.], Rn. 16; Urteil vom 29. April 1999, [X.], [X.]/97, [X.]:[X.], Rn. 28; Urteil vom 28. April 2009, [X.]/[X.], [X.]/07, [X.]:C:2009:271, Rn. 69).

bb) Andererseits führt eine solche Frist aber dazu, dass die Vollstreckbarkeit des Titels durch [X.]ablauf endet. Sie wirkt sich im Ergebnis nicht anders aus als eine Aufhebung des Titels im Rechtsbehelfsverfahren. Deshalb könnte der Erstreckung von § 929 Abs. 2 ZPO auf ausländische [X.]e entgegenstehen, dass sich die Vollstreckbarkeit des Titels gemäß Art. 38 Abs. 1 [X.] aF (ausschließlich) nach dem Recht des Mitgliedsstaats richtet, in dem er ergangen ist. Eine zeitliche Befristung der Wirksamkeit ausländischer [X.]e nach dem Recht des [X.]s könnte mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs unvereinbar sein, wonach die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats die von der Verordnung selbst aufgestellten Grundsätze nicht in Frage stellen darf (vgl. [X.], Urteil vom 3. Oktober 1985, [X.] und [X.], [X.]/84, [X.]:[X.], Rn. 21; Urteil vom 28. April 2009, [X.]/[X.], [X.]/07, [X.]:C:2009:271, Rn. 69).

b) In Rechtsprechung und Rechtsliteratur wird diese Frage unterschiedlich beurteilt.

aa) Teilweise wird vertreten, dass § 929 Abs. 2 ZPO die Vollstreckbarkeit betrifft und nur auf [X.] [X.]e angewendet werden darf (vgl. [X.], [X.] 1985, 973, 975 mit insoweit zust. [X.]. [X.], [X.] 1985, 974, 975 [EuGVÜ]; [X.]/von [X.], [X.], 9. Aufl., Art. 38 [X.] Rn. 10; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., Art. 38 [X.] Rn. 8). Ob die Vollstreckbarkeit durch [X.]ablauf nachträglich entfalle, richte sich nach dem Recht des [X.]; auf Ausschlussfristen nach dem Recht des [X.]s komme es nicht an ([X.]/von [X.], [X.], 9. Aufl., Art. 38 [X.] Rn. 10; ebenso zu Art. 31 EuGVÜ: [X.], [X.] 2000, 8, 9; [X.], Die Vollstreckbarkeit und ihr Beweis gemäß Art. 31 und 47 Nr. 1 EuGVÜ, S. 26).

bb) Nach anderer Ansicht gilt § 929 Abs. 2 ZPO auch für ausländische [X.]e, die für vollstreckbar erklärt worden sind (MüKoZPO/[X.], 5. Aufl., § 929 Rn. 1; [X.], Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl., Rn. 1066). Solche Ausschlussfristen nach dem Recht des [X.]s seien anzuwenden, wenn die Vollstreckung aus der Vollstreckbarerklärung betrieben werde. Der Lauf der Frist werde nicht mit Erlass der [X.] Entscheidung, sondern erst mit dem Ausspruch der zweitstaatlichen Vollstreckbarerklärung in Gang gesetzt (MüKoZPO/[X.], 5. Aufl., § 929 Rn. 1; zu Art. 45 [X.] aF Rauscher/Mankowski, [X.]/[X.], 3. Aufl., Art. 45 [X.] I-[X.] Rn. 7; Steinmetz, [X.] 2009, 301, 304).

cc) Nach dem Verständnis des [X.] kommt es kumulativ sowohl auf das Prozessrecht des [X.] als auch auf das des [X.]s an. Die Einhaltung einer Vollziehungsfrist nach [X.] Recht sei im Anerkennungsverfahren zu prüfen gewesen, während bei der Vollstreckung die Vollziehungsfrist nach [X.] Recht zu beachten sei. Einerseits könnten der ausländischen Entscheidung nicht mehr Wirkungen als im Erlassstaat zukommen, andererseits gälten für die Vollstreckung dieselben Voraussetzungen wie für vergleichbare inländische Titel (so die [X.]erkung zu der Entscheidung des [X.] von Peschke, [X.] 4/2015 [X.]. 3).

c) Die Rechtslage ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] nicht ausreichend - im Sinne [X.] - geklärt.

aa) [X.] hat der Gerichtshof allerdings, dass das Recht des Gläubigers, gemäß Art. 47 Abs. 2 [X.] aF ab dem Erlass der Vollstreckbarerklärung einstweilige Maßnahmen nach dem Recht des [X.]es in Anspruch zu nehmen, sofern die anzuerkennende Entscheidung im [X.] vollstreckbar ist, nicht durch die Anwendung nationaler Vorschriften, die eine kürzere Frist vorsehen, zeitlich beschränkt werden kann ([X.], Urteil vom 3. Oktober 1985, [X.] und [X.], [X.]/84, [X.]:[X.], Rn. 27 ff.); dies bezieht sich jedoch nur auf die [X.] während des (hier bereits abgeschlossenen) Verfahrens der Vollstreckbarerklärung.

bb) Im Übrigen gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zwar einerseits der Grundsatz, dass eine nach der [X.] anerkannte ausländische Entscheidung „im ersuchten Staat dieselben Wirkungen entfalten muss wie im [X.]“ ([X.], Urteil vom 4. Februar 1988, [X.], [X.], [X.]:[X.], Rn. 11; vgl. auch [X.], Urteil vom 28. April 2009, [X.]/[X.], [X.]/07, [X.]:C:2009:271, Rn. 66); dies spricht dagegen, dass eine Vollziehungsfrist aus einer anderen Rechtsordnung angewendet werden darf. Andererseits soll es aber nicht angehen, „einem Urteil bei seiner Vollstreckung Rechtswirkungen zuzuerkennen, die (…) ein unmittelbar im [X.] ergangenes Urteil derselben Art nicht erzeugen würde“ ([X.], Urteil vom 13. Oktober 2011, [X.]/10, [X.], [X.]:C:2011:653, Rn. 38; vgl. auch [X.], Urteil vom 28. April 2009, [X.]/[X.], [X.]/07, [X.]:C:2009:271, Rn. 66).

cc) Die Rechtslage erscheint auch deshalb nicht hinreichend geklärt, weil nach einem Urteil des [X.] die in Art. 518 der [X.] Zivilprozessordnung ([X.]) geregelte, unter anderem für Urteile geltende fünfjährige Vollziehungsfrist auch auf ausländische Urteile anzuwenden ist, die in [X.] nach Art. 38 ff. [X.] für vollstreckbar erklärt werden sollen ([X.], Urteil vom 16. Oktober 2014 - Nr. 573/2014, abrufbar über http://supremo.vlex.es/vid/549269442; nunmehr gesetzlich geregelt in Artikel 50 Abs. 2 des [X.] vom 30. Juli zur internationalen rechtlichen Zusammenarbeit in Zivilsachen - Ley 29/2015, de 30 de julio, de cooperación jurídica internacional en materia civil). Der [X.] meint, [X.] Recht sei als lex fori anwendbar, da die [X.] aF keine Vollziehungsfrist vorsehe. Er hat es in der genannten Entscheidung abgelehnt, ein [X.] Urteil für vollstreckbar zu erklären, weil die fünfjährige Vollziehungsfrist gemäß Art. 518 [X.] verstrichen war. Dieses Verständnis zugrunde gelegt, wäre die in § 929 Abs. 2 ZPO geregelte Vollziehungsfrist auch auf einen [X.] anzuwenden, der in einem anderen Mitgliedsstaat erlassen und in [X.] anerkannt und für vollstreckbar erklärt worden ist.

5. Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] ist schließlich nicht deswegen entbehrlich, weil sich die Frage der Anwendung von § 929 Abs. 2 ZPO auf für vollstreckbar erklärte ausländische [X.]e in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes stellt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs scheidet in solchen Verfahren eine Vorlagepflicht (nur) für solche Fragen aus, die im summarischen Verfahren lediglich vorläufig entschieden und in einem Hauptverfahren erneut geprüft werden können ([X.], Urteil vom 15. Januar 1982, [X.]/82, [X.], [X.]:[X.], Rn. 10; vgl. dazu [X.] in [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 5. Aufl., Art. 267 Rn. 31 mwN). Dies ist hier nicht der Fall, da in einem Hauptsacheverfahren nicht über eine den [X.] betreffende Vollziehungsfrist entschieden wird.

[X.]     

      

Brückner     

      

Weinland

      

Kazele     

      

[X.]     

      

Meta

V ZB 175/15

11.05.2017

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 16. November 2015, Az: 34 Wx 314/15, Beschluss

Art 38 Abs 1 EGV 44/2001, Art 267 Abs 1 Buchst a AEUV, § 929 Abs 2 ZPO, § 932 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 11.05.2017, Az. V ZB 175/15 (REWIS RS 2017, 11107)

Papier­fundstellen: WM2019,270 REWIS RS 2017, 11107


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. V ZB 175/15

Bundesgerichtshof, V ZB 175/15, 13.12.2018.

Bundesgerichtshof, V ZB 175/15, 11.05.2017.


Az. 34 Wx 314/15

OLG München, 34 Wx 314/15, 16.11.2015.


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