Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.06.2020, Az. III ZR 119/19

III. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11475

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:250620UIIIZR119.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
III ZR 119/19

Verkündet am:

25. Juni 2020

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

[X.] § 839a
Auf die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen wegen eines unrichti-gen Gutachtens findet § 839a [X.] analog Anwendung, wenn das Ge-richtsverfahren durch einen Vergleich erledigt wurde, dessen Abschluss von dem Gutachten beeinflusst worden ist.
[X.], Urteil vom 25. Juni 2020 -
III ZR 119/19 -
OLG [X.]

LG [X.] I

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-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2020 durch [X.] [X.], [X.], die Richterinnen [X.] und [X.] sowie den Richter Dr. Herr

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesge-richts [X.] -
1. Zivilsenat -
vom 25. Juli 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin betreibt eine Druckerei und nimmt den [X.]n, einen Sachverständigen für Druckmaschinen, unter dem Vorwurf der Erstellung eines unrichtigen Gerichtsgutachtens auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin erwarb im Jahre 2006 eine Bogenoffsetdruckmaschine, die ihr im Rahmen eines Finanzierungsleasingvertrags überlassen und im Februar 2007 in Betrieb genommen wurde. Nachdem es in der Folge mit der Verkäufe-rin zu einer Auseinandersetzung wegen der Druckgeschwindigkeit der geliefer-1
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ten Maschine gekommen war, beauftragte die Klägerin noch im Jahre 2007 den Sachverständigen Dipl.-Ing.

B.

mit der Erstellung eines Gutach-tens. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Druckmaschine in keiner der durchgeführten Testreihen in der Lage gewesen sei, die geforderten Leistungs-parameter (Durchsatzleistung) bei gleichmäßiger Ausbildung einer Schnittkante zu erbringen. Im anschließenden, auf Antrag der Klägerin durchgeführten selb-ständigen Beweisverfahren vor dem [X.] Würzburg
stellte der dort be-auftragte Sachverständige

M.

fest, dass eine Unterschreitung der angesetzten Sollwerte der Druckgeschwindigkeit um mindestens 21-33% [X.]. Die Klägerin erhob daraufhin gegen die Verkäuferin bei dem [X.] Würzburg
Klage auf Zahlung von Schadensersatz, unter anderem wegen ent-gangenen Gewinns. In diesem Prozess wurde der hiesige [X.]
zum Ge-richtssachverständigen bestellt. In seinem Gutachten (nebst schriftlichen Er-gänzungen und mündlicher Erläuterung) gelangte er
zu dem Ergebnis, dass keine verminderte Druckgeschwindigkeit vorliege. Gestützt auf dieses Gutach-ten wies das [X.] die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung zum [X.] ein. Dieses wies mit Beschluss vom 23. September 2016 auf Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens des hie-sigen [X.]n sowie darauf hin, dass gegebenenfalls weitere Beweiserhe-bungen erforderlich seien, wobei zunächst die rechtliche Bestimmung des [X.] vorgenommen werden müsse. In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] schlossen die Klägerin und die dort beklagte Verkäufe-rin auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich, wonach das Eigentum
an der
Druckmaschine auf die Klägerin übergeht und darüber hinaus sämtliche [X.] zwischen den [X.]en sowie der Leasinggeberin für endgültig [X.] und erledigt erklärt werden.

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Die Klägerin hat geltend gemacht, der [X.] habe vorsätzlich bezie-hungsweise leichtfertig gewissenlos ein falsches Gutachten erstellt, auf welches sich das [X.] in seinem Hinweisbeschluss und in sei-nem Vergleichsvorschlag gestützt habe. Den dadurch entstandenen Schaden habe der [X.] nach § 839a [X.] beziehungsweise nach § 826 [X.] zu er-setzen.

Der [X.] hat gemeint, die Regelungen der §§ 839a, 826 [X.] seien vorliegend nicht anwendbar, und ist dem Vorbringen der Klägerin auch im Übri-gen entgegengetreten.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I.

Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:

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Ansprüche nach §§ 839a, 826 [X.] seien hier von vornherein nicht eröff-net. Eine unmittelbare Anwendung von § 839a [X.] komme nicht in Betracht, da der Vorprozess gegen die Verkäuferin nicht durch eine gerichtliche Ent-scheidung, sondern durch einen Vergleich beendet worden sei. Der [X.] Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts stelle keine gerichtliche Entschei-dung im Sinne dieser Vorschrift dar. Der Gesetzgeber habe die Anwendung von § 839a [X.] im Falle der Verfahrensbeendigung durch Vergleich nach der
Ge-setzesbegründung ausdrücklich ausgeschlossen. Aus diesem Grunde scheide auch eine analoge Anwendung von § 839a [X.] -
mangels planwidriger [X.] -
aus. Ein Anspruch aus § 826 [X.] sei versperrt, weil § 839a [X.] für Schadensersatzverpflichtungen aufgrund eines unrichtigen Gerichtsgutach-tens eine abschließende Sonderregelung enthalte. Auch dies entspreche der in der Gesetzesbegründung mitgeteilten Regelungsabsicht des Gesetzgebers, die nicht durch einen Rückgriff auf allgemeine Bestimmungen des Deliktsrechts (§§ 823, 826 [X.]) umgangen werden dürfe.

II.

1.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem maß-geblichen Punkt nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt eine Haftung des [X.]n in Betracht, und zwar in analoger Anwen-dung von § 839a [X.].

a) Durch Art.
2 Nr.
5 des [X.] zur Änderung schadenser-satzrechtlicher Vorschriften vom 19.
Juli 2002 ([X.]
I S.
2674) ist mit §
839a [X.] eine eigenständige, systematisch im Umfeld der Amtshaftung angesiedel-te Anspruchsgrundlage für die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen ge-8
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schaffen worden (in Kraft seit dem 1.
August 2002, Art.
13 des Gesetzes), die in ihrem Anwendungsbereich dessen bisherige allgemeine Deliktshaftung ersetzt. Mit der Neuregelung sollte die bis dahin bestehende, als sachlich wenig über-zeugend angesehene (vgl. [X.] 49, 304, 322)
Differenzierung der Fahrläs-sigkeitshaftung danach, ob der Gerichtssachverständige beeidigt worden ist oder nicht, beseitigt und eine einheitliche Haftungsnorm geschaffen werden (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/7752, [X.]). Nach § 839a Abs. 1 [X.] ist ein vom Gericht ernannter Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, zum Ersatz des Scha-dens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Ent-scheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. Die Haftung nach dieser Vorschrift erfordert somit einen zweiaktigen Geschehensablauf, nämlich zum einen ein unrichtiges Gutachten, das Eingang in eine unrichtige gerichtliche Entscheidung gefunden hat, und zum anderen, dass diese
ihrerseits den Scha-den herbeigeführt hat (vgl. Senat, Urteil vom 9. März 2006 -
III ZR 143/05, [X.]Z 166, 313, 315 Rn. 5 und Beschluss vom 30. August 2018 -
III ZR 363/17, [X.], 183 Rn. 4, jeweils mwN; [X.], NJW-RR 2011, 1216).

b) Hiernach ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass § 839a [X.] innerhalb seines Anwendungsbereichs eine abschließende Regelung der Haftung
des gerichtlichen Sachverständigen enthält und des-sen
deliktsrechtliche Haftung nach §§ 823 ff [X.] verdrängt, mit der Folge, dass auch § 826 [X.] neben § 839a [X.] keine Anwendung findet (vgl. Gesetzent-wurf der Bundesregierung aaO; Senat, Urteil vom 10. Oktober 2013 -
III ZR 345/12, [X.]Z 198, 265, 268 f Rn. 14; [X.] aaO S. 1217;
[X.] in [X.], [X.], 15.
Aufl., § 839a Rn. 4; Soergel/[X.], [X.], 13. Aufl., § 839a Rn. 5; [X.]/[X.], [X.], 79. Aufl., § 839a Rn. 1b; MüKo[X.]/[X.], 7. Aufl., §
839a Rn. 25).
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c) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass §
839a [X.] unmittelbar keine Anwendung findet, wenn das Gerichtsverfahren, in dem das Sachverständigengutachten erstattet worden ist, durch Vergleich beendet wird (s. Gesetzentwurf der Bundesregierung aaO; Unterrichtung durch die Bundesregierung, BT-Drucks. 13/10766, S. 6; Senat, Urteil vom 9. März 2006 aaO S. 317 Rn. 12; [X.] aaO S. 1216; [X.], [X.] vom 3. März 2015 -
5 U 2/15, BeckRS 2015, 16409 Rn. 11; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], [X.] § 839a Rn.
49, 50 [Stand: 15. April 2020]; [X.] in [X.], [X.], 28. Aufl., [X.]. 34 Rn. 8; [X.] in [X.]/[X.], [X.]-Schuldrecht, 3. Aufl., § 839a Rn. 38; [X.] aaO; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], BeckOK [X.], § 839a Rn. 10, 21 [Stand: 1. Februar 2020]; [X.] aaO Rn. 34; [X.] aaO Rn. 4; [X.] in [X.], [X.], 17. Aufl., § 839a Rn. 2; [X.] aaO; [X.]/[X.], [X.] [2013], § 839a
Rn. 19; wohl auch A. [X.] in [X.], [X.], 10. Aufl., § 839a Rn. 4). Ein Vergleich stellt nämlich keine "gerichtliche Entschei-dung"
im Sinne dieser Vorschrift dar, und zwar auch dann nicht, wenn das [X.] des Vergleichs auf einen Vorschlag des Gerichts zurückgeht oder durch Gerichtsbeschluss festgestellt wird; denn Letzteres ändert nichts daran, dass der [X.] nicht durch das Gericht, sondern durch ein privatautonomes Rechtsgeschäft der [X.]en bestimmt wird (s. hierzu insb. [X.] aaO; [X.] aaO; a.A. [X.] in Herber-ger/[X.]/Rüßmann/[X.]/Würdinger, jurisPK-[X.], 9.
Aufl., § 839a Rn. 20 ff
[Stand: 1. Februar 2020]).

d) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist jedoch eine Haftung des [X.]n im Wege einer analogen Anwendung von §
839a
[X.] möglich. Wird ein Gerichtsverfahren nach Einholung eines Sachverständigengutachtens 12
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nicht durch eine hierauf beruhende gerichtliche Entscheidung, sondern einen durch das Gutachten beeinflussten [X.] beendet, so ist kein durchgreifender Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, die Haftung des Sachverständigen unterschiedlich zu behandeln, sondern eine analoge Anwen-dung von § 839a [X.] geboten (ebenso
[X.] aaO Rn. 40 f; wohl auch [X.] aaO; vgl. in Bezug auf § 839a Abs. 2 [X.] auch [X.] aaO).

aa) Ob ein Gerichtsverfahren, in dem ein Sachverständigengutachten eingeholt worden ist, von diesem beeinflusst durch eine Gerichtsentscheidung oder einen Vergleich erledigt wird, hängt oftmals von zufälligen Umständen ab, die es nicht angezeigt erscheinen lassen, für die Haftung des Sachverständigen divergierende Maßstäbe anzulegen. Der Sachverständige hat auf die Art der Erledigung des Prozesses nach Erstattung seines Gutachtens -
Gerichtsent-scheidung oder Vergleich -
typischerweise
keinen Einfluss. Vertrauen die [X.] -
zunächst -
auf die Richtigkeit des Gutachtens, so kann dies darin seinen Ausdruck finden, dass ein dem Ergebnis des [X.] folgendes Gerichtsurteil ergeht und von den [X.]en hingenommen wird (also unangefochten
bleibt und rechtskräftig wird);
aber auch darin, dass die Beteiligten unter dem Eindruck des Gutachtens einen Vergleich abschlie-ßen, der vom Gutachtenergebnis geprägt wird. Im einen wie im anderen Fall ist es gleichermaßen sachgerecht, die Regelungen des § 839a [X.] anzuwenden, wenn sich das Sachverständigengutachten im Nachhinein als unrichtig erweist. Dies zeigt auch ein Blick auf Anerkenntnis-
und Verzichtsurteile, die jedenfalls nach dem Wortlaut des § 839a [X.] "gerichtliche Entscheidungen"
im Sinne dieser Norm sind (für die Anwendbarkeit von § 839a [X.] auf Anerkenntnis-
und Verzichtsurteile: [X.] aaO Rn. 55 f; [X.] aaO Rn. 35;
[X.] aaO Rn. 30; wohl auch A. [X.] aaO; a.A. hingegen [X.] aaO Rn. 21; diffe-renzierend: [X.] aaO Rn. 19, 22). Es wäre nicht verständlich, wenn der 14
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Erlass eines (Teil-)Anerkenntnis-
und/oder (Teil-)Verzichtsurteils, deren Zustan-dekommen vom Sachverständigengutachten beeinflusst wurde, die Haftung des Gerichtssachverständigen nach § 839a [X.] eröffnet, ein entsprechender Pro-zessvergleich hingegen nicht, obschon in beiden Fallgestaltungen eine unstrei-tige Verfahrenserledigung unter gleichzeitiger Schaffung eines Vollstreckungsti-tels herbeigeführt wird. Ähnliche Erwägungen gelten im Fall der [X.]. Diese lässt das vorinstanzliche, auf dem Gutachten beruhende Ur-teil -
als "gerichtliche Entscheidung"
im Sinne des §
839a Abs. 1 [X.] -
rechts-kräftig werden und ermöglicht hierdurch die Anwendung von § 839a [X.] (s. zB [X.] aaO Rn. 54; [X.] aaO Rn. 26; [X.] aaO Rn. 20), obgleich die [X.] ihrerseits ein privatautonomer Akt der [X.] ist und ebenso wie ein in
der Rechtsmittelinstanz geschlossener Vergleich vom gerichtlichen Sachverständigengutachten beeinflusst sein kann. Vor diesem Hintergrund ließe sich denn auch erwägen, einen in der Berufungs-instanz geschlossenen [X.] als eine von § 839a [X.] umfasste ([X.] der erstinstanzlichen "gerichtlichen Entscheidung"
anzuse-hen; denn für die Anwendung von § 839a [X.] kommen anerkanntermaßen nicht nur verfahrensbeendende, sondern sämtliche gerichtlichen Entscheidun-gen in Betracht, also auch vorläufige, nicht rechtskräftige und das Verfahren nicht abschließende (s. Unterrichtung durch die Bundesregierung aaO S. 5-6; [X.] aaO Rn. 45; [X.] aaO Rn. 9; [X.] aaO Rn. 33; [X.] aaO Rn. 23; [X.] aaO Rn. 16; vgl. auch Senat, Urteil vom 24. Oktober 2019 -
III ZR 141/18, NJW 2020, 1592, 1593 Rn. 19).

bb) Überzeugende Alternativen zu einer analogen Anwendung von § 839a [X.] bestehen nicht.

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(1) Wäre für den Fall der Verfahrenserledigung durch Vergleich die Haf-tung des Gerichtssachverständigen insgesamt -
also auch bei grober Fahrläs-sigkeit und selbst bei Vorsatz -
ausgeschlossen (so wohl [X.] aaO S.
1217), würde dies dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Grund-rechte der Verfahrensbeteiligten nicht gerecht (vgl. [X.] 49, 304, 316 ff; s.
auch [X.] aaO Rn. 51; [X.] aaO Rn. 39; [X.] aaO Rn. 34). Zudem liefe ein solcher Haftungsausschluss, wie ihn vorliegend auch das [X.] annimmt, dem gesetzgeberischen Anliegen, eine Prozesserledigung durch Vergleich zu fördern (§
278 ZPO), zuwider; eine [X.] müsste nämlich von dem Abschluss eines Vergleichs absehen, wenn sie damit etwaige Ansprüche gegen den gerichtlichen Sachverständigen verlöre (s. [X.] aaO Rn. 50; [X.] aaO Rn.
40a; [X.] aaO;
A. [X.] aaO).

(2)
Ein Rückgriff auf die Regelungen der §§ 823, 826 [X.] (dafür: [X.] aaO Rn. 51; [X.] aaO Rn. 4; [X.] aaO; [X.] aaO; [X.] aaO Rn. 19) ließe die vom Gesetzgeber (richtigerweise) als verfehlt [X.] Differenzierung der Haftung nach der Beeidigung des Sachverständigen wiederaufleben (s. [X.] aaO Rn. 39, 40; [X.] aaO Rn. 25) und das beider-seits interessengerechte, abgewogene Haftungskonzept des § 839a [X.] unbe-rücksichtigt. Dieses besteht zum einen darin, dass die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz voraussetzt und damit en-ger ist als bei einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit §§ 154, 155, 161 StGB (der im Falle der Beeidigung eine Haftung wegen einfacher Fahrlässigkeit ermöglicht) und weiter geht als bei einem Anspruch aus § 826 [X.] (für den grobe Fahrlässigkeit grundsätzlich nicht genügt). Zum anderen sieht es vor, dass die Haftung des Sachverständigen ausgeschlossen ist, wenn der Geschädigte es schuldhaft versäumt hat, den Schaden durch
Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, und geht damit über die [X.]
-

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kung nach § 254 [X.] hinaus (§ 839a Abs. 2 iVm § 839 Abs. 3 [X.]). Der [X.] nach § 839a Abs. 2 in Verbindung mit § 839 Abs. 3 [X.] wird dabei aber
nicht schon durch den [X.] als solchen bewirkt. Vielmehr ist maßgeblich, ob dem Geschädigten das Absehen von der Fortset-zung des Rechtsstreits nach den gesamten Umständen des Einzelfalls als "Verschulden gegen sich selbst"
vorgeworfen werden kann; daran fehlt es etwa dann, wenn und insoweit die Fortsetzung des Prozesses aus begründeter Sicht des Geschädigten für ihn nicht zumutbar oder nicht erfolgversprechend gewe-sen ist (s. hierzu Senat, Urteil vom 24. Oktober 2019 aaO Rn. 25).

cc) Vor dem Hintergrund
der vorstehenden Erwägungen scheitert eine analoge Anwendung von § 839a [X.] auf den Fall der Verfahrenserledigung durch [X.] nicht daran, dass es insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke fehlte
(so aber OLG
Nürnberg aaO S. 1217;
OLG [X.], NJW-RR 2017, 984, 985 Rn. 12; s. ferner [X.] aaO Rn. 50; [X.] aaO; [X.] aaO Rn.
17; wohl auch [X.] aaO). Zwar enthält die
Geset-zesbegründung die Bemerkung, die Prozessbeendigung durch Vergleich sei von der Anwendung des § 839a [X.] ausgeschlossen
(Gesetzentwurf der [X.] aaO). Allerdings kann bereits zweifelhaft sein, ob es sich hierbei
nicht lediglich um eine Schlussfolgerung ("somit") aus der [X.] handelt, dass einem Prozessbeteiligten ein Schaden durch eine ge-richtliche Entscheidung entsteht, die auf dem unrichtigen Gutachten beruht. Vor allem
aber wollte der Gesetzgeber
mit der Einführung von § 839a [X.] die Haf-tung des gerichtlichen Sachverständigen von der unsachgemäßen Differenzie-rung nach der Beeidung des Gutachters lösen, ein beiderseits interessenge-rechtes und [X.] sowie abschließendes Haftungskonzept schaffen und zudem auch den Erwägungen im Beschluss des Bundesverfassungsge-richts vom 11. Oktober 1978 (1 BvR 84/74, [X.] 49, 304) Genüge tun. 18
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12

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Hiermit vertrüge es sich nach den obigen Darlegungen nicht, die Haftung des Gerichtssachverständigen im Falle der Prozesserledigung durch Vergleich ins-gesamt auszuschließen oder hierfür auf die Regelungen der §§ 823, 826 [X.] zu verweisen. Hinzu tritt das anderweitige Ziel des Gesetzgebers, den Ab-schluss von [X.]en zu fördern (§ 278 ZPO). Dieses würde verfehlt, wenn die Verfahrensbeteiligten bei einem Vergleichsschluss in Bezug auf mög-liche Schadensersatzansprüche gegen den Gerichtssachverständigen Gefahr liefen, schlechter zu stehen als bei einer streitigen Gerichtsentscheidung. Die Gesamtschau der gesetzgeberischen Intentionen
erweist mithin, dass eine ana-loge Anwendung von § 839a [X.] auf die Prozesserledigung durch Vergleich geradezu geboten ist, um den Vorstellungen des Gesetzgebers materiell [X.] gerecht zu werden (s. auch [X.] aaO Rn. 40 f; [X.] aaO Rn. 25).

dd) Soweit in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen wird, der Nachweis, dass das Gutachten auf die Motivation der [X.]en zum [X.] eingewirkt habe, wäre nur schwer zu erbringen (Gesetzentwurf der Bundesregierung aaO), rechtfertigt dies ein Abrücken vom Haftungskonzept des § 839a [X.] nicht. Der Nachweis der Ursächlichkeit eines bestimmten Ver-haltens
oder Ereignisses für den eingetretenen Schaden ist bei psychisch ver-mittelter Kausalität typischerweise mit Schwierigkeiten verbunden; unüberwind-bar sind diese aber nicht, zumal dann, wenn und insoweit dem Geschädigten Beweiserleichterungen zugutekommen (vgl. [X.] aaO Rn. 38; [X.] aaO). Zudem hat der Geschädigte die Möglichkeit, das Gutachten oder einzelne rele-vante Feststellungen ausdrücklich als Vergleichsgrundlage zu bezeichnen ([X.] aaO Rn. 50).

2.
Nach alldem ist das Berufungsurteil gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuhe-ben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Beru-19
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fungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Da weitere [X.] Feststellungen zu treffen sind, kommt eine eigene Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob das Gutachten des [X.]n (mindestens grob fahrlässig) unrichtig und für den [X.] ursächlich war. Des [X.] wird gegebenenfalls zu prüfen sein, ob die Haftung des [X.]n gemäß § 839a Abs. 2 [X.] (analog) in Verbindung mit § 839 Abs. 3 [X.] -
unter Mitbe-rücksichtigung der im Senatsurteil vom 24. Oktober 2019 (aaO) dargelegten Maßstäbe -
ausgeschlossen ist.

[X.]

[X.]

Arend

Böttcher
Herr
Vorinstanzen:
LG [X.] I, Entscheidung vom 07.11.2018 -
15 O 182/18 -

OLG [X.], Entscheidung vom 25.07.2019 -
1 [X.] -

Meta

III ZR 119/19

25.06.2020

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.06.2020, Az. III ZR 119/19 (REWIS RS 2020, 11475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11475

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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15 O 182/18

1 U 4460/18

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