Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.06.2020, Az. III ZR 119/19

3. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 728

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Gegenstand

Haftung des gerichtlichen Sachverständigen wegen eines unrichtigen Gutachtens bei Verfahrenserledigung durch Vergleich


Leitsatz

Auf die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen wegen eines unrichtigen Gutachtens findet § 839a BGB analog Anwendung, wenn das Gerichtsverfahren durch einen Vergleich erledigt wurde, dessen Abschluss von dem Gutachten beeinflusst worden ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] - 1. Zivilsenat - vom 25. Juli 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt eine Druckerei und nimmt den Beklagten, einen Sachverständigen für Druckmaschinen, unter dem Vorwurf der Erstellung eines unrichtigen Gerichtsgutachtens auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin erwarb im Jahre 2006 eine Bogenoffsetdruckmaschine, die ihr im Rahmen eines Finanzierungsleasingvertrags überlassen und im Februar 2007 in Betrieb genommen wurde. Nachdem es in der Folge mit der Verkäuferin zu einer Auseinandersetzung wegen der Druckgeschwindigkeit der gelieferten Maschine gekommen war, beauftragte die Klägerin noch im Jahre 2007 den Sachverständigen [X.]     mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Druckmaschine in keiner der durchgeführten Testreihen in der Lage gewesen sei, die geforderten Leistungsparameter (Durchsatzleistung) bei gleichmäßiger Ausbildung einer Schnittkante zu erbringen. Im anschließenden, auf Antrag der Klägerin durchgeführten selbständigen Beweisverfahren vor dem [X.] stellte der dort beauftragte Sachverständige       M.    fest, dass eine Unterschreitung der angesetzten Sollwerte der Druckgeschwindigkeit um mindestens 21-33% vorliege. Die Klägerin erhob daraufhin gegen die Verkäuferin bei dem [X.] Klage auf Zahlung von Schadensersatz, unter anderem wegen entgangenen Gewinns. In diesem Prozess wurde der [X.] Beklagte zum Gerichtssachverständigen bestellt. In seinem Gutachten (nebst schriftlichen Ergänzungen und mündlicher Erläuterung) gelangte er zu dem Ergebnis, dass keine verminderte Druckgeschwindigkeit vorliege. Gestützt auf dieses Gutachten wies das [X.] die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung zum [X.] ein. Dieses wies mit Beschluss vom 23. September 2016 auf Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens des [X.]n Beklagten sowie darauf hin, dass gegebenenfalls weitere Beweiserhebungen erforderlich seien, wobei zunächst die rechtliche Bestimmung des Vertragssolls vorgenommen werden müsse. In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] schlossen die Klägerin und die dort beklagte Verkäuferin auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich, wonach das Eigentum an der Druckmaschine auf die Klägerin übergeht und darüber hinaus sämtliche Ansprüche zwischen den Parteien sowie der Leasinggeberin für endgültig abgegolten und erledigt erklärt werden.

3

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte habe vorsätzlich beziehungsweise leichtfertig gewissenlos ein falsches Gutachten erstellt, auf welches sich das [X.] in seinem Hinweisbeschluss und in seinem Vergleichsvorschlag gestützt habe. Den dadurch entstandenen Schaden habe der Beklagte nach § 839a BGB beziehungsweise nach § 826 BGB zu ersetzen.

4

Der Beklagte hat gemeint, die Regelungen der §§ 839a, 826 BGB seien vorliegend nicht anwendbar, und ist dem Vorbringen der Klägerin auch im Übrigen entgegengetreten.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

7

Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8

Ansprüche nach §§ 839a, 826 [X.] seien hier von vornherein nicht eröffnet. Eine unmittelbare Anwendung von § 839a [X.] komme nicht in Betracht, da der Vorprozess gegen die Verkäuferin nicht durch eine gerichtliche Entscheidung, sondern durch einen Vergleich beendet worden sei. Der seinerzeitige Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts stelle keine gerichtliche Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift dar. Der Gesetzgeber habe die Anwendung von § 839a [X.] im Falle der Verfahrensbeendigung durch Vergleich nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich ausgeschlossen. Aus diesem Grunde scheide auch eine analoge Anwendung von § 839a [X.] - mangels planwidriger Regelungslücke - aus. Ein Anspruch aus § 826 [X.] sei versperrt, weil § 839a [X.] für Schadensersatzverpflichtungen aufgrund eines unrichtigen Gerichtsgutachtens eine abschließende Sonderregelung enthalte. Auch dies entspreche der in der Gesetzesbegründung mitgeteilten Regelungsabsicht des Gesetzgebers, die nicht durch einen Rückgriff auf allgemeine Bestimmungen des Deliktsrechts (§§ 823, 826 [X.]) umgangen werden dürfe.

II.

9

1. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem maßgeblichen Punkt nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt eine Haftung des Beklagten in Betracht, und zwar in analoger Anwendung von § 839a [X.].

a) Durch Art. 2 Nr. 5 des [X.] zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 ([X.] I S. 2674) ist mit § 839a [X.] eine eigenständige, systematisch im Umfeld der Amtshaftung angesiedelte Anspruchsgrundlage für die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen geschaffen worden (in Kraft seit dem 1. August 2002, Art. 13 des Gesetzes), die in ihrem Anwendungsbereich dessen bisherige allgemeine Deliktshaftung ersetzt. Mit der Neuregelung sollte die bis dahin bestehende, als sachlich wenig überzeugend angesehene (vgl. [X.] 49, 304, 322) Differenzierung der Fahrlässigkeitshaftung danach, ob der Gerichtssachverständige beeidigt worden ist oder nicht, beseitigt und eine einheitliche Haftungsnorm geschaffen werden (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/7752, [X.]). Nach § 839a Abs. 1 [X.] ist ein vom Gericht ernannter Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. Die Haftung nach dieser Vorschrift erfordert somit einen zweiaktigen Geschehensablauf, nämlich zum einen ein unrichtiges Gutachten, das Eingang in eine unrichtige gerichtliche Entscheidung gefunden hat, und zum anderen, dass diese ihrerseits den Schaden herbeigeführt hat (vgl. Senat, Urteil vom 9. März 2006 - [X.], [X.], 313, 315 Rn. 5 und Beschluss vom 30. August 2018 - [X.], [X.], 183 Rn. 4, jeweils mwN; [X.], NJW-RR 2011, 1216).

b) Hiernach ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass § 839a [X.] innerhalb seines Anwendungsbereichs eine abschließende Regelung der Haftung des gerichtlichen Sachverständigen enthält und dessen deliktsrechtliche Haftung nach §§ 823 ff [X.] verdrängt, mit der Folge, dass auch § 826 [X.] neben § 839a [X.] keine Anwendung findet (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung aaO; Senat, Urteil vom 10. Oktober 2013 - [X.], [X.], 265, 268 f Rn. 14; [X.] aaO S. 1217; [X.] in [X.], [X.], 15. Aufl., § 839a Rn. 4; Soergel/[X.], [X.], 13. Aufl., § 839a Rn. 5; [X.]/[X.], [X.], 79. Aufl., § 839a Rn. 1b; MüKo[X.]/[X.], 7. Aufl., § 839a Rn. 25).

c) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass § 839a [X.] unmittelbar keine Anwendung findet, wenn das Gerichtsverfahren, in dem das Sachverständigengutachten erstattet worden ist, durch Vergleich beendet wird (s. Gesetzentwurf der Bundesregierung aaO; Unterrichtung durch die Bundesregierung, BT-Drucks. 13/10766, S. 6; Senat, Urteil vom 9. März 2006 aaO S. 317 Rn. 12; [X.] aaO S. 1216; [X.], Beschluss vom 3. März 2015 - 5 U 2/15, BeckRS 2015, 16409 Rn. 11; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], [X.] § 839a Rn. 49, 50 [Stand: 15. April 2020]; [X.] in [X.], [X.], 28. Aufl., [X.]. 34 Rn. 8; [X.] in [X.]/[X.], [X.]-Schuldrecht, 3. Aufl., § 839a Rn. 38; [X.] aaO; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], BeckOK [X.], § 839a Rn. 10, 21 [Stand: 1. Februar 2020]; [X.] aaO Rn. 34; [X.] aaO Rn. 4; [X.] in [X.], [X.], 17. Aufl., § 839a Rn. 2; [X.] aaO; [X.]/[X.], [X.] [2013], § 839a Rn. 19; wohl auch A. [X.] in [X.], [X.], 10. Aufl., § 839a Rn. 4). Ein Vergleich stellt nämlich keine "gerichtliche Entscheidung" im Sinne dieser Vorschrift dar, und zwar auch dann nicht, wenn das Zustandekommen des Vergleichs auf einen Vorschlag des Gerichts zurückgeht oder durch Gerichtsbeschluss festgestellt wird; denn Letzteres ändert nichts daran, dass der [X.] nicht durch das Gericht, sondern durch ein privatautonomes Rechtsgeschäft der [X.]en bestimmt wird (s. hierzu insb. [X.] aaO; [X.] aaO; a.A. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Würdinger, jurisPK-[X.], 9. Aufl., § 839a Rn. 20 ff [Stand: 1. Februar 2020]).

d) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist jedoch eine Haftung des Beklagten im Wege einer analogen Anwendung von § 839a [X.] möglich. Wird ein Gerichtsverfahren nach Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht durch eine hierauf beruhende gerichtliche Entscheidung, sondern einen durch das Gutachten beeinflussten [X.] beendet, so ist kein durchgreifender Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, die Haftung des Sachverständigen unterschiedlich zu behandeln, sondern eine analoge Anwendung von § 839a [X.] geboten (ebenso [X.] aaO Rn. 40 f; wohl auch [X.] aaO; vgl. in Bezug auf § 839a Abs. 2 [X.] auch [X.] aaO).

aa) Ob ein Gerichtsverfahren, in dem ein Sachverständigengutachten eingeholt worden ist, von diesem beeinflusst durch eine Gerichtsentscheidung oder einen Vergleich erledigt wird, hängt oftmals von zufälligen Umständen ab, die es nicht angezeigt erscheinen lassen, für die Haftung des Sachverständigen divergierende Maßstäbe anzulegen. Der Sachverständige hat auf die Art der Erledigung des Prozesses nach Erstattung seines Gutachtens - Gerichtsentscheidung oder Vergleich - typischerweise keinen Einfluss. Vertrauen die Verfahrensbeteiligten - zunächst - auf die Richtigkeit des Gutachtens, so kann dies darin seinen Ausdruck finden, dass ein dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens folgendes Gerichtsurteil ergeht und von den [X.]en hingenommen wird (also unangefochten bleibt und rechtskräftig wird); aber auch darin, dass die Beteiligten unter dem Eindruck des Gutachtens einen Vergleich abschließen, der vom Gutachtenergebnis geprägt wird. Im einen wie im anderen Fall ist es gleichermaßen sachgerecht, die Regelungen des § 839a [X.] anzuwenden, wenn sich das Sachverständigengutachten im Nachhinein als unrichtig erweist. Dies zeigt auch ein Blick auf [X.] und Verzichtsurteile, die jedenfalls nach dem Wortlaut des § 839a [X.] "gerichtliche Entscheidungen" im Sinne dieser Norm sind (für die Anwendbarkeit von § 839a [X.] auf [X.] und Verzichtsurteile: [X.] aaO Rn. 55 f; [X.] aaO Rn. 35; [X.] aaO Rn. 30; wohl auch A. [X.] aaO; a.A. hingegen [X.] aaO Rn. 21; differenzierend: [X.] aaO Rn. 19, 22). Es wäre nicht verständlich, wenn der Erlass eines (Teil-)[X.] und/oder (Teil-)Verzichtsurteils, deren Zustandekommen vom Sachverständigengutachten beeinflusst wurde, die Haftung des Gerichtssachverständigen nach § 839a [X.] eröffnet, ein entsprechender [X.] hingegen nicht, obschon in beiden Fallgestaltungen eine unstreitige Verfahrenserledigung unter gleichzeitiger Schaffung eines Vollstreckungstitels herbeigeführt wird. Ähnliche Erwägungen gelten im Fall der [X.]. Diese lässt das vorinstanzliche, auf dem Gutachten beruhende Urteil - als "gerichtliche Entscheidung" im Sinne des § 839a Abs. 1 [X.] - rechtskräftig werden und ermöglicht hierdurch die Anwendung von § 839a [X.] (s. zB [X.] aaO Rn. 54; [X.] aaO Rn. 26; [X.] aaO Rn. 20), obgleich die [X.] ihrerseits ein privatautonomer Akt der [X.] ist und ebenso wie ein in der Rechtsmittelinstanz geschlossener Vergleich vom gerichtlichen Sachverständigengutachten beeinflusst sein kann. Vor diesem Hintergrund ließe sich denn auch erwägen, einen in der Berufungsinstanz geschlossenen [X.] als eine von § 839a [X.] umfasste ([X.] der erstinstanzlichen "gerichtlichen Entscheidung" anzusehen; denn für die Anwendung von § 839a [X.] kommen anerkanntermaßen nicht nur verfahrensbeendende, sondern sämtliche gerichtlichen Entscheidungen in Betracht, also auch vorläufige, nicht rechtskräftige und das Verfahren nicht abschließende (s. Unterrichtung durch die Bundesregierung aaO S. 5-6; [X.] aaO Rn. 45; [X.] aaO Rn. 9; [X.] aaO Rn. 33; [X.] aaO Rn. 23; [X.] aaO Rn. 16; vgl. auch Senat, Urteil vom 24. Oktober 2019 - [X.]/18, NJW 2020, 1592, 1593 Rn. 19).

bb) Überzeugende Alternativen zu einer analogen Anwendung von § 839a [X.] bestehen nicht.

(1) Wäre für den Fall der Verfahrenserledigung durch Vergleich die Haftung des Gerichtssachverständigen insgesamt - also auch bei grober Fahrlässigkeit und selbst bei Vorsatz - ausgeschlossen (so wohl [X.] aaO S. 1217), würde dies dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Grundrechte der Verfahrensbeteiligten nicht gerecht (vgl. [X.] 49, 304, 316 ff; s. auch [X.] aaO Rn. 51; [X.] aaO Rn. 39; [X.] aaO Rn. 34). Zudem liefe ein solcher Haftungsausschluss, wie ihn vorliegend auch das Berufungsgericht annimmt, dem gesetzgeberischen Anliegen, eine Prozesserledigung durch Vergleich zu fördern (§ 278 ZPO), zuwider; eine [X.] müsste nämlich von dem Abschluss eines Vergleichs absehen, wenn sie damit etwaige Ansprüche gegen den gerichtlichen Sachverständigen verlöre (s. [X.] aaO Rn. 50; [X.] aaO Rn. 40a; [X.] aaO; A. [X.] aaO).

(2) Ein Rückgriff auf die Regelungen der §§ 823, 826 [X.] (dafür: [X.] aaO Rn. 51; [X.] aaO Rn. 4; [X.] aaO; [X.] aaO; [X.] aaO Rn. 19) ließe die vom Gesetzgeber (richtigerweise) als verfehlt angesehene Differenzierung der Haftung nach der Beeidigung des Sachverständigen wiederaufleben (s. [X.] aaO Rn. 39, 40; [X.] aaO Rn. 25) und das beiderseits interessengerechte, abgewogene Haftungskonzept des § 839a [X.] unberücksichtigt. Dieses besteht zum einen darin, dass die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz voraussetzt und damit enger ist als bei einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit §§ 154, 155, 161 StGB (der im Falle der Beeidigung eine Haftung wegen einfacher Fahrlässigkeit ermöglicht) und weiter geht als bei einem Anspruch aus § 826 [X.] (für den grobe Fahrlässigkeit grundsätzlich nicht genügt). Zum anderen sieht es vor, dass die Haftung des Sachverständigen ausgeschlossen ist, wenn der Geschädigte es schuldhaft versäumt hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, und geht damit über die Haftungsbeschränkung nach § 254 [X.] hinaus (§ 839a Abs. 2 iVm § 839 Abs. 3 [X.]). Der Haftungsausschluss nach § 839a Abs. 2 in Verbindung mit § 839 Abs. 3 [X.] wird dabei aber nicht schon durch den [X.] als solchen bewirkt. Vielmehr ist maßgeblich, ob dem Geschädigten das Absehen von der Fortsetzung des Rechtsstreits nach den gesamten Umständen des Einzelfalls als "Verschulden gegen sich selbst" vorgeworfen werden kann; daran fehlt es etwa dann, wenn und insoweit die Fortsetzung des Prozesses aus begründeter Sicht des Geschädigten für ihn nicht zumutbar oder nicht erfolgversprechend gewesen ist (s. hierzu Senat, Urteil vom 24. Oktober 2019 aaO Rn. 25).

cc) Vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen scheitert eine analoge Anwendung von § 839a [X.] auf den Fall der Verfahrenserledigung durch [X.] nicht daran, dass es insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke fehlte (so aber [X.] aaO S. 1217; [X.], NJW-RR 2017, 984, 985 Rn. 12; s. ferner [X.] aaO Rn. 50; [X.] aaO; [X.] aaO Rn. 17; wohl auch [X.] aaO). Zwar enthält die Gesetzesbegründung die Bemerkung, die Prozessbeendigung durch Vergleich sei von der Anwendung des § 839a [X.] ausgeschlossen (Gesetzentwurf der Bundesregierung aaO). Allerdings kann bereits zweifelhaft sein, ob es sich hierbei nicht lediglich um eine Schlussfolgerung ("somit") aus der Tatbestandsvoraussetzung handelt, dass einem Prozessbeteiligten ein Schaden durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf dem unrichtigen Gutachten beruht. Vor allem aber wollte der Gesetzgeber mit der Einführung von § 839a [X.] die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen von der unsachgemäßen Differenzierung nach der Beeidung des Gutachters lösen, ein beiderseits interessengerechtes und [X.] sowie abschließendes Haftungskonzept schaffen und zudem auch den Erwägungen im Beschluss des [X.] vom 11. Oktober 1978 (1 BvR 84/74, [X.] 49, 304) Genüge tun. Hiermit vertrüge es sich nach den obigen Darlegungen nicht, die Haftung des Gerichtssachverständigen im Falle der Prozesserledigung durch Vergleich insgesamt auszuschließen oder hierfür auf die Regelungen der §§ 823, 826 [X.] zu verweisen. Hinzu tritt das anderweitige Ziel des Gesetzgebers, den Abschluss von [X.]en zu fördern (§ 278 ZPO). Dieses würde verfehlt, wenn die Verfahrensbeteiligten bei einem Vergleichsschluss in Bezug auf mögliche Schadensersatzansprüche gegen den Gerichtssachverständigen Gefahr liefen, schlechter zu stehen als bei einer streitigen Gerichtsentscheidung. Die Gesamtschau der gesetzgeberischen Intentionen erweist mithin, dass eine analoge Anwendung von § 839a [X.] auf die Prozesserledigung durch Vergleich geradezu geboten ist, um den Vorstellungen des Gesetzgebers materiell umfassend gerecht zu werden (s. auch [X.] aaO Rn. 40 f; [X.] aaO Rn. 25).

dd) Soweit in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen wird, der Nachweis, dass das Gutachten auf die Motivation der [X.]en zum [X.] eingewirkt habe, wäre nur schwer zu erbringen (Gesetzentwurf der Bundesregierung aaO), rechtfertigt dies ein Abrücken vom Haftungskonzept des § 839a [X.] nicht. Der Nachweis der Ursächlichkeit eines bestimmten Verhaltens oder Ereignisses für den eingetretenen Schaden ist bei psychisch vermittelter Kausalität typischerweise mit Schwierigkeiten verbunden; unüberwindbar sind diese aber nicht, zumal dann, wenn und insoweit dem Geschädigten Beweiserleichterungen zugutekommen (vgl. [X.] aaO Rn. 38; [X.] aaO). Zudem hat der Geschädigte die Möglichkeit, das Gutachten oder einzelne relevante Feststellungen ausdrücklich als Vergleichsgrundlage zu bezeichnen ([X.] aaO Rn. 50).

2. Nach alldem ist das Berufungsurteil gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Da weitere tatrichterliche Feststellungen zu treffen sind, kommt eine eigene Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob das Gutachten des Beklagten (mindestens grob fahrlässig) unrichtig und für den [X.] ursächlich war. Des Weiteren wird gegebenenfalls zu prüfen sein, ob die Haftung des Beklagten gemäß § 839a Abs. 2 [X.] (analog) in Verbindung mit § 839 Abs. 3 [X.] - unter [X.] der im Senatsurteil vom 24. Oktober 2019 (aaO) dargelegten Maßstäbe - ausgeschlossen ist.

Herrmann     

      

Tombrink     

      

Arend 

      

Böttcher     

      

Herr     

      

Meta

III ZR 119/19

25.06.2020

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 25. Juli 2019, Az: 1 U 4460/18

§ 839a BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.06.2020, Az. III ZR 119/19 (REWIS RS 2020, 728)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 987-989 WM 2021, 2297 REWIS RS 2020, 728


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. III ZR 119/19

Bundesgerichtshof, III ZR 119/19, 25.06.2020.


Az. 1 U 4460/18

OLG München, 1 U 4460/18, 25.07.2019.


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