Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.07.2017, Az. III ZR 440/16

3. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 7271

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Gegenstand

Haftung des gerichtlichen Sachverständigen: Einholung eines Privatgutachtens als "Rechtsmittel"


Leitsatz

Die Einholung eines Privatgutachtens zählt nicht zu den "Rechtsmitteln" im Sinne von § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3 BGB.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 20. Juli 2016 - 4 U 102/13 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 86.976,69 €.

Gründe

I.

1

Der Kläger nimmt den [X.]n, einen Facharzt für Psychiatrie, unter dem Vorwurf der Erstattung eines fehlerhaften Gerichtsgutachtens gemäß § 839a [X.] auf Schadensersatz in Anspruch. Das Gutachten erstattete der [X.] in einem Zivilprozess des [X.] gegen ein Versicherungsunternehmen, in dem es um die Geltendmachung von Ansprüchen auf Leistungen aus einer [X.] ging und der für den Kläger ohne Erfolg blieb.

2

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

4

1. Soweit das Berufungsgericht - jedenfalls - ein grobes Verschulden des [X.]n im Sinne von § 839a Abs. 1 [X.] verneint hat, lässt dies einen Grund zur Zulassung der Revision nicht erkennen. Der Senat sieht von einer näheren Begründung gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ab.

5

2. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die - vom Berufungsgericht offen gelassene - Frage, ob die Haftung des [X.]n wegen schuldhaften [X.] eines Rechtsmittels nach § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3 [X.] ausgeschlossen ist, nicht entscheidungserheblich an. Ein [X.] ist insoweit nicht gegeben. Allerdings sieht der erkennende Senat Anlass für den Hinweis, dass die Auffassung des Berufungsgerichts (dessen Entscheidung unter anderem in [X.], 1203 veröffentlicht worden ist), wonach die Einholung eines Privatgutachtens als "Rechtsmittel" im Sinne dieses Haftungsausschlusses anzusehen sei, von [X.] beeinflusst ist.

6

a) Als "Rechtsmittel" kommen zwar auch solche Behelfe in Betracht, die sich unmittelbar gegen das fehlerhafte Gutachten selbst richten und die bestimmt und geeignet sind, eine auf das Gutachten gestützte instanzbeendende gerichtliche Entscheidung zu verhindern. Zu denken ist insoweit etwa an Gegenvorstellungen und Hinweise auf die Unrichtigkeit des Gutachtens (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO), an Anträge, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, oder an formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen (Ober-)Gutachtens gemäß § 412 Abs. 1 ZPO (Senat, Beschluss vom 28. Juli 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 1454, 1455 Rn. 11 und Urteil vom 5. Juli 2007 - [X.], [X.], 98, 100 f Rn. 8).

7

b) Nicht unter die "Rechtsmittel" im Sinne von § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3 [X.] fällt indessen die Einholung eines Privatgutachtens, um Einwände gegen ein beanstandetes gerichtliches Sachverständigengutachten zu substantiieren (so auch [X.]/[X.], [X.], § 839a Rn. 67 [Stand: 1. April 2017]; [X.]/[X.], [X.] [2013], § 839a Rn. 27 mwN aus dem Schrifttum; wohl auch MüKo[X.]/Wagner, 7. Aufl., § 839a Rn. 40; a.A. [X.], [X.], 82, 83; [X.], Urteil vom 15. Oktober 2012 - 3 O 3620/12, BeckRS 2014, 15746). Zwar mag die Einholung und Vorlage eines Privatgutachtens die Aussicht dafür erhöhen, dass das Prozessgericht einem Antrag auf Einholung eines neuen (Ober-)Gutachtens Folge leistet ([X.] aaO S. 83 f; [X.] aaO). Eine nicht sachkundige Partei ist jedoch generell nicht verpflichtet, zur Substantiierung ihrer Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten einen Privatgutachter zu konsultieren ([X.], Urteile vom 19. Februar 2003 - [X.], NJW 2003, 1400 f; vom 18. Oktober 2005 - [X.], [X.], 152, 154 Rn. 15 und vom 8. Juli 2008 - [X.], [X.], 2846, 2849 Rn. 27; s. auch [X.] aaO; Wagner aaO). Dementsprechend kann es ihr nicht im Sinne von § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3 [X.] anspruchsausschließend zur Last fallen, wenn sie dies unterlassen hat.

[X.]     

      

Tombrink     

      

Remmert

      

Reiter     

      

Pohl     

      

Meta

III ZR 440/16

27.07.2017

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 20. Juli 2016, Az: 4 U 102/13, Urteil

§ 839 Abs 3 BGB, § 839a Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.07.2017, Az. III ZR 440/16 (REWIS RS 2017, 7271)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7271

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