Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19.01.2021, Az. 1 BvR 2671/20

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2021, 9461

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Versagung fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes bzgl der Aussetzung des in Hessen erteilten bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterrichts verletzt Anspruch auf effektiven Rechtsschutz - Verfassungsbeschwerde bzgl einer Verletzung von Art 7 Abs 3 GG hingegen unzulässig - Gegenstandswertfestsetzung


Tenor

1. Der Beschluss des [X.] vom 13. Juli 2020 - 6 L 753/20.WI - und der Beschluss des [X.] vom 22. Oktober 2020 - 7 B 1913/20 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

2. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

3. Das [X.] hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. [X.] wird auf 25.000 Euro (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde hat die Aussetzung des in Kooperation mit dem Beschwerdeführer an einigen Schulen des [X.] erteilten [X.]n [X.] Religionsunterrichts und dessen Ersetzung durch einen staatlichen Islamunterricht zum Gegenstand.

2

1. Der Beschwerdeführer ist ein eingetragener Verein, der als [X.] in [X.] fungiert und dessen Zweck unter anderem in der Pflege und Vermittlung des [X.] Glaubens besteht.

3

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 entsprach das [X.] dem Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung als Gesprächs- und Kooperationspartner für einen [X.] [X.] Religionsunterricht in [X.], der als ordentliches Lehrfach zum Schuljahr 2013/2014 eingeführt und seitdem in Kooperation mit dem Beschwerdeführer erteilt wurde.

4

Mit Pressemitteilung vom 28. April 2020 erklärte das [X.], dass die Vollziehung des Bescheides vom 17. Dezember 2012 zum Ende des laufenden Schuljahres 2019/2020 ausgesetzt werde. Es bestünden Zweifel an der grundsätzlichen Eignung des Beschwerdeführers als Kooperationspartner für den [X.]n [X.] Religionsunterricht. Dies betreffe insbesondere seine hinreichende Unabhängigkeit von der Religionsbehörde des [X.]. Bereits seit dem Schuljahr 2019/2020 laufe ein Schulversuch eines rein staatlichen bekenntnisfreien [X.] ohne Kooperation mit einer Religionsgemeinschaft. Er solle ab dem Schuljahr 2020/2021 auf die Standorte überführt werden, an denen der Beschwerdeführer bisher [X.]n Religionsunterricht angeboten habe.

5

2. Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das [X.] [X.] als Antragsgegner mit dem Inhalt,

"den Antragsgegner bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, wie bisher an insgesamt 51 Grundschulen sowie 12 weiterführenden Schulen in den Jahrgangsstufen 5 und 6 in Kooperation mit dem Antragsteller nach Maßgabe des Anerkennungsbescheides vom 17. Dezember 2012 [X.] Religionsunterricht zu erteilen" (Antrag zu 1)

und

"es dem Antragsgegner zu untersagen, anstelle des in Kooperation mit dem Antragsteller bis zum Schuljahr 2019/2020 erteilten [X.] [X.] staatlichen Islamunterricht zu erteilen, insbesondere durch Lehrkräfte erteilen zu lassen, denen eine vorläufige oder reguläre Lehrbefugnis (Idschaza) durch den Antragsteller erteilt wurde" (Antrag zu 2).

6

Auf Nachfrage des [X.], was er mit der im Antrag zu 1) bezeichneten "Hauptsache" meine, führte der Beschwerdeführer aus, damit sei das Hauptsacheverfahren gemeint, das sich gegen einen Verwaltungsakt richten könnte, sobald ein solcher erlassen werde. Faktisches Verwaltungshandeln, wie der vom Kultusminister beschriebene "[X.]", sei regelmäßig Gegenstand einer Leistungs- oder Feststellungsklage. Mit dem Antrag solle eine vorläufige und keine endgültige Regelung erreicht werden. Hierauf beziehe sich der Hinweis auf eine möglicherweise notwendige Entscheidung in der Hauptsache, die derzeit noch nicht anhängig sei.

7

3. a) Das Verwaltungsgericht lehnte die Anträge als unzulässig ab.

8

Der Antrag zu 1) sei auf eine Verpflichtung des Antragsgegners "bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache" gerichtet, ohne dass eine solche Hauptsache anhängig gemacht worden sei. Es sei Aufgabe des Antragstellers, den Streitgegenstand zu bestimmen. [X.] er seinen Antrag von der Existenz eines Hauptsacheverfahrens abhängig, ohne eine solche anhängig zu machen oder in Aussicht zu stellen, könne über den Antrag nicht entschieden werden.

9

Der Antrag zu 2) sei unzulässig, weil der Beschwerdeführer sich nicht auf eine schutzwürdige Rechtsposition berufen könne. Der Bescheid vom 17. Dezember 2012 vermittele dem Beschwerdeführer keinen Anspruch darauf, dass Schulunterricht, der (auch) den Islam zum Gegenstand habe, ausschließlich in Kooperation mit ihm erfolgen dürfe. Vielmehr sei das [X.] ohne weiteres befugt, [X.] Religionsunterricht in Kooperation mit anderen [X.] Religionsgemeinschaften oder nicht [X.] Islamunterricht einzurichten und anzubieten. Soweit der Beschwerdeführer erreichen wolle, dass der nicht [X.] Islamunterricht jedenfalls nicht durch Lehrkräfte erteilt werde, denen er selbst eine Lehrbefugnis erteilt habe, fehle ihm die Antragsbefugnis, weil nicht ersichtlich sei, wie die Heranziehung dieser Lehrkräfte zu anderen Unterrichtsfächern den Beschwerdeführer in seinen eigenen Rechten sollte verletzen können.

b) Die dagegen erhobene Beschwerde wies der [X.]hof unter anderem aus folgenden Gründen zurück.

Der Antrag zu 1) sei nach § 123 Abs. 5 VwGO unstatthaft, weil das Begehren des Beschwerdeführers in der Hauptsache nach seinem eigenen Dafürhalten gegen einen Verwaltungsakt gerichtet sei und deshalb über eine Anfechtungsklage erfolgen müsse. In einem solchen Fall sei nur Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer gegenüber dem Verwaltungsgericht ausgeführt habe, faktisches Verwaltungshandeln wie der vom Kultusminister beschriebene "[X.]" sei regelmäßig Gegenstand einer Leistungs- oder Feststellungsklage. Denn diese Ausführungen seien als allgemeiner Hinweis formuliert und der Beschwerdeführer bringe nicht im Ansatz zum Ausdruck, dass er sich mit der im Antrag zu 1) genannten "Hauptsache" auf eine Klage gegen einen [X.] beziehe. Darüber hinaus sei der Antrag zu 1) im Ergebnis auch wegen fehlenden [X.] unzulässig, weil vorbeugender einstweiliger Rechtsschutz bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren gegen einen zukünftigen, derzeit noch nicht absehbaren Verwaltungsakt begehrt werde.

Nicht zu beanstanden sei auch die Annahme des [X.], der Beschwerdeführer könne sich hinsichtlich des Antrags zu 2) nicht auf eigene schutzwürdige Rechtspositionen berufen. Das gelte jedenfalls insoweit, als der bisherige in Kooperation mit dem Beschwerdeführer erteilte [X.] [X.] Religionsunterricht durch einen nicht [X.] staatlichen Islamunterricht ersetzt worden sei. Der Beschwerdeführer habe auch nicht hinreichend dargelegt, dass dies nicht zutreffe, sondern tatsächlich ein bekenntnisorientierter staatlicher Religionsunterricht angeboten werde. Zwar habe der Beschwerdeführer vorgetragen und mit entsprechenden [X.] belegt, dieselben Lehrer, denen er die Lehrbefugnis verliehen habe, erteilten unter Verwendung der gleichen Unterrichtsmaterialien einen inhaltlich dem bisherigen [X.] Religionsunterricht entsprechenden Unterricht. Es fehle jedoch an der Darlegung, dass die auf der [X.]seite des [X.] veröffentlichten Kerncurricula für das Schulfach Islamunterricht, aus denen sich der maßgebliche Inhalt dieses Unterrichtsfaches ergebe, Glaubenssätze und deren Vermittlung zum Inhalt hätten.

II.

1. Der Beschwerdeführer sieht sich durch die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 3 GG verletzt. Er beantragt, dem [X.] [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 32 [X.] bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde aufzugeben, den [X.]n [X.] Religionsunterricht an 51 Grundschulen und 12 weiterführenden Schulen sowie die Ausbildung von Lehrkräften für den [X.]n [X.] Religionsunterricht in Kooperation mit ihm fortzusetzen.

Der Antrag zu 1) sei von den Gerichten auf der Grundlage einer willkürlichen Auslegung seines [X.] als Anfechtungsbegehren als unzulässig abgelehnt und ihm dadurch effektiver einstweiliger Rechtsschutz versagt worden. Offenkundig richte sich dieser Antrag nicht gegen einen hypothetischen Verwaltungsakt, dessen Erlass zudem ungewiss sei, sondern gegen die durch die Pressemitteilung des [X.] bekanntgegebene faktische Aussetzung des in Kooperation mit ihm eingerichteten und angebotenen [X.] Religionsunterrichts, gegen die eine Anfechtungsklage nicht statthaft sei.

Auch sein mit dem Antrag zu 2) verfolgtes [X.] hätten die Gerichte in willkürlicher Weise missverstanden. Daher erschwere die auf diese Auslegung des [X.] gestützte Ablehnung des Antrags als unzulässig den Zugang zu vorläufigem Rechtsschutz in sachlich nicht mehr vertretbarer Weise.

Die Annahme des [X.], er begehre die vorläufige Untersagung der Durchführung jeglichen [X.] Religionsunterrichts ohne seine Beteiligung, widerspreche schon dem eindeutigen Wortlaut seines Antrags. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb der [X.]hof den - bis heute unverbindlichen - Entwürfen von Lehrplänen für das Schulfach Islamunterricht rechtliche Relevanz auch für den hier in Rede stehenden, anstelle des bisherigen [X.] Religionsunterrichts angebotenen Islamunterricht beigemessen habe. Denn unstreitig erfolge dieser Islamunterricht unter Übernahme der Lehrmaterialien und durch Lehrkräfte, denen er die Lehrbefugnis erteilt habe. Es sei völlig lebensfremd anzunehmen, dass die damit offensichtlich gewollte Kontinuität durch den Erlass von Lehrplänen durchbrochen werden könne.

Die angegriffenen Beschlüsse seien zudem nicht mit Art. 7 Abs. 3 GG vereinbar. Die Gerichte hätten verkannt, dass die einseitige Aussetzung der Kooperation durch das [X.] ihn als Religionsgemeinschaft in seinem Anspruch auf Einrichtung und Durchführung eines [X.]n [X.] Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach verletze. Diese Verletzung werde noch dadurch vertieft, dass unter Verwendung der Lehrmaterialien und durch den Einsatz der Lehrkräfte, die nach seinen Vorgaben ausgebildet worden seien und denen er die Lehrbefugnis erteilt habe, nunmehr unter alleiniger staatlicher Verantwortung Islamunterricht angeboten werde.

2. Das [X.] und das [X.] hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG zulässig und begründet (1.). Ihre Annahme ist zur Durchsetzung dieses Grundrechts angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Das [X.] hat insoweit die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt und die Verfassungsbeschwerde ist insoweit offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]). Hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Art. 7 Abs. 3 GG ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig (2.).

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

a) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig. Mit der Rüge einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG macht der Beschwerdeführer eine das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes selbst betreffende grundrechtliche Beschwer geltend. Er ist daher nicht darauf verwiesen, vorab auch den Rechtsweg in der verwaltungsgerichtlichen Hauptsache zu erschöpfen (vgl. [X.] 77, 381 <400 f.>; 79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22 f.>; stRspr). Die Verfassungsbeschwerde zeigt die geltend gemachte Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zudem in einer den Darlegungs- und Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] genügenden Weise auf.

b) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit auch begründet.

aa) Das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert jedermann effektiven Rechtsschutz bei möglichen Verletzungen seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt. Damit wird sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in [X.] ihm von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen (vgl. [X.] 113, 273 <310>; 129, 1 <20>; stRspr). Der Anspruch aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert nicht nur formal die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gebietet auch die Effektivität des damit verbundenen Rechtsschutzes, das heißt einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Der Zugang zu Gericht darf nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. [X.] 35, 263 <274>; 40, 272 <274 f.>; 77, 275 <284>). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet daher den Gerichten, das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird (vgl. [X.] 134, 106 <114>). Legt ein Gericht den Verfahrensgegenstand in einer Weise aus, die das vom Antragsteller erkennbar verfolgte [X.] ganz oder in wesentlichen Teilen außer Betracht lässt, so liegt darin eine Rechtswegverkürzung, die den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 19. Februar 1997 - 2 BvR 2989/95 -, juris, Rn. 13; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 - 2 BvR 553/01 -, Rn. 13; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 13. März 2002 - 2 BvR 261/01 -, Rn. 15; Beschluss der [X.] des [X.] vom 21. September 2020 - 1 BvR 2146/20 -, Rn. 5 ff.).

bb) Danach verstoßen die angegriffenen Entscheidungen gegen Art. 19 Abs. 4 GG.

(1) Die Gerichte haben den Antrag zu 1) auf der Grundlage einer nicht mehr nachvollziehbaren Auslegung des [X.] als unzulässig angesehen und dem vorläufigen Rechtsschutz so jede Effektivität genommen.

(a) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Antrag mache die begehrte vorläufige Verpflichtung zur Fortsetzung des [X.] Religionsunterrichts davon abhängig, dass ein Hauptsacheverfahren anhängig sei. Da dies nicht der Fall sei, könne über den Antrag nicht entschieden werden. Diese Auslegung des Antrags liegt fern. Sie ist schon deshalb nicht einleuchtend, weil der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO "schon vor Klageerhebung" gestellt werden kann. Weshalb dann der Antrag zwar schon vor Klageerhebung gestellt, die Entscheidung hierüber aber von der aufschiebenden Bedingung der Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens sollte abhängig gemacht worden sein, erschließt sich nicht. Es kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer auf Nachfrage des [X.] erklärt hatte, mit dem Hinweis im Antrag zu 1) auf eine Entscheidung in der Hauptsache habe deutlich gemacht werden sollen, dass eine vorläufige und keine endgültige Regelung begehrt werde. Dies deckt sich auch offensichtlich mit dem Wortlaut des Antrags, wonach die gerichtliche Verpflichtung des [X.] zur Fortführung des [X.] Religionsunterrichts "bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache" andauern soll. Unter diesen Umständen ist es nicht mehr vertretbar anzunehmen, dem Beschwerdeführer sei es darum gegangen, dass nicht vor Erhebung einer Klage über eine vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners entschieden werde.

(b) Der [X.]hof gelangt ebenfalls zum Ergebnis, der Antrag zu 1) sei unzulässig. Er stützt diese Annahme auf die Erwägung, der Beschwerdeführer wolle sich in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage gegen einen noch ausstehenden belastenden Verwaltungsakt wenden. Daher sei der Antrag auf vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Fortsetzung des [X.] Religionsunterrichts nach § 123 Abs. 5 VwGO unstatthaft. [X.] sei stattdessen ein Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen belastenden Verwaltungsakt nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zudem begehre der Beschwerdeführer vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz, weil ein belastender Verwaltungsakt noch nicht ergangen und dies auch nicht absehbar sei. Somit sei der Antrag zu 1) auch wegen fehlenden [X.] unzulässig.

Auch diese Auslegung des [X.] ist sachlich nicht mehr vertretbar. Der Antrag zu 1) ist nach seinem klaren Wortlaut auf eine - sofortige - vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Fortführung des [X.] Religionsunterrichts gerichtet. Weshalb es dem Beschwerdeführer stattdessen um vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Verwaltungsakt gehen sollte, dessen Erlass noch nicht einmal absehbar ist, ist schlicht nicht nachvollziehbar, zumal der Beschwerdeführer bis dahin die faktische Aussetzung des in Kooperation mit ihm erteilten [X.] Religionsunterrichts hinnehmen müsste. Es liegt angesichts des Antragsinhalts fern, ein derart ungünstiges und dazu noch zur Unzulässigkeit führendes [X.] allein aus dem Hinweis in der Stellungnahme herzuleiten, ein Hauptsacheverfahren könnte sich auch gegen einen Verwaltungsakt richten, sobald ein solcher erlassen werde, zumal der Beschwerdeführer in derselben Stellungnahme darauf verweist, dass faktisches Verwaltungshandeln wie der vom Kultusminister beschriebene "[X.]" regelmäßig Gegenstand einer Leistungs- oder Feststellungsklage sei.

(2) Auch die Versagung des mit dem Antrag zu 2) ersuchten vorläufigen Rechtsschutzes wegen fehlender Antragsbefugnis ist mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar.

(a) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Antrag zu 2) sei mangels "[X.]" unzulässig. Der Beschwerdeführer habe mit diesem Antrag geltend machen wollen, dass Schulunterricht, der (auch) den Islam zum Gegenstand habe, ausschließlich in Kooperation mit ihm erfolgen dürfe. Das treffe nicht zu. Das [X.] habe selbstverständlich die Möglichkeit, [X.] Religionsunterricht in Kooperation mit anderen Religionsgemeinschaften einzurichten und anzubieten. Auch könne das [X.] einen nicht [X.] Islamunterricht anbieten oder in der Form eines Schulversuchs erproben. Es sei auch nicht ersichtlich, wie die Heranziehung von Lehrkräften, denen der Beschwerdeführer die Lehrbefugnis für [X.] [X.] Religionsunterricht erteilt habe, zu anderen Unterrichtsfächern diesen in seinen eigenen Rechten sollte verletzen können.

Diese Deutung des [X.] liegt angesichts des Wortlauts des Antrags zu 2) fern. Danach geht es dem Beschwerdeführer offensichtlich allein um die Ersetzung des bisherigen, in Kooperation mit ihm eingerichteten und angebotenen [X.] Religionsunterrichts durch einen in [X.] durchgeführten Islamunterricht. Der Wortlaut des Antrags lässt zudem klar erkennen, dass der staatliche Islamunterricht vor allem wegen einer Kontinuität zum bisherigen [X.] Religionsunterricht vorläufig untersagt werden soll, die der Beschwerdeführer insbesondere darin erblickt, dass der Islamunterricht durch Lehrkräfte erteilt wird, denen er selbst eine Lehrbefugnis verliehen hat. Der Beschwerdeführer will sich damit ersichtlich nicht außerhalb seines eigenen Rechtskreises im Namen dieser Lehrkräfte gegen deren Heranziehung zum Islamunterricht wenden, wie das Verwaltungsgericht meint, sondern offenkundig insbesondere verhindern, dass bei den muslimischen Eltern und Schülern der Eindruck entstehen kann, es bestehe in [X.] Hinsicht kein Unterschied zwischen dem staatlichen Islamunterricht und dem zuvor in Kooperation mit ihm erteilten [X.] Religionsunterricht.

(b) Auch der [X.]hof nimmt an, dass sich der Beschwerdeführer hinsichtlich des Antrags zu 2) von vornherein nicht auf eine schutzwürdige Position berufen könne. Er stellt darauf ab, dass der Beschwerdeführer durch die Erteilung eines bekenntnisfreien staatlichen [X.] nicht in eigenen Rechten verletzt sein könne. Der Beschwerdeführer habe auch nicht hinreichend dargetan, dass der nunmehr anstelle des bisherigen, in Kooperation mit ihm durchgeführten [X.] Religionsunterrichts angebotene staatliche Islamunterricht tatsächlich ebenfalls als [X.]r Religionsunterricht ausgestaltet sei.

Der [X.]hof hat damit die [X.] in einer mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht vereinbaren Weise überspannt. Er geht selbst davon aus, dass die Sorge des Beschwerdeführers, der bisherige [X.] Religionsunterricht werde durch einen staatlichen Religionsunterricht ersetzt, angesichts der [X.] "durchaus nachvollziehbar" sei. Denn dort werde darauf hingewiesen, dass sich der Islamunterricht von dem [X.] Religionsunterricht nicht unterscheide und daher auch die gleichen Lehrmaterialien verwendet würden. Der [X.]hof unterstellt auch, dass die Sach- und Personalausstattung des bisherigen [X.] Religionsunterrichts weiter benutzt wird. Wenn das Gericht gleichwohl bereits die Antragsbefugnis wegen fehlender Auseinandersetzung mit den in das [X.] gestellten Kerncurricula zum staatlichen Islamunterricht verneint, überspannt es die [X.] erheblich, zumal es hier offenkundig um die spezifische Situation an den Schulen geht, an denen bis zum Schuljahr 2020/2021 [X.]r Religionsunterricht stattgefunden hat, und nicht um den bereits seit dem Schuljahr 2019/2020 an anderen Schulstandorten im Schulversuch praktizierten, unstreitig bekenntnisfreien staatlichen Islamunterricht. Außerdem gerät auch dem [X.]hof nicht ansatzweise in den Blick, dass es dem Beschwerdeführer schon nach dem Wortlaut des Antrags zu 2) vor allem um eine auch nach außen klar erkennbare Trennung des staatlichen [X.] von dem zuvor in Übereinstimmung mit seinem Glaubensbekenntnis erteilten [X.] Religionsunterricht geht.

2. Hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Art. 7 Abs. 3 GG ist der Beschwerdeführer nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auf die Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtswegs in der Hauptsache zu verweisen. Dort bietet sich nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. [X.] 79, 275 <278 f.>; 104, 65 <71>). Eine Vorabentscheidung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 [X.] kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das verwaltungsgerichtliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem bisher noch keine Sachprüfung stattgefunden hat, nunmehr wieder eröffnet ist; zudem dürfte die Frage einer Verletzung des Art. 7 Abs. 3 GG nur nach weiteren Klärungen etwa mit Blick auf die rechtliche Bedeutung des [X.] und dessen Aussetzung oder der konkreten Ausgestaltung des anstelle des bisherigen [X.] Religionsunterrichts angebotenen staatlichen [X.] zu beantworten sein (vgl. [X.] 79, 275 <279>; 80, 40 <45>; 104, 65 <71>).

Es ist festzustellen, dass der Beschluss des [X.] Wiesbaden vom 13. Juli 2020 - 6 L 753/20.WI - und der Beschluss des Hessischen [X.]hofs vom 22. Oktober 2020 - 7 B 1913/20 - den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzen; die Beschlüsse sind aufzuheben und die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.]).

Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 [X.].

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Tätigkeit stützt sich auf § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Grundsätzen über die Festsetzung des Gegenstandswertes im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. [X.] 79, 365 <368 ff.>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2671/20

19.01.2021

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 22. Oktober 2020, Az: 7 B 1913/20, Beschluss

Art 7 Abs 3 GG, Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 80 Abs 5 VwGO, § 123 Abs 1 S 1 VwGO, § 123 Abs 5 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19.01.2021, Az. 1 BvR 2671/20 (REWIS RS 2021, 9461)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9461

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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