Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 08.09.2017, Az. 1 BvR 984/17

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2017, 5586

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Unzureichende Substantiierung einer Grundrechtsverletzung (Art 4 Abs 1, Abs 2 GG; Art 6 Abs 2 S 1 GG; Art 7 Abs 2 GG) im Hinblick auf die Versagung der Einschulung eines muslimischen Kindes an einer katholischen Bekenntnisgrundschule aufgrund mangelnden Einverständnisses der Eltern mit der Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht sowie an Schulgottesdiensten


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft verwaltungsbehördliche und verwaltungsgerichtliche Entscheidungen über die nach dem Schulrecht des [X.] verweigerte Aufnahme des Beschwerdeführers zu 1) an einer st[X.]tlichen [X.] [X.].

2

1. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) und ihr [X.], der Beschwerdeführer zu 1), gehören dem [X.] Glauben an. Die Eltern begehrten die Aufnahme ihres [X.]es an einer st[X.]tlichen [X.] [X.]. Deren Träger ist die Stadt. Sie liegt 150 m entfernt von dem ehemaligen Wohnhaus der Beschwerdeführer. In der näheren Umgebung befinden sich in 3,3 km fußläufiger Entfernung sowie etwas weiter zwei st[X.]tliche [X.]n.

3

a) Das für die Aufnahme in der Bekenntnisschule von den Beschwerdeführern zu 2) und 3) auszufüllende Anmeldeformular enthielt den Hinweis, dass [X.] Kinder grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufnahme an eine [X.] Bekenntnisschule hätten. Die Schüler an der [X.] [X.] würden dem [X.] Bekenntnis entsprechend unterrichtet und erzogen. Hierzu gehöre auch die Teilnahme am [X.] Religionsunterricht und an den Schulgottesdiensten. Durch die Unterschrift werde bestätigt, dass dieses ausdrücklich gewünscht werde. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) erklärten sich mit einer Teilnahme des Beschwerdeführers zu 1) am Religionsunterricht und an den Schulgottesdiensten jedoch nicht einverstanden. Der Schulleiter lehnte daraufhin die Einschulung ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde zurückgewiesen.

4

b) Ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren hatte sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz keinen Erfolg. Der Beschwerdeführer zu 1) wurde in der 3,3 km vom Wohnort der Beschwerdeführer entfernten Gemeinschaftsgrundschule eingeschult. In der Hauptsache wies das Verwaltungsgericht die erhobene Klage ab. Der [X.] Beschwerdeführer zu 1) habe keinen Anspruch auf Aufnahme in die [X.] Bekenntnisschule, weil die Beschwerdeführer zu 2) und 3) seine Teilnahme am Religionsunterricht und an den Schulgottesdiensten ablehnten und der Beschwerdeführer zu 1) eine Gemeinschaftsgrundschule in zumutbarer Entfernung erreichen könne.

5

c) Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht zurück.

6

[X.]) Dem Beschwerdeführer zu 1) stehe kein Anspruch auf Aufnahme in die [X.] [X.] nach § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 des Schulgesetzes [X.] ([X.]) zu. Der Schulleiter einer [X.] dürfe die Aufnahme eines [X.]n Schülers davon abhängig machen, dass seine Eltern sich mit seiner Unterrichtung und Erziehung im Sinne des die Schule prägenden Bekenntnisses und auch mit seiner Teilnahme am entsprechenden Religionsunterricht einverstanden erklärten. Dies beruhe auf Art. 12 Abs. 3 Satz 2 der Verfassung des [X.] ([X.]) und § 26 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Danach würden Bekenntnisschulen für die Kinder des jeweiligen Bekenntnisses eingerichtet. Sie erhielten ihr bestimmendes Gepräge durch die weitgehende Homogenität ihrer Schüler- und Lehrerschaft und durch den bekenntnismäßigen Charakter der Schulerziehung und erfüllten einen spezifischen Erziehungsauftrag. Von [X.]n unterschieden sie sich durch den Umfang ihrer Bindung an die Grundsätze des betreffenden Bekenntnisses. Während diese Bindung bei [X.]n auf den Religionsunterricht beschränkt sei, erfasse sie bei Bekenntnisschulen den gesamten Unterricht und die Erziehung des Kindes in jeder Hinsicht.

7

bb) [X.] Eltern und Schülern stünde ein unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 GG folgender Aufnahmeanspruch in die Bekenntnisschule daher nur ausnahmsweise zu. Dieser setze voraus, dass nach Aufnahme der bekenntnisangehörigen Kinder noch Kapazität vorhanden sei, und dass die Eltern die Ausrichtung der Schule auf die Grundsätze des fremden Bekenntnisses voll und ganz bejahten, also mit der Unterrichtung und Erziehung ihres Kindes im Sinne des entsprechenden Bekenntnisses einverstanden seien. Das schließe die Erteilung von Religionsunterricht im fremden Bekenntnis durch eine diesem Bekenntnis angehörende st[X.]tliche oder kirchliche Lehrkraft ein. Der Religionsunterricht sei an einer Bekenntnisschule nicht nur ordentliches Lehrfach, sondern gehöre zum [X.] der Schule und mache einen wesentlichen Teil ihrer Identität aus.

8

Der daher zulässigerweise erbetenen Erklärung, mit der Teilnahme am Religionsunterricht einverstanden zu sein, stehe nicht entgegen, dass den Erziehungsberechtigten durch Art. 7 Abs. 2 GG, Art. 14 Abs. 4 [X.] sowie [X.] durch § 31 Abs. 6 [X.] das Recht gewährleistet werde, über die Teilnahme ihres Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der betroffene Schüler - wie hier - dem verpflichtenden Religionsunterricht nicht nur durch Befreiung vom Religionsunterricht entgehen könne, sondern auch durch den Besuch einer in zumutbarer Weise erreichbaren [X.]. Die Eltern oder sonst Erziehungsberechtigten verhielten sich widersprüchlich, wenn sie sich stattdessen mit der Erziehung und Unterrichtung im Sinne des die Bekenntnisschule prägenden Bekenntnisses einverstanden erklärten, dies aber gerade für [X.] der entsprechenden Erziehung und Unterrichtung - nämlich den Religionsunterricht - von vornherein ausschließen wollten.

9

Soweit darin ein Eingriff in das Grundrecht des Art. 7 Abs. 2 GG gesehen werde, sei dieser durch kollidierendes Verfassungsrecht, Art. 7 Abs. 5 GG, gerechtfertigt. Denn das Grundgesetz setze mit dieser Vorschrift die Existenz öffentlicher Bekenntnisschulen und damit auch ihres spezifischen Erziehungsauftrags voraus. Dies gelte auch, soweit in die Grundrechte [X.]r Kinder auf Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) und ihrer Eltern (Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) auf Erziehung ihrer Kinder in religiöser oder weltanschaulicher Hinsicht eingegriffen werde. Auch die darin liegende Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG sei durch Art. 7 Abs. 5 GG gerechtfertigt.

cc) Die [X.] habe hier ihren Status als solche auch nicht dadurch verloren, dass - wie die Beschwerdeführer geltend machten - ihre Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht entfallen seien, namentlich durch einen signifikanten Rückgang des Anteils formell bekenntnisangehöriger ([X.]r) Schüler. Es könne offen bleiben, ob sie den an die formelle und materielle Homogenität von Bekenntnisschulen zu stellenden Anforderungen noch genüge. Es fehle jedenfalls an einem formellen Umwandlungsakt für eine Schulartänderung nach § 81 Abs. 2 Sätze 1 und 2 [X.]. Dessen besondere Verfahrensregelungen (formeller, schriftlich zu begründender Beschluss des Schulträgers mit Genehmigungserfordernis) würden ansonsten umgangen. Dies widerspräche Sinn und Zweck des Erfordernisses eines formellen Umwandlungsaktes und auch der Vorstellung des Gesetzgebers.

d) Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) gegen die Nichtzulassung der Revision wies das [X.] zurück. Die von ihm aufgeworfenen Fragen seien nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Die Ablehnung, den Beschwerdeführer zu 1) an der [X.] [X.] aufzunehmen, stelle keinen Eingriff in das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Erziehungsrecht der Beschwerdeführer zu 2) und 3) und in die Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG dar, weil sichergestellt sei, dass der Beschwerdeführer zu 1) die Schulpflicht in einer nicht bekenntnis- oder weltanschaulich gebundenen Gemeinschaftsgrundschule erfüllen könne.

Die Ablehnung, den Beschwerdeführer zu 1) in die [X.] [X.] aufzunehmen, verstoße auch nicht gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Glaubens oder der religiösen Anschauung nach Art. 3 Abs. 3 GG. Das Grundgesetz gehe von der Zulässigkeit öffentlicher Bekenntnisschulen aus, woraus zwangsläufig folge, dass der Zugang zu diesen Schulen jedenfalls dann von dem vorbehaltlosen Einverständnis mit der Unterrichtung und Erziehung im Sinne des Bekenntnisses abhängig gemacht werden könne, wenn als Alternative für die Erfüllung der Schulpflicht [X.]n als bekenntnismäßig oder weltanschaulich ungebundene öffentliche Schulen zur Verfügung stünden.

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 7 Abs. 2 GG.

a) Ihre Verweigerung der Teilnahme sowohl am konfessionellen Religionsunterricht als auch an den Schulgottesdiensten falle in Gestalt der negativen Religionsfreiheit in den jeweiligen Schutzbereich der Grundrechte. Zentrales Gewicht komme dabei Art. 7 Abs. 2 und 3 GG zu. Der religiös neutrale St[X.]t öffne zum einen die öffentliche Schule für den konfessionellen Religionsunterricht, der nach Art. 7 Abs. 3 GG den Status eines ordentlichen Unterrichtsfaches erhalte. Auf der Kehrseite stehe die Freiwilligkeit der Teilnahme, die durch Art 7 Abs. 2 GG vorgegeben werde und systematisch der Gewährleistung des Religionsunterrichts in Art. 7 Abs. 3 GG vorgehe. Dabei habe der Verfassungsgeber weder nach Schularten noch nach dem konfessionellen Stand der Betroffenen unterschieden. Art. 7 Abs. 2 GG konkretisiere und verstärke insoweit die Schutzrechte des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

b) Die Versagung der Aufnahme in die Bekenntnisschule stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in diese Grundrechte dar. Aus dem Neutralitätsgebot folge ein Verbot st[X.]tlicher Anordnungen für einen individuellen Religionszwang. Die entsprechenden Grundlinien in den Entscheidungen des [X.] im 41. Band (vgl. [X.] 41, 29; 41, 65; 41, 88) bezögen sich daher auf alle st[X.]tlichen Schulen und nicht nur auf [X.] [X.]n.

Der bekenntnisgebundene Religionsunterricht könne nur freiwillig besucht werden. Aus dem Grundgesetz ergebe sich nicht, dass die Entscheidung über die Teilnahme am Religionsunterricht von unterschiedlichen Schultypen abhängig sei. [X.] sei für eine Differenzierung zwischen Religionsunterricht in Bekenntnisschulen und sonstigen [X.]n nichts erkennbar. Deswegen komme es auch auf die fachgerichtlich priorisierte Frage, ob und wie lange es sich bei den öffentlichen Schulen um Bekenntnisschulen handele, mindestens in Bezug auf den Religionsunterricht, nicht an. Selbst wenn man Art. 4 Abs. 1 und 2 GG insoweit für [X.] hielte, griffe der Befreiungsanspruch durch seine Verstärkung in Art. 7 Abs. 2 GG trotzdem durch. Soweit das Oberverwaltungsgericht annehme, dass eine Bekenntnisschule ihren Charakter nicht dadurch verliere, dass sie auch [X.] Schüler aufnehme, sondern es einer förmlichen Schulformänderung bedürfe, greife dies zu kurz. Da die entsprechenden Bewerber (die den [X.] Religionsunterricht und den Schulgottesdienst ablehnten) gar nicht in die Schule aufgenommen würden und es keine Schulsprengel mehr gebe, bestünde für die Beschwerdeführer zu 2) und 3) keine Möglichkeit, die Schulform einer solchen Schule mitzubestimmen.

Es gehe auch fehl, dass die Rechtsprechung auf Ausweichmöglichkeiten abhebe. Wenn etwas Verbotenes verlangt werde, müsse der Grundrechtsträger nicht ausweichen. Die Verfassungswidrigkeit der Entscheidungen folge ferner daraus, dass über die Teilnahme am Religionsunterricht allein die Religionsgemeinschaften und nicht st[X.]tliche Stellen verfügen könnten. Auch aus historischer Sicht müsse sich die Möglichkeit der Befreiung vom Religionsunterricht auch auf st[X.]tliche Bekenntnisschulen beziehen. Denn schon unter der Geltung der [X.], als die überwiegende Zahl der Schüler eine Bekenntnisschule besucht habe, habe auch für diese eine Befreiungsmöglichkeit bestanden (Art. 149 Abs. 2 WRV).

Letztlich verstießen die gerichtlichen Entscheidungen bei einer konventionsrechtlichen Gesamtbetrachtung wegen des ausdrücklich ausgesprochenen Auftrags zur Sicherung der religiösen Pluralität an st[X.]tlichen Schulen auch gegen die Vorgaben der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ([X.]).

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie unzulässig ist und daher keine Aussicht auf Erfolg hat.

Die Verfassungsbeschwerde zeigt die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht in hinreichend substantiierter Weise auf.

1. Eine § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. [X.] 130, 1 <21> m. w. N.). Soweit das [X.] für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt werden ([X.] 77, 170 <214 ff.>; 101, 331 <345 f.>; 130, 1 <21>). Es bedarf also einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage ([X.], 327 <329>).

2. Daran gemessen setzen sich die Beschwerdeführer jedenfalls mit einer möglichen Rechtfertigung eines etwaigen Eingriffs in Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 7 Abs. 2 durch Art. 7 Abs. 5 GG als kollidierendes Verfassungsrecht unter Beachtung der Rechtsprechung des [X.] auf dem Gebiet des Schulwesens nicht hinreichend auseinander.

a) In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass Art. 7 Abs. 3 GG keine Festlegung der Schulformen enthält; er setzt vielmehr die verschiedenen Schultypen religiös-weltanschaulicher Art als rechtlich möglich voraus. Ebenso geht Art. 7 Abs. 5 GG davon aus, dass öffentliche Volksschulen als [X.]n, [X.] oder [X.]n eingerichtet sein können. Nach dieser Vorschrift ist eine private Volksschule als [X.], als [X.] oder [X.] nur zuzulassen, wenn eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht; das Grundgesetz geht also von der Zulässigkeit der genannten Schulformen auch als öffentliche Volksschule aus (vgl. [X.] 41, 29 <46>; 65 <86>). Daraus folgt, dass der Landesgesetzgeber dem Grundsatz nach bei der Wahl der Schulform für die öffentliche Volksschule in der Entscheidung für eine der genannten Formen oder auch für mögliche Zwischenformen frei ist (vgl. [X.] 41, 29 <46>).

Dies entspricht der generell anzunehmenden weitgehenden Gestaltungsfreiheit der Länder im Schulwesen (vgl. [X.] 6, 309 <354>; 34, 165 <182>; 41, 29 <44>; 53, 185 <196>; 59, 360 <377>; 75, 40 <67>; 108, 282 <302>), welche auch in Bezug auf die weltanschaulich-religiöse Ausprägung der öffentlichen Schulen gilt (vgl. [X.] 41, 29 <45>; 108, 282 <302>). Aus diesem Grund hat das [X.] sich bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung schulrechtlicher Regelungen der Bundesländer grundsätzlich zurückzuhalten (vgl. [X.] 53, 185 <196>; 59, 360 <377>; 75, 40 <67>).

b) [X.]) Mit diesen Grundsätzen und den daraus möglichen Folgerungen setzt sich die Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert auseinander. Sie übersieht, dass das Grundgesetz schon aufgrund seines eindeutigen Wortlauts in Art. 7 Abs. 3 und 5 GG zwischen den einzelnen Schulformen der [X.], bekenntnisfreien Schule sowie der [X.] und Bekenntnisschule differenziert und der Landesgesetzgeber aufgrund der Regelung in Art. 7 Abs. 5 GG öffentliche Bekenntnisschulen errichten kann, welche insoweit durch das Grundgesetz geschützt sind. Daraus resultieren zwangsläufig Differenzierungen zwischen den Schulformen, welche verfassungsrechtlich entsprechend zu würdigen sind. Dieses Verständnis wird durch die sogenannte Kruzifix-Entscheidung des [X.] ([X.] 93, 1) unterstrichen, in der auf die besondere Stellung der Bekenntnisschulen abgehoben wird. So führt das [X.] darin aus, dass die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in Unterrichtsräumen einer st[X.]tlichen Pflichtschule, die keine [X.] Bekenntnisschule ist, mit Art. 4 Abs. 1 GG unvereinbar ist (vgl. [X.] 93, 1 <24>). Hiermit und der daraus letztlich resultierenden, möglicherweise differenziert zu betrachtenden Stellung des Religionsunterrichts und der Abhaltung von Schulgebeten in der Bekenntnisschule setzt sich die Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert auseinander, obgleich die Fachgerichte darauf eingegangen sind und den Religionsunterricht in Bekenntnisschulen als zu deren elementarem Kern gehörend und als wesentlichen Teil ihrer Identität bewertet haben.

Den Substantiierungsanforderungen insoweit vermögen die Beschwerdeführer auch nicht mit dem pauschalen Hinweis auf die Pflicht des St[X.]tes zu weltanschaulich-religiöser Neutralität zu genügen. Diese verwehrt ihm zwar die Einführung st[X.]tskirchlicher Rechtsformen und untersagt die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger. Der St[X.]t hat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten und darf sich nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren (vgl. zum Ganzen [X.] 108, 282 <299 f.>). Jedoch ergibt sich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der öffentlichen Bekenntnisschule aus dem Grundgesetz selbst, welches damit eine entsprechende Wertung vornimmt (vgl. hierzu [X.] 125, 39 <84>). Dies berücksichtigen die Beschwerdeführer nicht, wenn sie annehmen, dass die Pflicht zur st[X.]tlichen Neutralität sich auf alle st[X.]tlichen Schulen bezöge, was auch aus den Beschlüssen des Senats vom 17. Dezember 1975 (u. a. die zitierte Stelle [X.] 41, 65 <78>) folge. Sie gehen daran vorbei, dass in den genannten Entscheidungen jeweils allein die Einführung der ([X.]n) [X.] in [X.], [X.] und [X.] im Streit stand. Zur Geltung des Neutralitätsgebots des Grundgesetzes in Bekenntnisschulen verhalten sich die Entscheidungen nicht. Der danach erforderlichen differenzierten Betrachtung der einzelnen Schulformen wird die Verfassungsbeschwerde mithin nicht gerecht.

bb) Ebenso wenig setzen sich die Beschwerdeführer mit der Kollision der nach Art. 7 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich vorausgesetzten und zulässigen öffentlichen Bekenntnisschule und dem von ihnen geltend gemachten Eingriff in ihre Rechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 7 Abs. 2 GG unter Heranziehung der Grundsätze der praktischen Konkordanz (vgl. hierzu [X.] 35, 202 <225>; 81, 278 <292 f.>; 93, 1 <21>; 97, 169 <176>) auseinander. Soweit sie meinen, der Anspruch auf Befreiung vom Religionsunterricht greife aufgrund seiner Verstärkung in Art. 7 Abs. 2 GG auch dann durch, wenn man Art. 4 Abs. 1 und 2 GG für [X.] hielte, wird auch dies nicht substantiiert. Ihr Vorbringen gegen die Würdigung der Verwaltungsgerichte, wonach dem Beschwerdeführer zu 1) der Besuch einer [X.] im näheren Umkreis zumutbar sei, beschränkt sich auf das Argument, dass der Grundrechtsträger nicht ausweichen müsse, wenn etwas Verbotenes verlangt werde. Damit übersehen sie jedoch den in der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] 41, 29 <48>, 88 <111, 115>; 93, 1 <24>) angelegten Grundsatz, wonach das Interesse der Schüler und Eltern im Konfliktfall im Wege der praktischen Konkordanz zurückzutreten hat, wenn zumutbare, nicht diskriminierende Ausweichmöglichkeiten zur Wahrung ihrer Grundrechte bestehen. Dies gilt umso mehr, als es sich bei einer Bekenntnisschule um eine sogenannte Angebotsschule und nicht um die [X.] handelt (vgl. [X.] 41, 88 <111>). Deren Besuch ist für Schüler damit nicht zwingend. Sie können grundsätzlich auf eine [X.] ausweichen.

cc) Soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus die Auffassung vertreten, auf die fachgerichtlich priorisierte Frage, ob und wie lange es sich bei einer öffentlichen Schule um eine Bekenntnisschule handele, komme es mindestens in Bezug auf den Religionsunterricht nicht an, gehen sie über die Bedeutung der Gestaltungsfreiheit der Länder im Schulwesen hinweg und setzen sich mit den diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht näher auseinander. Es hätte des [X.] auf den Begriff und die Bedeutung der Bekenntnisschule nach dem Grundgesetz unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 12 Abs. 3 Satz 2 [X.] bedurft und der Auseinandersetzung mit etwaigen Folgen der Nichterfüllung des Bekenntnisschulbegriffs. Dabei wäre auch das Erfordernis eines nach dem Landesrecht vorgeschriebenen formellen Umwandlungsaktes im Blick auf die Schulform nach § 81 Abs. 2 und 3, § 27 Abs. 3 [X.] zu berücksichtigen gewesen. Insofern bringen die Beschwerdeführer lediglich vor, dass es für die Beschwerdeführer zu 2) und 3) keine Möglichkeit gebe, die Schulform mitzubestimmen, da die entsprechenden Bewerber gar nicht erst in die Schule aufgenommen würden und es keine Schulsprengel mehr gebe. Der Argumentation des [X.] zum Sinn und Zweck eines geordneten und transparenten Verfahrens zur Änderung der Schulform im Sinne des § 81 [X.] setzen sie nichts Substantiiertes entgegen.

c) Einen Verstoß gegen Vorschriften der [X.], der unmittelbar mit der Verfassungsbeschwerde ohnehin nicht gerügt werden kann, legt die Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht hinreichend dar. Das pauschale Abstellen auf eine konventionsrechtliche Gesamtbetrachtung genügt hierfür nicht.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 984/17

08.09.2017

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BVerwG, 22. März 2017, Az: 6 B 66/16, Beschluss

Art 4 Abs 1 GG, Art 4 Abs 2 GG, Art 6 Abs 2 S 1 GG, Art 7 Abs 2 GG, Art 7 Abs 3 GG, Art 7 Abs 5 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, MRK, § 46 Abs 1 S 1 SchulG NW, § 46 Abs 3 S 1 SchulG NW, Art 12 Abs 3 S 2 Verf NW

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 08.09.2017, Az. 1 BvR 984/17 (REWIS RS 2017, 5586)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5586


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 984/17

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 984/17, 08.09.2017.


Az. 6 B 66/16

Bundesverwaltungsgericht, 6 B 66/16, 22.03.2017.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 B 66/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Aufnahme eines Schülers islamischen Glaubens in eine katholische Bekenntnisgrundschule


10 L 819/23 (Verwaltungsgericht Köln)


4 L 747/22 (Verwaltungsgericht Gelsenkirchen)


1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 (Bundesverfassungsgericht)

Pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen verletzt Glaubens- und Bekenntnisfreiheit - Verbot religiöser Bekundungen …


10 L 1237/23 (Verwaltungsgericht Köln)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.