Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.04.2015, Az. VII ZB 62/14

7. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12963

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Gegenstand

Berufungsbegründungsfrist: Auslegung einer gewährten Fristverlängerung


Leitsatz

Beantragt der Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers, die Frist für die Berufungsbegründung "um einen Monat bis zum 22. September 2014 zu verlängern", obgleich die Monatsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO bis zum 29. September 2014 läuft, und verlängert der Vorsitzende auf diesen Antrag hin die Frist für die Berufungsbegründung bis zum 22. September 2014, so ist diese Fristverlängerungsverfügung in aller Regel nach ihrem objektivem Inhalt dahin zu verstehen, dass damit die Frist für die Berufungsbegründung - unter abschließender Verbescheidung des Fristverlängerungsantrags - lediglich bis zum 22. September 2014 verlängert und ein etwa weitergehender Antrag stillschweigend abgelehnt worden ist (Fortführung von BGH, Beschluss vom 21. Juni 1989, VIII ZB 5/89, NJW-RR 1989, 1278).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des [X.] vom 3. November 2014 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

[X.]: 82.911,30 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt von der [X.] restliches Honorar für Ingenieurleistungen nebst Zinsen sowie Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten.

2

Das [X.] hat der Klage mit Urteil vom 23. Juni 2014 ganz überwiegend stattgegeben. Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der [X.] am 27. Juni 2014 zugestellt worden.

3

Im [X.] an die Einlegung der Berufung im Namen der [X.] hat deren Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 25. August 2014 beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung "um einen Monat bis zum 22.09.2014 zu verlängern".

4

Am 26. August 2014 hat die stellvertretende Vorsitzende des [X.] verfügt:

"Auf begründeten Antrag des [X.]vertreters wird die Frist zur
Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 22.09.2014 verlängert."

5

Die auf den 22. September 2014 datierte und an das Berufungsgericht adressierte Berufungsbegründung ist vom Prozessbevollmächtigten der [X.] per Telefax am 22. September 2014 um 23.53 Uhr versehentlich an das erstinstanzliche [X.] gefaxt worden. Da das Telefaxgerät des [X.]s defekt war, ist das Telefax auf dem Server des [X.]s gespeichert und am Morgen des 23. September 2014 beim [X.] ausgedruckt und an das Berufungsgericht weitergeleitet worden, bei dem es noch am selben Tag eingegangen ist. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte der [X.] die Berufungsbegründung nochmals am 23. September 2014 direkt an das Berufungsgericht gefaxt (Eingang: 23. September 2014, 8:07 Uhr).

6

Die [X.] hat die Auffassung vertreten, von einer Verspätung der Berufungsbegründung am 23. September 2014 könne nicht ausgegangen werden; die Frist für die Berufungsbegründung sei erst am 29. September 2014 abgelaufen. Vorsorglich hat die [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung beantragt.

7

Mit Beschluss vom 3. November 2014 hat das Berufungsgericht diesen Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der [X.] als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Frist für die Berufungsbegründung sei nur bis zum 22. September 2014 verlängert worden. Eine andere Auslegung komme auch unter Berücksichtigung des [X.] vom 25. August 2014 nicht in Betracht. Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung könne der [X.] nicht gewährt werden. Sowohl das Wählen der falschen Telefaxnummer als auch das rechtzeitige Unterlassen der Beantragung einer weiteren Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung stellten ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der [X.] dar, das sich diese nach § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen müsse.

8

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der [X.]. Der angefochtene Beschluss verletze die [X.] in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör. Das Berufungsgericht habe den [X.] der [X.] vom 25. August 2014 unter Verkennung wesentlicher Auslegungsgrundsätze interessenwidrig dahingehend ausgelegt, dass mit ihm nur eine Fristverlängerung von weniger als einem Monat, nämlich bis zum 22. September 2014, begehrt werde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei der [X.] vom 25. August 2014 dahin auszulegen, dass eine Fristverlängerung von einem vollen Monat bis zum 29. September 2014 begehrt worden sei. Das Berufungsgericht habe den Inhalt des [X.] verkannt und übersehen, dass über einen Teil des Verlängerungsantrags (Zeitraum bis zum 29. September 2014) noch gar nicht entschieden worden sei. Diese ausstehende Entscheidung über die Fristverlängerung müsse nachgeholt werden, was auf den rechtzeitig gestellten Antrag auch nach Ablauf der Frist erfolgen könne.

II.

9

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen ([X.], Beschluss vom 5. September 2012 - [X.]/12, NJW 2012, 3516 Rn. 7 = [X.] 2012, 765; Beschluss vom 14. Januar 2010 - [X.], juris Rn. 5 m.w.N.), sind nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des [X.] nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der angefochtene Beschluss verletzt nicht den Anspruch der [X.] auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör.

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die [X.] die Berufung entgegen § 520 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig begründet hat.

a) Es kann dahin stehen, ob die Auslegung des Berufungsgerichts, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei von der [X.] nur bis zum 22. September 2014 beantragt worden, richtig ist. Selbst wenn zugunsten der [X.] unterstellt wird, sie habe die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. September 2014 beantragt, was der Verlängerung um einen Monat entspräche, verhilft dies der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Denn mit der Verfügung der stellvertretenden Vorsitzenden des Berufungs-senats vom 26. August 2014 ist die Frist für die Berufungsbegründung lediglich bis zum 22. September 2014 verlängert und ein etwa weitergehender [X.] stillschweigend abgelehnt worden.

b) Für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung ist der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich, die an die die Fristverlängerung beantragende [X.] gerichtet ist (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Januar 2009 - [X.]/08, NJW-RR 2009, 643 Rn. 13 m.w.N.). Verlängert der Vorsitzende die Berufungsbegründungsfrist für eine kürzere Zeit als beantragt, liegt darin in aller Regel zugleich die (stillschweigende) Ablehnung des weitergehenden Antrags und nicht ein Vorbehalt, insoweit erst noch entscheiden zu wollen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Juni 1989 - [X.], NJW-RR 1989, 1278, 1279; [X.] in [X.], ZPO, 22. Aufl., § 520 Rn. 16).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Verfügung der stellvertretenden Vorsitzenden vom 26. August 2014 nach ihrem objektiven Inhalt dahin zu verstehen, dass damit die Frist für die Berufungsbegründung - unter abschließender Verbescheidung des [X.] - lediglich bis zum 22. September 2014 verlängert und ein etwa weitergehender Antrag stillschweigend abgelehnt worden ist. Der der genannten Verfügung beigefügte Hinweis, dass mit einer weiteren Fristverlängerung nur bei rechtzeitiger Vorlage - oder anwaltlicher Versicherung - einer Einwilligungserklärung der Gegenseite gerechnet werden kann, ändert an dieser Auslegung nichts. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte der [X.] die Verfügung vom 26. August 2014 zunächst auch selbst im Sinne einer abschließenden Verbescheidung des [X.] verstanden.

2. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick                      [X.]                       Jurgeleit

          [X.]

Meta

VII ZB 62/14

08.04.2015

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 3. November 2014, Az: 10 U 81/14

§ 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 234 ZPO, § 520 Abs 2 S 2 ZPO, § 520 Abs 2 S 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.04.2015, Az. VII ZB 62/14 (REWIS RS 2015, 12963)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1966 REWIS RS 2015, 12963

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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