ÖFFENTLICHES RECHT POLIZEI- UND ORDNUNGSRECHT STRAFRECHT HAFT SICHERUNGSVERWAHRUNG Hinzufügen
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Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung: Folgenabwägung gebietet keine sofortige Freilassung eines Sicherungsverwahrten - Überwiegen der mit einer Entlassung aus dem Maßregelvollzug verbundenen Gefahren im Hinblick auf das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit - hier: drohende Gefahr der erneuten Begehung schwerer Straftaten
1. Der wegen zahlreicher schwerer Sexualstraftaten vorbestrafte Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die anlässlich seiner letzten Verurteilung vom 2. Februar 1990 wegen versuchter Vergewaltigung und wegen Mordes nachträglich gemäß § 66b Abs. 2 StGB angeordnet worden ist. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich rechtskräftige Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2009 (Individualbeschwerde Nr. 19359/04, [X.]) beantragt er, die Vollziehung der Maßregel im Wege der einstweiligen Anordnung auszusetzen.
2. Nach § 32 [X.] kann das [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Auch in einem Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden (vgl. [X.] 66, 39 <56>; stRspr). Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Etwas anderes gilt nur, wenn sich die Verfassungsbeschwerde von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist. Bei offenem Ausgang des [X.] muss das [X.] hingegen die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. [X.] 87, 334 <338>; 89, 109 <110>; stRspr).
3. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Die aufgeworfenen Rechtsfragen werden im Hauptsacheverfahren zu klären sein.
4. Die danach gebotene Folgenabwägung führt zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. [X.] die einstweilige Anordnung nicht, hätte aber die Verfassungsbeschwerde später Erfolg, so entstünde dem Beschwerdeführer in der Zwischenzeit durch den Vollzug der Sicherungsverwahrung ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Verlust an persönlicher Freiheit. Wenn die einstweilige Anordnung erginge und der Verfassungsbeschwerde später der Erfolg zu versagen wäre, entstünden ebenfalls schwerwiegende Nachteile. Das [X.] hat auf der Grundlage zweier psychiatrischer Sachverständigengutachten nachvollziehbar dargelegt, dass der Beschwerdeführer einen Hang zu schweren Sexualstraftaten (sexueller Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung) habe und deshalb im Falle seiner Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechende Delikte verüben werde, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schweren Schaden nehmen würden. Angesichts der besonderen Schwere der drohenden Straftaten überwiegt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an der Wiedererlangung seiner persönlichen Freiheit.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Meta
30.06.2010
Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer
Ablehnung einstweilige Anordnung
Sachgebiet: BvR
vorgehend BGH, 14. Januar 2010, Az: 1 StR 595/09, Beschluss
Art 2 Abs 2 S 2 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, Art 5 Abs 1 MRK, § 66 Abs 1 StGB, § 67d Abs 2 StGB
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 30.06.2010, Az. 2 BvR 571/10 (REWIS RS 2010, 5303)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 5303
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 571/10, 19.07.2011.
Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 571/10, 30.06.2010.
Bundesgerichtshof, 1 StR 595/09, 14.01.2010.
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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