Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.08.2009, Az. VIII ZB 62/08

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 2067

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[X.] ZB 62/08 vom 18. August 2009 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 18. August 2009 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] Frellesen, die Richterin [X.], [X.] [X.] und die Richterin [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 14. Zivilsenats in [X.] des [X.] vom 21. August 2008 aufgehoben. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des [X.] [X.] vom 18. April 2008 gewährt. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 40.200 •. Gründe: [X.] Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 39.900 • nebst Verzugs-zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe eines Wohnmobils, auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und auf Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch genommen. Das der Klage stattgebende Urteil des [X.] ist der Beklagten am 29. April 2008 zugestellt worden. Die hierge-gen gerichtete Berufung der Beklagten ist am 29. Mai 2008 beim [X.] - 3 - gericht [X.] - Zivilsenate in [X.] - eingegangen. Mit [X.] vom 30. Juni 2008 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine Verlängerung der an diesem Tag ablaufenden Berufungsbegründungsfrist um "4 Wochen bis zum 28. Juli 2008" beantragt. Der nicht unterzeichnete [X.] ist am 30. Juni 2008 (einem Montag) per Telefax beim [X.]. Mit Verfügung vom 1. Juli 2009 hat das [X.] den Prozess-bevollmächtigten der Beklagten auf die fehlende Unterschrift hingewiesen. Ein auf dem Postweg übermittelter, ordnungsgemäß unterzeichneter [X.] ist am 3. Juli 2008 zum [X.] gelangt. Mit per Telefax am 9. Juli 2008 beim [X.] eingegangenem [X.] hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten gegen die Versäu-mung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich erneut um Fristverlängerung bis 28. Juli 2008 nachge-sucht. Mit weiterem [X.] vom 28. Juli 2008, als Fax am gleichen Tag beim [X.] eingegangen, hat die Beklagte die Berufung begründet. 2 Zur Rechtfertigung ihres [X.] hat die Beklagte vorgetragen und glaubhaft gemacht, ihr Prozessbevollmächtigter habe seiner [X.] am 30. Juni 2008 den [X.] diktiert und diese angewiesen, den [X.] fertig zu stellen und vorab per Fax an das [X.] zu versenden. Die Angestellte habe das [X.] zwar weisungsgemäß geschrieben und dem Prozessbevollmächtigten zur Unterzeichnung vorgelegt, dessen weitere Anweisung, den [X.] [X.] per Telefax an das [X.] zu versenden, jedoch fehlerhaft [X.]. Bei der eingesetzten Mitarbeiterin handele es sich um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, die bislang - wie regelmäßige Kontrollen des Pro-zessbevollmächtigten der Beklagten gezeigt hätten - die ihr übertragenen [X.] seit mehr als drei Jahren sorgfältig und fehlerlos ausgeführt habe. Am 3 - 4 - 30. Juni 2008 habe die Kanzleiangestellte versehentlich jedoch nicht den be-reits unterschriebenen [X.] an das [X.] gefaxt, sondern ein nicht unterzeichnetes Doppel als Faxvorlage verwendet. Dieser Fehler sei ihr deswegen unterlaufen, weil sie sich erst nach dem Eintüten des für die Post bestimmten unterschriebenen [X.]es wieder daran erinnert habe, dass der [X.] noch per Fax an das Gericht übermittelt werden müsse. Sie habe daher der Akte ein nicht unterzeichnetes Exemplar des [X.] entnommen und dieses an das [X.] gefaxt. An die Notwendigkeit einer Unterschrift habe sie in diesem Moment nicht mehr gedacht. Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewie-sen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Dabei hat es ausgeführt, das Wiedereinsetzungsgesuch scheitere schon daran, dass die versäumte [X.] - hier die Berufungsbegründung - nicht binnen der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO nachgeholt worden sei (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbe-schwerde. 4 I[X.] Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 5 1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung 6 - 5 - des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angegriffene Entschei-dung verletzt den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Gesetzgeber durch das [X.] vom 24. August 2004 ([X.]) die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO - und damit auch die Antragsfrist nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO - für [X.] von bisher zwei Wochen auf einen Monat verlängert hat (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO). 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Beklagten ist Wieder-einsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie ohne ihr Verschulden daran gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Frage offen gelassen, ob die Fristversäu-mung auf ein der Beklagten zuzurechnendes Verschulden ihres [X.] (§ 85 Abs. 2 ZPO) zurückzuführen ist. Dies ist aufgrund des glaubhaft gemachten Vorbringens der Beklagten zu verneinen. Das Fristver-säumnis beruht ausschließlich auf einem - weder dem Prozessbevollmächtigten noch der von ihm vertretenen [X.] anzulastenden - Fehlverhalten der mit der Fertigung und Versendung des [X.]s vom 30. Juni 2008 beauftragten [X.]. 7 a) Ein Rechtsanwalt hat zwar durch organisatorische Vorkehrungen si-cherzustellen, dass ein fristgebundener [X.] rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierbei hat er zunächst dafür Sorge zu tragen, dass ihm Akten in Verfahren, in denen [X.] oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt [X.]n. Zusätzlich hat er eine Ausgangskontrolle zu schaffen, die gewährleistet, 8 - 6 - dass fristwahrende Schriftsätze tatsächlich rechtzeitig hinausgehen ([X.], [X.] vom 5. März 2008 - [X.] 186/05, NJW-RR 2008, 1160, [X.]. 10; vom 9. November 2005 - [X.] 270/04, [X.], 192, unter 2; jeweils m.w.[X.]). Ein Rechtsanwalt muss aber nicht jeden zur Fristwahrung erforderli-chen Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, ein-fachere Verrichtungen zur selbständigen Erledigung seinem geschulten [X.] zu übertragen ([X.], Beschlüsse vom 3. Dezember 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 576, [X.]. 15; vom 4. April 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1429, [X.]. 7; vom 11. Februar 2003 - [X.], NJW-RR 2003, 935, unter 1; jeweils m.w.[X.]). Dies gilt auch für die Übermittlung eines fristgebundenen [X.]es mittels eines Telefaxgerätes ([X.], Beschlüsse vom 3. Dezember 2007, aaO; vom 4. April 2007, aaO; vom 14. Februar 2006 - [X.], [X.], 1521, [X.]. 12 f. vom 11. Februar 2003, aaO.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. Juli 2007 - [X.] ZB 107/06, juris, [X.]. 4; jeweils m.w.[X.]). aa) Diesen Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nach deren glaubhaft gemachtem Vorbringen genügt. Er hat seiner seit einigen Jahren in seinem Büro tätigen Angestellten, die sich bisher als zuverlässig [X.] hat, die konkrete Einzelanweisung erteilt, das ihr diktierte [X.] nach Unterzeichnung durch den Prozessbevollmächtigten ver-sandfertig zu machen, es jedoch vorab per Fax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Bei Befolgung dieser Anweisung wäre der rechtzeitige Eingang eines formgerechten [X.]s (§ 130 Nr. 6 ZPO) beim [X.] gewährleistet gewesen. Dem Prozessbevollmächtigten der [X.] kann es nicht als schuldhaftes Versäumnis angelastet werden, dass er die Ausführung der ausgegebenen Anweisung nicht überwacht hat. Die seiner Mit-arbeiterin erteilte Weisung, das unterzeichnete [X.] in den [X.] zu geben und es davor ("vorab") - aus Gründen der Fristwahrung - per Fax an das Berufungsgericht zu übermitteln, hatte einfache Aufgaben zum 9 - 7 - Gegenstand. Bei solchen Tätigkeiten darf ein Rechtsanwalt regelmäßig darauf vertrauen, eine ansonsten zuverlässig und sorgfältig arbeitende Bürokraft [X.] sie fehlerfrei erledigen (Senatsbeschluss vom 17. Juli 2007, aaO, m.w.[X.]; [X.], Beschlüsse vom 3. Dezember 2007, aaO; vom 4. April 2007, aaO; vom 11. Februar 2003, aaO; jeweils m.w.[X.]). Ihn trifft keine Verpflichtung, sich [X.] zu vergewissern, ob die Weisung ordnungsgemäß ausgeführt wurde (Senatsbeschluss vom 29. Juli 2003 - [X.] ZB 107/02, [X.], 1650; [X.], Beschlüsse vom 30. Oktober 2008 - [X.], [X.], 296, [X.]. 10; vom 9. Dezember 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 711, unter II; jeweils m.w.[X.]). Dies gilt nicht nur für allgemeine Weisungen, sondern auch und erst recht, wenn - wie hier - eine konkrete mündliche Weisung im Einzelfall erteilt worden ist ([X.], Beschlüsse vom 11. Februar 2003, aaO; vom 3. September 1998, [X.], 1170, unter [X.]; jeweils m.w.[X.]). bb) Ohne Erfolg beanstandet die Beschwerdeerwiderung fehlenden Vor-trag der Beklagten zu einer allgemeinen Ausgangskontrolle bei Faxübersen-dungen. Für den Streitfall ist es unerheblich, ob der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sein Büropersonal allgemein angewiesen hatte, ausgehende Schrift-sätze vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu prüfen (zu diesem Erfordernis vgl. etwa [X.], Beschluss vom 1. Juni 2006 - [X.] 134/05, [X.], 2414, [X.]. 5, m.w.[X.]). Denn allgemeine organisatorische Vorkehrun-gen oder Anweisungen zur Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei bleiben für die Frage eines persönlichen Verschuldens eines Prozessbevollmächtigten dann ohne Bedeutung, wenn der Anwalt - wie hier - eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte ([X.], [X.] vom 11. Februar 2003, aaO; vom 1. Juli 2002 - [X.], NJW-RR 2002, 1289, unter 1; vom 6. Juli 2000 - [X.], [X.], 2823, unter II; jeweils m.w.[X.]). Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte seiner ge-schulten Mitarbeiterin konkret aufgetragen, den vom ihm unterzeichneten [X.] - 8 - verlängerungsantrag vorab per Telefax an das Berufungsgericht zu übersen-den. Wäre die Angestellte dieser Weisung nachgekommen, wäre das Fristver-längerungsgesuch noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist an das zu-ständige Gericht gelangt. Angesichts der klaren Vorgabe, den unterzeichneten Antrag per Telefax an das Berufungsgericht zu senden und danach in den Post-lauf zu geben, bedurfte es nicht daneben noch einer gesonderten Anweisung, nur den ordnungsgemäß unterschriebenen [X.] als Faxvorlage zu ver-wenden (vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 14. Februar 2006, aaO; vom 11. Februar 2003, aaO; jeweils m.w.[X.]). Zudem war der Bürokraft - wie sich aus ihrer eidesstattlichen Versicherung ergibt - die Notwendigkeit der Unterzeich-nung eines per Telefax zu übermittelnden Schriftstücks durchaus bekannt; ihr war dieser Umstand lediglich vorübergehend entfallen. b) Der verspätete Zugang eines ordnungsgemäß unterzeichneten Frist-verlängerungsgesuchs beruht damit ausschließlich auf einem der Beklagten nicht zuzurechnenden Fehlverhalten der [X.] ihres Prozessbevoll-mächtigten. Der Beklagten ist auch nicht als Verschulden anzulasten, dass ihr Prozessvertreter von der Möglichkeit einer Fristverlängerung Gebrauch [X.] hat. Denn dieser durfte - was auch die Beschwerdeerwiderung nicht in Zweifel zieht - darauf vertrauen, dass dem unter Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestellten ersten [X.] stattgegeben wird (Senatsbeschlüsse vom 10. März 2009, [X.] ZB 55/06, NJW-RR 2009, 933, [X.]. 12; vom 11. September 2007 - [X.] ZB 73/05, 11 - 9 - juris, [X.]. 7; [X.], Beschlüsse vom 20. Juni 2006 - [X.], juris, [X.]. 6; vom 4. März 2004 - [X.] 121/03, NJW 2004, 1742, unter 2; jeweils m.w.[X.]). [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 18.04.2008 - 8 O 316/07 - OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 21.08.2008 - 14 U 65/08 -

Meta

VIII ZB 62/08

18.08.2009

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.08.2009, Az. VIII ZB 62/08 (REWIS RS 2009, 2067)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2067

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