Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.03.2015, Az. 8 AZR 67/14

8. Senat | REWIS RS 2015, 13750

STRAFRECHT ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) SCHADENSERSATZ HAFTUNG AUSBILDUNG SCHMERZENSGELD ÜBERWACHUNG STRAFVOLLZUG OBERLANDESGERICHT HAMM

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Gegenstand

Schmerzensgeld und Schadensersatz im Berufsausbildungsverhältnis


Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 20. August 2013 - 13 [X.]/13 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch um die Zahlung eines vom Kläger beanspruchten Schmerzensgeldes sowie um die Feststellung einer weiter gehenden Schadensersatzpflicht des [X.]n.

2

Der Kläger und der [X.] waren als Auszubildende bei einer Firma beschäftigt, die einen Kfz-Handel mit Werkstatt und Lager betreibt. Am Morgen des 24. Februar 2011 arbeitete der damals 19-jährige [X.] an der [X.]. Der damals 17-jährige Kläger, ein weiterer Auszubildender und ein anderer Arbeitnehmer waren im Raum, der Kläger mehrere Meter vom [X.]n entfernt in der Nähe der [X.]. Der [X.] warf mit vom Kläger abgewandter Körperhaltung ein ca. 10 g schweres Wuchtgewicht hinter sich. Dieses traf den Kläger am linken Auge, am Augenlid und an der linken Schläfe. Er wurde in einer Augenklinik behandelt. Im [X.] 2011 und im Frühjahr 2012 unterzog er sich erneut Untersuchungen und Eingriffen, wobei eine Kunstlinse eingesetzt wurde; Einschränkungen aufgrund einer Hornhautnarbe verblieben. Die zuständige Berufsgenossenschaft zahlt dem Kläger seit Juli 2011 aufgrund des Vorfalls eine monatliche Rente iHv. 204,40 Euro.

3

Der Kläger hat behauptet, der [X.] habe das Wuchtgewicht vor dem Wurf vom Boden aufgehoben und aus einer Distanz von ca. 13 m auf ihn geworfen. Der Wurf sei mit [X.] erfolgt, da anders die Weite des Wurfs nicht hätte erreicht werden können. Sämtliche in den von ihm vorgelegten ärztlichen Berichten diagnostizierten Beeinträchtigungen seines linken Auges gingen allein auf die durch den [X.]n am 24. Februar 2011 zugefügte Verletzung zurück. Einen für das Absolvieren der Führerscheinprüfung erforderlichen Sehtest habe er noch am 5. Juni 2010 ohne Weiteres bestanden. Er hat ein Schmerzensgeld von 175.000,00 Euro für angemessen gehalten.

4

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

den [X.]n zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Mai 2011 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass der [X.] verpflichtet ist, ihm alle weiteren, über den nach Ziff. 1 begehrten Anspruch hinausgehenden Schäden aus dem Vorfall vom 24. Februar 2011 zu ersetzen, soweit die Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen sind.

5

Der [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen. Mangels eines Auffangbehältnisses für nicht mehr benötigte Wuchtgewichte seien diese üblicherweise fallengelassen oder zur Seite/nach hinten geworfen worden, um sie abends zusammenzukehren und zu entsorgen. Am Morgen des 24. Februar 2011 habe er sich ebenso verhalten und - während er von der rechten Seite aus über die [X.] gebeugt war - das Wuchtgewicht, das den Kläger traf, hinter sich geworfen, ohne den Kläger vorher wahrgenommen zu haben. Der Wurf sei weder gezielt noch mit [X.] erfolgt. Er habe sich dafür nicht gebückt und ein am Boden liegendes Wuchtgewicht aufgehoben, sondern das Wuchtgewicht aus dem Arbeitsvorgang heraus in der Hand gehabt. Er habe nicht damit gerechnet, eine Person zu treffen oder auch nur treffen zu können. Über sein Verhalten habe er sich keine Gedanken gemacht, da es sich um eine alltägliche Handlungsweise gehandelt habe.

6

Das Arbeitsgericht hat Beweis durch Zeugenvernehmung erhoben. Es hat den [X.]n zur Zahlung von 10.000,00 Euro Schmerzensgeld verurteilt und festgestellt, dass dieser verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Schäden aus dem streitgegenständlichen Schadensereignis zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Dritte übergegangen ist. Einen auf eine monatliche Rentenzahlung gerichteten Antrag hat es abgewiesen. Auf die Berufung beider Parteien hat das [X.] den [X.]n zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 25.000,00 Euro verurteilt. Es hat die Berufung des [X.] im Übrigen und die des [X.]n in vollem Umfang zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des [X.]n hat der Senat die Revision für ihn zugelassen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des [X.]eklagten ist unbegründet. Dem bestehenden Anspruch des [X.] kann § 105 Abs. 1 SG[X.] VII nicht entgegengehalten werden. Die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses sind nicht erfüllt. Der Wurf des [X.]eklagten erfolgte nicht in Ausführung einer betrieblichen Tätigkeit.

8

A. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Anspruch folge aus § 823 Abs. 1 [X.]G[X.] iVm. § 253 Abs. 2 [X.]G[X.]. Der Wurf des [X.]eklagten sei für die erlittene Verletzung des [X.] ursächlich. Nach dem Ergebnis der [X.]eweisaufnahme habe der [X.]eklagte das Wuchtgewicht mit einem gewissen Kraftaufwand hinter sich durch den Arbeitsraum geworfen. Ein 10 g wiegendes Metallstück könne den Raum von ca. 13 m Länge, an dessen einem Ende der [X.]eklagte und an dessen anderem Ende der Kläger stand, nur mit erheblichem Kraftaufwand überbrückt haben. Der eingesetzte Kraftaufwand sei ein Indiz für einen bewusst und gewollt ausgeführten Wurf. Der [X.]eklagte habe auch gewusst, dass der Kläger dort stand. Allerdings scheide ein vorsätzliches Handeln bereits wegen der abgewandten Körperhaltung (Wurf nach hinten) aus. Der [X.]eklagte habe unter [X.]erücksichtigung seines eigenen Vortrags fahrlässig gehandelt, was sich auch aus der Würdigung der [X.]eweisaufnahme ergebe. Ein Haftungsausschluss nach § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 SG[X.] VII komme nicht in [X.]etracht. Der Wurf sei nicht betrieblich veranlasst gewesen. Die Höhe des begehrten Schmerzensgeldes sei mit 25.000,00 Euro anzusetzen, unter [X.]erücksichtigung der Doppelfunktion des Schmerzensgeldanspruchs als Ausgleich für erlittene Unbill und zugleich als Genugtuung.

9

[X.]. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Rechtsfehlerfrei hat das [X.] bezogen auf beide Klageanträge in dem ausgeurteilten Umfang einen Anspruch des [X.] nach § 823 Abs. 1 [X.]G[X.] iVm. § 253 Abs. 2 [X.]G[X.] bejaht. Die dagegen von der Revision vorgebrachten Gesichtspunkte, die sich nicht auf die Höhe des Schmerzensgeldes und den Umfang der Feststellung beziehen, tragen nicht.

1. Der [X.]eklagte bestreitet nicht, dass das Wuchtgewicht, das den Kläger getroffen und verletzt hat, von ihm geworfen worden ist.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das [X.] die Frage eines vorhandenen Entsorgungsbehälters für Wuchtgewichte und die des genauen Hergangs (Wurf direkt aus dem Arbeitsvorgang heraus oder vorheriges Aufheben des [X.]) dahinstehen lassen hat und den Verlauf des Wurfes (insbesondere: direkte Flugbahn oder indirekte nach [X.] an [X.]oden oder Wand) nicht näher durch ein Sachverständigengutachten aufgeklärt hat. Vielmehr habe es nur auf das Ergebnis der [X.]eweisaufnahme bezugnehmend ausgeführt, der [X.]eklagte habe das Wuchtgewicht mit erheblichem Kraftaufwand hinter sich durch den Arbeitsraum geworfen.

Die Schlussfolgerung des [X.]s, darin liege ein Indiz für einen bewusst und gewollt ausgeführten Wurf und für eine zwar nicht vorsätzliche, wohl aber fahrlässige Rechtsgutverletzung ist jedoch rechtsfehlerfrei.

a) Der eigene Vortrag des [X.]eklagten einschließlich seiner Ausführungen im Rahmen der [X.]eweisaufnahme trägt bereits dieses Ergebnis. Zudem hat der [X.]eklagte auf [X.]efragen des Arbeitsgerichts in der [X.] vom 24. Januar 2013 ausgeführt, er habe das Wuchtgewicht „nach hinten geschleudert“.

b) Rechtsfehlerfrei hat das [X.] daraus geschlossen, dass es bei einem Wurf „nach hinten“ mit abgewandtem Körper und mit Kraftaufwand („geschleudert“) für die Annahme der Fahrlässigkeit nicht darauf ankommt, ob die Flugbahn direkt oder indirekt verlaufen ist, ob der [X.]eklagte unmittelbar aus dem Wuchtvorgang heraus geworfen oder zunächst das Wuchtgewicht vom [X.]oden aufgehoben hat und ob ein [X.]ehälter zum Sammeln von [X.] bereitstand. Wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, entspricht das Herumwerfen von [X.] in einem Arbeitsraum, in dem andere Menschen anwesend sind oder mit ihrer Anwesenheit zu rechnen ist, nicht dem erforderlichen Maß an Umsicht und Sorgfalt, das auch von Auszubildenden zu erwarten ist.

Auch wenn unterstellt würde, dass ein [X.]ehälter zum Sammeln von [X.] nicht bereitstand, lässt ein Wurf mit Kraftaufwand (oder gar „schleudern“) „nach hinten“ die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 [X.]G[X.]) außer [X.]. [X.]ei einem Wurf nach hinten mit abgewandtem Körper - also unter Verzicht auf eine Sichtkontrolle des eigenen Tuns - mit Kraftaufwand - also weit entfernt von „fallen lassen“ oder leichtem beiseite Werfen zum Zwecke der Entsorgung - liegt der Eintritt des Schadens nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge (für Letzteres [X.] 24. April 2008 - 8 [X.] - Rn. 53). Es kann dahinstehen, ob es zutrifft, dass die Auszubildenden des Lehrbetriebs „üblicherweise“ und „regelmäßig“ mit nicht mehr benötigten [X.] so oder ähnlich verfuhren. Daraus ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Allein eine Wiederholung fahrlässigen Verhaltens, ggf. durch verschiedene [X.]eteiligte, ändert nichts an der [X.]ewertung. Mit dem in den Wurf gelegten Kraftaufwand hat der [X.]eklagte zudem in erheblichem Maß die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer [X.] gelassen.

Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der [X.]eklagte damals Auszubildender war. Für den vorliegenden Fall ergibt sich weder aus dem Wesen und Zweck des [X.] noch aus dem [X.][X.]iG, dass die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze nicht anzuwenden wären, § 10 Abs. 2 [X.][X.]iG. Vielmehr gehört es zu den in § 13 [X.][X.]iG aufgeführten Pflichten des Auszubildenden, die im Rahmen der [X.]erufsausbildung aufgetragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen, die für die Ausbildungsstätte geltende Ordnung zu beachten und Werkzeug, Maschinen und sonstige Einrichtungen pfleglich zu behandeln.

II. Den Klageansprüchen steht der Haftungsausschluss nach § 105 Abs. 1 SG[X.] VII nicht entgegen. Die schädigende Handlung des [X.]eklagten (kraftvoller Wurf mit Wuchtgewicht) war keine „betriebliche Tätigkeit“, auch nicht eines Auszubildenden.

1. Eine betriebliche Tätigkeit lag nicht vor.

a) Entscheidend für das Vorliegen einer „betrieblichen Tätigkeit“ und das Eingreifen des Haftungsausschlusses iSv. § 105 Abs. 1 Satz 1 SG[X.] VII ist die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers, die ihm von dem [X.]etrieb oder für den [X.]etrieb, in dem sich der Unfall ereignet hat, übertragen war oder die von ihm im [X.] erbracht wurde ([X.] 30. April 2013 - VI ZR 155/12 - Rn. 13; [X.] 22. April 2004 - 8 [X.] - zu II 3 [X.] der Gründe, [X.]E 110, 195; [X.]/[X.] 15. Aufl. [X.] 105 Rn. 3). Eine betriebliche Tätigkeit in diesem Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn eine Aufgabe verrichtet wird, die in den engeren Rahmen des dem Arbeitnehmer zugewiesenen [X.] fällt, denn der [X.]egriff der betrieblichen Tätigkeit ist nicht eng auszulegen. Er umfasst auch die Tätigkeiten, die in nahem Zusammenhang mit dem [X.]etrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen ([X.] 22. April 2004 - 8 [X.] - aaO). Wie eine Arbeit ausgeführt wird - sachgemäß oder fehlerhaft, vorsichtig oder leichtsinnig -, ist nicht dafür entscheidend, ob es sich um eine betriebliche Tätigkeit handelt oder nicht ([X.] 22. April 2004 - 8 [X.] - aaO; 14. März 1967 - 1 [X.] - zu b der Gründe; [X.] 19. Dezember 1967 - VI ZR 6/66 - zu 2 der Gründe; [X.]/v. Koppenfels-Spies 3. Aufl. § 105 [X.] Rn. 3).

Aus der Zugehörigkeit des Schädigers zum [X.]etrieb und einem Handeln im [X.]etrieb des Arbeitgebers allein kann nicht auf eine Schadensverursachung durch eine betriebliche Tätigkeit geschlossen werden. Nicht jede Tätigkeit im [X.]etrieb des Arbeitgebers muss zwingend eine betriebsbezogene sein. Ebenso wenig führt bereits die [X.]enutzung eines [X.]etriebsmittels zur Annahme einer betrieblichen Tätigkeit. Es kommt darauf an, zu welchem Zweck die zum Schadensereignis führende Handlung bestimmt war. Ein Schaden, der nicht in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit verursacht wird, sondern nur bei Gelegenheit der Tätigkeit im [X.]etrieb, ist dem persönlich-privaten [X.]ereich des schädigenden Arbeitnehmers zuzurechnen. Um einen solchen Fall handelt es sich insbesondere, wenn der Schaden infolge einer neben der betrieblichen Arbeit verübten, gefahrenträchtigen Spielerei, Neckerei oder Schlägerei eintritt ([X.] 22. April 2004 - 8 [X.] - zu II 3 [X.] der Gründe, [X.]E 110, 195).

b) Nach diesen Grundsätzen wurde der Schaden nicht durch eine betriebliche Tätigkeit des [X.]eklagten verursacht. Dies ist unabhängig davon, ob der Wurf mit einem Wuchtgewicht erfolgte, das der [X.]eklagte gerade von einem Fahrzeugrad entfernt hatte, also aufgrund des Arbeitsprozesses ohnehin in der Hand hielt, oder ob der [X.]eklagte vor dem Wurf ein auf dem [X.]oden liegendes Wuchtgewicht zum Zwecke des Wurfes aufgehoben hatte.

Wuchtgewichte sind zwar [X.]etriebsmittel, allein deren [X.]enutzung macht eine Tätigkeit jedoch nicht zu einer betrieblichen. Das Anbringen wie auch das Entfernen von [X.] von [X.] gehörte am Morgen des 24. Februar 2011 zur betrieblichen Tätigkeit des [X.]eklagten. Auch das Entsorgen der Wuchtgewichte ist damit verbunden. Falls ein Auffang- oder Sammelbehälter tatsächlich nicht vorhanden gewesen sein sollte, was dahinstehen kann, gehörte auch das Fallenlassen auf den [X.]oden oder womöglich auch ein leichter Wurf auf den [X.]oden („aus dem Weg“) zur betrieblichen Tätigkeit des [X.]eklagten. Eine unsachgemäße oder fehlerhafte, unvorsichtige oder gar leichtsinnige Ausführung würde dann nichts daran ändern, dass eine betriebliche Tätigkeit vorlag.

Um solch eine Situation handelte es sich jedoch am Morgen des 24. Februar 2011 in dem Moment nicht, als der [X.]eklagte das Wuchtgewicht warf, das den Kläger traf und verletzte. Selbst wenn der [X.]eklagte das Wuchtgewicht nicht „extra“ aufgehoben hat, sondern es noch in Ausführung seiner betrieblichen Tätigkeit in der Hand hielt, endete die [X.]etriebsbezogenheit seiner Tätigkeit - oder wurde sie unterbrochen - als er den Wurf „nach hinten“ mit abgewandtem Körper und mit Kraftaufwand („geschleudert“) ausführte. Das Herumwerfen von [X.] in einem Arbeitsraum, in dem andere Menschen anwesend sind oder mit ihrer Anwesenheit zu rechnen ist, noch dazu mit Kraftaufwand, ist keine betriebliche Tätigkeit. Abgesehen von der Frage des Vorsatzes - die das [X.] rechtlich zutreffend und ohne [X.]eanstandung durch die Revision verneint hat - kommt es auf die Frage des Motivs für den Wurf nicht an. [X.] liegt eine neben der betrieblichen Arbeit verübte, gefahrenträchtige Spielerei oder Neckerei unter Auszubildenden. Das unterstreicht die Revision im Ergebnis, wenn sie auf „für Auszubildende typische … gruppendynamische Effekte“ hinweist und bezogen auf die beteiligten Personen insgesamt „eine gewisse (Nach)Lässigkeit bei der Erfüllung ihrer Arbeitsleistung“ konstatiert.

2. Für das Ausbildungsverhältnis im [X.]etrieb gelten keine anderen Maßstäbe als für andere [X.]eschäftigte. Entgegen der Auffassung der Revision gebieten hier weder eine „Unerfahrenheit im beruflichen Alltag“ noch eine „noch nicht vorhandene berufliche Sozialisation“ bei der Haftung besondere Maßstäbe anzuwenden.

a) Weder der Wortlaut von § 105 Abs. 1 SG[X.] VII noch der Sinnzusammenhang oder Zweck enthalten einen Anhaltspunkt dafür, dass der [X.]egriff der betrieblichen Tätigkeit anders aufzufassen wäre, wenn und weil Auszubildende beteiligt sind (vgl. auch [X.] 9. August 1966 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 19, 41 bezogen auf den insoweit wortgleichen § 637 Abs. 1 RVO und minderjährige „Lehrlinge“). Die [X.]eteiligung von Auszubildenden an einem schadensverursachenden Vorfall hat keine [X.]edeutung für die Frage der Einordnung einer Tätigkeit als betriebliche oder nicht-betriebliche.

Zudem reichen das Haftungsprivileg des Arbeitnehmers und die Vorschrift des § 828 Abs. 3 [X.]G[X.] aus, um auch den [X.]esonderheiten des Ausbildungsverhältnisses Rechnung zu tragen und Auszubildende ausreichend zu schützen ([X.] 18. April 2002 - 8 [X.] - zu [X.] b ee der Gründe, [X.]E 101, 107; 7. Juli 1970 - 1 AZR 507/69 -).

b) Anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des [X.] zu § 105 Abs. 1 SG[X.] VII für die Haftungsfreistellung bei [X.]n, zuletzt zur Schulbezogenheit einer Schneeballschlacht unter Schülern an einer in der Nähe einer Schule gelegenen [X.]ushaltestelle ([X.] 15. Juli 2008 - VI ZR 212/07 -).

aa) Im [X.]ereich der [X.] ist für das Merkmal der betrieblichen Tätigkeit danach zu fragen, ob das Handeln des Schädigers „schulbezogen“ war (ua. [X.] 15. Juli 2008 - VI ZR 212/07 - Rn. 11 ff.; 28. April 1992 - VI ZR 284/91 - zu II 1 a der Gründe, zu dem insoweit wortgleichen § 637 Abs. 1 RVO). Daraus folgen bezogen auf die [X.]esonderheiten des Schulbetriebs besondere Maßstäbe. Maßgeblich ist insoweit, ob die Verletzungshandlung auf der typischen Gefährdung aus engem schulischen Kontakt beruht und deshalb einen inneren [X.]ezug zum [X.]esuch der Schule aufweist. Anders als im betrieblichen Zusammenhang sind schulbezogen im Sinne dieser Rechtsprechung insbesondere Verletzungshandlungen, die aus Spielereien, Neckereien und Raufereien unter den Schülern hervorgegangen sind, ebenso Verletzungen, die in Neugier, Sensationslust und dem Wunsch, den Schulkameraden zu imponieren, ihre Erklärung finden; dasselbe gilt für Verletzungshandlungen, die auf übermütigen und bedenkenlosen Verhaltensweisen in einer Phase der allgemeinen Lockerung der Disziplin beruhen (ua. [X.] 15. Juli 2008 - VI ZR 212/07 - Rn. 12).

bb) Diese schulbezogenen Maßstäbe können nicht auf Auszubildende im [X.]etrieb übertragen werden. So machen Verhaltensweisen, die nach der Rechtsprechung zu den [X.]esonderheiten des Schulbetriebs gehören wie Spielereien, Neckereien und Raufereien, im betrieblichen Umfeld gerade keine „betriebliche Tätigkeit“ aus, sondern führen dort zur Einordnung in den persönlich-privaten [X.]ereich. Das hat das [X.] zutreffend erkannt.

Nichts anderes ergibt sich aus der von der Revision angeführten Rechtsprechung des [X.] im Rahmen der Schülerunfallversicherung zu typischen gruppendynamischen Prozessen unter Schülern (ua. [X.] November 2000 - [X.] 2 [X.] -). Auch diese Rechtsprechung betrifft die schulische Situation und eben nicht die betriebliche.

III. Da der genaue Verlauf des Wurfes dahinstehen kann, kommt es auf die diesbezüglich vom [X.]eklagten erhobenen Verfahrensrügen zur weiteren Aufklärung und ggf. [X.]eweiserhebung nicht an. Soweit darüber hinaus fehlende gerichtliche Hinweise nach § 139 ZPO gerügt werden, hat der [X.]eklagte nicht konkret dargelegt, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere welchen tatsächlichen Vortrag er gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen er gemacht hätte.

IV. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    [X.]reinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Volz    

        

    [X.]    

                 

Meta

8 AZR 67/14

19.03.2015

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt, 24. Januar 2013, Az: 19 Ca 4510/12, Urteil

§ 10 Abs 2 BBiG 2005, § 13 BBiG 2005, § 276 Abs 2 BGB, § 823 Abs 1 BGB, § 823 Abs 3 BGB, § 105 Abs 1 SGB 7

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.03.2015, Az. 8 AZR 67/14 (REWIS RS 2015, 13750)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13750

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2 C 40/13

7 Sa 424/14

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