Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.06.2021, Az. 4 AZR 274/20

4. Senat | REWIS RS 2021, 5341

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Gegenstand

Eingruppierung - Beschäftigung als Ausbilder/in in einer Lehr-/Ausbildungswerkstatt


Tenor

I. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 5. März 2020 - 21 Sa 1902/19 - teilweise aufgehoben.

II. Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 3. September 2019 - 58 Ca 16132/18 - teilweise abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 1. Januar 2019 nach der [X.] 9a [X.]/Bund zu vergüten.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.709,73 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2019 zu zahlen.

[X.] Der Kläger hat 20 % der Kosten erster Instanz zu tragen, die Beklagte 80 %. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des [X.] sowie sich daraus ergebende Differenzentgeltansprüche.

2

Der Kläger, der eine Ausbildung zum [X.] absolviert hat, ist seit 1997 in der [X.] [X.] ([X.]) beschäftigt. Im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit ua. der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für die Beschäftigten des [X.] ([X.]/[X.]) und der Tarifvertrag über die Entgeltordnung des [X.] (TV EntgO [X.]).

3

Ab dem 1. Oktober 2012 wurde dem Kläger, der die [X.] abgelegt hat, die Leitung der neu gegründeten [X.] des [X.] auf Dauer übertragen. Er wird seither nach [X.] 7 [X.]/[X.] vergütet.

4

Der Bauhof ist unter anderem für die Wartung und Unterhaltung der technischen Anlagen und Wasserfahrzeuge zuständig. Er ist in mehrere Werkstätten mit insgesamt etwa 80 Beschäftigten untergliedert und verfügt über alle erforderlichen Gewerke. Es gibt dort eine Ausbildungswerkstatt, in der Industriemechaniker und Mechatroniker ausgebildet werden. Der praktische Unterricht in der Ausbildungswerkstatt erfolgt anhand von Ausbildungswerkstücken. Daneben besteht die vom Kläger geleitete [X.], deren Einrichtung ausweislich ihres Konzepts der Vermittlung von Ausbildungsinhalten gemäß dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) dient. Die Auszubildenden sollen in der [X.] mit mehr Verantwortung durch komplexe Aufgaben betraut werden, um so den Erwerb von Handlungskompetenz noch stärker zu fördern und den Gegebenheiten der Wirtschaft anzupassen sowie die Auszubildenden umfassend auf ihr Berufsleben vorzubereiten. Das Konzept nennt die Gruppenarbeit, das Referat, das [X.], das Selbststudium mit praktischen Übungen und die Präsentation als Beispiele für eingesetzte Lehrmethoden. Die [X.] ist nach dem Abbild einer real existierenden Firma, vergleichbar mit einer Werkstatt des Bauhofs aufgebaut, jedoch in die Ausbildungswerkstatt eingegliedert und dieser unterstellt. Vorgesetzter des [X.] ist der Ausbildungsleiter, der gleichzeitig Leiter der Ausbildungswerkstatt ist.

5

In der [X.] werden Auszubildende des dritten und vierten Ausbildungsjahres praktisch ausgebildet. Zu diesem Zweck werden der [X.] Aufträge des Bauhofs zugewiesen, die für die projektbezogene Ausbildung geeignet sind. Die Bearbeitung erfolgt unter Anleitung des [X.] durch eine der [X.] für die Dauer eines Projekts zugeordneten Gruppe von etwa fünf Auszubildenden. In dieser [X.] sind die Auszubildenden fachlich dem Kläger unterstellt. Im Übrigen bleiben sie dem Leiter der Ausbildungswerkstatt unterstellt und nehmen am dortigen theoretischen Unterricht sowie am Berufsschulunterricht teil. Bei der Erledigung der Aufträge werden die Auszubildenden von einem Facharbeiter, bis zu fünf sog. Jungfacharbeitern sowie bei Planungsaufgaben zeitweise von dual Studierenden unterstützt. Bei den Jungfacharbeitern handelt es sich um ehemalige Auszubildende, die nach dem Abschluss ihrer Ausbildung aufgrund tarifvertraglicher Regelungen befristet für zwei Jahre weiterbeschäftigt werden.

6

Die [X.] verfügt über ein Büro für den Kläger und einen Bürocontainer mit zwei Bildschirmarbeitsplätzen für die Projektarbeit. [X.] und Unterweisungen sowie Tätigkeiten, für die eine Werkstatt erforderlich ist, finden in den Räumlichkeiten der Ausbildungswerkstatt statt. Der Kläger nimmt an den Ausbilderberatungen der Ausbildungswerkstatt teil. Der Kläger ist durchschnittlich etwa drei Stunden täglich in seinem Büro tätig. Im Übrigen pendelt er zwischen dem Bürocontainer und der Ausbildungswerkstatt oder fährt mit den Auszubildenden auf die Außenbaustellen. Aufträge des Bauhofs außerhalb der Projektarbeit erledigt der Kläger nur ausnahmsweise bei Havarien oder in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit.

7

Mit Schreiben vom 29. März 2015 hat der Kläger unter Berufung auf § 26 TVÜ-[X.] eine Höhergruppierung in die [X.] 9a [X.]/[X.] ab dem 1. Januar 2014 geltend gemacht. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 30. August 2018 ab.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die von ihm auszuübende Tätigkeit erfülle das [X.] der Fallgruppe 2 der [X.] 9a Teil III Abschnitt 4 der Anlage 1 zum TV EntgO [X.] ([X.] 9a TV EntgO [X.]). Er werde ausschließlich als Ausbilder in einer Ausbildungswerkstatt beschäftigt. Dort vermittle er Ausbildungsinhalte nach dem Ausbildungsrahmenplan und festige die in den ersten beiden Ausbildungsjahren erworbenen theoretischen Kenntnisse in der Praxis der projektbezogenen Ausbildungstätigkeit. Die [X.] sei eine reine Ausbildungswerkstatt, die allein dazu geschaffen worden sei, Auszubildende in der praktischen Arbeit zu unterweisen. Im Übrigen gehöre sie qua Eingliederung zur Ausbildungswerkstatt des Bauhofs.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 1. Januar 2019 nach [X.] 9a des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Bereich des [X.] (TVöD/[X.]) zu vergüten;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.709,73 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der [X.] handle es sich um keine Ausbildungswerkstatt im [X.]. Die dort zu bearbeitenden Projekte dienten nicht allein der Ausbildung, sondern vornehmlich der Erledigung der der [X.] zugewiesenen Aufträge. Bei der Ausbildung handle es sich nur um eine Nebenfunktion. Der Kläger erteile den Auszubildenden lediglich neben seiner handwerklichen Tätigkeit Unterweisungen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.], die auf den [X.]raum ab dem 1. Januar 2015 beschränkt war, zurückgewiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Der Kläger hat für den Streitzeitraum ab dem 1. Januar 2015 einen Anspruch auf Vergütung nach [X.] 9a [X.]/[X.].

I. Die Klage ist zulässig.

1. Es liegt kein Fall einer unzulässigen alternativen Klagehäufung vor (vgl. dazu [X.] 19. November 2019 - 3 [X.] - Rn. 45, [X.]E 168, 345; 2. August 2018 - 6 [X.] - Rn. 18, [X.]E 163, 205). Der Kläger hat in der Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass er seinen Anspruch vorrangig auf die beiderseitige Tarifgebundenheit der Parteien stützt.

2. Der Feststellungsantrag ist als übliche Eingruppierungsfeststellungsklage (vgl. [X.] 16. Dezember 2020 - 4 [X.] - Rn. 10 mwN) zulässig. Nach der auf Hinweis des Senats erfolgten teilweisen Rücknahme der Revision überschneiden sich die [X.]räume zwischen dem Zahlungs- und dem Feststellungsantrag nicht mehr, so dass für diesen das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse in vollem Umfang gegeben ist (vgl. dazu [X.] 25. März 2021 - 6 [X.] - Rn. 17; 13. Mai 2020 - 4 [X.] - Rn. 46 mwN, [X.]E 170, 214).

II. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat seit dem 1. Januar 2015 einen Anspruch auf Vergütung nach [X.] 9a [X.]/[X.]. Er war aufgrund der nicht nur vorübergehenden Übertragung der Tätigkeit als Leiter der [X.] im Jahr 2012 vor Inkrafttreten des TV EntgO [X.] in die Lohngruppe 9 Fallgruppe 4 Buchst. a des Tarifvertrags über das Lohngruppenverzeichnis des [X.]es zum [X.] ([X.]) eingereiht. Diese Lohngruppe wurde zunächst nach § 17 Abs. 7 aF iVm. Anlage 4 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des [X.]es in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-[X.]) der [X.] 9 [X.]/[X.] zugeordnet. Gemäß § 27 Abs. 3 TVÜ-[X.] iVm. Satz 1 Buchst. a des Anhangs zu § 16 [X.]/[X.] in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung wurde der Kläger dann in die [X.] 9a [X.]/[X.] übergeleitet und hat einen Anspruch auf entsprechende Vergütung.

1. Im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit ua. der [X.]/[X.], der TVÜ-[X.] und der TV EntgO [X.]. Für die Eingruppierung des [X.] sind aufgrund seiner seit dem 1. Oktober 2012 unveränderten Tätigkeit im Streitfall gleichwohl noch § 1 Abs. 1 des Tarifvertrags über das Lohngruppenverzeichnis des [X.]es zum [X.]-O (TV Lohngruppen-O-[X.]) iVm. den Bestimmungen des [X.] und den sich aus dessen Anlage 1 ergebenden Lohngruppen und [X.]en in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

a) Nach § 24 TVÜ-[X.] gelten zwar im Grundsatz für die in den [X.]/[X.] übergeleiteten Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis zum [X.] über den 31. Dezember 2013 hinaus fortbesteht und die am 1. Januar 2014 unter den Geltungsbereich des [X.] fallen, ab dem 1. Januar 2014 für Eingruppierungen die §§ 12 und 13 [X.]/[X.].

b) § 25 Abs. 1 TVÜ-[X.] bestimmt aber, dass die Überleitung dieser Beschäftigten für die Dauer ihrer unverändert [X.]n Tätigkeit unter Beibehaltung der bisherigen [X.] erfolgt. Der Antrag des [X.] nach § 26 Abs. 1 TVÜ-[X.] hat hieran nichts geändert, weil sich im Zusammenhang mit der Überleitung keine höhere Eingruppierung ergeben konnte. Das [X.] der [X.] 9a TV EntgO [X.] ist zwar - unabhängig von den veränderten Begrifflichkeiten - nicht vollständig deckungsgleich mit dem [X.] der Lohngruppe 9 Fallgruppe 4 Buchst. a der Anlage 1 zum [X.] (Lohngruppe 9 [X.]). Letzteres verlangt, dass der Arbeiter bei der Erteilung des theoretischen Unterrichts sowie mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht beschäftigt wird, während der TV EntgO [X.] (nur) voraussetzt, dass Beschäftigte bei der Erteilung des theoretischen Unterrichts oder mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht beschäftigt werden (von vollständiger Deckungsgleichheit ausgehend allerdings: Rundschreiben des [X.]es, zit. nach [X.] in Sponer/Steinherr [X.] EntgeltO [X.] Stand März 2021 § 16 TV EntgO [X.] 6.1 [X.]: Rundschreiben Rn. 29). Dennoch liegt kein Fall einer Antragshöhergruppierung gemäß § 26 Abs. 1 TVÜ-[X.] vor. Die begehrte höhere Eingruppierung ergibt sich bereits aus einer fehlerhaften Einreihung des [X.] vor der Überleitung nach dem [X.]. Die Korrektur einer schon nach der bisherigen Vergütungsordnung erfolgten fehlerhaften Eingruppierung war nicht Ziel von § 26 TVÜ-[X.] (vgl. [X.] 28. Februar 2018 - 4 [X.] - Rn. 19 mwN, [X.]E 162, 81). [X.] sind deswegen die tariflichen Einreihungsregelungen des [X.].

2. Die maßgeblichen [X.]e Teil I - Allgemeiner Teil - der Anlage 1 zum [X.] lauten auszugsweise:

        

Lohngruppe 4

        

1       

Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren, die in ihrem oder einem diesem verwandten Beruf beschäftigt werden*

        

…       

        

Lohngruppe 6

        

...     

        

5       

Ferner:

                 

5.1     

Arbeiter mit Ausbildung nach Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 oder 2, die dazu bestellt sind, neben ihrer handwerksmäßigen Tätigkeit den Auszubildenden nach dem Manteltarifvertrag für Auszubildende vom 6. Dezember 1974 in der jeweils geltenden Fassung in Betrieben oder Werkstätten Unterweisungen zu erteilen ([X.]n), soweit nicht höher eingereiht

                 

…       

        
        

Lohngruppe 9

        

…       

        

4       

Arbeiter mit Ausbildung nach Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 oder 2, die

                 

a)    

in Lehrwerkstätten bei der Erteilung des theoretischen Unterrichts sowie mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht beschäftigt werden und daneben handwerksmäßige Arbeiten verrichten ([X.]n),

                 

b)    

…“    

3. Die vom Kläger mit mindestens der Hälfte der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit [X.] Tätigkeit als Leiter der [X.] erfüllt das [X.] der Lohngruppe 9 Fallgruppe 4 Buchst. a [X.].

a) Für die Einreihung ist nach § 2 Abs. 1 [X.] die mit mindestens der Hälfte der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit [X.] Tätigkeit maßgebend, soweit sich aus den [X.]en - wie vorliegend - nichts anderes ergibt. Maßgeblich ist zunächst, ob die Tätigkeit sich als eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit darstellt oder ob es sich um mehrere getrennt zu bewertende [X.] handelt (vgl. dazu [X.] 15. Februar 2006 - 4 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 117, 92). Dabei ist die vom Kläger in seiner Funktion als Leiter der [X.] [X.] Tätigkeit jedenfalls einheitlich zu betrachten, da während dieser (Teil-)Tätigkeit die [X.] untrennbar mit seinen handwerklichen Tätigkeiten verbunden sind, soweit solche anfallen (vgl. zu diesem Aspekt zB [X.] 9. September 2020 - 4 [X.] - Rn. 23 [Praxisanleiter]). Zwar könnte die ausnahmsweise anfallende Erledigung von Aufträgen des Bauhofs außerhalb der Ausbildungstätigkeit im Fall von Havarien oder bei besonderer Eilbedürftigkeit eine zweite Teiltätigkeit darstellen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s macht die Ausbildungstätigkeit aber deutlich mehr als die Hälfte der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des [X.] aus, so dass der genaue Tätigkeitszuschnitt dahinstehen kann.

b) Der Kläger ist Arbeiter iSd. [X.] und hat eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf abgeschlossen. Er erfüllt deshalb das [X.] der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 [X.]. Darüber hinaus ist er dazu bestellt, Auszubildenden Unterweisungen zu erteilen und ist damit [X.] iSd. Lohngruppe 6 Fallgruppe 5.1 [X.]. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

c) Entgegen der Auffassung des [X.]s ist er auch in einer Lehrwerkstatt bei der Erteilung des theoretischen Unterrichts sowie mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht iSd. Lohngruppe 9 [X.] beschäftigt.

aa) Eine Lehr- oder Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne ist gegeben, wenn deren Zweckbestimmung allein oder jedenfalls in erster Linie in der Wahrnehmung von [X.] liegt. Das entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch, der ebenfalls davon ausgeht, dass eine Ausbildungswerkstatt Ausbildungszwecken dient. Diese Anforderung ist nicht erfüllt, wenn in einer Werkstatt mit anderem arbeitsorganisatorischen Zweck im Sinne einer Nebenfunktion auch Auszubildende ausgebildet werden ([X.] 26. April 2017 - 4 [X.] - Rn. 20; ausführlich bereits 25. Mai 1988 - 4 [X.] -).

(1) Soweit der Senat in den genannten Entscheidungen ausgeführt hat, die Lehr- oder Ausbildungswerkstatt müsse „alleine“ Ausbildungszwecken dienen, bedarf dies der Präzisierung. Ziel dieser Formulierung war die Abgrenzung einer Lehr- oder Ausbildungswerkstatt von Werkstätten, in denen mit der Beschäftigung einer überwiegenden Anzahl anderer Mitarbeiter von [X.] unabhängige arbeitsorganisatorische Zwecke verfolgt wurden. In den zu entscheidenden Fallkonstellationen wurden in einer solchen Werkstatt in einem durch einen „weißen Strich“ am Boden abgegrenzten Bereich Auszubildende unterwiesen ([X.] 25. Mai 1988 - 4 [X.] -) oder die Ausbildung erfolgte grundsätzlich neben den normalen Tätigkeiten in einem Bauhof, wobei lediglich ein gesonderter Raum vorhanden war ([X.] 26. April 2017 - 4 [X.] - Rn. 3). Deshalb hat der Senat auch maßgeblich darauf abgestellt, dass die Ausbildung keine bloße Nebenfunktion sein dürfe. Eine Abgrenzung zwischen einer Werkstatt, die Ausbildungszwecken dient und praktisch verwertbare Arbeitsergebnisse hervorbringt, und einer Ausbildungswerkstatt, in der Unterricht nur an Ausbildungsmaterialien stattfindet, ging damit nicht einher.

(2) Eine Lehr- oder Ausbildungswerkstatt im [X.] liegt auch dann vor, wenn die Werkstatt (nur) im Hauptzweck den [X.] dient. Ein solches Verständnis entspricht dem Sinn der Tarifregelung, die [X.] in einer Ausbildungswerkstatt höher zu vergüten als die entsprechenden Tätigkeiten an anderer Stelle (vgl. dazu [X.] 26. April 2017 - 4 [X.] - Rn. 21). Dafür ist unerheblich, ob die von den Auszubildenden im Rahmen ihrer Ausbildung durchzuführenden Arbeiten oder Aufträge für die Arbeitgeberin verwertbar sind und insoweit auch [X.] erfüllt werden. Die Verwertbarkeit der Arbeitsergebnisse kann sogar - wie hier nach dem Konzept der [X.] - gerade deswegen gewollt sein, weil sich so die praktische Ausbildung besonders effektiv gestalten lässt und damit ihrerseits dem Ausbildungszweck dienlich ist.

bb) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der [X.] um eine Lehrwerkstatt im [X.].

(1) [X.] wurde nach dem ihrer Errichtung zugrundeliegenden Konzept eigens geschaffen, um in ihr Auszubildende des dritten und vierten Lehrjahres projektbezogen unter weitgehend realen Bedingungen praktisch auszubilden. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Sie dient damit in erster Linie Ausbildungszwecken. Die Verwertbarkeit der in der [X.] erzielten Arbeitsergebnisse steht dem nicht entgegen. Vielmehr liegt es nahe, Auszubildende in fortgeschrittenen Ausbildungsjahren nicht nur im Zusammenhang mit der Erstellung von Werkstücken „für den Schrottcontainer“ auszubilden, sondern anhand von Aufgaben mit tatsächlich nutz- und verwertbaren Ergebnissen. Geschieht dies nicht - sozusagen nebenbei - im laufenden Arbeitsprozess, sondern in einer eigenständigen, ausbildungsorientierten Struktur, ist die Schaffung verwertbarer Arbeitsergebnisse lediglich ein Nebenziel und nach dem Konzept der [X.] dem Ausbildungsziel klar untergeordnet. Primär dient die Abarbeitung der [X.] - wie nach § 1 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BBiG vorgesehen - dem Ausbildungszweck.

(2) Der Einordnung als „Lehrwerkstatt“ steht nicht entgegen, dass in der [X.] nach den getroffenen Feststellungen bis zu fünf Jungfacharbeiter, zeitweise zwei dual Studierende und ein Facharbeiter beschäftigt werden. In Bezug auf die dual Studierenden werden ebenfalls Ausbildungszwecke verfolgt. Dagegen handelt es sich bei den ([X.] nicht mehr um Auszubildende und es fehlt auch an Feststellungen dazu, ob deren Einsatz vorrangig dem Ausbildungszweck dient. Dies kommt durchaus in Betracht, da die Abarbeitung realer Aufträge im Rahmen der projektbezogenen Ausbildung alleine mit Auszubildenden im Hinblick auf deren Qualifikation und Kapazität wohl nicht möglich sein dürfte. Auch wenn hinsichtlich dieser Beschäftigten andere Zielrichtungen hinzukommen oder überwiegen sollten, ändert sich dadurch nicht die vorwiegend ausbildungsorientierte Zielsetzung der [X.] als arbeitsorganisatorischer Einheit.

(3) Dass die Projektarbeit teilweise außerhalb der Räumlichkeiten der [X.] und der Ausbildungswerkstatt stattfindet, ist entgegen der Auffassung der Beklagten unschädlich. Der Außeneinsatz ist der Art der zu bearbeitenden realen Aufträge geschuldet und findet im Rahmen der ausbildungsorientierten Projektarbeit statt.

cc) Der Kläger ist sowohl mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht als auch mit der Erteilung theoretischen Unterrichts beschäftigt.

(1) Unterricht ist die eigenverantwortliche Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten (vgl. [X.] 13. Januar 2016 - 10 [X.] - Rn. 34). Diese ist nicht nur im Rahmen eines schulischen Unterrichtsbetriebs möglich. Sie kann - anders als das [X.] annimmt - auch während der „Befassung mit Arbeiten“ erfolgen, etwa bei der Herstellung von Werkstücken oder der Durchführung praktischer Übungen. Dies ist für den Berufsschulunterricht und für die betriebliche Ausbildung anerkannt (vgl. [X.] 12. Mai 2016 - 6 [X.] - Rn. 17; 13. Januar 2016 - 10 [X.] - Rn. 34; 21. März 1984 - 4 [X.] - [X.]E 45, 233).

(2) Nach diesen Grundsätzen unterweist der Kläger die Auszubildenden beim praktischen Unterricht. Nach seinem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag, der den Angaben im Konzept [X.] entspricht, vermittelt er den Auszubildenden im Rahmen der Projektarbeit, dh. der praktischen Durchführung der der [X.] zugewiesenen Aufträge, Inhalte nach dem Ausbildungsrahmenplan und festigt darüber hinaus die in den ersten beiden Ausbildungsjahren erworbenen theoretischen Kenntnisse in der Praxis.

(3) Darüber hinaus ist der Kläger mit der Erteilung theoretischen Unterrichts beschäftigt. Das [X.] hat insoweit die maßgeblichen Auftragsunterlagen, auf die sich der Kläger unter anderem stützt, ausdrücklich in Bezug genommen. Gegen diese Feststellungen hat sich die Beklagte nicht gewandt. Danach vermittelt der Kläger den mit den Projekten zusammenhängenden Lernstoff selbst in [X.] oder mit Hilfe von Auszubildendenvorträgen, die entsprechend vorzubereiten sind. Dies deckt sich wiederum mit dem Konzept [X.], in dem ebenfalls das [X.], das Referat und die Präsentation als zum Einsatz kommende Lehrmethoden aufgeführt sind. Dabei handelt es sich um Methoden zur Vermittlung auch theoretischen Wissens. Hinzu kommt, dass die Vermittlung von Fertigkeiten durch praktischen Unterricht häufig ohne die gleichzeitige Vermittlung von theoretischen Kenntnissen kaum möglich ist. So sind zur Herstellung eines Werkstücks zumindest Kenntnisse über die Zusammensetzung des Materials und die Handhabung der Werkzeuge notwendig (vgl. [X.] 21. März 1984 - 4 [X.] - [X.]E 45, 233). Die in der [X.] vermittelten Fertigkeiten im Zusammenhang mit der vollständigen Bearbeitung eines Projekts von der Planung bis zur Berichtserstellung erfordern theoretische Kenntnisse nicht nur zu den einzelnen Arbeitsschritten, sondern auch zur Projektarbeit als solcher. Dass die Auszubildenden weiterhin am theoretischen Unterricht der Ausbildungswerkstatt teilnehmen, steht dem nicht entgegen.

4. Danach ist der [X.], der den [X.]raum vom 1. Januar 2015 bis einschließlich 31. Dezember 2018 umfasst, ebenso begründet wie der Feststellungantrag für die [X.] ab dem 1. Januar 2019. Die Ausschlussfrist des § 37 [X.] hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 29. März 2015 gewahrt (vgl. dazu [X.] 18. September 2019 - 4 [X.] - Rn. 26 ff., [X.]E 168, 13). Die Höhe der geltend gemachten [X.] steht zwischen den Parteien nicht im Streit und beträgt für den Streitzeitraum 21.709,73 Euro brutto. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

III. [X.] folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten erster Instanz anteilig zu tragen, soweit die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts im Hinblick auf Ansprüche aus dem [X.] rechtskräftig geworden ist. Im Übrigen hat die Beklagte die Kosten zu tragen. Soweit der Kläger seine Revision hinsichtlich des [X.] zeitlich beschränkt hat, sind ihm im Hinblick auf die wirtschaftliche Identität mit dem [X.] keine Kosten aufzuerlegen.

        

    W. Reinfelder    

        

    Rinck    

        

    Klug    

        

        

        

    Kümpel    

        

    Th. [X.]    

                 

Meta

4 AZR 274/20

02.06.2021

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 3. September 2019, Az: 58 Ca 16132/18, Urteil

§ 26 Abs 1 TVÜ-Bund, Anl 1 Teil III Abschn 4 Entgeltgr 9a Fallgr 2 TV EntgO Bund

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.06.2021, Az. 4 AZR 274/20 (REWIS RS 2021, 5341)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5341

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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