Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.06.2010, Az. X ZR 51/09

10. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5387

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Gegenstand

Revision gegen eine Verurteilung zur Auskunftserteilung: Berechnung der Revisionsbeschwer des revisionsführenden Beklagten bei zwischenzeitlicher Auskunftserteilung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung; Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts


Leitsatz

1. Gibt der zur Auskunftserteilung verurteilte Beklagte noch vor Abschluss der Tatsacheninstanzen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung Auskunft, ist sein diesbezüglicher Aufwand bei der Berechnung des Wertes der mit seiner Revision geltend zu machenden Beschwer zu berücksichtigen .

2. Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts auch dann zuzulassen, wenn dieser Zulassungsgrund bei Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde vorlag und danach in anderer Sache eine entsprechende Leitentscheidung des Bundesgerichtshofes ergangen ist (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 6. Mai 2004, I ZR 197/03, GRUR 2004, 712; Beschl. v. 8. September 2004, V ZR 260/03, NJW 2005, 154) .

Tenor

Die Beschwer der Beklagten wird auf 25.000 € festgesetzt.

Auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 26. März 2009 wird die Revision gegen dieses Urteil zugelassen, soweit es die Verurteilung zur Auskunftserteilung über den Gewinn und die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten betrifft.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit es ohne Erfolg geblieben ist. Insoweit beträgt der Wert des Beschwerdeverfahrens für die Gerichtskosten bis zu 9.000 € und für die außergerichtlichen Kosten 25.000 € mit der Maßgabe, dass diese im Verhältnis zum Kläger nur in Höhe eines Drittels anzusetzen sind.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein Bauingenieur und früherer Arbeitnehmer der Beklagten, verlangt von dieser die Zahlung einer von ihm und einem Miterfinder getätigten, der Beklagten im Jahre 1993 gemeldeten und von ihr in Anspruch genommenen Erfindung. Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger in Bezug auf das [X.] Patent 44 31 976 und das [X.] Patent 646 677 Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über die [X.] von näher beschriebenen Matten für Erosions- und/oder Drainagezwecke, den damit erzielten Gewinn sowie die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und die einzelnen Lieferungen. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit sie zur Auskunftserteilung über [X.] sowie den Gewinn und die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten verurteilt worden ist.

II.

2

Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

3

1. Die für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels erforderliche Beschwer ist erreicht.

4

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] bemisst sich die Beschwer eines zur Erteilung von Auskünften und Rechnungslegung verurteilten [X.] - abgesehen von etwaigen Geheimhaltungsinteressen, die im Streitfall keine Rolle spielen - nach dem Aufwand an Kosten und Zeit, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs mit sich bringt (vgl. zuletzt [X.], [X.]. v. 22.03.2010 - II ZR 75/09).

5

b) Bei der Bemessung der Beschwer der Beklagten ist auch der Aufwand zu berücksichtigen, der ihr in der Vergangenheit für die Erfüllung ihrer im erstinstanzlichen Urteil titulierten Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten entstanden ist. Die durch eine Verurteilung geschaffene Beschwer entfällt generell nicht, wenn die verurteilte Partei den titulierten Pflichten entspricht, sofern dies - wie im Streitfall - nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt. Das gilt auch dann, wenn die Leistung aus Gründen, die in der Natur des titulierten Anspruchs liegen, auf eine endgültige, nicht mehr rückgängig zu machende Erfüllung hinausläuft, wie es bei einer erteilten Auskunft wesensgemäß der Fall ist, die, anders als etwa ein vereinnahmter Geldbetrag, nicht mehr "zurückgegeben" werden kann. Denn insoweit können dem Vollstreckungsschuldner Ansprüche aus § 717 Abs. 2 ZPO zustehen, die unter dem Gesichtspunkt der Beschwer den durch die Auskunftserteilung entstandenen berücksichtigungsfähigen Kosten entsprechen und an deren Stelle treten. Ob etwas anderes gilt, wenn für die Ansprüche des Vollstreckungsschuldners die Voraussetzungen des § 717 Abs. 3 ZPO gegeben sind, bedarf hier keiner Entscheidung, weil ein solcher Fall nicht vorliegt.

6

c) Ansonsten gehören zu den im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung berücksichtigungsfähigen Kosten im Allgemeinen neben dem Eigenaufwand einschließlich der Ausgaben für Hilfskräfte auch die Angaben fachkundiger Dritter, auf deren Hilfe der Verpflichtete zur Vorbereitung einer zu leistenden Auskunft zurückgreifen darf (vgl. [X.].[X.]. vom 15.02.2000 - [X.] - Urteilsbeschwer bei Stufenklage).

7

Im Streitfall ist es glaubhaft, dass der Aufwand zur Erteilung der titulierten Auskünfte, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, die erforderliche Beschwer erreicht (vgl. zur Schätzung [X.], Urt. vom 24.06.1999 - [X.], [X.], 1037).

8

Allerdings ist der Beschwerdeerwiderung zuzugeben, dass die von der Beklagten eingereichten Rechnungen in den [X.]en [X.] und [X.] und der dazu gehaltene Vortrag für die Glaubhaftmachung ihrer Beschwer unergiebig sind. Die als Anlagekonvolut [X.] überreichten Rechnungen über "patent costs" sind unspezifiziert und können nicht mit hinreichender Tragfähigkeit dem für die hier geschuldete Auskunftserteilung und Rechnungslegung erforderlichen Aufwand zugeordnet werden. Entsprechendes gilt für die Rechnungen im [X.] [X.].

9

Demgegenüber liegt es, soweit es die Rechnung [X.] 3 betrifft, zunächst schon fern, dass diese Rechnung, wie der Kläger mutmaßt, aus reiner Gefälligkeit ausgestellt worden sein könnte. Die Erteilung von Auskünften, wie sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, setzt voraus, dass die entsprechenden geschäftlichen Unterlagen vom Auskunftsschuldner zusammengetragen und aufbereitet werden. Mit Blick auf den [X.] im Streitfall und die weit in die Vergangenheit zurückreichende, vom Auskunftsbegehren umfasste Zeitspanne ist es nachvollziehbar, dass dafür [X.] einen erheblichen zeitlichen Aufwand einsetzen mussten, um die entsprechenden Unterlagen herauszusuchen und aufzubereiten. Entsteht dieser im Konzernverbund aus organisatorischen Gründen primär bei einem anderen Konzernunternehmen, ist eine konzerninterne Regelung, derzufolge dieser Aufwand letztlich von dem Konzernunternehmen getragen werden muss, das die Auskunftserteilung veranlasst, dennoch glaubhaft. Entscheidend für die Erstattungsfähigkeit ist lediglich, dass keine überhöhten Kosten angesetzt werden. Ob der aus der Rechnung [X.] 3 ersichtliche zeitliche Aufwand in vollem Umfang berücksichtigungsfähig ist und inwieweit dabei nach einem Stundensatz von 100 € abgerechnet werden darf, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Ein diesbezüglich mit Blick auf verbleibende Ungewissheiten angemessener Abschlag wird jedenfalls dadurch kompensiert, dass die Rechnung ihrerseits den gesamten Auskunftsaufwand der Beklagten in jedem Fall nicht vollständig abdeckt. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist insoweit deshalb von einem Aufwand von 25.000 € auszugehen.

2. Wegen der von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Frage, ob der Arbeitgeber dem [X.] zum Zwecke der Durchsetzung seines Anspruchs auf eine angemessene Vergütung (§ 9 Abs. 1 ArbEG) Angaben über den erzielten Gewinn einschließlich der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten schuldet, war bei Einlegung des Rechtsmittels im Streitfall der [X.] der Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. ZPO) gegeben, weil der [X.]at die Modifikation seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Rechtsfragen zu erwägen hatte, die auch die Nichtzulassungsbeschwerde im Streitfall aufwirft. Zwar ist dieser [X.] in der Zwischenzeit entfallen, weil der [X.]at zu den zulassungsrelevanten Fragen inzwischen unter Aufgabe früherer Rechtsprechung Stellung genommen hat (vgl. [X.].Urt. v. 17. November 2009 - [X.]/07 - Türinnenverstärkung, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen). Dies steht der Zulassung der Revision in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang jedoch nicht entgegen.

Es ist in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt, dass eine auf den [X.] der grundsätzlichen Bedeutung gestützte Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen ist, wenn dieser [X.] im Zeitpunkt ihrer Einlegung gegeben war und zwischenzeitlich durch eine Entscheidung des [X.] in anderer Sache entfallen ist, sofern nur dem Rechtsmittel weiterhin Erfolgsaussichten beizumessen sind ([X.], [X.]. v. 06.05.2004 - I ZR 197/03, [X.], 712, [X.]. 13). Gleiches gilt in Bezug auf den [X.] der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, wenn eine mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügte Fehlerpraxis des Berufungsgerichts nach Einlegung des Rechtsmittels durch eine Leitentscheidung des [X.] in einer Parallelsache korrigiert worden ist ([X.], [X.]. v. 08.09.2004 - [X.]/03, [X.], 154).

Von dem Grundsatz abzuweichen, dass die Zulassungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde vorliegen müssen, ist in diesen Fallgestaltungen vor allem im Interesse der Vorhersehbarkeit und der [X.] gerechtfertigt. Dem Rechtsmittelführer soll der Rechtsschutz nicht aus Gründen versagt werden, die gänzlich außerhalb seiner Einflussmöglichkeiten liegen und von Zufall geprägt sein können, wie es etwa der Fall ist, wenn der in seiner Sache einschlägige [X.] auch in anderen Fällen verwirklicht ist und die Zulassung davon abhängt, ob die dort Beteiligten ebenfalls Nichtzulassungsbeschwerde bzw. Revision eingelegt haben oder wenn es darauf ankommt, in welchem Verfahren zuerst eine Entscheidung des [X.] ergeht (vgl. [X.], [X.], 154 [X.]. 16-19). Nichts anderes hat für den vorliegend berührten [X.] der Fortbildung des Rechts zu gelten.

3. Im Übrigen ist die Beschwerde zurückzuweisen, weil die Sache insoweit keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten [X.] nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des [X.] nicht erfordern. Von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2, [X.]. ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO; vgl. dazu [X.], [X.]. v. 11.12.2003 - [X.], NJW 2004, 1048).

Scharen                                 [X.]

                    [X.]

Meta

X ZR 51/09

29.06.2010

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 26. März 2009, Az: I-2 U 6/08, Urteil

§ 26 Nr 8 ZPOEG, § 543 Abs 2 Nr 2 Alt 1 ZPO, § 544 Abs 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.06.2010, Az. X ZR 51/09 (REWIS RS 2010, 5387)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5387

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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