Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2010, Az. II ZR 75/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8224

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Gegenstand

(Bemessung der Beschwer eines Rechtsmittels gegen ein Auskunftsurteil: Berücksichtigung nur des eigenen Zeit- und Kostenaufwandes sowie des Geheimhaltungsinteresses)


Leitsatz

1. Für die Bemessung der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft ist auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, sowie auf etwaige Geheimhaltungsinteressen des Verurteilten, nicht aber auf den Wert des Auskunftsanspruchs .

2. Als Stundensatz für den eigenen Zeitaufwand kann der Verurteilte nur den eigenen Aufwand und daher nicht den Stundensatz geltend machen, den er Dritten für seine berufliche Tätigkeit in Rechnung stellt .

3. Ein zu berücksichtigendes Geheimhaltungsinteresse scheidet aus, wenn der Verurteilte Auskünfte der Art, zu deren Erteilung er verurteilt ist, zu Werbezwecken in seinem Internetauftritt nutzt .

Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 22. Januar 2009 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Streitwert: 5.000,00 €

Gründe

1

I. Die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] ist als unzulässig zu verwerfen, da der Wert der Beschwer nicht, wie nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderlich, 20.000,00 € übersteigt.

2

1. Im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft ist für die Bemessung der Beschwer nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, sowie auf etwaige Geheimhaltungsinteressen des Verurteilten, nicht aber auf den Wert des Auskunftsanspruchs. Gegenstand des Rechtsmittels des zur Auskunft Verurteilten ist das Ziel, keine Auskunft erteilen zu müssen. Hat sein dahingehender Antrag Erfolg, spart er die Kosten, die mit der Auskunftserteilung verbunden sind. Allein diese Kostenersparnis zuzüglich des Wertes eines etwaigen [X.] ist Grundlage für die Festsetzung des Werts der Beschwer. Das etwa daneben bestehende Interesse des Verurteilten, die Durchsetzung des Hauptanspruchs zu verhindern, geht über den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung hinaus und hat deshalb außer Betracht zu bleiben (st. Rspr., siehe nur [X.], 85, 87 ff.).

3

2. Gemessen an diesen Grundsätzen haben die [X.] eine den Wert von 20.000,00 € übersteigende Beschwer nicht glaubhaft gemacht.

4

a) aa) Hinsichtlich des behaupteten [X.] der [X.] ist schon nicht ersichtlich, wieso die Feststellung, dass von g. geschlossene Verträge mit [X.] nicht den Geschäftszweig Telekommunikation, IT, Medien und Unterhaltung betreffen, sowie die weitere Feststellung, ob einer der [X.] den jeweiligen Vertrag veranlasst oder daran mitgewirkt hat, mehr als fünf Minuten pro Vertrag in Anspruch nehmen soll. In welchem Geschäftszweig die Verträge geschlossen wurden, ist mit einem Blick in den Vertrag zu sehen. Der Umstand, ob einer der [X.] daran mitgewirkt oder diesen veranlasst hat, lässt sich angesichts des durchaus überschaubaren Rahmens der Vertragsabschlüsse, der sich offensichtlich nach den eigenen Angaben der [X.] nicht annähernd im Bereich von tausend Abschlüssen bewegt, ebenfalls aus der Erinnerung schnell feststellen.

5

Abgesehen davon ist schon nicht glaubhaft gemacht, dass nur die [X.] selbst und nicht etwa ein Mitarbeiter die Verträge darauf durchsehen kann, in welchem Geschäftszweig der Abschluss erfolgte.

6

bb) Verfehlt ist die Ansicht der [X.], sie könnten einen Aufwand von 400,00 € pro Stunde geltend machen. Sie verkennen, dass sie im Rahmen der Beschwer nur den eigenen Aufwand geltend machen können. Bei dem von ihnen geltend gemachten Stundensatz, den sie selbst als "im Drittvergleich ermittelt" bezeichnen, handelt es sich jedoch ersichtlich um den Satz, den sie ihren Auftraggebern/Vertragspartnern in Rechnung stellen würden. Dieser Stundensatz enthält damit nicht nur den eigenen Aufwand der [X.], sondern umfasst zusätzlich u.a. auch den Kostenaufwand des Unternehmens, der betriebswirtschaftlich in die Höhe des Stundensatzes einkalkuliert ist. Dieser nicht auf die berufliche Tätigkeit entfallende Kostenanteil muss daher zur Ermittlung des eigenen Aufwands von dem Stundensatz in Höhe von 400,00 € abgezogen werden, was hier allenfalls zur Rechtfertigung eines Stundensatzes von 100,00 € führt (siehe insoweit bereits [X.].[X.]. v. 11. Februar 2008 - [X.], juris [X.]. 5).

7

cc) Selbst wenn man zu den von den [X.] bisher ermittelten 300 Vertragsabschlüssen noch weitere 200 bei den Tochterunternehmen zugunsten der [X.] hinzunimmt, läge ihr Eigenaufwand damit allenfalls bei ca. 4.000,00 €.

8

b) Soweit die [X.] behaupten, für die Auswertung der Umsatzerlöse und der dahinter stehenden Geschäfte sowie für die Vorlage der entsprechenden Verträge für die Prüfung durch die [X.] und die Rechtsanwälte fielen [X.] á drei Tage á zehn Stunden zu einem Stundensatz von 200,00 € an, ist dieser Aufwand ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.

9

Von den [X.] ist nicht ansatzweise ausgeführt worden, welche Arbeitsschritte mit welchem Inhalt in der Finanzabteilung und dem [X.] durchgeführt werden müssen, um die im Tenor umschriebenen Verträge zu ermitteln. Auch haben sie nicht dargetan, dass für die betriebsintern durchzuführenden Maßnahmen nicht auf personelle und sachliche Ressourcen zurückgegriffen werden kann, die ohnehin vorgehalten werden und deren Bindung anderweitige gewinnbringende Einsatzmöglichkeiten nicht vereitelt (siehe zu diesem Aspekt [X.], [X.]. v. 26. Oktober 2006 - [X.], juris [X.]. 8; v. 8. September 2009 - [X.], juris [X.]. 12).

Hinzu kommt, dass auch hinsichtlich des Stundensatzes lediglich auf einen Drittvergleich abgestellt und nicht ansatzweise dargelegt wird, wieso für derartige, keine besonderen Schwierigkeiten verursachenden und keine besonderen Kenntnisse voraussetzenden Ermittlungen ein Mitarbeiter eingesetzt werden muss, der derartig qualifiziert ist, dass er einen Stundensatz von 200,00 € verdient. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Angaben zu dem Vertragspartner, dem Vertragsgegenstand sowie dem vereinbarten und bezahlten Honorar.

Angesichts dessen kann an Mitarbeiterkosten allenfalls von einem Betrag von 500,00 € ausgegangen werden.

c) Die [X.] haben auch die Erforderlichkeit der Fremdkosten in Form von anwaltlicher Beratung nicht glaubhaft gemacht.

Zwar gehören zu den berücksichtigungsfähigen Kosten des zur Auskunft Verpflichteten neben dem Eigenaufwand auch die Ausgaben für die Inanspruchnahme fachkundiger Dritter. Dies jedoch nur, soweit der Verpflichtete auf deren Hilfe zur Vorbereitung einer nicht ohne weiteres zu leistenden Auskunft zurückgreifen darf ([X.], [X.]. v. 15. Februar 2000 - [X.], [X.], 1111; v. 8. September 2009 - [X.], juris [X.]. 8). Die [X.] haben die Erforderlichkeit nicht dargelegt.

aa) Hinsichtlich der für ihre instanzgerichtlichen Prozessbevollmächtigten behaupteten Beratungskosten in Höhe von 6.250,00 € haben die [X.] nicht ansatzweise substantiiert dargelegt, welche Leistung hierfür erbracht wird bzw. wurde, so dass jegliche Beurteilungsgrundlage für die Erforderlichkeit dieser Beratungsleistungen fehlt.

bb) Soweit die [X.] hinsichtlich einer Anzahl von 50 Verträgen die Erforderlichkeit anderweitiger anwaltlicher Beratung behaupten, ist weder in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung noch in der eidesstattlichen Versicherung nachvollziehbar erläutert, wieso eine solche erforderlich sein soll.

Mit der Formulierung "mit Blick auf die Qualifikation von Geschäften nach 'Auskunft erteilen' oder 'keine Auskunft erteilen' " müsse anwaltlicher Rat eingeholt werden, wird weder begründet noch ist sonst ersichtlich, wieso hierfür die Unterstützung durch einen Anwalt benötigt wird. Liegt ein Geschäftsabschluss von g. betreffend Unternehmensberatung, Mergers und Acquisitions, Corporate Finance, [X.], [X.], [X.] und Portofolio-Prüfungen in Geschäftszweigen außerhalb Telekommunikation, IT, Medien und Unterhaltung vor, der auf Veranlassung oder unter Mitwirkung der [X.] zustande gekommen ist, so können die [X.] die Frage unschwer selbst beantworten, dass sie die Auskunft erteilen müssen. Umgekehrt ist die Frage ebenso eindeutig zu verneinen, wenn sich ein Vertragsabschluss auf die oben genannten vier Geschäftszweige bezieht.

Soweit die [X.] anwaltlichen Beratungsbedarf "mit Blick auf die durch die Auskunftserteilung drohenden Verstöße gegen und Schadensersatzrisiken aus bestehenden Vertraulichkeitsvereinbarungen" geltend machen, fehlt insoweit ersichtlich jede Erforderlichkeit in Bezug auf die von ihnen zu erfüllende Auskunftsverpflichtung. Ebenso wenig wie im Rahmen des bei der Auskunftserteilung zu bewertenden [X.] der Umstand Berücksichtigung findet, dass der Auskunftspflichtige sich bei Offenlegung der zu erteilenden Auskunft gegenüber [X.] haft- oder schadensersatzpflichtig machen könnte (siehe hierzu [X.], Urt. v. 4. Juli 1997 - [X.], NJW 1997, 3246; v. 25. Januar 2006 - [X.], juris [X.]. 5; v. 16. Oktober 2008 - [X.] 138/07, juris [X.]. 3), ist insoweit im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Auskunftserteilung anwaltlicher Rat erforderlich. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung besteht unabhängig von derartigen Folgen im Verhältnis zu [X.].

d) Das Beschwerdevorbringen der [X.] sowie die damit verbundene eidesstattliche Versicherung reichen ebenfalls nicht aus zur Substantiierung eines besonderen, bewertbaren [X.], das - einen Kostenaufwand von 4.500,00 € für die Erteilung der Auskünfte unterstellt - mit einem 15.500,00 € übersteigenden Betrag hätte bewertet werden müssen, um die Mindestbeschwer des § 26 Nr. 8 EGZPO zu erreichen.

Ein Geheimhaltungsinteresse kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann erheblich und damit bewertbar sein, wenn die verurteilte [X.] substantiiert darlegt und glaubhaft macht, dass ihr durch die Erteilung der Auskunft ein konkreter Nachteil droht ([X.]Z 164, 63, 66; [X.], [X.]. v. 16. Oktober 2008 - [X.] 138/07, juris [X.]. 3 m.w.Nachw.). Die [X.] haben einen derartigen konkreten Nachteil nicht glaubhaft gemacht.

Die bloße Behauptung einer Wettbewerbssituation zwischen dem Kläger und g. reicht hierfür schon deshalb nicht aus, weil g. durch die namentliche Benennung ihrer Vertragspartner in ihrem Internetauftritt selbst zum Ausdruck bringen, dass ihnen an der Geheimhaltung der Namen ihrer Vertragspartner - auch im Verhältnis zu den Wettbewerbern - nichts liegt. Hinzu kommt, dass die Auskunftsverpflichtung sich auf abgeschlossene Vertragsverhältnisse aus der Vergangenheit bezieht und jeglicher Vortrag dazu fehlt und es angesichts des [X.] auch nicht ersichtlich ist, dass es sich bei den Vertragspartnern um Unternehmen handelt, hinsichtlich derer, etwa wegen ständiger Geschäftsbeziehungen, überhaupt eine Abwerbung in Betracht kommt.

II. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren orientiert sich an der Streitwertfestsetzung für den [X.] und an der Bewertung des Anteils, mit dem die [X.] unterlegen sind (siehe insoweit [X.], [X.]. v. 26. Oktober 2006 - [X.], juris [X.]. 10; v. 8. September 2009 - [X.], juris [X.]. 21).

Goette                                Strohn                             Caliebe

                  [X.]

Meta

II ZR 75/09

22.03.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 22. Januar 2009, Az: 23 U 4467/08, Urteil

§ 26 Nr 8 ZPOEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2010, Az. II ZR 75/09 (REWIS RS 2010, 8224)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8224

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