Bundessozialgericht, Urteil vom 16.03.2010, Az. B 2 U 8/09 R

2. Senat | REWIS RS 2010, 8460

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Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Hinterbliebenenrente - eingetragener Lebenspartner - Witwer - zeitlicher Anwendungsbereich - Inkrafttreten


Leitsatz

Ein eingetragener Lebenspartner, dessen Partner vor dem 1.1.2005 verstorben ist, hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Das am 1.1.2005 in Kraft getretene Recht, mit dem hinterbliebene Lebenspartner in den Kreis der anspruchsberechtigten Personen einbezogen worden sind, ist seinem zeitlichen Geltungsbereich nach auf Lebenssachverhalte nicht anwendbar, die sich vor seinem Inkrafttreten verwirklicht haben.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft ([X.]) die Zahlung einer Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ([X.]) nach dem Tod seines bei der [X.] versicherten eingetragenen Lebenspartners.

2

Der Kläger betreibt eine Kunstgalerie in [X.] Er ist nicht gesetzlich rentenversichert und hat zu seiner Altersvorsorge Rentenfonds erworben.

3

Der Versicherte war während des Medizinstudiums aushilfsweise als Nachtwache in der Universitätsklinik M. beschäftigt. Bei dieser Tätigkeit zog er sich eine Hepatitis B Infektion zu. Die beklagte [X.] stellte im Bescheid vom 28.12.1982 bei ihm einen Restzustand nach einer Hepatitis B Infektion in der [X.] als Berufskrankheit ([X.]) nach [X.] der Anlage zur [X.] ([X.]V) fest (MdE unter [X.]).

4

Ab Mai 2000 musste der Versicherte wegen einer Leberzirrhose stationär behandelt werden. Die Beklagte stellte im Bescheid vom [X.] als [X.]-Folgen nun eine fortgeschrittene, rekompensierte hepatitische Leberzirrhose ([X.]) mit [X.] und deswegen ab 12.11.1996 ein Recht auf Zahlung von Verletztenrente fest, bis 31.10.2000 nach einer MdE von [X.] und dann nach einer MdE von 80 vH.

5

Am 14.11.2003 erfuhr die Beklagte vom behandelnden Arzt, der Versicherte sei dekompensiert, der Zustand stelle sich als sehr kritisch dar. Die Hepatitiserkrankung stehe eindeutig im Vordergrund, eine Koinfektion mit HIV sei unter Kontrolle, es müsse in Kürze mit dem Ableben des Versicherten gerechnet werden. Am 24.11.2003 schlossen der Kläger und der Versicherte eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Der Versicherte verstarb am 5.2.2004.

6

Am 4.4.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten Hinterbliebenenrente. Diese lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 15.7.2005; Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005).

7

Das Sozialgericht (SG) [X.] hat die Klage mit Urteil vom 16.10.2006 abgewiesen. Der vom Kläger angesprochene § 63 Abs 1a [X.] ([X.]), der seit dem 1.1.2005 gelte, sei auf seinen Fall nicht anwendbar. Nicht möglich sei eine Auslegung der §§ 63 ff [X.] aF in der Weise, dass der verstorbene Lebenspartner als versicherter "Ehegatte" oder der überlebende Lebenspartner als "Witwer" im Sinne des Gesetzes sei. Auch scheide eine analoge Anwendung der Vorschriften auf den eingetragenen Lebenspartner aus.

8

Das [X.] ([X.]) [X.] hat die Berufung durch Urteil vom 17.2.2009 zurückgewiesen. Der eingetragene Lebenspartner eines verstorbenen Versicherten habe keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente gemäß §§ 65 Abs 1 Satz 1 iVm 63 Abs 1a [X.] in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung, wenn der Lebenspartner - wie der Kläger - vor Inkrafttreten des § 63 Abs 1a [X.] verstorben sei. Der Ausschluss von Hinterbliebenenleistungen an Lebenspartner vor diesem [X.]punkt verstoße weder gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) noch gegen Europarecht.

9

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung von §§ 63, 65 [X.] aF sowie von § 63 Abs 1a [X.]. Nach dem Ableben des Versicherten habe er ab 5.2.2004 als hinterbliebener Lebenspartner Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der [X.]. Die Partnerschaft mit dem Versicherten habe 25 Jahre gedauert. In dieser [X.] habe man gemeinsam gewirtschaftet und als Paar zusammengelebt. Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG) habe keine Möglichkeit bestanden, eine Lebenspartnerschaft zu begründen. Nach dessen Inkrafttreten habe es zunächst keinen Anlass gegeben, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. Bei Eintragung als Lebenspartnerschaft im November 2003 sei weder dem Kläger noch dem Versicherten bewusst gewesen, dass Letzterer bald sterben könne. Die ab 1.1.2005 geltende Rechtslage enthalte keine Einschränkung dahingehend, dass sie nur für Versicherungsfälle gelte, in denen der Lebenspartner nach Inkrafttreten der Regelung verstorben sei. Eine solche Auslegung der Vorschrift verletze den allgemeinen Gleichheitssatz. Die Ungleichbehandlung des [X.] im Vergleich zu hinterbliebenen Ehepartnern verletze Art 3 Abs 1 GG, sie dürfe verfassungsrechtlich auf gar keinen Fall mit Art 6 Abs 1 GG gerechtfertigt werden, da die eingetragene Lebenspartnerschaft nach der neueren Rechtsprechung des [X.] ([X.]) in den Schutz des Art 6 Abs 1 GG einzubeziehen sei.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des [X.]s [X.] vom 17.2.2009 und des Sozialgerichts [X.] vom 16.10.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.7.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 5.2.2004 eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Die Lebenspartnerschaft sei der Ehe zwar weitgehend, aber nicht völlig gleichgestellt worden. Der Gesetzgeber müsse beide Institute auch nicht gleich behandeln. Würde - entgegen der Auffassung der Beklagten - eine Anspruchsberechtigung des [X.] aus verfassungsrechtlichen Gründen bejaht, stehe seinem Anspruch der Einwand der Versorgungspartnerschaft entgegen (§ 65 Abs 4 [X.]) .

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet.

Das [X.] hat die Berufung gegen das die [X.]lagen abweisende Urteil des [X.] zu Recht zurückgewiesen. Die Beklagte hat als der für den Versicherten zuständige Unfallversicherungsträger entschieden. Da dieser Versicherte sich die als [X.] festgestellte Infektionskrankheit infolge seiner versicherten Beschäftigung als Nachtwache bei der Universitätsklinik M. zugezogen hat, ist die Beklagte der zuständige Träger (§§ 128 Abs 1 [X.] 1a, 134 Satz 1 [X.]B VII) . Die ablehnende Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 15.7.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 ist rechtmäßig und verletzt daher den [X.]läger nicht in seinen Rechten.

Er verfolgt seinen Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenenrente mit der Anfechtungs- und der mit ihr zulässig kombinierten Leistungsklage. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, nach welchem Recht der geltend gemachte Anspruch zu prüfen ist, sind der [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung (stRspr; vgl B[X.] vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - Juris Rd[X.] 14 mwN) und das dann geltende Bundesrecht, soweit es für den Streitfall Geltung beansprucht.

1. Grundsätzlich ist das vom [X.]läger geltend gemachte Recht nach § 63 Abs 1a [X.]B VII zu beurteilen. Danach gelten die Vorschriften über Hinterbliebenenleistungen an Witwen und Witwer nach §§ 63 ff [X.]B VII auch für Hinterbliebenenleistungen an Lebenspartner. Der zeitliche Geltungsbereich dieser Rechtsnorm erfasst aber den vorliegenden Sachverhalt nicht, denn sie wurde durch Art 5 Abs 35 [X.] 1 des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts ([X.]) vom 15.12.2004 ([X.]) in das [X.]B VII eingefügt und zum 1.1.2005 in [X.] gesetzt (Art 7 Abs 1 aaO) . Das Gesetz bezieht Versicherungs- und Leistungsfälle, die vorher eingetreten sind, nicht ein, denn es enthält keine auf einen [X.]punkt vor seinem Inkrafttreten bezogene Stichtagsregelung und keine Übergangsregelung.

Nach Art 82 Abs 1 [X.] wird ein neues Gesetz erst im [X.]punkt seiner Verkündung im [X.] existent. Das verkündete, aber noch nicht in [X.] getretene Gesetz ist zwar rechtlich existent, übt jedoch noch keine Rechtswirkungen aus. Ihm fehlt die [X.], Rechtsfolgen zu setzen. Erst das Inkrafttreten gemäß Art 82 Abs 2 Satz 1 und 2 [X.] führt zur Wirksamkeit der Geltungsanordnung. Es bestimmt den Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs der Vorschriften, dh den [X.]punkt, ab dem die Rechtsfolgen des Gesetzes für die Normadressaten eintreten und seine Bestimmungen von den Behörden und Gerichten anzuwenden sind. Das Inkrafttreten des verkündeten Gesetzes ist somit Teil seiner normativen Regelung, nämlich derjenigen des zeitlichen Geltungsbereichs (s schon [X.] vom 8.7.1976 - 1 BvL 19/75 [X.] - [X.]E 42, 264, 283; [X.] vom [X.] - [X.]E 63, 343, 353; stRspr; [X.], [X.] - ein Problem des Übermaßes?, in Organisation und Verfahren im Sozialen Rechtsstaat, Festschrift für Schnapp zum 70. Geburtstag, 2008, [X.], 170 mwN) .

Der [X.]läger hat nach § 63 Abs 1a iVm §§ 65, 66 [X.]B VII kein Recht auf eine Hinterbliebenenrente, denn der zu beurteilende Lebenssachverhalt wird von der Vorschrift zeitlich nicht erfasst. Nach den [X.] beanspruchen die durch das [X.] in [X.] gesetzten materiellen Regelungen keine Gültigkeit für Sachverhalte, die sich vor seinem Inkrafttreten verwirklicht haben, denn das [X.] ist ohne Übergangsregelung in [X.] getreten (zur entsprechenden Problematik im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung: B[X.] vom 13.12.2005 - [X.] RA 14/05 R). Unter Geltung des § 63 Abs 1a [X.]B VII, also ab 1.1.2005 hat aber zwischen dem Versicherten und dem [X.]läger keine Lebenspartnerschaft mehr bestanden, da sie mit dem Tod des Versicherten im Febr[X.]r 2004 beendet war, sodass der [X.]läger ab dem 1.1.2005 nicht [X.] des Versicherten geworden ist. Ein Recht auf eine Hinterbliebenenrente konnte schon deshalb nach Maßgabe des § 63 Abs 1a [X.]B VII nicht entstehen ([X.]; vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]B VII - Gesetzliche Unfallversicherung, [X.]ommentar, Stand April 2008, [X.] § 63 Rd[X.] 21a; [X.] in [X.] [X.], [X.]B VII-[X.]ommentar, Stand März 2007, § 63 Rd[X.] 38a; Ricke in [X.]asseler [X.]omm § 63 [X.]B VII Rd[X.] 3a; Holtstraeter in [X.]reikebohm/Spellbrink/[X.], [X.]ommentar zum Sozialrecht, 2009, § 63 [X.]B VII Rd[X.] 15).

2. Soweit der [X.]läger meint, er habe schon nach der bis 31.12.2004 geltenden Fassung der §§ 63 ff [X.]B VII ein Recht auf Hinterbliebenenrente aus der [X.] erlangt, trifft dies nicht zu.

Nach § 63 Abs 1 [X.]B VII idF bis 31.12.2004 haben Hinterbliebene [X.] ([X.] 3) Anspruch auf Hinterbliebenenrenten, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Witwen oder Witwer von Versicherten erhalten eine Witwen- oder Witwerrente, solange sie nicht wieder geheiratet haben (§ 65 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII).

Der [X.]läger ist als eingetragener Lebenspartner nicht "Witwer" eines verstorbenen "Ehegatten" iS des § 65 Abs 1 [X.]B VII. Die Begriffe Witwer und Ehegatte in der genannten Vorschrift beziehen sich ausschließlich auf die Ehe. Die hier fraglichen Regelungen sind als solche mit dem [X.]B VII am [X.] in [X.] getreten. Sie sollen nach dem Willen des [X.] dem zuvor geltenden Recht, hier § 590 Abs 1 Reichsversicherungsordnung, entsprechen (vgl BT-Drucks 13/2204 [X.]) . Da dem Gesetzgeber des [X.]B VII und - erst recht - dem der Vorgängernormen zwar die gesellschaftliche Lebensform der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft bekannt war, er aber das [X.] der eingetragenen Lebenspartnerschaft noch nicht geschaffen hatte, sind die Bedeutungen dieser Ausdrücke nach dem allgemeinen und damaligen wie heutigen gesetzlichen Sprachverständnis zu verstehen. Danach ist ein Witwer oder eine Witwe nur, wer im [X.]punkt des Todes des Ehegatten mit diesem in einer rechtsgültigen Ehe gelebt hat, die nur zwischen Frau und [X.] geschlossen werden und bestehen kann.

Die bis 1.1.2005 geltenden Bestimmungen sind nicht analog auf die eingetragene Lebenspartnerschaft anzuwenden. Es fehlt schon an einer planwidrigen Lücke im früheren Gesetz. Denn der [X.] hatte in [X.]enntnis der gesellschaftlichen Wirklichkeit nichtehelicher, auch gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften die Rechte auf Hinterbliebenenrenten gezielt nur für Witwen und Witwer, frühere Ehegatten, Waisen und Verwandte aufsteigender Linie ausgestaltet. Eine planwidrige Lücke im Gesetz hat sich auch nicht später dadurch ergeben, dass er 2001 das [X.] der eingetragenen Lebenspartnerschaft schuf, um geänderte Auffassungen in der Gesellschaft zu berücksichtigen (vgl B[X.] vom [X.] - B 2 U 19/06 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 23 Rd[X.] 17) . Vielmehr hat der Gesetzgeber, der gerade das neue [X.] geschaffen hatte, keinen sachlichen Grund gesehen, die Rechtsstellung eingetragener Lebenspartner sofort auch im Blick auf Hinterbliebenenrenten aus den Zweigen der Sozialversicherung denjenigen von Ehegatten und bestimmten Verwandten anzugleichen.

3. Weder die Inkrafttretensregelung des [X.] (a) noch die bis 31.12.2004 geltende Rechtslage nach §§ 63 Abs 1, 65 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII (b) verletzen den [X.]läger in seinem Grundrecht aus Art 3 Abs 1 [X.].

Art 3 Abs 1 [X.] , der hier nicht als Willkürverbot, aber auch nicht als Gebot strikt formaler Gleichheit anzuwenden ist, gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber den Gleichheitssatz, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (stRspr; vgl [X.] vom 28.04.1999 - 1 BvR 1926/96 - [X.]E 100, 104, Juris Rd[X.] 69) .

a) Unabhängig davon, dass der [X.]läger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, er greife die Inkrafttretensregelung des Art 7 Abs 1 [X.] nicht als gleichheitswidrig an, ergibt die Prüfung, dass sie verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

[X.] hat zum [X.] das [X.] der eingetragenen Lebenspartnerschaft geschaffen. Durch das [X.] hat er zum 1.1.2005 die Rechtsverhältnisse der eingetragenen Lebenspartnerschaft in verschiedenen Bereichen - [X.] auch in dem Recht der [X.] - an die Rechte und Pflichten von Ehegatten angeglichen. Diese Art der Umsetzung in mehreren gesetzgeberischen Schritten führt zu einer Ungleichbehandlung von Lebenspartnern im Hinterbliebenenrecht des [X.]B VII, je nachdem ob der Partner vor dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am 1.1.2005 oder seither gestorben ist.

Dies verletzt Art 3 Abs 1 [X.] nicht. Mit jedem [X.]punkt des Inkrafttretens eines Gesetzes verbindet sich eine Stichtagswirkung mit der Unterscheidung von altem, nur noch für die in der Vergangenheit liegenden Sachverhalte maßgeblichen Recht und den Personen und Sachverhalten, die ab dem Inkrafttreten vom neuen Recht erfasst werden. Ohnehin darf der Bundesgesetzgeber zur Neuregelung von Rechtsbeziehungen Stichtage einführen, obwohl ein jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl [X.] vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - [X.]E 117, 272, 301 = [X.] 4-2600 § 58 [X.] 7; stRspr). Dies gilt auch bei der Bestimmung des Stichtages des Inkrafttretens des Gesetzes nach Art 82 Abs 2 Satz 1 [X.]. Dabei kommt ihm ein Gestaltungsfreiraum zu, den er aber sachgerecht nutzen muss (vgl [X.] vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 - [X.]E 87, 1, 47 = [X.] 3-5761 Allg [X.] 1). Ihm steht eine angemessene [X.] zu, in der er Erfahrungen sammeln (vgl [X.] vom 10.5.1972 - 1 BvR 286/65 - [X.]E 33, 171, 239 = [X.] [X.] 12 zu Art 12 [X.]) , die Akzeptanz des neuen [X.]s prüfen und nach praktikablen Lösungen für die Einbeziehung in die Sozialleistungssysteme suchen kann (vgl [X.] vom 11.10.1977 - 1 BvL 8/74 - [X.]E 46, 55, 66 = [X.] 4100 § 149 [X.] 1) .

Der [X.] hat durch die Bestimmung des [X.]punkts des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes auf den 1.1.2005 die Grenzen des ihm zukommenden Gestaltungsfreiraums nicht verletzt. Er war verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, das Inkrafttreten der Einführung von Rechten auf Hinterbliebenenrenten aus der ohne Staatsbeteiligung beitragsfinanzierten gewerblichen gesetzlichen Unfallversicherung "rückwirkend" auf den [X.]punkt der Schaffung des [X.] eingetragenen Lebenspartnerschaft zu verlegen. Denn der [X.] hat einen weiten Gestaltungsspielraum, der insbesondere auch die Beurteilung der Frage umfasst, ob es auch für die davon Belasteten sachlich vertretbar und verhältnismäßig ist, eine bestimmte Angleichung an die für Ehegatten gültigen Rechtsvorschriften zu einem bestimmten [X.]punkt vorzunehmen, oder in welchen zeitlichen und sachlichen Stufen dies geschehen soll. Dies gilt gerade dann, wenn er seiner Ansicht nach gewandelten gesellschaftlichen Anschauungen über einander ausschließende Lebensformen, von denen eine nach Art 6 Abs 1 [X.] unter dem besonderen Schutz des Staates steht, unter Beachtung des Vorrangs des [X.] durch sachlich begründete Angleichungen von Rechtspositionen Rechtsgeltung verschaffen will. [X.] hat sich nach einer angemessenen Erfahrungsphase zum 1.1.2005 entschieden, das [X.] eingetragenen Lebenspartnerschaft im Sinne einer weitgehenden Angleichung an die Ehe weiterzuentwickeln. Das überschreitet die Grenzen seines Freiraums durch das sachlich Gebotene und Angemessene nicht.

(b) Auch die bis 31.12.2004 geltende Rechtslage hat den Gleichheitssatz nicht zu Lasten des [X.] verletzt.

Zwar hat der Gesetzgeber bis zum 31.12.2004 die eingetragene Lebenspartnerschaft hinsichtlich der Rechte der Hinterbliebenen in der [X.] nicht mit der Ehe und Verwandten gleichbehandelt, denn die erstgenannte Personengruppe gehörte nicht zu dem nach §§ 63 Abs 1, 65 Abs 1 Satz 1, 66 Abs 1 [X.]B VII anspruchsberechtigten Personenkreis. Jedenfalls für eine Übergangszeit nach Einführung des [X.] eingetragenen Lebenspartnerschaft ist es nicht gleichheitswidrig, die eingetragene Lebenspartnerschaft und die Ehe, zwei Institute, die auch familienrechtlich unterschiedlich ausgestaltet waren und sind, im Bereich des Sozialrechts zunächst weiter unterschiedlich zu behandeln und erst nach einer Übergangsphase eine Angleichung vorzunehmen (vgl oben a).

Für die [X.] bis 31.12.2004 sieht sich der Senat zudem gemäß § 31 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz ([X.]G) an einer anderen Entscheidung gehindert. Das [X.] hat mit Urteil vom 17.7.2002 (1 [X.] [X.] = [X.]E 105, 313) in dem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle ( § 13 [X.] 6 [X.]G iVm Art 93 Abs 1 [X.] 2 [X.] ) festgestellt, dass das LPartG vom 16.2.2001 idF des [X.] mit dem [X.] vereinbar ist. In einem derartigen Verfahren prüft das [X.] die Gültigkeit des ganzen Gesetzes und jeder einzelnen seiner Bestimmungen unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, auch soweit sie von den Antragstellern nicht geltend gemacht worden sind ([X.] vom 23.10.1951 - 2 [X.]/51 - [X.]E 1, 14, 41) . Somit bedeutet der Ausspruch im Urteil vom 17.7.2002 (aaO) , dass das Gesetz mit dem [X.], und zwar auch mit dessen Art 3 Abs 1, vereinbar ist, und dass seine Regelungen, auch wenn sie nicht im Einzelnen in den Entscheidungsgründen benannt werden, im Einklang mit dem [X.] stehen (vgl [X.] vom 17.7.2002 - 1 [X.] [X.] = [X.]E 105, 313; zur Rechtslage vor dem 1.1.2005 auch B[X.] vom 13.12.2005 - [X.] RA 14/05 R - Recht der gesetzlichen Rentenversicherung; [X.] vom 26.1.2006 - 2 C 43/04 - [X.]E 125, 79, 82 - zum Beamtenbesoldungsrecht; [X.] vom 30.11.2004 - [X.]/04 - juris Rd[X.] 22 f - zur Unterscheidung von Ehe und Lebenspartnerschaft) .

Ein anderes Ergebnis lässt sich schließlich nicht aus dem Beschluss des [X.] vom 7.7.2009 (1 BvR 1164/07 - [X.], 37 mit kritischer [X.], aaO, 41) herleiten . Das [X.] hat für einen nach Inkrafttreten des [X.] liegenden Fall entschieden, dass nach der Angleichung der Ansprüche von Ehe- und Lebenspartnern in verschiedenen Rechtsbereichen eine Ungleichbehandlung der eingetragenen Lebenspartner im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung des öffentlichen Dienstes nicht mit Art 3 Abs 1 [X.] vereinbar ist. Die Entscheidung entfaltet zwar ebenfalls Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 [X.]G), allerdings nur für die zur Prüfung gestellte [X.] ab 1.1.2005 und in Bezug auf die für verfassungswidrig erklärten Normen, also das Tarifrecht der Hinterbliebenenversorgung im öffentlichen Dienst. Dass eine Angleichung der Rechte von Lebenspartnerschaften an diejenigen von Eheleuten - entgegen den oben zitierten Entscheidungen - schon vor dem 1.1.2005 geboten gewesen sein könnte, ergibt sich aus der Entscheidung nicht (vgl auch [X.] vom [X.] - 2 BvR 855/06 - NJW 2008, 209) .

Mangels Verletzung von Verfassungsrecht ist auch eine verfassungskonforme Auslegung nicht angezeigt. Die hier streitigen Regelungen verstoßen auch nicht gegen Europäisches Recht (vgl B[X.] vom 29.1.2004 - [X.] RA 29/03 R - B[X.]E 92, 113, 138, Rd[X.] 109 f = [X.] 4-2600 § 46 [X.] 1 Rd[X.] 109 f; vgl auch [X.] vom [X.] - [X.]/06 - juris Rd[X.] 42).

Da ein Recht auf Hinterbliebenenrente nicht besteht, war der von der Beklagten erhobene Einwand der [X.](§§ 65 Abs 4, 63 Abs 1a [X.]B VII) nicht zu prüfen.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 2 U 8/09 R

16.03.2010

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Koblenz, 16. Oktober 2006, Az: S 1 U 361/05, Urteil

§ 63 Abs 1a SGB 7, § 65 Abs 1 SGB 7, § 66 Abs 1 SGB 7, Art 6 Abs 1 GG, Art 82 GG, Art 5 Abs 35 Nr 1 LPartÜAG vom 15.12.2004, Art 7 Abs 1 LPartÜAG vom 15.12.2004, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.03.2010, Az. B 2 U 8/09 R (REWIS RS 2010, 8460)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8460

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 16/09 (Bundesgerichtshof)


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1 BvL 10/00

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