BUNDESGERICHTSHOF (BGH) EHE FAMILIENRECHT SOZIALHILFE BEHINDERUNG SCHEIDUNG Hinzufügen
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Versorgungsausgleich: Ausschluss bei Bezug einer Conterganrente
Der Versorgungsausgleich zugunsten eines contergangeschädigten Ehegatten kann nicht nach § 27 VersAusglG mit der Begründung ausgeschlossen werden, dass der Ausgleichsberechtigte wegen seiner Conterganrente auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen sei.
Der Antrag der Antragstellerin auf Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
I.
Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um Versorgungsausgleich.
Der 1961 geborene Ehemann war in der Ehezeit als Garten- und Landschaftsbauarchitekt selbständig; sein Unternehmen ist mittlerweile insolvent. Zuvor hatte er im Rahmen eines erfolglosen Sanierungsversuchs seine private Altersvorsorge aufgelöst und in das Unternehmen eingebracht. Sonstige Versorgungsanrechte hat der Ehemann in der Ehezeit nicht erworben. Der Ehemann ist [X.]und bezieht eine steuer- und sozialabgabenfreie [X.]von der Beteiligten zu 3 (Contergan-Stiftung), deren Höhe zunächst monatlich 1.116 € betrug und die im Zuge einer erheblichen Anhebung des Rentenniveaus im Jahre 2013 auf mittlerweile monatlich 3.686 € (zuzüglich einer jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 1.840 €) erhöht wurde. Ausgezahlt wird dem Ehemann bis Ende Januar 2016 lediglich ein um monatlich 523,56 € gekürzter Betrag, weil er sich diesen Teilbetrag seiner Rente Anfang der 2000er Jahre kapitalisieren ließ.
Die 1966 geborene Ehefrau ist Krankenschwester. Sie ist schwerbehindert und bezieht neben [X.]aus einer Teilzeitbeschäftigung (15 Wochenstunden) eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie hat in der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben.
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich nach § 27 VersAusglG ausgeschlossen, weil die Ehefrau auf ihre Versorgungsanrechte dringend angewiesen sei und sich die Versorgungssituation des Ehemannes in Ansehung seiner [X.]nicht wesentlich verbessern würde. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das Beschwerdegericht die Entscheidung abgeändert und den Versorgungsausgleich durch interne Teilung der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung zu Lasten der Ehefrau durchgeführt.
[X.]begehrt Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Verfahrenskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 76 Abs. 1 FamFG iVm § 114 ZPO) verspricht.
1. Unbeschadet der für den Senat bindenden Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht stellen sich im vorliegenden Fall keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1FamFG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 4 mwN). [X.]sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft oder schwierig ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. [X.]FamRZ 2010, 1235, 1236).
So liegt der Fall hier nicht.
a) Die [X.]gehört - was nicht in Zweifel gezogen wird - nicht zu den gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechten, weil sie aus [X.]gezahlt wird und weder durch Arbeit noch durch Vermögen erworben worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde deswegen auch lediglich wegen der Frage zugelassen, ob der Bezug einer [X.]im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des [X.]berücksichtigt werden dürfe.
b) Dieser Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten ist.
aa) Gemäß § 18 Abs. 1 [X.]bleiben Leistungen nach dem [X.]bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften und [X.]und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, außer Betracht. Die Aufzählung dieser Gesetze ist - wie die Formulierung "insbesondere" verdeutlicht - nicht abschließend (vgl. BT-Drucks. 15/5654, S. 13) und schließt deshalb das Versorgungsausgleichsgesetz nicht aus. § 18 Abs. 2 Satz 1 [X.]bestimmt darüber hinaus, dass Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, durch das [X.]nicht berührt werden. Im Versorgungsausgleich würde die Ausgleichspflicht des Ehegatten mit den höheren Versorgungsanrechten jedoch durchaus berührt, wenn man (auch) die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten gewährten Leistungen nach dem [X.]zum Anlass nehmen würde, den auf § 1 Abs. 1 VersAusglG beruhenden Anspruch des Contergangeschädigten auf Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte nach § 27 VersAusglG herabzusetzen oder auszuschließen. Zwingende gesetzessystematische Gründe, welche die Schlussfolgerung nahelegen könnten, dass § 18 [X.]der Berücksichtigung von Leistungen nach dem [X.]zumindest bei der Anwendung von Härte- oder Billigkeitsregelungen des bürgerlichen Rechts nicht entgegenstünde, bestehen nicht. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er es - wie beispielsweise in § 11 Satz 4 BEEG und der dort enthaltenen Bezugnahme auf §§ 1579, 1611 Abs. 1 BGB - ausdrücklich anordnen können.
bb) Im Übrigen gehört die [X.]nach allgemeiner Auffassung (Palandt/Brudermüller BGB 73. Aufl. § 1610 a Rn. 3; MünchKommBGB/[X.]6. Aufl. § 1610 a Rn. 10; Soergel/Seibl BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 5; Erman/[X.]BGB 13. Aufl. § 1610 a Rn. 6; Botur in Büte/Poppen/[X.]Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1610 a BGB Rn. 5; NK-BGB/Kath-Zurhorst/[X.]3. Aufl. § 1610 a Rn. 4; Heiß/Heiß in Heiß/[X.]Unterhaltsrecht [Bearbeitungsstand: 2014] 3. Kap. Rn. 111; Breuer/[X.]2007, 223, 226; vgl. auchBT-Drucks. 15/5654, S. 13) zu den Sozialleistungen, die für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens gewährt werden und bei denen gemäß § 1610 a BGB bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruches vermutet wird, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen. Auch wenn die Vorschriften des [X.]keine unmittelbare Verweisung auf § 1610 a BGB enthalten, werden die Grundsätze des § 1610 a BGB auch im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sein, ob der Unterhalt des ausgleichsberechtigten Ehegatten durch anderweitige Einkünfte gedeckt ist (vgl. auch [X.]FamRZ 1995, 1277, 1278). Denn wenn und soweit eine dem [X.]aus [X.]gezahlte Sozialleistung lediglich schadensbedingten Mehraufwand abdecken soll, bezweckt sie keine [X.]Absicherung für Alter oder Invalidität und kann daher auch keinen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen (vgl. bereits Staudinger/[X.]BGB [2000] § 1587 [X.]Rn. 22; Soergel/[X.]BGB 13. Aufl. § 1587 [X.]Rn. 13).
Zwar stellt § 1610 a BGB lediglich eine widerlegbare gesetzliche Vermutung auf, so dass die ausgleichspflichtige Person den Gegenbeweis dafür führen könnte, dass die ausgleichsberechtigte Person, die eine [X.]bezieht, in voller Höhe ihrer Rente tatsächlich keinen durch Körper- und Gesundheitsschaden bedingten Mehrbedarf hat. Gerade diesen Gegenbeweis wollte der Gesetzgeber aber durch die Fassung des § 18 [X.]ausschließen; es sollte ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes klargestellt werden, dass die Leistungen nach dem neuen [X.]"als echte Zusatzleistungen" erhalten bleiben (BT-Drucks. 15/5654, S. 13). Nach diesen Intentionen des Gesetzgebers ist es - trotz der mittlerweile nicht unerheblichen Höhe der Leistungen nach dem [X.]- nicht möglich, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs mit der Begründung abzusehen, die ausgleichsberechtigte Person sei bereits mit ihrer [X.]ausreichend versorgt.
2. Ergeben sich somit keine Rechtsfragen, die einer Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung bedürften, kommt es für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe in der [X.]allein auf die Er-folgsaussichten in der Sache an (Senatsbeschlüsse vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 9 und vom 16. Oktober 2013 - [X.]176/12 - FamRZ 2014, 105 Rn. 36). Diese bestehen nicht.
Dose Schilling Günter
Nedden-Boeger Botur
Meta
16.07.2014
Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZB
vorgehend OLG Bamberg, 24. Februar 2014, Az: 7 UF 188/13
§ 18 ContStifG, § 27 VersAusglG, § 1610a BGB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.07.2014, Az. XII ZB 164/14 (REWIS RS 2014, 4024)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 4024
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
XII ZB 164/14 (Bundesgerichtshof)
XII ZB 673/12 (Bundesgerichtshof)
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