Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.04.2015, Az. XII ZB 252/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12669

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Gegenstand

Versorgungsausgleich: Korrektur nach Gesetzesänderung betreffend den Wegfall des sog. Rentnerprivilegs für den Invaliditätsrente in der Beamtenversorgung beziehenden ausgleichspflichtigen Ehegatten


Leitsatz

Allein die Gesetzesänderung betreffend den Wegfall des sogenannten Rentner- bzw. Pensionistenprivilegs (§ 101 Abs. 3 Satz 1 SGB VI aF, § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG aF) rechtfertigt eine auf § 27 VersAusglG gestützte Korrektur des Versorgungsausgleichs zu Lasten des ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. April 2015, XII ZB 428/12).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. [X.] des [X.] vom 7. April 2014 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

[X.]: 1.170 €

Gründe

I.

1

Die im März 1982 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute wurde auf einen im Mai 2012 zugestellten Scheidungsantrag rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe sind zwei gemeinsame Kinder hervorgegangen, von denen das eine verstorben, das andere nicht mehr unterhaltsbedürftig ist.

2

Der 54-jährige Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) ist Postbeamter, der im Jahr 2004 nach einem Schlaganfall wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde. Er hat in der Ehezeit ein Anrecht auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen in Höhe von 1.289,70 € mit einem Ausgleichswert von 644,85 € erlangt. Daneben hat der Ehemann Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 2,6266 Entgeltpunkten und einem Ausgleichswert von 1,3133 Entgeltpunkten erworben, aus denen er - wegen fehlender Dreifünftelbelegung mit Pflichtbeitragszeiten (§ 43 [X.]) - keine Invaliditätsversorgung beziehen kann.

3

Die 51-jährige Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) hat in der Ehezeit Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 10,5382 Entgeltpunkten mit einem Ausgleichswert von 5,2691 Entgeltpunkten erworben, die zum großen Teil aus Kindererziehungszeiten herrühren.

4

Das Amtsgericht hat den ungekürzten Versorgungsausgleich durchgeführt. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Ehemanns hat das [X.], dessen Entscheidung in [X.], 1463 veröffentlicht ist, den Ausgleichswert der beamtenrechtlichen Versorgung des Ehemanns von 644,85 € auf 486,27 € herabgesetzt und das weitergehende Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns, der weiterhin einen vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs erstrebt.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

6

1. Gemäß § 27 [X.] findet der Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, wenn und soweit er grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die rein schematische Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichwertige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen [X.] zu gewähren, dem Gerechtigkeitsgedanken in unerträglicher Weise widersprechen würde. Die im Verfahren der Rechtsbeschwerde ohnehin nur eingeschränkt überprüfbaren (Senatsbeschlüsse vom 19. September 2012 - [X.] 649/11 - FamRZ 2013, 106 Rn. 16 und vom 30. März 2011 - [X.] 54/09 - FamRZ 2011, 877 Rn. 11 mwN) Erwägungen des [X.] zur Anwendung von § 27 [X.] stehen im Einklang mit den von der Senatsrechtsprechung entwickelten Grundsätzen und lassen keine Rechtsfehler zulasten des Antragsgegners erkennen.

7

a) Es ist für sich genommen noch nicht grob unbillig im Sinne von § 27 [X.], wenn der [X.] über den ungekürzten Versorgungsausgleich daran partizipiert, dass sich der Wert eines in der Ehezeit von dem [X.] erworbenen Anrechts wegen der Besonderheiten des maßgeblichen Versorgungssystems durch den Eintritt der vorzeitigen Invalidität erhöht hat (Senatsbeschluss vom 8. April 2015 - [X.] 428/12 - zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch [X.] FamRZ 2001, 277). Allerdings kann unter [X.] eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs (höchstens) auf den ohne Eintritt der vorzeitigen Invalidität geschuldeten Betrag gerechtfertigt sein, wenn ein ausgleichspflichtiger Beamter wegen Dienstunfähigkeit eine durch beamtenrechtliche Zurechnungszeiten (§ 13 [X.]) erhöhte Invaliditätsversorgung bezieht und der [X.] durch die ungekürzte Teilhabe an diesem Anrecht eine im Verhältnis zum [X.] unverhältnismäßig hohe Altersversorgung erlangen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 8. April 2015 - [X.] 428/12 - zur Veröffentlichung bestimmt mwN; grundlegend Senatsbeschluss [X.], 66, 80 = FamRZ 1982, 36, 41).

8

Auf diese Grundsätze hat sich das Beschwerdegericht bezogen, als es den auf der Grundlage des tatsächlich bezogenen Ruhegehalts ermittelten Ausgleichswert der beamtenrechtlichen Versorgung des Ehemanns (644,85 €) auf den fiktiv ermittelten Wert (486,27 €) herabgesetzt hat, der sich bei einem Verbleib des Ehemanns im aktiven Dienst ergeben hätte. Diese für den Ehemann günstige Beurteilung wird von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen.

9

b) Ein darüber hinaus gehender Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommt nicht in Betracht. Das Beschwerdegericht hat mit Recht und mit zutreffender Begründung erkannt, dass dies im vorliegenden Fall nicht deshalb geboten ist, weil die laufende Invaliditätsversorgung des Ehemanns in der [X.], in der die Ehefrau ihrerseits noch nicht verrentet ist, nicht mehr durch das sogenannte [X.] (§ 57 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF) vor den Auswirkungen des Versorgungsausgleichs geschützt wird.

aa) Zwar schlägt sich infolge der Abschaffung des [X.]s die Kürzung der Versorgung bei dem [X.] vorübergehend noch nicht in der Auszahlung von Versicherungsleistungen an den [X.]n nieder. Dies beruht jedoch auf der dem Versorgungsausgleich zugrundeliegenden Konzeption der sofortigen Verselbständigung der ausgleichsbedingt geteilten Versorgungsanrechte, die infolge der Teilung eigenständigen und voneinander unabhängigen Versicherungsverläufen folgen ([X.] FamRZ 2015, 389, 391; vgl. bereits [X.] [X.], 1259 Rn. 59). Soweit sich aus der Kürzung der laufenden Versorgung deshalb eine Härte für den von der Einbeziehung seiner Versorgungsanrechte in den Versorgungsausgleich betroffenen Rentner oder Pensionär ergibt, liegt diese Härte in dem auf sofortigen und endgültigen Vollzug gerichteten System des Versorgungsausgleichs begründet. Der Senat hat bereits in seiner früheren Rechtsprechung betont, dass [X.] im Versorgungsausgleich keine generelle Korrektur rein systembedingter Belastungen für den ausgleichspflichtigen Ehegatten ermöglichen, sondern - vorbehaltlich sonstiger Herabsetzungsgründe - grundsätzlich erst dann eingreifen können, wenn die Durchführung des ungekürzten Versorgungsausgleichs zu einem erheblichen und damit grob unbilligen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zwischen den Eheleuten führen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2007 - [X.] 68/03 - FamRZ 2007, 627, 629 mwN). Ohne das Vorliegen dieser Voraussetzungen rechtfertigt die Gesetzesänderung daher für sich genommen eine auf § 27 [X.] gestützte Korrektur des Versorgungsausgleichs zu Lasten des [X.]n nicht (Senatsbeschluss vom 8. April 2015 - [X.] 428/12 - zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch [X.] Der Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 558; [X.] FamRZ 2015, 475, 476).

bb) Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt, dass die Durchführung des - restlichen - Versorgungsausgleichs nicht zu einem erheblichen und damit grob unbilligen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zwischen den beteiligten Eheleuten führen würde. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich erst dann der Fall, wenn im [X.]punkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich klar abzusehen ist, dass zum einen der auf Grundlage einer Vorsorgevermögensbilanz insgesamt ausgleichsberechtigte Ehegatte über so hohes Einkommen bzw. Vermögen verfügen wird, dass seine Altersversorgung voll abgesichert ist, während zum anderen der insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte auf die ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (Senatsbeschlüsse vom 8. April 2015 - [X.] 428/12 - zur Veröffentlichung bestimmt; vom 24. April 2013 - [X.] 172/08 - FamRZ 2013, 1200 Rn. 21 und vom 5. November 2008 - [X.] 53/06 - [X.], 303 Rn. 36 mwN).

Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] wird der Vollzug des von ihm angeordneten Versorgungsausgleichs nicht dazu führen, dass der Ehemann mit den ihm verbleibenden Nettobezügen unter das Existenzminimum in Höhe des notwendigen Selbstbehalts eines Nichterwerbstätigen absinkt. Bei seiner Berechnung hat das Beschwerdegericht zu Recht berücksichtigt, dass der Ehemann bei der Beteiligten zu 1 durch einen Antrag nach § 35 [X.] eine (teilweise) Aussetzung der Ruhegehaltskürzung erreichen kann, soweit er aus den ihm im Versorgungsausgleich vonseiten der Ehefrau übertragenen Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung keine (Invaliditäts-)Versorgung zu erlangen vermag. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Annahme des [X.], dass die - derzeit im [X.] stehende - Ehefrau angesichts ihrer eingeschränkten Verdienstmöglichkeiten ihre künftige Versorgung wegen Alters oder Invalidität ohne den Zuerwerb von [X.] im Versorgungsausgleich nicht sicherstellen kann.

2. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesänderung betreffend den Wegfall des sogenannten [X.]s ist durch die Rechtsprechung des [X.] geklärt ([X.] FamRZ 2015, 389 ff.).

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

[X.]                        Günter

             Botur                                 [X.]

Meta

XII ZB 252/14

15.04.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Düsseldorf, 7. April 2014, Az: II-8 UF 77/13, Beschluss

§ 27 VersAusglG, § 101 Abs 3 S 1 SGB 6 vom 20.04.2007, § 57 Abs 1 S 2 BeamtVG vom 16.03.1999, § 1 VAStrRefG, §§ 1ff VAStrRefG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.04.2015, Az. XII ZB 252/14 (REWIS RS 2015, 12669)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12669


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. II-8 UF 77/13

Oberlandesgericht Düsseldorf, II-8 UF 77/13, 07.04.2014.


Az. XII ZB 252/14

Bundesgerichtshof, XII ZB 252/14, 15.04.2015.


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