Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.03.2023, Az. VII ZR 94/22

7. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 1644

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Gegenstand

Voraussetzungen eines Verbraucherbauvertrags; Stellung einer Bauhandwerkersicherheit


Leitsatz

1. Um einen Vertrag mit einem Verbraucher, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird (Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB), handelt es sich nicht, wenn sich der Unternehmer nur zur Herstellung eines einzelnen Gewerks verpflichtet, das im Rahmen des Baus eines neuen Gebäudes zu erbringen ist.

2. Die Ausnahmevorschrift des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB findet in einem solchen Fall ebenfalls keine Anwendung.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 29. März 2022 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 11. März 2021 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass der Rechtsstreit, soweit die Beklagten verurteilt worden sind, in der Hauptsache erledigt ist.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Stellung einer Sicherheit für eine Werklohnforderung.

2

Die beklagten Eheleute ließen als private Bauherren einen Neubau errichten, wobei sie die erforderlichen Gewerke an einzelne Bauunternehmer vergaben. Nach Errichtung des Rohbaus in der [X.] von Januar 2018 bis August 2018 folgten die übrigen Arbeiten bis Januar 2019.

3

Die Klägerin erbrachte von November 2018 bis Januar 2019 aufgrund eines [X.] über die Ausführung von Innenputz- und Außenputzarbeiten auf Einheitspreisbasis mit einer Angebotssumme von 28.699,61 € ihre Leistungen. Auf Abschlagsrechnungen in Höhe von 29.574,80 € leisteten die Beklagten Zahlungen in Höhe von 20.337,61 €.

4

Nach Abzug einer Position forderte die Klägerin die Beklagten mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30. Oktober 2019 zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 8.981,86 € nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 679,10 € unter Fristsetzung bis zum 15. November 2019 auf. Mit Schreiben vom 25. November 2019 wurden die Beklagten zur Leistung einer Sicherheit im Sinne von § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB in Höhe von 9.880,05 € bis zum 5. Dezember 2019 aufgefordert.

5

Die Klägerin hat in erster Instanz die Stellung der geforderten Sicherheit und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 679,10 € nebst Zinsen verlangt. Das [X.] hat mit Urteil vom 11. März 2021 der Klage auf Sicherheitsleistung stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Am 29. März 2021 zahlten die Beklagten einen Betrag in Höhe von 9.880,05 € an die Klägerin. Unter dem 16. April 2021 haben die Beklagten Berufung eingelegt und diese unter dem 14. Juni 2021 begründet. Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Die Beklagten haben der Erledigungserklärung widersprochen. Das Berufungsgericht hat die auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichtete Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin weiterhin mit ihrem Hauptantrag die Feststellung der Erledigung der Hauptsache.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache.

I.

7

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.], 1346 veröffentlicht ist, hat die Klage auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache für unbegründet erachtet. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klage auf Stellung der Bauhandwerkersicherheit ursprünglich zulässig und begründet gewesen sei und sich dann erledigt habe. Die Klage sei von Anfang an unbegründet gewesen.

8

Zutreffend habe das [X.] angenommen, dass die Voraussetzungen für die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gemäß § 650f Abs. 1 [X.] im Grundsatz vorgelegen hätten. Die [X.] der Beklagten hiergegen gingen ins Leere. Streitigkeiten zwischen den Parteien über die Prüffähigkeit der Schlussrechnung, über die Abnahme, über die Mangelfreiheit der erbrachten Werkleistungen und die Befugnis zur Ausführung der Arbeiten durch ein Subunternehmen seien für die Frage, ob der Unternehmer einen Anspruch auf Sicherheitsleistung wegen einer offenen Werklohnforderung hat, ohne Bedeutung, § 650f Abs. 1 Satz 3 und 4 [X.]. Bedenken gegen die Höhe der Sicherheitsleistung bestünden nicht, § 650f Abs. 1 Satz 1 [X.].

9

Es könne dahinstehen, ob durch die erfolgte Zahlung der Beklagten am 29. März 2021 der Vergütungsanspruch der Klägerin durch Erfüllung erloschen sei oder ob die Beklagten die Zahlung lediglich auf die Forderung nach einer Sicherheit geleistet hätten. Jedenfalls bestehe der Sicherungszweck einer noch nicht gezahlten Vergütung im Sinne des § 650f [X.] nicht mehr.

Dem Anspruch auf Sicherheitsleistung gemäß § 650f Abs. 1 [X.] habe aber von Anfang an § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 [X.] entgegengestanden. Die Beklagten als Besteller seien Verbraucher und hätten mit der Klägerin einen Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1 Fall 1 [X.] geschlossen, so dass der Ausnahmetatbestand erfüllt sei.

In Literatur und Rechtsprechung sei umstritten, ob bei einer - wie hier - gewerkeweisen Vergabe von Bauleistungen ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1 Fall 1 [X.] anzunehmen sei. Zwar scheine der Wortlaut des § 650i [X.] "eines neuen Gebäudes" zunächst nicht mit der Vergabe von [X.] in Einklang zu stehen. Dieser Umstand lasse sich jedoch mit einer sprachlichen Ungenauigkeit des Gesetzgebers erklären. Für eine erweiterte Auslegung der Vorschrift spreche, dass durch die Vergabe von [X.] letztlich ebenso das vom Wortlaut des Gesetzes geforderte Ziel der Errichtung "eines neuen Gebäudes" erreicht werde. Nur mit einer erweiterten Auslegung des Gesetzeswortlauts lasse sich auch das gesetzgeberische Ziel des Verbraucherschutzes erreichen. Denn sonst wäre es den bauausführenden Unternehmen durch die Herausnahme von Einzelleistungen oder die Aufspaltung in mehrere Verträge möglich, den Ausschlussgrund des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 [X.] zu umgehen. Da der Verbraucher die Beweislast für das Vorliegen eines [X.] gemäß § 650o [X.] trage, sei er insoweit nicht ausreichend geschützt.

Da das finanzierende Kreditinstitut bei einer Einzelvergabe die Voraussetzungen für eine Finanzierung mindestens ebenso geprüft haben werde wie bei einer Gesamtvergabe und nicht zwingend anzunehmen sei, dass eine Einzelvergabe schlechter finanziert werde als die Gesamtvergabe, bestehe auch auf der Seite des Unternehmers kein erhöhtes Risiko, welches die Forderung nach einer Sicherheitsleistung im Sinne des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 [X.] rechtfertigen würde, so dass es auch keinen Anlass gebe, den Verbraucherbauvertrag im Rahmen dieser Vorschrift anders auszulegen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze sei der abgeschlossene Vertrag als Verbraucherbauvertrag anzusehen. Da der Neubau innerhalb eines Jahres errichtet worden sei, stehe die Beauftragung der Klägerin in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung des Neubaus, was für die Klägerin auch erkennbar gewesen sei.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Klage auf Stellung einer Sicherheit war ursprünglich zulässig und begründet. Die Klägerin hatte gegen die Beklagten einen Anspruch auf Sicherheitsleistung gemäß § 650f Abs. 1 Satz 1 [X.] in der vom [X.] ausgeurteilten Höhe.

a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, § 650f Abs. 1 [X.] fände wegen der Ausnahme des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 [X.] keine Anwendung, trifft nicht zu. Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich nicht - wie in § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 [X.] vorausgesetzt wird - um einen Verbraucherbauvertrag gemäß § 650i [X.].

Nach der gesetzlichen Definition in § 650i Abs. 1 Fall 1 [X.] setzt ein Verbraucherbauvertrag voraus, dass es sich um einen Vertrag mit einem Verbraucher handelt, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird. Dafür genügt es nicht, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernimmt (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juni 2022 - 20 U 8299/21, NZBau 2023, 19, juris Rn. 52 ff. m.w.N.; KG, Urteil vom 16. November 2021 - 21 U 41/21, [X.], 656 = NZBau 2022, 401, juris Rn. 28 ff. m.w.N.; [X.] Bauvertragsrecht/Langjahr, Stand: 31. Juli 2022, § 650i [X.] Rn. 14 m.w.N.).

aa) Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss die Verpflichtung des Unternehmers den Bau eines neuen Gebäudes umfassen. Die von ihm als Erfolg geschuldete Herstellung des versprochenen Werkes (§ 631 Abs. 1 [X.]) in der Form der Herstellung einer Sache (§ 631 Abs. 2 Fall 1 [X.]) muss in dem Bau eines neuen Gebäudes bestehen. Damit reicht es nicht aus, einen Erfolg zu versprechen, der auf einen Teil des Baus eines neuen Gebäudes beschränkt ist. Letzteres ist jedenfalls der Fall, wenn sich der Unternehmer - wie hier - nur zur Herstellung eines einzelnen Gewerks verpflichtet, das im Rahmen des Baus eines neuen Gebäudes zu erbringen ist.

Der Wortlaut der Vorschrift beruht weder auf einem Versehen noch einer Ungenauigkeit des Gesetzgebers. Dieser hat zusammen mit der Einführung von § 650i [X.] die Definition eines Bauvertrags in § 650a [X.] geschaffen. Hierbei hat er davon abgesehen, in § 650i [X.] hinsichtlich des Bauvertragsbegriffs eine Bezugnahme auf § 650a [X.] aufzunehmen, was nahegelegen hätte, wenn er im Verbraucherbauvertrag lediglich einen Spezialfall eines Bauvertrags im Sinne von § 650a [X.] gesehen hätte, an dem auf der einen Seite ein Verbraucher beteiligt ist, der ein neues Gebäude errichten lässt. Vielmehr wird in § 650a [X.] - gerade im Gegensatz zu § 650i [X.] - als Bauvertrag ausdrücklich unter anderem ein Vertrag über die Herstellung eines Bauwerks "oder eines Teils davon" erfasst. Eine weitere abweichende Formulierung findet sich zudem in § 634a Abs. 1 Nr. 2 [X.], der die Verjährung werkvertraglicher Mängelansprüche regelt und dort eine spezielle Verjährungsfrist für Ansprüche "bei einem Bauwerk" vorsieht. Auch diese offene Formulierung, die bei Einführung der §§ 650a und 650i [X.] bereits bestand und dem Gesetzgeber bekannt war, unterscheidet sich wesentlich von der Definition des [X.]. Diese Systematik des Gesetzes spricht damit dafür, dass § 650i Abs. 1 Fall 1 [X.] gerade keine Verträge umfasst, die nur im Zusammenhang mit dem Bau eines Gebäudes ("bei") stehen oder die Verpflichtung zur Herstellung eines Teils dieses Baus enthalten.

bb) Die den Unternehmer eines [X.] treffenden gesetzlichen Pflichten lassen ebenfalls darauf schließen, dass ihnen eine Verpflichtung zum Bau des gesamten Gebäudes und nicht nur von in diesem Zusammenhang zu erbringenden [X.] zu Grunde liegt. Der Unternehmer hat dem Verbraucher grundsätzlich gemäß § 650j [X.] i.V.m. Art. 249 EG[X.] in Textform eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen. Diese muss gemäß Art. 249 § 2 Abs. 1 Satz 1 EG[X.] alle wesentlichen Eigenschaften "des angebotenen Werks" darstellen, mindestens jedoch gemäß Art. 249 § 2 Abs. 1 Satz 2 EG[X.] unter anderem eine allgemeine Beschreibung des herzustellenden Gebäudes ([X.]), Gebäudedaten, Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte (Nr. 3), Angaben zur Beschreibung der Baukonstruktionen aller wesentlichen Gewerke (Nr. 5) sowie Angaben zu Qualitätsmerkmalen, denen das Gebäude genügen muss (Nr. 8), enthalten. Diese Mindestangaben der gemäß § 650k Abs. 1 [X.] grundsätzlich Vertragsbestandteil werdenden Baubeschreibung setzen ersichtlich voraus, dass das angebotene Werk der Bau des gesamten Gebäudes ist; sie machen keinen Sinn bei der Verpflichtung zur Herstellung nur eines einzelnen Gewerks im Zusammenhang mit der Errichtung eines neuen Gebäudes.

cc) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift stützt diese Auslegung. Der Gesetzgeber hat mit den verbraucherschützenden Regelungen eines [X.] eine Lücke in den bisherigen verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften schließen wollen, die nach der Umsetzung der Richtlinie 2011/83/[X.] des [X.] und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher zur Abänderung der [X.] und der Richtlinie 1999/44/EG des [X.] und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des [X.] und des Rates (im Folgenden: Verbraucherrechterichtlinie, ABl. [X.] Nr. L 304, [X.]) aufgrund der dort geregelten Ausnahmevorschrift des Art. 3 Abs. 3 Buchst. f bestand.

Nach Art. 3 Abs. 3 Buchst. f der Verbraucherrechterichtlinie gilt diese Richtlinie unter anderem nicht für Verträge über den Bau von neuen Gebäuden oder erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden. In Umsetzung dieser Bereichsausnahme hat der [X.] Gesetzgeber in § 312 Abs. 2 Nr. 3 [X.] in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (§ 312 Abs. 2 Nr. 3 [X.] a.F.) für "Verträge über den Bau von neuen Gebäuden oder erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden" die Anwendung der Vorschriften über [X.] (§§ 312 bis 312h [X.]) auf § 312a Abs. 1, 3, 4 und 6 [X.] beschränkt und sie im Übrigen ausgeschlossen. Diese Ausnahme wurde von der Rechtsprechung im Sinne des Verbraucherschutzes eng ausgelegt und umfasste beispielsweise nur Verträge über Maßnahmen, die das Grundstück wesentlich umgestalteten und daher den klassischen Immobiliengeschäften gleichgestellt werden konnten (vgl. [X.], Urteil vom 30. August 2018 - [X.] Rn. 16, [X.], 107 = NZBau 2018, 666; BT-Drucks. 18/8486, [X.]). Es wurde dementsprechend auch nicht bezweifelt, dass unter § 312 Abs. 2 Nr. 3 [X.] a.F. keine Verträge fielen, mit denen ein Unternehmer lediglich mit einem einzelnen Gewerk im Rahmen der Errichtung eines Bauwerks beauftragt wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 23. März 2017 - 16 U 153/16, [X.], 142, juris Rn. 5; [X.] in [X.], [X.], 1. Aufl. 2016, [X.] Rn. 25; [X.], [X.], 411, 415; [X.]/[X.], [X.], 76. Aufl. 2017, § 312 Rn. 11; Pause, [X.], 430, 431).

Die mit § 650i [X.] zum 1. Januar 2018 neu geschaffene ergänzende Regelung für die in der Verbraucherrechterichtlinie ausgenommenen Verträge sollte ein als nicht akzeptabel angesehenes Ungleichgewicht ausgleichen: Für kleinere Bauverträge griffen bis dahin die auf die Verbraucherrechterichtlinie zurückgehenden Informationspflichten, für größere mit einem höheren Risiko für den Verbraucher verbundene Verträge dagegen bestanden keine entsprechenden Pflichten, die nunmehr eingeführt werden sollten (BT-Drucks. 18/8468, [X.]). Der Gesetzgeber hat zugleich eine eindeutige und klare Abgrenzung zwischen den in Zukunft unterschiedlich geltenden Regeln vorgenommen. Er hat den Ausnahmetatbestand in § 312 Abs. 2 Nr. 3 [X.] n.F. durch den Verweis auf den Verbraucherbauvertrag ersetzt und dies damit begründet, mit dessen Definition würden genau diejenigen Verträge erfasst, die nach dieser Norm bisher schon vom Anwendungsbereich der Vorschriften über [X.] ausgenommen gewesen seien, so dass damit keine inhaltlichen Änderungen verbunden seien (BT-Drucks. 18/8486, S. 38).

All dies zeigt, dass der Gesetzgeber bei der Definition des [X.] in § 650i [X.] nicht versehentlich oder aus Unachtsamkeit von der in anderen Vorschriften, insbesondere der in § 650a [X.] gewählten Terminologie abgewichen ist, sondern vielmehr bewusst die eigenständige - an den Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 Buchst. f der Verbraucherrechterichtlinie angelehnte - klare Formulierung gewählt hat, nach der sich der Unternehmer zu dem Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet haben muss, und es nicht ausreichen sollte, dass er sich zu einem einzelnen Gewerk, das im Rahmen des Neubauvorhabens erbracht wird, verpflichtet hat.

[X.]) Soweit die Auffassung vertreten wird, der Gedanke des Verbraucherschutzes erfordere es, auch die gewerkeweise vergebenen Leistungen im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes denselben Vorschriften zu unterwerfen wie die Verpflichtung zum Neubau eines Gebäudes (vgl. [X.], Urteil vom 27. April 2021 - 24 U 198/20, [X.], 485 = NZBau 2021, 664, insbes. juris Rn. 75 ff.; [X.] [X.]/[X.], Stand: 1. November 2022, § 650i Rn. 4; [X.]/[X.]/Lenkeit, [X.], 4. Aufl., § 650i [X.] Rn. 23 ff.; [X.] in jurisPK-[X.], 10. Aufl., § 650i Rn. 20; Stretz in Festschrift für Pause, 2022, [X.], 399), hat dies - wie dargelegt - keine Umsetzung im Gesetz gefunden. Hinzu kommt, dass diese rechtspolitische Erwägung auch nicht ohne weiteres im Rahmen einer Auslegung mit eindeutigen Rechtsfolgen verknüpft werden kann, weil die Verbraucherschutzvorschriften bei einem Verbraucherbauvertrag insgesamt nicht ausschließlich als umfassender und günstiger für den Verbraucher angesehen werden können als bei einem Vertrag, für den die Rechte nach der Verbraucherrechterichtlinie gelten (vgl. etwa die Voraussetzungen für eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers nach Widerruf einerseits in § 357a Abs. 2 Satz 1 [X.] und andererseits in § 357e [X.]; vgl. ferner die Widerrufsrechte in § 312g [X.] einerseits und in § 650l [X.] andererseits).

Schließlich verbietet es auch das Gebot der Rechtsklarheit hier in besonderer Weise, den Begriff des [X.] aufgrund einer allgemeinen Zielvorstellung des Verbraucherschutzes zu erweitern, ohne dass dies im Gesetzestext erkennbar wäre. Denn der Unternehmer muss erkennen können, ob und welche Unterrichtungs- und [X.] ihn schon im Vorfeld des Vertrages treffen.

ee) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] (Art. 267 Abs. 3 A[X.]V) zur Beantwortung der Frage, wie die Formulierung "Verträge über den Bau von neuen Gebäuden" in Art. 3 Abs. 3 Buchst. f der Verbraucherrechterichtlinie zur Bestimmung ihrer Bereichsausnahme zu verstehen ist, ist nicht geboten.

Zum einen ist die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] eng auszulegende Bereichsausnahme des Art. 3 Abs. 3 Buchst. f der Verbraucherrechterichtlinie (vgl. [X.], Urteil vom 14. Mai 2020 - [X.]/19 [X.]. 41, [X.] 2020, 749, 753) aufgrund ihres Wortlauts und des [X.] der Verbraucherrechterichtlinie eindeutig dahin auszulegen, dass von ihr keine Verträge über ein einzelnes Gewerk umfasst sind (acte clair). Im Erwägungsgrund 26 wird als Beispielsfall für einen Vertrag über den Bau von neuen Gebäuden der Verkauf noch zu bebauender Liegenschaften genannt.

Zum anderen ist zweifelhaft, ob ein erweitertes Verständnis der Bereichsausnahme in der Verbraucherrechterichtlinie zu einem anderen Ergebnis bei der Auslegung von § 650i Abs. 1 Fall 1 [X.] führte. Denn Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift haben ein klares Ergebnis. Eine abweichende Auslegung unter dem Aspekt richtlinienkonformer Auslegung käme schon deshalb nicht in Betracht, weil dieses Ergebnis auch unter dieser Prämisse eines anderen Verständnisses der Bereichsausnahme richtlinienkonform wäre. Denn der [X.] Gesetzgeber ist weder gehindert, für Verträge, die nicht der Verbraucherrechterichtlinie unterfallen, dieselben Regelungen vorzusehen, noch ist er dazu verpflichtet, für nicht unter die Verbraucherrechterichtlinie fallende Verträge andere Verbraucherschutzvorschriften einzuführen.

b) § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 [X.] kann nicht entsprechend auf Verträge über einzelne Gewerke im Rahmen des Baus eines neuen Gebäudes angewandt werden (a.[X.] in Festschrift für Pause, 2022, [X.], 271 ff.; im Ergebnis auch [X.] Bauvertragsrecht/[X.], Stand: 31. Januar 2023, § 650f [X.] Rn. 18). Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung sind nicht gegeben. Eine planwidrige Gesetzeslücke liegt nicht vor. Die Vorschrift änderte die Ausnahmeregelung von der Verpflichtung zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung gemäß § 648a a.F. [X.], nach der ein Besteller, der eine natürliche Person war und Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses mit oder ohne Einliegerwohnung ausführen ließ, keine Bauhandwerkersicherung stellen musste. Nach der Gesetzesbegründung sollte die Ausnahme an die neue Systematik angepasst werden und durch die Anknüpfung an die Definition des [X.] in § 650h [X.]-E (= § 650i [X.]) für die Praxis mehr Klarheit und Rechtsicherheit hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Vorschrift geschaffen werden (vgl. BT-Drucks. 18/8468, [X.]). Der Gesetzgeber hat gesehen, dass hiermit Änderungen sowohl in Form einer Ausweitung als auch einer Einschränkung verbunden waren (vgl. BT-Drucks. 18/8468, [X.] f.). Soweit er dabei einer Fehleinschätzung hinsichtlich der Reichweite des [X.] unterlegen sein sollte, ändert das nichts daran, dass die gewollte Klarheit und Rechtssicherheit durch den Verweis auf § 650i [X.] im Vergleich zu einem eigenständig zu definierenden Anwendungsbereich verbessert wird.

c) Das Berufungsurteil ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig. Das Berufungsgericht hat zutreffend seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, dass der [X.] ein Bauvertrag gemäß § 650a Abs. 1 Satz 1 [X.] ist und § 650f [X.] Anwendung findet (§ 650a Abs. 1 Satz 2 [X.]). Die Feststellungen des Berufungsgerichts, dass die übrigen Voraussetzungen des § 650f [X.] nach Grund und Höhe vorlagen, sind ebenfalls rechtsfehlerfrei und werden im Revisionsverfahren auch nicht mehr angegriffen.

2. Die Zahlung der Beklagten am 29. März 2021 hat zur Unbegründetheit der Klage geführt; hiermit ist Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache eingetreten.

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob durch die Zahlung der Beklagten am 29. März 2021 der Vergütungsanspruch der Klägerin durch Erfüllung erloschen sei oder ob die Beklagten die Zahlung lediglich auf die Forderung nach einer Sicherheit geleistet hätten. In beiden Fällen ist die Klage unbegründet geworden.

a) Sofern die Klägerin die Zahlung auf den zu sichernden Vergütungsanspruch verrechnen durfte, ist dieser erloschen und damit die Voraussetzung in § 650f Abs. 1 Satz 1 [X.] "noch nicht gezahlte Vergütung" weggefallen.

b) Sofern die Beklagten - wie sie vor dem Berufungsgericht geltend gemacht haben - lediglich auf eine Forderung nach Sicherheit gezahlt haben, ist hierdurch nicht die gemäß § 650f [X.] geschuldete Leistung bewirkt worden, weil die Sicherheit nicht in einer nach § 650f Abs. 2 [X.] oder §§ 232 ff. [X.] vorgesehenen Form erbracht worden ist. Der weiteren Durchsetzung des Anspruchs der Klägerin stand in dieser besonderen Situation jedenfalls § 242 [X.] entgegen. Die Klägerin hatte der Sache nach eine nicht schwächere Sicherheit als geschuldet erhalten, sie war bereit, die Zahlung zu behalten und hat durch ihre Erledigungserklärung selbst zum Ausdruck gebracht, die ihr vom [X.] zugesprochene Sicherheit nicht mehr zu benötigen.

III.

Der Senat kann gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4 ZPO.

[X.]     

      

Halfmeier     

      

Jurgeleit

      

Graßnack     

      

Borris     

      

Meta

VII ZR 94/22

16.03.2023

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Zweibrücken, 29. März 2022, Az: 5 U 52/21, Urteil

§ 312 Abs 2 Nr 3 BGB, § 631 Abs 1 BGB, § 631 Abs 2 BGB, § 650a BGB, § 650f Abs 1 BGB, § 650f Abs 6 S 1 Nr 2 Alt 1 BGB, § 650i Abs 1 Alt 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.03.2023, Az. VII ZR 94/22 (REWIS RS 2023, 1644)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1644

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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