Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2010, Az. VI ZR 212/09

6. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5660

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Gegenstand

Wertpapierhandel: Schutzgesetzcharakter der Pflicht zur getrennten Vermögensverwaltung


Leitsatz

§ 34a Abs. 1 Satz 1 WpHG ist kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB .

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 17. Juni 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Schadensersatz für Verluste aus einer Kapitalanlage bei dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen [X.] (im Folgenden: [X.]). [X.] war im Jahr 1976 gegründet worden und betrieb Termingeschäfte (Futures und Optionen). Sie besaß die Erlaubnis, Finanzkommissionsgeschäfte und [X.] zu erbringen, war jedoch kein [X.].

2

Die Klägerin erklärte am 9. Februar 2005 den Beitritt zum "[X.] Managed Account" ([X.]). Dieses im Jahr 1992 aufgelegte Produkt sah vor, dass [X.] Termingeschäfte nicht im Einzelauftrag der beteiligten Anleger, sondern im eigenen Namen auf Rechnung der Anlegergemeinschaft vornahm, wodurch die einzelnen Anleger am Erfolg oder Misserfolg aller Geschäfte teilnahmen.

3

Am 17. Februar 2005 überwies die Klägerin den Anlagebetrag von 80.000 € zuzüglich eines Agios von 3.200 € von ihrem Konto bei der [X.] auf ein bei der beklagten Sparkasse geführtes Konto der [X.]. Dieses Konto bestand seit 1989 und war im Juni 1999 mit dem Sperrvermerk "Treuhandkonto für Anleger" gekennzeichnet worden. Es handelte sich um ein Sammeltreuhandkonto, auf das eine Vielzahl von Anlegern ihre Einlagen einzahlten und auf dem Gelder verschiedener Anleger gemeinsam verwahrt wurden (Omnibuskonto). Die Zuordnung der Gelder zu den jeweiligen Anlegern erfolgte durch Verwendung von "Kundenreferenznummern".

4

Zur Ausführung der Termingeschäfte bediente sich [X.] ausländischer Broker, bei denen sie im eigenen Namen ein sogenanntes Positionskonto unterhielt. Außerdem unterhielten die ausländischen Broker ein auf [X.] lautendes Konto, auf das die in Geld zu leistenden Margins/Sicherheitsleistungen für die abzuschließenden Termingeschäfte (Futures) gebucht wurden. Ferner wurde bei den Brokern ein Konto unterhalten, auf das ein Teil der Geldreserven des [X.] floss. Alle diese Konten waren als Gemeinschaftstreuhandkonten deklariert und wurden getrennt von Konten der Kunden anderer Geschäftsbereiche der [X.] und von deren eigenen Konten gehalten.

5

Mit [X.] vom 21. März 2000 ordnete das [X.] gestützt auf § 34a Abs. 1 Satz 1 WpHG gegenüber [X.] an, die Verwendung von Kundengeldern im Rahmen des [X.] Managed Account im eigenen Namen für fremde Rechnung einzustellen und künftig zu unterlassen, soweit nicht die Kundengelder unverzüglich getrennt von den Geldern des Unternehmens und von anderen Kundengeldern auf Treuhandkonten bei einem [X.] verwahrt würden. Der dagegen von [X.] eingelegte Widerspruch wurde mit [X.] vom 23. August 2000 zurückgewiesen. Die von [X.] erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Der [X.] ist seit dem Urteil des [X.] vom 24. April 2002 (BVerwGE 116, 198) bestandskräftig.

6

Am 11. März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht [X.] den Geschäftsbetrieb. Am 1. Juli 2005 wurde über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.

7

Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

8

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NJW-RR 2009, 1210 veröffentlicht ist, hat ausgeführt:

9

Die Klägerin, die mit der [X.] nicht in direkten Vertragsverhältnissen stehe, habe gegen diese keinen vertraglichen Schadensersatzanspruch. Aufgrund der Überweisung der Klägerin an die Beklagte sei kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zustande gekommen. Im Überweisungsverkehr würden die Vertragsbeziehungen zwischen den Banken keine Schutzwirkung für Dritte entfalten; einer Einbeziehung des [X.] in den Schutzbereich des Vertrages bedürfe es nicht, weil der Überweisende durch andere Ansprüche hinreichend geschützt sei.

Im Überweisungsverkehr träfen ein Kreditinstitut nur ausnahmsweise Warn- und Schutzpflichten zugunsten des [X.], so etwa wenn das Kreditinstitut aufgrund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hege, dass ein Kunde einen anderen bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat schädigen wolle. Diese Voraussetzungen seien bei der [X.] nicht erfüllt gewesen, weil sie keinen vollständigen Überblick über die Handelsaktivitäten der [X.] gehabt habe; allein aus dem Führen eines unzulässigen Omnibuskontos könne nicht mit hinreichender Sicherheit auf die Begehung einer Straftat geschlossen werden.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] scheide bereits deshalb aus, weil diese Vorschrift kein Schutzgesetz sei. An die Einordnung eines Gesetzes als Schutzgesetz seien hohe Anforderungen zu stellen. Die [X.] müssten mit Ansprüchen gemäß §§ 823 Abs. 1 bzw. 826 [X.] vergleichbar sein. Es müsse ein [X.] Verhalten vorliegen, das eine Sanktion erfordere. Dies sei beim Führen eines Omnibuskontos nicht der Fall. Eine solche Kontoführung müsse nicht zwangsläufig zu einer Schädigung der Anleger führen. Der primäre Unrechtsgehalt liege nicht im Verhalten der kontoführenden Bank, sondern in der Handlungsweise des [X.]; dieses könne vom Kunden regelmäßig vertraglich und deliktisch in Anspruch genommen werden.

Es liege zudem keine Beihilfe im Sinne von § 830 Abs. 2 [X.] zu von Mitarbeitern der [X.] begangenen angeblichen unerlaubten Handlungen vor. In der hier in Rede stehenden Konstellation der "neutralen Beihilfe", in der Hilfeleistungen durch die alltägliche Berufsausübung erfolgen, reiche es für das erforderliche vorsätzliche Mitwirken an der Verletzungshandlung in Form der billigenden Inkaufnahme nicht aus, die Tatumstände und die potentielle Gefährdungslage zu kennen. Es sei vielmehr der Wille des Gehilfen festzustellen, die fremde Tat zu fördern, wobei die [X.] von einem auf Rechtsgutsverletzung gerichteten Willen getragen sein müsse. Aus Sicht des Gehilfen müssten sich ausreichende Anhaltspunkte für die Beteiligung an einem sittenwidrigen Verhalten ergeben. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht erfüllt. Vorliegend gehe es nicht um die Gefahren, die durch den später aufgedeckten Betrug der leitenden Mitarbeiter der [X.] herbeigeführt worden seien. Ein Verstoß gegen § 34a [X.] indiziere keinen Missbrauch der Kundengelder. Die in Rede stehende unterlassene Kontotrennung hätte auch einem unbedenklichen Zweck dienen können, wie beispielsweise der [X.]. Eine bewusste Beteiligung an einem sittenwidrigen Verhalten habe nicht vorgelegen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

1. Die Revision hat keinen Erfolg, soweit sie auf eine vertragliche Haftung der [X.] gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 [X.] wegen einer Verletzung von Nebenpflichten nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte gestützt ist.

a) Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass das Berufungsgericht den vertraglichen Beziehungen zwischen der [X.] und der [X.] keine Schutzwirkung zugunsten der Klägerin beigemessen hat. Diese Beurteilung ist zutreffend. Sie entspricht der neueren Rechtsprechung des [X.], wonach im bargeldlosen Zahlungsverkehr die Vertragsverhältnisse zwischen den Banken keine Schutzwirkungen zugunsten Dritter entfalten ([X.], 281, 288 ff.).

b) An[X.] als die Revision meint, kann die Klägerin auch keinen Schadensersatzanspruch aus einer Verletzung von Schutzpflichten aus dem zwischen der [X.] und [X.] bestehenden Vertrag über das Führen des [X.]handkontos herleiten.

aa) Die Beklagte hat keine Schutzpflichten verletzt, die ihr gegenüber [X.] obliegen könnten.

Bei der Abwicklung des Überweisungsverkehrs werden die Kreditinstitute zum Zweck eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs tätig; schon wegen dieses beschränkten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge können sich die Kreditinstitute regelmäßig nicht um die Interessen der am Zahlungsverkehr beteiligten Personen kümmern und müssen sich innerhalb der Grenzen der ihnen erteilten Aufträge halten (vgl. [X.], 281, 285 f.; [X.], Urteile vom 29. September 1986 - [X.] - NJW 1987, 317 f. und vom 22. Juni 2004 - [X.]/03 - [X.], 1625, 1626; Siol in [X.], [X.]., § 44, Rn. 77). Dies gilt, wenn - wie hier - keine besondere Vereinbarung besteht, auch bei der Führung eines [X.]handkontos, bei dem das Guthaben wirtschaftlich einem [X.] zusteht (Siol, aaO, Rn. 4). Zwar können Warn- und Hinweispflichten der kontoführenden Kreditinstitute bestehen, wenn sie von einem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Kontoinhabers Kenntnis haben (vgl. [X.], 281, 286; [X.], Urteile vom 9. März 1961 - [X.]/60 - BB 1961, 503 und vom 29. September 1986 - [X.] - NJW 1987, 317, 318 jeweils m.w.N.) oder wenn sie aufgrund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hegen, dass ein Kunde bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat einen anderen schädigen will (vgl. [X.], 281, 286 f.). Hieraus folgen aber keine generellen Prüfungs- und Überwachungspflichten der Kreditinstitute. Die Warn- und Hinweispflichten sind vielmehr auf die Ausnahmefälle beschränkt, dass [X.] und Glauben es nach den Umständen des Falles gebieten, den Auftrag nicht ohne vorherige Rückfrage beim Auftraggeber auszuführen, um diesen vor einem möglicherweise drohenden Schaden zu bewahren ([X.], Urteile vom 9. März 1961 - [X.]/60 - aaO - und vom 22. Juni 2004 - [X.]/03 - aaO). Um die Kreditinstitute nicht übermäßig zu belasten und den bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht zu erschweren, beschränken sich die Warn- und Hinweispflichten auf objektive Evidenz aufgrund massiver Verdachtsmomente; zusätzliche Prüfungspflichten sollen gerade nicht begründet werden ([X.], 281, 287).

Eine Überwachungspflicht der Kreditinstitute kann auch - an[X.] als die Revision meint - nicht im Hinblick auf den Zweck der durch § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] umgesetzten [X.] über Wertpapierdienstleistungen ([X.]. Nr. L 141, [X.]) begründet werden. Zwar schreibt Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstrich 3 der Richtlinie "geeignete" Vorkehrungen zum Schutz der Anleger vor. Dieser Schutz kann jedoch durch die Verpflichtung zur getrennten [X.] erreicht werden, die durch Bußgeldtatbestände und die staatliche Aufsicht sichergestellt wird; einer zusätzlichen Kontrolle durch die Kreditinstitute, die die [X.]handkonten führen, bedarf es nicht. Inhalt des Vertrages über die Führung des [X.]handkontos ist es deshalb nicht, das Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf seine Seriosität zu prüfen, weshalb eine solche Verpflichtung auch nicht gegenüber den [X.] besteht, die Einzahlungen auf das Konto vornehmen ([X.], NJW-RR 1998, 337).

Die Voraussetzungen für die Warn- und Hinweispflichten hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Dass Mitarbeiter der [X.] massive Verdachtsmomente hinsichtlich Straftaten der leitenden Mitarbeiter von [X.] zum Nachteil der [X.] oder Kenntnis vom unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch von [X.] gehabt hätten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; übergangenen Sachvortrag der Klägerin zeigt die Revision insoweit nicht auf.

bb) Die Klägerin ist zudem nicht in den Schutzbereich des Vertrages zwischen der [X.] und [X.] über das Führen des [X.]handkontos einbezogen. Die Einbeziehung eines [X.] in die Schutzwirkung eines Vertrages setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrages und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den [X.] seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von [X.] und Glauben erfordern und eine Vertragspartei für den Vertragsgegner erkennbar redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maße auch dem [X.] entgegengebracht wird (st. Rspr., vgl. [X.], 287, 290 f. m.w.N.). Eine Auslegung des zwischen [X.] und der [X.] geschlossen Vertrages über das Führen des [X.]handkontos, wonach die Anleger in den Schutzbereich einbezogen sein sollen, scheidet hier erkennbar aus. Die Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrages scheitert zwar nicht zwangsläufig bereits an der Gegenläufigkeit der Interessen zwischen dem Gläubiger und dem [X.] ([X.]Z 127, 378, 380; [X.], Urteil vom 13. Mai 2004 - [X.]/03 - [X.], 562, 563; [X.] in [X.]/[X.], 5. Aufl., § 328, Rn. 124). Eine solche ergänzende Vertragsauslegung kommt aber vor allem bei der Beauftragung einer Person mit besonderer, insbesondere staatlich anerkannter, Sachkunde in Betracht, wenn deren Gutachten oder Bericht erkennbar zum Gebrauch gegenüber [X.] bestimmt ist ([X.]Z 159, 1, 4 f. m.w.N.). Dass die Beklagte erkennbar Prüfungspflichten übernommen oder besondere Sachkunde in Anspruch genommen hat, ist nicht festgestellt; die Revision zeigt insoweit auch keinen übergangenen Sachvortrag auf. Ein [X.] besteht aber auch deshalb nicht, weil die Kreditinstitute, wie ausgeführt, im Massengeschäft des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nur sehr eingeschränkte Prüfungsmöglichkeiten und keine Prüfungspflichten hinsichtlich der den Überweisungen zugrunde liegenden Geschäftsvorgänge haben. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, war die Beklagte eines von zwei Kreditinstituten, bei denen [X.] Konten für Einzahlungen von Kundengeldern unterhalten hat. Die Beklagte konnte und musste die geschäftlichen Aktivitäten von [X.] nicht vollständig überblicken. Dies war für die Anleger auch erkennbar.

2. Ob ein Anspruch der [X.] gegen die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit den Grundsätzen der Drittschadensliquidation wegen Verletzung möglicher Warn- und Hinweispflichten (vgl. [X.] 176, 281, 293) im Zusammenhang mit dem drohenden Zusammenbruch der [X.] besteht, kann offen bleiben. Ein derartiger Anspruch ist nicht Gegenstand des [X.]. Die Klägerin hat nämlich weder eine Abtretung derartiger Ansprüche vorgetragen noch eine etwaige Prozessstandschaft für die [X.] offengelegt.

3. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch eine Haftung der [X.] gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB abgelehnt. Zwar kann in der Verwahrung der Gelder der Anleger auf einem unzulässigen Omnibuskonto die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht liegen. Jedoch erfordert die Haftung nach dieser Vorschrift zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich einer zumindest schadensgleichen Vermögensgefährdung. Dass die Klägerin dazu entsprechenden Sachvortrag gehalten hätte, zeigt die Revision nicht auf. Entsprechendes gilt für eine Haftung der [X.] gemäß § 826 [X.].

4. Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision auch insoweit stand, als das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. §§ 34a Abs. 1 Satz 1, 39 Abs. 2 Ziff. 13 [X.] (in der bis zum 31. Oktober 2007 geltenden Fassung [a.F.], heute: §§ 34a Abs. 1 Satz 1, 39 Abs. 2 Ziff. 16 [X.]) verneint hat, weil § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 [X.] sei.

a) Ob § 34a [X.] ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 [X.] ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird der Schutzgesetzcharakter dieser Vorschrift bejaht ([X.], [X.], 2385; [X.], [X.], vor § 31, Rn. 85, § 34a, Rn. 1; [X.] in [X.]/Boujong/[X.], HGB, 2001, [X.], Rn. 286; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 34a, Rn. 1; [X.], [X.], 2006, 1714, 1720; [X.] in [X.]/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, [X.]., § 25, Rn. 130; [X.]., Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, S. 766; [X.], Die Vermögensverwaltung durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen, 2004, [X.] ff.; ohne Begründung jeweils [X.]/[X.], [X.] [2009], § 823, Rn. [X.]; [X.]/[X.], [X.], 69. Aufl., § 823, Rn. 71). Die Gegenansichten lehnen den Schutzgesetzcharakter teilweise mit der Begründung ab, § 34a Abs. 1 [X.] diene lediglich öffentlichen Interessen; andere meinen, eine Haftung nach § 823 Abs. 2 [X.] sei im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems nicht tragbar ([X.], [X.], [X.]., Rn. [X.], EWiR 2010, 131; [X.], Bank- und Kapitelmarktrecht, [X.]., Rn. 8.423 ff.; [X.] in [X.] Kommentar zum [X.], 2007, § 34a, Rn. 94; [X.] in [X.], [X.]s-Kommentar, § 34a [X.], Rn. 1).

b) Eine Rechtsnorm ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 [X.], wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes an, also darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Es reicht deshalb nicht aus, dass der [X.] durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Für die Beurteilung, ob einer Vorschrift Schutzgesetzcharakter zukommt, ist in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, auch zu prüfen, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 [X.] mit [X.] damit zugunsten des Geschädigten gegebenen Haftungs- und Beweiserleichterungen zu knüpfen (st. Rspr. des erkennenden Senats, vgl. [X.]Z 100, 13, 14 f. und Urteil vom 28. März 2006 - [X.]/05 - [X.], 944, 946, jeweils m.w.N.). Schutzgesetzcharakter im Sinne des § 823 Abs. 2 [X.] können die §§ 31 ff. [X.] nur haben, soweit sie nicht lediglich aufsichtsrechtlicher Natur sind, sondern ihnen auch Anleger schützende Funktion zukommt ([X.]Z 170, 226, 232; 175, 276, 280).

c) Der Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. gibt keinen eindeutigen Hinweis, ob der Norm eine Anleger schützende Funktion zukommen und ein etwaiger Verstoß dagegen einen deliktischen Schadensersatzanspruch auslösen soll. Auch andere Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes enthalten keine generelle Regelung über Schadensersatzansprüche wegen Zuwiderhandlungen gegen die Verpflichtungen aus diesem Gesetz. Lediglich in § 15 Abs. 6 [X.] wird für die Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen ein solcher Schadensersatzanspruch ausdrücklich ausgeschlossen, weshalb es sich nicht um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 [X.] handelt ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 15, Rn. 307; vgl. [X.]Z 160, 134, 138 f. zu § 15 [X.] a.F.). §§ 37b, 37c [X.] sehen dagegen Schadensersatzansprüche vor, lassen Ansprüche wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung zu und schließen die deliktische Haftung im Übrigen aus. Hierbei handelt es sich um eine spezialgesetzliche Regelung, die den Bereich der Insiderinformationen betrifft und nicht auf andere Verstöße übertragen werden kann. Deshalb lässt sich dem Wertpapierhandelsgesetz nicht allgemein entnehmen, ob und welchen Vorschriften Schutzgesetzcharakter im Sinne von § 823 Abs. 2 [X.] zukommt. Vielmehr ist dies für jede einzelne Norm gesondert zu entscheiden.

d) Nach der Entstehungsgeschichte der in § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] normierten Verpflichtung zur getrennten [X.] dient die Norm sowohl öffentlichen Interessen als auch dem individuellen Schutz der Anleger. Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung von bank- und wertpapierrechtlichen Vorschriften vom 22. Oktober 1997 ([X.]l. I S. 2518) eingeführt. Die hierdurch geschaffene Verpflichtung zur getrennten [X.] diente ausweislich der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 963/96, [X.]) der Umsetzung von Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstrich 2 und 3 der [X.] über Wertpapierdienstleistungen ([X.]. Nr. L 141, [X.]). Zur Verwirklichung des Binnenmarktes schreibt die Richtlinie den Mitgliedstaaten vor, ein Zulassungsverfahren für Wertpapierdienstleistungsunternehmen einzuführen. Ausweislich der Erwägungsgründe dient die Richtlinie aber auch dem Anlegerschutz (Erwägungsgründe 2, 29 und 32; vgl. auch [X.], aaO, Rn. 6 ff.). Art. 10 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, "[X.]" zu erlassen, die den Wertpapierdienstleistungsunternehmen insbesondere vorschreiben, geeignete Vorkehrungen für die den Anlegern gehörenden Wertpapiere und Gelder zu treffen. Diese sollen sicherstellen, dass die Eigentumsrechte der Anleger an den Wertpapieren - insbesondere im Fall der Insolvenz des [X.] - geschützt sind, und verhindern, dass das Unternehmen die Wertpapiere ohne ausdrückliche Zustimmung der Anleger für eigene Rechnung verwendet (Satz 2 Spiegelstrich 2). Weiter soll sichergestellt werden, dass die Rechte der Anleger an ihren [X.] geschützt werden und verhindert wird, dass die Gelder der Anleger vom Unternehmen auf eigene Rechnung verwendet werden (Satz 2 Spiegelstrich 3). Das Gebot, die Gelder auch getrennt von [X.] anderer Kunden anzulegen, ist durch das Gemeinschaftsrecht allerdings nicht zwingend vorgeschrieben (vgl. BVerwGE 116, 198, 211 f.; [X.], aaO, Rn. 59).

e) Der vom Gesetzgeber gewollte Anlegerschutz erfordert nicht die deliktische Haftung der gegen diese Vorschrift verstoßenden Personen. Voraussetzung für die Annahme eines Schutzgesetzes ist nach der Rechtsprechung des [X.], dass die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint (Senatsurteil [X.]Z 66, 388, 390; [X.]Z 175, 276, 281; 176, 281, 297). Dabei muss in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, geprüft werden, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit [X.] damit zugunsten des Geschädigten gegebenen Beweiserleichterungen zu knüpfen ([X.]Z 175, 276, 281). Diese Voraussetzungen wären hier nur dann erfüllt, wenn der durch § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] intendierte Anlegerschutz effektiv nur durch eine deliktische Haftung verwirklicht werden könnte. Dies ist nicht der Fall.

Die Anlage der Gelder auf einem [X.]handkonto bei einem [X.] sichert wegen der notwendigen Kapitalausstattung solcher Institute vor nicht durch die spekulative Anlage bedingten Verlusten (vgl. BVerwGE 116, 198, 211 f.; [X.], aaO, § 34a Rn. 1; [X.], aaO, Rn. 25; Wolf, [X.], 892). Die Vorschrift dient also vor allem dem Schutz des Kunden vor einem Verlust von Vermögenswerten im Fall der Insolvenz ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 34a, Rn. 1), aber auch vor sonstigen vertragswidrigen Verwendungen des Anlagebetrages ([X.], aaO). Diesem Schutzzweck dient auch das Verbot von Sammelkonten für mehrere Anleger. Ob der Kunde, dessen Gelder auf einem Sammeltreuhandkonto verwahrt wurden, im Insolvenzfall durch ein eigenes [X.] gemäß § 47 [X.] geschützt wird, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt (vgl. [X.], [X.], 437, 438 ff., nicht rechtskräftig, Revision beim [X.] anhängig - [X.]/10).

Der Anlegerschutz wird indessen nicht nur durch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Befolgung dieser Vorschrift, durch die staatlichen Aufsichtspflichten und die Sanktionsmöglichkeit als Ordnungswidrigkeit gewährleistet, sondern auch dadurch, dass § 34a [X.] Inhalt und Umfang der vertraglichen Verpflichtungen zwischen Anleger und Wertpapierdienstleistungsunternehmen bestimmt und mithin im Fall der Zuwiderhandlung vertragliche Schadensersatzansprüche auslösen kann (vgl. [X.]Z 142, 345, 356; [X.], aaO, S. 757 f.; speziell zu § 34a [X.] [X.], aaO, Rn. 92, 94). Eine Anerkennung der Vorschrift als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 [X.] würde dagegen eine deliktische Verantwortlichkeit auch der als Vertreter handelnden Organe oder Angestellten sowohl des [X.] als auch Dritter begründen. Eine solche Ausdehnung der Haftung ist nicht erforderlich und deshalb abzulehnen, weil nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen die Eigenhaftung des Vertreters im Rahmen vertraglicher Sonderverbindungen auf Ausnahmefälle beschränkt und an sehr hohe Voraussetzungen geknüpft ist ([X.]Z 175, 276, 280 f.). Die Vertreterhaftung rechtfertigt sich wegen der Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens ([X.], Urteil vom 27. Oktober 2005 - [X.] - NJW-RR 2006, 109, 110 m.w.N.); sie zielt im Allgemeinen aber nicht auf den Insolvenzschutz einer Vertragspartei.

f) Hinzu kommt, dass die mit Wirkung vom 1. November 2007 in [X.] getretene Änderung des § 34a Abs. 1 [X.] durch das [X.] vom 16. Juli 2007 ([X.]l. I S. 1330) den Anlegerschutz deutlich geschwächt hat, indem das Gesetz nunmehr auch die Einrichtung eines Sammeltreuhandkontos, wenn auch nur mit ausdrücklicher Zustimmung und nach entsprechender Belehrung des Anlegers, ausdrücklich für zulässig erklärt. Ein solcher Anlegerschutz ist von seinen Voraussetzungen her nicht mit der deliktischen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 [X.] bzw. § 826 [X.] vergleichbar (vgl. [X.]Z 175, 276, 282).

Das Berufungsgericht hat den Schutzgesetzcharakter von § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] nach alledem mit Recht verneint.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.


Galke     
        
Zoll     
        
[X.]
        
Pauge     
        
von [X.]     
        

Meta

VI ZR 212/09

22.06.2010

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 17. Juni 2009, Az: 23 U 34/08, Urteil

§ 823 Abs 2 BGB, § 34a Abs 1 S 1 WpHG vom 01.07.2002, Art 10 Abs 1 S 2 EWGRL 22/93

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2010, Az. VI ZR 212/09 (REWIS RS 2010, 5660)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5660

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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