Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.12.2012, Az. B 6 KA 31/12 B

6. Senat | REWIS RS 2012, 486

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Grundsätze der Auslegung von Vergütungstatbeständen - richtige oder falsche Anwendung dieser Grundsätze auf einzelne Gebührennummern - keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 29. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 95 614 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Im Streit ist eine sachlich-rechnerische Richtigstellung und Honorarrückforderung für die [X.]/2001 bis II/2003. Die Klägerin ist eine gynäkologische Gemeinschaftspraxis, die ein zytologisches Labor betreibt. Die beklagte [X.] stellte in einer Plausibilitätsprüfung einen deutlichen Anstieg der nach der Nummer 4950 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen ([X.]) abgerechneten Leistungen fest. Sie kürzte daher mit Bescheid vom [X.] die Honoraransprüche der Klägerin für die streitbefangenen Quartale um insgesamt 95 613,77 Euro. Es sei festzustellen, dass in allen Quartalen zu nahezu 100 % die Nummer 4950 [X.] (zytologische Untersuchung eines oder mehrerer speziell gefärbter Abstriche zur Diagnostik der hormonellen Funktion) zusammen mit der Nummer 4951 [X.] (zytologische Untersuchung eines oder mehrerer Abstriche, auch [X.], von Ekto- und/oder Endozervix) abgerechnet worden sei. Aus dem eindeutigen Wortlaut der [X.] der Nummer 4951 [X.] ergebe sich, dass auch mehrere Abstriche von Ekto- und/oder Endozervix nur ein "Material" darstellten. Bei Untersuchungen an demselben Material sei aber die Leistung nach [X.] 4950 [X.] neben der Leistung nach [X.] 4951 [X.] nicht berechnungsfähig. Widerspruch, Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben. In dem angefochtenen Beschluss nach § 153 Abs 4 [X.] führt das [X.] aus, der Begriff "dasselbe Material" in der Nummer 4951 [X.] den Stoff meine, der bereits Gegenstand der Abrechnung unter der Nummer 4950 [X.] gewesen sei. Nach dieser Ziffer werde die "zytologische Untersuchung eines oder mehrerer Abstriche … von Ekto- und/oder Endozervix " zusammenfassend mit 140 Punkten bewertet. Der Anregung der Klägerin, zur Frage "desselben Materials" ein Sachverständigengutachten einzuholen, sei nicht nachzugehen gewesen, weil es nicht entscheidend auf medizinische Gesichtspunkte, sondern auf die rechtlichen Vorgaben des [X.] ankomme.

2

Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, zu deren Begründung sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]) sowie einen Verfahrensfehler rügt (§ 160 Abs 1 [X.] 3 [X.]).

3

II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung oder eines Verfahrensmangels sind nicht gegeben.

4

1. Bei einer die Amtsermittlungspflicht des Gerichts nach § 103 [X.] betreffenden Beanstandung muss ein Beweisantrag genannt und dazu ausgeführt werden, dass das [X.] diesem ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. [X.] ist ferner, dass der Beweisantrag im Berufungsverfahren noch zusammen mit den Sachanträgen gestellt oder sonst aufrechterhalten worden ist. Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde erfordert die genaue Bezeichnung des Beweisantrages, die schlüssige Darstellung des den Mangel ergebenden Sachverhalts und Ausführungen zur Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 160 Rd[X.] 18 ff). Ausgehend von einem prozessordnungsgerechten Beweisantrag liegt eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nicht vor. Das [X.] hat vielmehr zu Recht ausgeführt, dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht bedurfte, weil es sich bei der Auslegung der [X.] um eine Rechtsfrage und nicht um eine medizinische Frage handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, auf die auch das [X.] Bezug genommen hat, ist für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 15.8.2012 - [X.] [X.] 34/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; BSG [X.] 4-5531 [X.] 7120 [X.] 1 Rd[X.] 11). Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist dann, wenn der Wortlaut eines [X.] zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der [X.] ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG [X.] 4-2500 § 106a [X.] 4 Rd[X.] 12; [X.] 4-2500 § 87 [X.] 5 Rd[X.] 11 und [X.] 10 Rd[X.] 10, jeweils mwN). Sind danach allein maßgeblich juristische Auslegungsmethoden, tritt die medizinische Beurteilung in den Hintergrund. Selbst im medizinischen Sinne unterschiedliche Materialien können im maßgeblichen rechtlichen Sinne als dasselbe Material angesehen werden. Die Ergebnisse eines medizinischen Sachverständigengutachtens wären damit nicht entscheidungserheblich gewesen.

5

2. Auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss gemäß den aus § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] abzuleitenden Darlegungsanforderungen in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl [X.] 91, 93, 107 = [X.] 3-5870 § 10 [X.] 5 S 31; BSG [X.] 3-1500 § 160a [X.] 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt.

6

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage:

        

"Ist bei der Entnahme von Abstrichen der Endo- und Ektozervix eine parallele Abrechnung der Ziffern 4950 und 4951 möglich, weil es sich nicht um dasselbe Material im Sinne des EBM-Ä handelt?"

ist zwar noch nicht ausdrücklich höchstrichterlich geklärt. Angesichts der Nachfolgeregelungen in [X.] 19331 und 19311 EBM-Ä betrifft sie auch nicht nur sog ausgelaufenes Recht. Der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es aber nicht, weil die Grundsätze der Auslegung von Vergütungstatbeständen in der Rechtsprechung des Senats geklärt sind. Aus der richtigen oder falschen Anwendung dieser Grundsätze auf einzelne Gebührennummern kann sich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Regelfall nicht ergeben (vgl Beschlüsse vom 16.5.2001 - [X.] [X.] 15/01 B - und vom 13.12.2000 - [X.] [X.] 30/00 B - Juris). Darüber hinaus kann die Frage anhand der [X.] eindeutig beantwortet werden. Das [X.] hat insofern zutreffend aus dem Wortlaut der Nummer 4951 EBM-Ä gefolgert, dass die Leistung auch dann nur einmal abgerechnet werden kann, wenn mehrere Abstriche von Ekto- und Endozervix untersucht wurden. Werden diese somit rechtlich durch die EBM-Ä-Ziffer zusammengefasst, sind sie - unabhängig von der medizinischen Klassifizierung - rechtlich als "dasselbe Material" im Sinne des Zusatzes zu [X.] 4951 anzusehen.

7

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.] iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

8

4. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.] iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Seine Bemessung erfolgt entsprechend dem streitigen [X.].

Meta

B 6 KA 31/12 B

12.12.2012

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Hannover, 3. Februar 2010, Az: L 24 KA 71/05

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 87 Abs 1 SGB 5, § 87 Abs 2 SGB 5, Nr 4950 EBM-Ä, Nr 4951 EBM-Ä, Nr 19331 EBM-Ä 2005, Nr 19311 EBM-Ä 2005, Nr 19331 EBM-Ä 2008, Nr 19311 EBM-Ä 2008

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.12.2012, Az. B 6 KA 31/12 B (REWIS RS 2012, 486)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 486

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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