Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.12.2016, Az. 1 ABR 7/15

1. Senat | REWIS RS 2016, 911

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) FACEBOOK BETRIEBSRAT UNTERNEHMEN SOCIAL MEDIA MITARBEITERÜBERWACHUNG ARBEITSGERICHT HAMBURG KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

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Gegenstand

Mitbestimmung bei Einrichtung und Betrieb einer Facebookseite


Leitsatz

Eine vom Arbeitgeber betriebene Facebookseite, die es den Nutzern von Facebook ermöglicht, über die Funktion "Besucher-Beiträge" Postings zum Verhalten und zur Leistung der beschäftigten Arbeitnehmer einzustellen, ist eine technische Einrichtung, die zur Überwachung der Arbeitnehmer iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt ist. Die Bereitstellung der Funktion "Besucher-Beiträge" unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird unter deren Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des [X.] vom 12. Januar 2015 - 9 [X.] - insoweit aufgehoben, als es die Anträge zu 2. und 3. abgewiesen hat.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird unter deren Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des [X.] vom 27. Juni 2014 - 14 [X.] - abgeändert:

Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, es zu unterlassen, den Besuchern (Facebook-Nutzern) der Seite www.facebook.com/d die Nutzung der Funktion „Besucher-Beiträge“ zu ermöglichen, solange nicht die Zustimmung des [X.] oder ein die Zustimmung ersetzender Beschluss der Einigungsstelle vorliegt.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des [X.] beim Betreiben einer [X.]seite durch den Konzern.

2

Die Arbeitgeberin ist das herrschende Unternehmen eines Konzerns, der [X.] betreibt. In dem Konzern sind etwa 1.300 Arbeitnehmer beschäftigt. Täglich werden durchschnittlich 40 Blutspendetermine durchgeführt. Dafür werden ein Arzt oder mehrere Ärzte sowie drei bis sieben weitere Mitarbeiter eingesetzt.

3

Im Unternehmen der Arbeitgeberin besteht ein Gesamtbetriebsrat. Dieser sowie die in drei abhängigen Unternehmen bestehenden Betriebsräte haben den antragstellenden Konzernbetriebsrat errichtet. Die Arbeitgeberin und der Konzernbetriebsrat schlossen am 4. März 2009 eine „EDV-Konzern-Rahmenbetriebsvereinbarung“ ([X.]).

4

Seit dem 15. April 2013 unterhält die Arbeitgeberin bei [X.] die Seite „www.[X.].com/d“ zur einheitlichen Präsentation des Konzerns. Deren Gestaltung erfolgt mittels einer internetbasierten Software, die von [X.] zur Verfügung gestellt wird. Sie ermöglicht es registrierten Nutzern, „Besucher-Beiträge“ einzustellen (posten), die von allen Besuchern der Seite eingesehen werden können.

5

Betreut wird die [X.]seite von einer unternehmensübergreifenden Gruppe von etwa zehn Arbeitnehmern. Diese stellen ua. Beiträge ein und sind damit betraut, einzelne Postings gegebenenfalls zu kommentieren oder auch zu löschen. Über die auf der [X.]seite abgebildete Chronik ist ersichtlich, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit dort ein Beitrag oder Kommentar eingestellt oder aktualisiert wurde. Für diese Tätigkeit wurden den dazu berechtigten Arbeitnehmern zunächst individuelle Administratorenkennungen zur Verfügung gestellt. Im Verlauf des vorliegenden Beschlussverfahrens ordnete die Arbeitgeberin die Verwendung einer zentralen Administratorenkennung an.

6

Am 15. April 2013 stellte ein Nutzer ein Posting auf der [X.]seite ein, in dem er sich über das Setzen der Injektionsnadel für eine Blutspende beschwerte. In einem weiteren Posting wurde einem Arzt vorgeworfen, er habe vor der Blutabnahme keine regelgerechte Untersuchung vorgenommen, woraufhin eine Blutspenderin beinahe kollabiert sei.

7

Der Konzernbetriebsrat hat geltend gemacht, das [X.]elden und Betreiben der [X.]seite erfolge unter Verstoß gegen sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.]. Die Arbeitgeberin könne über eine von [X.] bereitgestellte und demnächst auch auf [X.] verfügbare Funktion „graph search“ Daten über das Verhalten von Arbeitnehmern zusammenführen. Es existierten zudem weitere Auswertungsmöglichkeiten für Inhaber von [X.]-Konten. Jedenfalls würden die Leistungen der Arbeitnehmer, denen die Pflege der [X.]seite übertragen sei, elektronisch erfasst und gespeichert. Schließlich könnten sich Nutzer durch ihre Besucher-Beiträge gegenüber einem unbegrenzten Personenkreis über Verhalten und Leistung von Beschäftigten äußern. Die Postings würden ohne vorherige Kontrolle durch die Arbeitgeberin allgemein einsehbar eingestellt.

8

Der Konzernbetriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Arbeitgeberin zu verpflichten, bei der [X.]plattform [X.] die Seite www.[X.].com/d abzumelden,

        

2.    

hilfsweise,

                 

die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, den Nutzern der [X.]plattform [X.] die Seite www.[X.].com/d zur Übermittlung (Posting) von Informationen zur Verfügung zu stellen, solange nicht die Zustimmung des [X.] oder ein die Zustimmung ersetzender Beschluss der Einigungsstelle vorliegt,

        

3.    

weiter hilfsweise,

                 

festzustellen, dass der Arbeitgeber bei der [X.]eldung der [X.]plattform [X.] bei der Eröffnung der Seite www.[X.].com/d ein Mitbestimmungsrecht des [X.] nach § 87 Abs. 1 Ziffer 6 [X.] verletzt hat.

9

Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt. Daten über Leistungen und Verhalten der Arbeitnehmer würden durch das Betreiben der [X.]-Seite weder erhoben noch verarbeitet. Die Funktion „graph search“ sei für in [X.] verfasste [X.]seiten nicht verwendbar und verfüge zudem nicht über den behaupteten Rechercheumfang. Aufgrund der Verwendung einer allgemeinen Administratorenkennung sei es auch nicht nachvollziehbar, wer von den die [X.]seite betreuenden Arbeitnehmern welche Informationen zu welchem Zeitpunkt eingestellt habe. Zudem sei der betreffende Arbeitnehmer nicht stets mit demjenigen identisch, der den Beitrag erarbeitet habe. Allerdings bestehe die Möglichkeit, dass sie durch einen [X.] über eine als mangelhaft empfundene Arbeitsleistung informiert werde. Diese Daten erhebe sie aber nicht. Sie würden unaufgefordert von [X.] eingegeben und von ihr weder gesondert technisch aufgezeichnet noch ausgewertet. Schließlich habe der Konzernbetriebsrat ein etwaiges Mitbestimmungsrecht durch Abschluss der [X.] bereits ausgeübt.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu 1. stattgegeben. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das [X.] die Anträge insgesamt abgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Konzernbetriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

B. Die Rechtsbeschwerde des [X.] hat teilweise Erfolg. Der Antrag zu 1. ist unbegründet, der Antrag zu 2. ist begründet. Der hierzu hilfsweise gestellte Antrag zu 3. fällt daher nicht zur Entscheidung an.

I. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen waren die örtlichen Betriebsräte und der für ein weiteres Unternehmen gebildete Gesamtbetriebsrat nicht nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu beteiligen.

1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem [X.] im einzelnen Fall beteiligt sind. Das ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist ([X.] 18. November 2014 - 1 ABR 21/13 - Rn. 12 mwN, [X.]E 150, 74). Eine unmittelbare Betroffenheit der anderen in einem Konzern bestehenden Arbeitnehmervertretungen scheidet aber aus, wenn es um die Mitbestimmung an einer Entscheidung des Arbeitgebers geht, die [X.] oberhalb [X.] der einzelnen Betriebe und Unternehmen getroffen wird (ausführlich [X.] 28. März 2006 - 1 [X.] - Rn. 10 ff., [X.]E 117, 337).

2. Die vom Konzernbetriebsrat begehrte Entscheidung berührt nach diesen Grundsätzen ersichtlich nicht die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der örtlichen Betriebsräte oder des [X.]. Die Arbeitgeberin hat - als unternehmerische Vermarktungsentscheidung mitbestimmungsfrei - vorgegeben, eine [X.]seite als konzernweite Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings mit einer einheitlichen Ausgestaltung einzurichten und zu betreiben. Damit handelt es sich gemäß § 58 Abs. 1 [X.] um eine Maßnahme, die den Konzern betrifft und offensichtlich nicht durch den Gesamtbetriebsrat im Unternehmen der Arbeitgeberin oder durch die Betriebsräte in den jeweiligen Betrieben des Konzerns geregelt werden kann.

II. Der Antrag zu 1. ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag zu 1. ist, wie dessen gebotene Auslegung ergibt, zulässig.

a) Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, mit dem Antrag zu 1. werde eine Unterlassungsverpflichtung der Arbeitgeberin begehrt. Ein Unterlassen iSd. § 890 ZPO liegt auch vor, wenn ein aktives Verhalten erforderlich ist, damit der Schuldner seiner Pflicht, etwas zu unterlassen, gerecht werden kann. Der Konzernbetriebsrat will erreichen, dass die Arbeitgeberin es unterlässt, die [X.]seite weiter zu betreiben, da seiner Ansicht nach die mit der Nutzung dieses Kontos untrennbar einhergehenden Auswertungsmöglichkeiten - jedenfalls aber die Funktion „graph search“ - eine umfassende Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten oder zumindest der diese Seite betreuenden Arbeitnehmer erlauben. Nach dem Vorbringen des [X.] liegen seinem mit dem Antrag zu 1. verfolgten Begehren jene Auswertungsmöglichkeiten zugrunde, die zwingend mit der Einrichtung und dem Betrieb einer [X.]seite einhergehen und nicht durch Einstellungen des Kontoinhabers bei [X.] unterbunden werden können.

b) Diesem Unterlassungsanspruch soll die Arbeitgeberin nachkommen, indem sie „die [X.]eldung bei [X.] rückgängig“ macht. Sie soll nicht nur nach den von [X.] zur Verfügung gestellten technischen Möglichkeiten („Verwaltung deines Kontos“) ihr dort [X.] Konto „deaktivieren“, sondern dauerhaft „löschen“. Dieses [X.] hat der Konzernbetriebsrat in der Anhörung vor dem Senat bestätigt.

c) Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin kann erkennen, welches Verhalten von ihr verlangt wird.

2. Der Antrag zu 1. ist unbegründet. Der Konzernbetriebsrat kann sich für sein Unterlassungsbegehren nicht auf ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.] stützen. Die der Arbeitgeberin zwingend vorgegebenen Funktionen ihrer [X.]seite ermöglichen aufgrund der derzeit zur Verfügung stehenden Auswertungsmöglichkeiten keine Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten (unter b). Der Betrieb der [X.]seite führt auch nicht dazu, dass diejenigen Arbeitnehmer, die den [X.]auftritt betreuen, durch eine technische Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.] überwacht werden (unter c).

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.] hat der Betriebsrat ua. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind ([X.] 29. Juni 2004 - 1 ABR 21/03 - zu [X.] 2 d der Gründe mwN, [X.]E 111, 173). Die auf technischem Wege erfolgende Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über Arbeitnehmer bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung bergen die Gefahr in sich, dass sie zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht werden, die anonym personen- oder leistungsbezogene Informationen erhebt, speichert, verknüpft und sichtbar macht. Den davon ausgehenden Gefährdungen des Persönlichkeitsrechts von Arbeitnehmern soll das Mitbestimmungsrecht entgegenwirken ([X.] 10. Dezember 2013 - 1 [X.] - Rn. 27).

b) „Überwachung“ im Sinne des Mitbestimmungsrechts ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern erhoben und - jedenfalls in der Regel - aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können. Die Überwachung muss durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar die Überwachung vornehmen. Das setzt voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge erhebt, speichert und/oder verarbeitet. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder [X.] über den Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen; auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an ([X.] 10. Dezember 2013 - 1 [X.] - Rn. 20 mwN; 27. Januar 2004 - 1 [X.] - Rn. 27, [X.]E 109, 235). Auch reicht es aus, wenn die leistungs- oder verhaltensbezogenen Daten nicht auf technischem Weg durch die Einrichtung selbst gewonnen werden, sondern manuell eingegeben und von der technischen Einrichtung weiter verwertet werden ([X.] 23. April 1985 - 1 [X.] - zu [X.]I 2 der Gründe mwN).

c) Danach ist eine [X.]seite mit ihren vorgegebenen Funktionen keine technische Einrichtung, die aufgrund ihrer derzeitigen Auswertungsmöglichkeiten dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen.

aa) Es ist nicht erkennbar, dass die von [X.] bereitgestellten Funktionen - „Auswertung von Ergebnissen“ - geeignet sein sollen, das Verhalten und die Leistung einzelner im Konzern beschäftigter Arbeitnehmer im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses zu überwachen. Die Funktion „Seitenstatistiken“ mit den Bereichen „Beiträge“, „Besuche“, „‘Gefällt mir‘-Angaben“, „Reichweite“ gestattet keine individualisierbaren Auswertungen. Gleiches gilt für die Auswertungsfunktionen „Werbeanzeigenberichte“ und „[X.]“ (vgl. schon [X.]/[X.] [X.] 2012, 729, 731; [X.] [X.] Datenschutzrechtliche Bewertung der Reichweitenanalyse durch [X.] 2011 S. 12 ff.).

bb) Soweit der Konzernbetriebsrat ohne nähere Konkretisierung geltend macht, durch „überlegte Suchparameter“ könne man „zu aussagekräftigen Ergebnissen kommen“, fehlt es bereits an einem nachvollziehbaren und nachprüfbaren Vorbringen, wie dies seitens der Arbeitgeberin möglich sein soll. Die vom Konzernbetriebsrat noch in den Tatsacheninstanzen angeführte Suchfunktion „graph search“ stand und steht jedenfalls für die [X.] [X.]seite der Arbeitgeberin nicht zur Verfügung. Das wird vom Konzernbetriebsrat auch nicht mehr behauptet.

d) Ein Mitbestimmungsrecht des [X.] folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die arbeitgeberseitigen „Beiträge“ und „Kommentare“ der mit der Pflege der [X.]seite beschäftigten Arbeitnehmer auf dieser mit dem Datum und der Uhrzeit ihrer Einstellung versehen sind.

aa) Durch das Aufzeichnen von Datum und Uhrzeit der Einstellung von „Beiträgen“ und „Kommentaren“ auf der [X.]seite werden zwar entsprechende Leistungsdaten von Arbeitnehmern technisch erfasst und dokumentiert. Die Überwachung durch eine technische Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.] erfordert jedoch, dass die erhobenen Daten einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden können, sie also individualisierbar sind. Wird lediglich die Gesamtleistung einer Gruppe aufgezeichnet, kommt ein Mitbestimmungsrecht nur in Betracht, wenn der auf die Gruppe ausgeübte Überwachungsdruck auf die einzelnen Gruppenmitglieder durchschlägt (ausf. [X.] 26. Juli 1994 - 1 [X.] - zu [X.]I 2 c aa der Gründe, [X.]E 77, 262).

bb) Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben.

(1) Nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des [X.]s ist aufgrund der verwendeten allgemeinen Administratorenkennung eine Identifizierung des jeweiligen Arbeitnehmers, der einen Beitrag oder einen Kommentar verfasst oder auf die [X.]seite der Arbeitgeberin einstellt, auch unter Zuhilfenahme weiterer Erkenntnisquellen, ausgeschlossen. Folgerichtig hat das [X.] das Fehlen eines Überwachungsdrucks angenommen. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht. Soweit sie nunmehr geltend macht, die Arbeitnehmer würden weisungswidrig bei der Administration der Seite nicht stets die allgemeine Zugangskennung verwenden, handelt es sich um neuen und damit nicht berücksichtigungsfähigen Sachvortrag in der Rechtsbeschwerdeinstanz.

(2) Ein anderes Ergebnis ist auch nicht durch Satz 2 Nr. 5 der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG vorgegeben (so offenbar [X.] 14/2015 [X.]. 3). Zwar muss der Arbeitgeber danach gewährleisten, dass nachträglich überprüft werden kann, ob und von wem personenbezogene Daten in Datenverarbeitungssysteme eingegeben, verändert oder entfernt worden sind ([X.]). Dies könnte sich auch auf eingestellte Beiträge oder Kommentare beziehen, wenn sie personenbezogene Daten iSd. § 3 Abs. 1 BDSG enthalten. Ob und auf welchem Weg die Arbeitgeberin unter Wahrung der Voraussetzungen der [X.] ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach Satz 2 Nr. 5 der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG nachkommt, betrifft aber nicht das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht.

III. Der hilfsweise gestellte, zulässige Antrag zu 2. ist begründet.

1. Der Antrag zu 2. genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a) Dem Wortlaut nach soll es die Arbeitgeberin unterlassen, „den Nutzern … die Seite … zur Übermittlung (Posting) von Informationen zur Verfügung zu stellen“. Der Konzernbetriebsrat will mit diesem zukunftsgerichteten Unterlassungsbegehren erreichen, dass die Arbeitgeberin es Nutzern nicht gestattet, „Postings“ auf der [X.]seite einzustellen. Dem - wie der Konzernbetriebsrat in der Anhörung vor dem Senat klargestellt hat - ausschließlich auf die Funktion „Besucher-Beiträge“ bezogenen Unterlassungsbegehren soll die Arbeitgeberin nachkommen, indem sie in den „Einstellungen“ der [X.]seite die Option „Beiträge von anderen Personen auf der Seite deaktivieren“ wählt. Die ebenfalls eröffnete technische Möglichkeit „Kontrolliere Beiträge von anderen Personen, bevor diese auf der Seite veröffentlicht werden“, damit diese zunächst „automatisch verborgen“ und von der Arbeitgeberin individuell freigegeben werden können, entspricht dem Begehren des [X.] hingegen nicht. Zwischen den Betriebsparteien ist gerade im Streit, ob und nach welchen Kriterien „Besucher-Beiträge“ von Nutzern „freigegeben“ werden sollen, wenn sie das Arbeitsverhalten von Arbeitnehmern betreffen. Nicht deaktivieren kann die Arbeitgeberin die Funktion „Kommentare“. Darin eingestellte Beiträge werden vom Antrag allerdings auch nicht erfasst.

b) Danach verfolgt der Konzernbetriebsrat mit dem Hilfsantrag eine Unterlassungspflicht der Arbeitgeberin, der sie bereits durch eine Änderung ihrer bei [X.] bestehenden „Einstellungen“ nachkommen kann, ohne den Betrieb der [X.]seite insgesamt einzustellen. Dieser ist - anders als der Hauptantrag - nicht darauf gerichtet, die [X.]seite insgesamt „abzumelden“, also das Konto zu löschen.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht dem Betriebsrat bei der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 [X.] ein Anspruch auf Unterlassen der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu. Dieser Anspruch setzt keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers iSd. § 23 Abs. 3 [X.] voraus ([X.] 25. September 2012 - 1 [X.] - Rn. 19).

3. Bei der von der Arbeitgeberin betriebenen [X.]seite mit der eröffneten Möglichkeit, Besucher-Beiträge einzustellen, handelt es sich um eine technische Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.], die zur Überwachung der Leistung und des Verhaltens der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer bestimmt ist. Dieses Mitbestimmungsrecht hat die Arbeitgeberin verletzt.

a) Die [X.]seite der Arbeitgeberin ist eine technische Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.]. Die Arbeitgeberin nutzt mit den bei ihr vorhandenen EDV-Einrichtungen eine von [X.] bereitgestellte webbasierte Software. Durch die Eröffnung und den Betrieb eines Kontos für die Seite „www.[X.].com/d“ hat sie die technische Einrichtung eingeführt und wendet sie an.

b) Die von der Arbeitgeberin eingerichtete Funktion „Besucher-Beiträge“ ermöglicht eine Überwachung des Verhaltens und der Leistung der in ihrem Konzern beschäftigten Arbeitnehmer iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.].

aa) Die Funktion „Besucher-Beiträge“ erlaubt derzeit den Nutzern von [X.], Postings zum Verhalten und zur Leistung der bei den konzernzugehörigen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern auf der Seite der Arbeitgeberin einzustellen. Je nach dem Inhalt dieser Besucher-Beiträge können diese namentlich oder situationsbedingt einem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden. Auch die Arbeitgeberin geht davon aus, dass sie auf diesem Weg Kenntnis über Leistung oder Verhalten von Arbeitnehmern, vor allem den bei [X.]n eingesetzten, erlangen kann. Solche Besucher-Beiträge können in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der bei der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer eingreifen. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten gegenüber [X.] und der Öffentlichkeit zu bestimmen ([X.] 23. Februar 2007 - 1 [X.] - Rn. 37 mwN). Durch arbeitnehmerbezogene Besucherbeiträge und deren Veröffentlichung auf der [X.]seite der Arbeitgeberin werden deren Arbeitnehmer einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt. Sie müssen jederzeit damit rechnen, dass Beiträge zu ihrer Leistung oder ihrem Verhalten gepostet werden und damit nicht nur dem Arbeitgeber, sondern einer unbestimmten Anzahl von Personen, die diese Seite aufrufen, offenbart werden (vgl. [X.], 1106, 1107).

bb) Die [X.]seite ist damit auch iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.] zur Überwachung bestimmt. Es ist unerheblich, dass die Seite nicht auf die Überwachung der Leistung und des Verhaltens der bei der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer ausgerichtet ist oder die Nutzer nicht von ihr aufgefordert werden, „Besucher-Beiträge“ zu dem Verhalten oder der Leistung von Beschäftigten einzustellen. Das gilt unabhängig davon, ob die Arbeitgeberin die erfassten und festgehaltenen Verhaltens- oder Leistungsdaten tatsächlich verarbeiten oder für Reaktionen auf festgestellte Verhaltens- oder Leistungsweisen verwenden will. Überwachung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.] ist nicht erst das Auswerten oder die weitere Verarbeitung schon vorliegender Informationen, sondern bereits das Sammeln derselben ([X.] 14. November 2006 - 1 [X.] - Rn. 27 mwN, [X.]E 120, 146). Nicht erforderlich ist auch, dass der gespeicherte „[X.]“ schon eine vernünftige und abschließende Beurteilung des Verhaltens oder der Leistung des Arbeitnehmers erlaubt. Es genügt, dass ein Posting in Verbindung mit weiteren gewonnenen Erkenntnissen eine Beurteilung ermöglicht.

cc) Schließlich erfolgt diese Überwachung mit Hilfe einer technischen Einrichtung. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ist es nicht erforderlich, dass die Daten über das Verhalten oder die Leistung des einzelnen Arbeitnehmers durch die technische Einrichtung zunächst selbst und „automatisch“ erhoben werden ([X.] 23. April 1985 - 1 [X.] - zu [X.]I 2 der Gründe mwN; 14. September 1984 - 1 [X.] - zu [X.]II der Gründe, [X.]E 46, 367). Daher genügt es, wenn die Informationen durch die Nutzer der [X.]seite aufgrund der dort vorhandenen Funktion „Besucher-Beiträge“ eingegeben und mittels der von [X.] eingesetzten Software einer dauerhaften Speicherung und zeitlich unbegrenzter Zugriffsmöglichkeit zugeführt werden. Zudem sind diese Daten über die [X.]seite dauerhaft öffentlich zugänglich. Sie sind deshalb nicht - wie das [X.] meint - mit einem an den Arbeitgeber gerichteten Beschwerdebrief vergleichbar.

4. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin hat der Konzernbetriebsrat das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 [X.] nicht bereits durch den Abschluss der [X.] ausgeübt. Die Annahme der Arbeitgeberin, über § 1 Abs. 2 iVm. der Anlage 1 [X.] sei aufgrund der dort in den [X.] und F erwähnten Komponenten „Mail-Systeme“, „[X.], Intranet, [X.], Extranet“ auch die von ihr von [X.] zur Verfügung gestellte webbasierte Software zur Einrichtung und dem Betrieb der [X.]seite erfasst, ist unzutreffend. Die nach § 8 [X.] geregelte [X.]nutzung betrifft den Zugang zum [X.] einschließlich der hierzu unmittelbar erforderlichen Software ([X.] oder allgemein [X.]) zur Darstellung von Webseiten, nicht jedoch eigenständige, webbasierte Softwareprogramme, die durch die Eröffnung eines Kontos bei [X.] durch die Arbeitgeberin zum Einsatz kommen. Solche „EDV-Anwendungssysteme oder Systeme der Informations- und Kommunikationstechnik“ („Anwendungssysteme“) werden nach § 1 Abs. 1, Spiegelstrich 2 iVm. § 1 Abs. 2 [X.] nur dann vom Geltungsbereich der Konzernbetriebsvereinbarung erfasst, wenn sie in der Anlage 1 zur [X.] aufgeführt sind. Nach § 1 Abs. 2 Satz 7 [X.] sind „neu eingesetzte“ Systeme in die Anlage 1 aufzunehmen. Das ist nicht geschehen.

        

    Schmidt    

        

    Ahrendt    

        

    Treber    

        

        

        

    Hromadka    

        

    [X.]    

                 

Meta

1 ABR 7/15

13.12.2016

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 27. Juni 2014, Az: 14 BV 104/13, Beschluss

§ 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.12.2016, Az. 1 ABR 7/15 (REWIS RS 2016, 911)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 911


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 ABR 7/15

Bundesarbeitsgericht, 1 ABR 7/15, 13.12.2016.


Az. 14 BV 104/13

Arbeitsgericht Düsseldorf, 14 BV 104/13, 27.06.2014.


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