Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 16.06.2016, Az. 1 BvR 1707/15

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2016, 9793

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

ARBEITSRECHT BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT TARIFVERTRÄGE VERFASSUNGSBESCHWERDE GEWERKSCHAFTEN TARIFEINHEIT

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: normunmittelbare Verfassungsbeschwerde gegen Tarifeinheitsgesetz unzulässig - unzureichende Ausführungen zur Tariffähigkeit der Beschwerdeführerin


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen § 4a [X.] in der Fassung des [X.] ([X.]) vom 3. Juli 2015 ([X.], [X.] 1130).

2

Die Beschwerdeführerin ist eine im Jahr 2011 gegründete Koalition, die aktuell überwiegend Beamtinnen und Beamte sowie daneben Tarifangestellte organisiert. Sie war bislang noch nicht am Abschluss eines Tarifvertrags beteiligt, befinde sich aber in Tarifverhandlungen. Sie [X.]det sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen § 4a [X.].

3

Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Insbesondere sei die Beschwerdeführerin beschwerdebefugt. Auch [X.]n sie bislang noch keinen Tarifvertrag habe abschließen können, wirke sich § 4a [X.] zu ihrem Nachteil aus, weil faktisch keine Koalitionsfreiheit mehr bestehe. Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet, da § 4a [X.] gegen die kollektive Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG verstoße. Ein Eingriff liege darin, dass Koalitionen und deren Mitgliedern die erkämpften Rechte mit der Folge der [X.] entzogen würden. Es komme zu einem Verdrängungsprozess, der kleine [X.] wie die Beschwerdeführerin massiv beeinträchtigen würde. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

4

Die Verfassungsbeschwerde wurde mit weiteren gegen das [X.] gerichteten Verfassungsbeschwerden dem [X.], dem Bundesrat, dem [X.], dem Bundeministerium des Innern, dem [X.], dem [X.], allen Landesregierungen, dem [X.], dem [X.], der [X.], dem Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, der [X.], der [X.], dem [X.], dem [X.], der [X.] beziehungsweise dem Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der [X.], dem [X.], dem Bund der [X.]innen und [X.] der Arbeitsgerichtsbarkeit, der [X.], dem [X.], der [X.], dem [X.] und dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut zugestellt.

5

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 [X.]), weil sie unzulässig ist. Sie entspricht nicht den Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Begründung im Sinne der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 [X.].

6

1. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrunde liegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint. [X.] müssen darlegen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert (vgl. [X.] 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>; [X.], Beschluss des [X.] vom 10. November 2015 - 1 BvR 2056/12 -, [X.], Rn. 9). Zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gehört auch, dass [X.] ihre gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit ausreichend substantiieren (vgl. [X.] 79, 1 <15>; 123, 267 <329>). Wird die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz erhoben, so müssen die Tatsachen, aus denen sich die Betroffenheit der [X.]n ergibt, im [X.] hinreichend belegt werden. Die bloße Behauptung oder Versicherung der [X.]n reicht dazu nicht aus (vgl. [X.] 83, 162 <169 f.>; siehe auch als Frage der Begründetheit in [X.] 84, 90 <116>; 85, 117 <120>).

7

Gegenwärtig betroffen ist, auf wessen Rechtsstellung die angegriffene Vorschrift aktuell und nicht nur virtuell einwirkt, [X.] das Gesetz mit Blick auf seine künftig eintretenden Wirkungen zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt oder [X.]n klar abzusehen ist, dass derartige Wirkungen zukünftig eintreten werden (vgl. [X.] 102, 197 <207>; 110, 141 <151 f.>; 114, 258 <277>). Dann kann es ausreichen, [X.]n der Wille und die Fähigkeit vorliegen, gerade die Rechtspositionen künftig in Anspruch zu nehmen, auf die sich die Rüge bezieht (vgl. [X.] 108, 370 <385>), die mit dem angegriffenen Gesetz eingeschränkt werden. Allein die vage Aussicht, irgendwann einmal in Zukunft von der Regelung betroffen sein zu können, genügt hingegen nicht (vgl. [X.] 1, 97 <102>; 43, 291 <385 f.>; 60, 360 <371>; 74, 297 <319>; 114, 258 <277>).

8

2. Danach ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Die Beschwerdeführerin legt nicht ausreichend dar, von der angegriffenen Norm gegenwärtig oder klar absehbar künftig betroffen zu sein. Mangels substantiierter Ausführungen zu ihrer Tariffähigkeit (zu den Voraussetzungen [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 1 ABR 88/09 -, juris, Rn. 28 ff.) ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin derzeit oder in naher Zukunft von der Kollisionsregel des § 4a Abs. 2 Satz 2 [X.] erfasst wird, weil von ihr wirksam abgeschlossene Tarifverträge verdrängt werden könnten. Dass das [X.] für sie unabhängig von ihrer Tariffähigkeit Auswirkungen zeitige, ist nicht erkennbar. Allgemeine Ausführungen zu eventuellen Verhaltensweisen potentieller Mitglieder genügen insoweit nicht.

9

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1707/15

16.06.2016

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

Art 9 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 1 Nr 1 TarifEinhG, Art 2 Nr 2 TarifEinhG, § 4a Abs 2 S 2 TVG vom 03.07.2015

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 16.06.2016, Az. 1 BvR 1707/15 (REWIS RS 2016, 9793)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9793

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 BvR 2257/15 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: normunmittelbare Verfassungsbeschwerde gegen Tarifeinheitsgesetz unzulässig - unzureichende Ausführungen zur Tariffähigkeit der Beschwerdeführerin


1 BvR 1504/16 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Parallelentscheidung


1 BvR 571/16 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahme einer unmittelbar gegen das Tarifeinheitsgesetz (juris: TarifEinhG) sowie § 58 Abs 3 ArbGG gerichteten …


1 BvR 1582/15 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahme eine unmittelbar gegen § 4a TVG (Tarifeinheit) gerichteten Verfassungsbeschwerde - Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses infolge …


1 BvR 1803/15 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Parallelentscheidung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 2056/12

1 ABR 88/09

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.