Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2005, Az. X ZR 72/04

X. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 88

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 21. Dezember 2005 Weschenfelder Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja Detektionseinrichtung II BGB § 823 Ai; [X.] (1981) vor § 139; ZPO § 945 a) Der Lieferant kann den Schaden, der ihm durch Inanspruchnahme seines Abnehmers aus einem später für nichtig erklärten Patent entstanden ist, un-ter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eigenen eingerichteten und [X.] Gewerbebetrieb von demjenigen ersetzt verlangen, der in schuldhaf-ter Weise unberechtigt aus dem Patent vorgegangen ist (Fortführung des Beschlusses des [X.] vom 15.07.2005 - [X.], [X.], 1690 = [X.], 882, zur [X.] in [X.] vorgese-hen). b) Die nachträgliche Nichtigerklärung eines Patents kann, soweit aus diesem einstweiliger Rechtsschutz erwirkt worden ist, einen Schadensersatzan-spruch nach § 945 ZPO begründen (Fortführung von [X.] 75, 116, 120 - [X.]). [X.], [X.]. v. 21.12.2005 - [X.] - O[X.] [X.] - 2 - [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 18. Oktober 2005 durch die [X.] Scharen, [X.], die [X.]in Mühlens und die [X.] [X.] und [X.] für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 25. März 2004 verkün-dete [X.]eil des 2. Zivilsenats des [X.] aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungs-gericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin lieferte über die E.

Ltd., –

(nachfol- gend: [X.]) im Jahr 1996 in [X.]gefertigte Funkwanduhren an Unternehmen der [X.] . Die [X.] hat darin eine Verletzung des [X.] 861 (Streitpatent) gesehen, das eine Anzeigen-Detektionsvor-richtung zur vollautomatischen Erkennung und Korrektur der Anzeige analog anzeigender Funkuhren mittels Lichtschranken betrifft und dessen Inhaberin ein Schwesterunternehmen der [X.], die G.

GmbH (nach- folgend: Patentinhaberin) war. 1 - 3 - 2 [X.] hat gegen die Patentinhaberin Nichtigkeitsklage erhoben, die [X.] zu einer Teilnichtigerklärung des Streitpatents durch das Bundespatent-gericht führte; Patentanspruch 2 blieb dabei bestehen. Daraufhin verwarnte die [X.], die befugt ist, Rechte am Streitpatent geltend zu machen, mit [X.] vom 22. November 1996 zwei Unternehmen der [X.] (nachfolgend: [X.]) als Abnehmer und Anbieter patentverlet-zender Uhren. Da diese Abmahnungen keinen Erfolg hatten, erwirkte die [X.] am 13. Dezember 1996 im [X.] gegen die [X.] einstweilige Verfügungen des [X.]. Die [X.] legten dagegen keinen Widerspruch ein, sondern gaben eine Abschlusser-klärung ab und schlossen zusammen mit anderen Unternehmen der [X.] mit der [X.] am 21. Februar 1997 eine Vereinbarung, mit der sie sich den Ansprüchen der [X.] aus dem Streitpatent unterwarfen. Wegen des näheren Inhalts wird auf das Berufungsurteil verwiesen. Am 19. März 1997 verwarnte die [X.] die Klägerin aus dem Streitpatent. Kurz zuvor war der [X.] eine Kopie der [X.] [X.] 50-147 772 mit dem Hinweis übersandt worden, dass diese das Streitpatent neuheitsschädlich tref-fe. Nach Einreichung der Berufung gegen das [X.]eil des [X.] im [X.] erwirkte die [X.] am 3. Juni 1997 eine einstweilige Verfügung des [X.] gegen die Klägerin (abgedruckt in Ent-scheidungen der 4. Zivilkammer des [X.] 1997, 58) und erhob auch in der Hauptsache Klage. Im [X.] nahm die [X.] den Antrag auf Erlass der Verfügung zurück; auch die [X.] wurde zurückgenommen. Das [X.] führte zur weitergehenden Teilnichtigerklärung im Umfang des nebengeordneten [X.] des Streitpatents, den das [X.] noch als schutzfähig angesehen hatte ([X.].[X.]. v. 23.09.1999 - [X.], abgedruckt bei [X.], Nichtigkeitsrechtsprechung in [X.], 129). - 4 - 3 Die Klägerin, die entsprechende Umsatzeinbußen behauptet hat, hat ge-gen die [X.] im vorliegenden Verfahren wegen unberechtigter Abnehmer-verwarnung (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) Schadensersatzansprüche in angemessener Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 1.173.199 DM, geltend gemacht. Die [X.] hat ein Verschulden in Ab-rede gestellt. Das [X.] hat den [X.] dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Verschulden der [X.] hat das [X.] darin gesehen, dass diese sich nach der mündlichen Verhandlung im Berufungsver-fahren vor dem [X.] gegen die einstweilige Verfü-gung, die gegenüber der Klägerin ergangen war, in Hinblick auf die [X.] [X.] 50-147 772 nicht in ausreichendem Maß sorgfältig verhal-ten habe; sie habe nämlich der Rechtsbeständigkeit des Patentanspruchs 2 des Streitpatents von da an mit Misstrauen begegnen und die [X.] aus den getroffenen Vereinbarungen entlassen müssen. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageforderung weiter. Die [X.] verteidigt das angefochtene [X.]eil. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren schon dem Grunde nach als nicht gerechtfertigt angesehen. Zwar begegne der unbezifferte Klageantrag der Klägerin keinen durchgreifenden Bedenken, weil von der Angabe des be-gehrten Betrags Ausnahmen zugelassen seien, wenn die Klägerin die [X.] und Schätzungsgrundlagen umfassend darlege und - wie hier gesche-hen - einen Mindestbetrag angebe. Die geltend gemachten Ansprüche fänden jedoch in § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des rechtswidrigen [X.] - 5 - griffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb keine Grundlage. Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei ein rechtswidriger und schuld-hafter, [X.] Eingriff. Einen solchen Eingriff stellten die Abneh-merverwarnungen, die Verwarnung der Klägerin und die erwirkten einstweiligen Verfügungen aus dem Patentanspruch 2 des Streitpatents nicht dar. Eine [X.] sei nicht allein deshalb rechtswidrig, weil eine Schutz-rechtsverletzung nicht vorliege. Das gelte auch für die Klageerhebung und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung des Inhabers eines auf seine materiellen Schutzvoraussetzungen geprüften Schutzrechts. Das Berufungsge-richt ist dabei unter Übernahme einer in der Literatur wie auch teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung von Rechtsprechung des [X.] abgewichen, wonach [X.] als rechtswidrige Eingriffe in den nach § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht geschützten einge-richteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des [X.] oder dessen Liefe-ranten schon dann zu beanstanden sind, wenn sie lediglich der Sache nach unberechtigt sind. Es sei, so das Berufungsgericht, vielmehr das gute Recht des Patentinhabers, Dritte, und zwar auch potenzielle Abnehmer von Mitbewer-bern, vor der Begehung von Verletzungshandlungen zu warnen. Dem Inhaber eines geprüften Patents könne es zudem grundsätzlich nicht verwehrt sein, über die Warnung hinaus die zur Abwehr von Eingriffen in sein Recht notwendi-gen Maßnahmen zu ergreifen und die hierzu von der Rechtsordnung zur Verfü-gung gestellten Mittel einzusetzen. Die Rechtsordnung sehe ausdrücklich die Möglichkeit vor, einen Streit über das Bestehen und Nichtbestehen von Rechts-ansprüchen durch die Gerichte entscheiden zu lassen. Die Einleitung eines ge-richtlichen Verfahrens diene der Wahrung des Rechts. Sie dürfe bei [X.] nicht in einer [X.] als rechtswidriges Vorgehen beurteilt werden, weil dies die Rechtsschutzgarantie des Art. 20 Abs. 3 GG auf den Kopf stellen würde. Es sei daher mit Stimmen in der Literatur davon auszugehen, dass Klage und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht per se - 6 - rechtswidrig sein könnten, nur weil sie objektiv unberechtigt seien, [X.], wenn sich die mangelnde Berechtigung erst aus einer späteren Nichtigerklä-rung des Schutzrechts ergebe. Rechtswidrigkeit der Klageerhebung wie der Einreichung des Antrags auf einstweilige Verfügung könnten nur angenommen werden, wenn Umstände vorlägen, die das Verhalten des [X.] oder [X.] als rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erscheinen ließen, was der Fall sein möge, wenn dem Kläger bereits bei Klageerhebung positiv [X.] sei, dass der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe, und der [X.] mit der Erhebung der Klage in dem Sinn eingeschüchtert werden solle, dass er befürchte, die Klage könne Erfolg haben, um ihn so zu einem rechtlich nicht gebotenen Nachgeben zu veranlassen. Hierfür sei indessen nichts ersichtlich. Die [X.] sei aus dem Streitpa-tent erst vorgegangen, als dieses vom [X.] im Nichtigkeitsver-fahren aufrechterhalten worden sei. Es spreche nichts dafür, dass der [X.]n bereits positiv bekannt gewesen sei, der geltend gemachte Anspruch werde später keinen Bestand haben. Infolge der [X.] könne es der [X.] nicht um eine Einschüchterung dieser Unternehmensgruppe gegan-gen sein. Auch bei der Erwirkung der einstweiligen Verfügung gegen die Kläge-rin könne von einem rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Vorgehen [X.] Rede sein. Die [X.] [X.] habe den Rechtsbestand des Patentanspruchs 2 des Streitpatents nicht so zweifelhaft erscheinen lassen, dass sich das [X.] hierdurch am Erlass der einstweiligen Verfügung ge-hindert gesehen hätte. 5 Bei einer nur objektiv unbegründeten Schutzrechtsverwarnung oder ei-nem gerichtlichen Vorgehen liege ein Eingriff in den eingerichteten und ausge-übten Gewerbebetrieb nicht vor. Den berechtigten Interessen des Lieferanten sei dadurch hinreichend genügt, dass [X.], die bezüglich 6 - 7 - ihrer Form oder ihres Inhalts Mängel aufwiesen, als wettbewerbswidrig bean-standet werden könnten, und solche, bei denen der Mangel dem [X.] im [X.]punkt der Verwarnung positiv bekannt sei, als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung oder als rechtsmissbräuchlich abgewehrt werden könnten. Zudem könne der Hersteller oder Lieferant gegenüber dem Verwarner im Weg der ne-gativen Feststellungsklage vorgehen; des Auffangtatbestands des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bedürfe es daher nicht. Bei im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung erwirkten Titeln böten die §§ 945, 717 Abs. 2 ZPO eine ausreichende Haftungsgrundlage. Auf die Frage eines Verschuldens der [X.] komme es nicht an, da ein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin ausscheide. [X.] werde auch ein Verschulden zu verneinen sein, denn solange das Patent nicht rechtskräftig vernichtet sei, könne ein auf den Bestand des Patents ge-stütztes Verhalten weder besondere Verhaltenspflichten begründen noch schuldhaft sein. Dass die Nichtigerklärung des Patents rückwirkend erfolge, könne nicht rückwirkend besondere Verhaltenspflichten oder ein Verschulden begründen. Im [X.]punkt der beanstandeten Handlungen sei die [X.] Inha-berin eines nicht nur von der zuständigen Verwaltungsbehörde, sondern auch vom [X.] überprüften Patents gewesen. Weiter seien [X.] aus § 826 BGB, aus [X.]recht oder aus § 824 BGB wie auch aus § 945 ZPO nicht gegeben. 7 I[X.] Diese Auffassung greift die Revision an. Der [X.] habe daran festgehalten, dass die unberechtigte Verwarnung aus einem gewerbli-chen Schutzrecht und damit auch die Unterlassungsklage einen Eingriff in den Gewerbebetrieb des [X.] darstelle. Der in der Literatur vertretenen Ge-genansicht sei nicht zu folgen. Sie leugne im [X.] die Sozialbindung des [X.]s, auf die schon das [X.] hingewiesen habe. Bei 8 - 8 - der Beurteilung, ob die Rechtsordnung Schadensersatzansprüche zur Verfü-gung stelle, sei auf das verletzte Rechtsgut und die Intensität eines Eingriffs, nicht aber darauf abzustellen, ob andere Eingriffe in andere Rechtsgüter [X.] auslösten. Folge der in der Literatur vertretenen Auffassung sei im Fall der Abnehmerverwarnung, dass dem Hersteller keine Unterlassungsansprüche zuständen. Der Abnehmer werde typischerweise die entsprechenden Waren nicht mehr vertreiben, wodurch die [X.]mechanismen außer [X.] ge-setzt würden. Der Anspruch wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeüb-ten Gewerbebetrieb verstoße auch im Fall einer unberechtigten Verwarnung aus einem gewerblichen Schutzrecht nicht gegen Art. 5 GG; da er Verschulden voraussetze, treffe den sorgfältigen [X.] keine Haftung. Der Irrtum, in dem sich die [X.] befunden habe, sei, nachdem ihr das Gutach-ten des Sachverständigen Prof. Dr. C.
im [X.] vorgelegen habe, nicht mehr zu entschuldigen gewesen. Die Rechtsprechung fordere als Korrelat zum Wissensvorsprung des [X.]s gegen-über dem [X.] lediglich, dass sich der Verwarnende vor der Verwarnung über die Schwere seines Eingriffs in die Rechtssphäre des [X.] bewusst werde und dass von der Verwarnung nur dann Gebrauch gemacht werde, wenn zuvor mit der gebotenen Sorgfalt geprüft worden sei, ob die eigene [X.] die Verwarnung rechtfertige. Fehl gehe zudem die Auffassung des [X.]s, solange das Patent nicht für nichtig erklärt sei, könne ein auf den Bestand des Patents gestütztes Verhalten nicht schuldhaft sein oder besondere Verhaltenspflichten begründen. Dabei werde nämlich übersehen, dass dem Pa-tentinhaber weiterer Stand der Technik durchaus bekannt sein könne, der Pa-tentanmelder im Erteilungsverfahren aber darauf baue, dass er unerkannt [X.]II[X.] Die [X.] hat im Revisionsverfahren zwar einen Antrag gestellt, sich aber nicht weiter geäußert. 9 - 9 - 10 IV. Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist. 11 1. Der [X.]at tritt der Auffassung des Berufungsgerichts bei, dass die auf einen Mindestbetrag und im Übrigen auf einen angemessenen Betrag gerichte-te Klage im vorliegenden Fall zulässig ist (vgl. [X.], [X.]. v. 13.10.1981 - VI ZR 162/80, NJW 1982, 340). 2. Die Frage, ob die unberechtigte Verwarnung aus einem Schutzrecht einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinn des § 823 Abs. 1 BGB darstellt und damit auch einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nach der genannten Bestimmung auslösen kann, wurde von den Gerichten und in der Literatur in jüngerer [X.] unterschiedlich beurteilt. Der [X.] Zivilsenat des [X.]s hat sie dem Großen [X.]at für Zivilsachen unterbreitet, weil er sie entgegen der bisherigen Rechtsprechung verneinen wollte (Beschluss vom 12.08.2004 - I ZR 98/02, u.a. in [X.], 958 = [X.], [X.]. 2005, 40). 12 3. Der Große [X.]at für Zivilsachen des [X.]s hat mit [X.] vom 15. Juli 2005 - [X.] ([X.], 1690 = [X.], 882) die Vorlagefrage, soweit hier von Interesse, dahin beantwortet, dass die unberech-tigte Schutzrechtsverwarnung unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Ge-werbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten kann. Zur Begründung hat der Große [X.]at für Zivilsachen u.a. ausgeführt, es entspreche ständiger, auf das [X.] zurückgehender Rechtsprechung des [X.]s, dass die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in eine 13 - 10 - nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition des [X.] als auch desjenigen Gewerbetreibenden darstellen könne, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts ge-genüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden. Seit Beginn der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur unberechtigten Schutz-rechtsverwarnung werde auf den entscheidenden Gesichtspunkt hingewiesen, dem nach wie vor Rechnung zu tragen sei: Das dem [X.] ver-liehene Ausschließlichkeitsrecht schließe jeden Wettbewerber von der Benut-zung des [X.] aus. Diese einschneidende, die Freiheit des [X.] begrenzende Wirkung des Ausschließlichkeitsrechts verlange nach einem Korrelat, das sicherstelle, dass der Wettbewerb nicht über die ob-jektiven Grenzen hinaus eingeschränkt werde, durch die das Gesetz den für schutzfähig erachteten Gegenstand und seinen Schutzbereich bestimme. Die-ser notwendige Ausgleich zwischen dem verfassungsrechtlich geschützten Inte-resse des [X.]s, sein Recht geltend machen zu können, und dem gleichfalls durch das Grundgesetz geschützten Interesse des [X.], sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter [X.] frei entfalten zu können, wäre nicht mehr wirksam gewähr-leistet, wenn es dem [X.] gestattet wäre, aus einem Schutz-recht Schutz in einem Umfang zu beanspruchen, der ihm nicht zustehe, und wenn der [X.] den wirtschaftlichen Nutzen aus einer schuldhaf-ten Verkennung des Umfangs des ihm zustehenden Schutzes ziehen dürfte, ohne für einen hierdurch verursachten Schaden seiner Mitbewerber einstehen zu müssen. Das werde bei einer Verwarnung von Abnehmern besonders deut-lich. Bei dieser mache der [X.] sein vermeintlich verletztes Recht nicht gegenüber dem unmittelbaren Mitbewerber, sondern - was ihm grundsätzlich freistehe - gegenüber dessen Abnehmern geltend. Das Interesse der Abnehmer, sich sachlich mit dem [X.] auseinanderzuset-zen, sei typischerweise erheblich geringer als das Interesse des mit dem - 11 - [X.] konkurrierenden Herstellers. Bei dem einzelnen Abnehmer könnten die Umsätze mit dem vermeintlich verletzenden Erzeugnis nur geringe Bedeutung haben, außerdem stehe ihm häufig die Alternative zu Gebote, ohne erhebliche Nachteile auf ein entsprechendes Produkt des [X.]s auszuweichen. [X.] getroffen werde in dieser Situation nicht der ver-warnte Abnehmer, sondern der ihn beliefernde Hersteller. Ohne das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der unberechtigten [X.] ergäbe sich keine wirksame Handhabe, um einem möglicherweise existenzgefährdenden Eingriff in die Kundenbeziehungen des Herstellers durch die unberechtigte Geltendmachung von [X.] gegenüber seinen Abnehmern entgegenzutreten. Durch die andernfalls nur verbleibende Klage auf Feststellung, dass dem aus dem Schutzrecht [X.] die ver-meintlichen Ansprüche nicht zustehen, sei in aller Regel ein wirksamer Rechts-schutz nicht zu erreichen. Die Rechtsprechung des [X.]s habe stets daran festgehalten, dass die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung [X.] sei und der schuldhafte Verstoß gegen dieses Verbot zum [X.] verpflichte. Die im Vorlagebeschluss des [X.] Zivilsenats angeführten Grün-de, mit denen sich der Große [X.]at für Zivilsachen im Einzelnen auseinander-gesetzt hat, gäben keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung [X.]. Zutreffend sei, dass bei subjektiver Redlichkeit nicht rechtswidrig in ein geschütztes Rechtsgut seines [X.] eingreife, wer ein insbeson-dere gerichtliches Verfahren einleite und betreibe, auch wenn sein Begehren sachlich nicht gerechtfertigt sei. Für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehlein-schätzung der Rechtslage hafte der ein solches Verfahren betreibende Schutz-rechtsinhaber grundsätzlich nicht nach dem Recht der unerlaubten Handlung, da der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch das gerichtliche Verfah-ren gewährleistet werde. Wo dies allerdings nicht der Fall sei, müsse es beim uneingeschränkten Rechtsgüterschutz verbleiben, den § 823 Abs. 1 BGB und § 826 BGB gewährten. Aus der in der Rechtsprechung des [X.]s - 12 - anerkannten Rechtfertigungswirkung des gerichtlichen Verfahrens gegenüber dem [X.] ergebe sich daher nichts für einen grundsätzlichen Aus-schluss der Haftung für die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung, namentlich die Abnehmerverwarnung, wenn der geschädigte Gewerbetreibende seine Rechte nicht in einem gerichtlichen Verfahren wahrnehmen könne. Allerdings könne die gerichtliche Prüfung eines auch nur vermeintlich bestehenden [X.] nicht unterbunden werden. Das sei aber ein rein prozessuales Privileg, das den Eingriff in das Recht eines Mitbewerbers am eingerichteten und [X.] Gewerbebetrieb nicht rechtmäßig mache. Diese Privilegierung sei nicht auf die außer- oder vorgerichtliche Abmahnung zu erstrecken. Die Gleichbe-handlung von Klage und Abmahnung sei nicht logisch zwingend vorgegeben. Die Abmahnung sei keine Prozessvoraussetzung für die Klage oder den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Der gleichwohl verbleibende, für eine Privilegierung von Klage und Abmahnung im gleichen Umfang sprechende Nachteil für den [X.] wiege gering gegenüber den Gründen, die gegen eine Privilegierung der Abmahnung sprächen. Stünde die Abmahnung der Klage gleich, bliebe eine fahrlässige unberechtigte Schutzrechtsverwarnung praktisch folgenlos, obgleich das Bedürfnis einer Sanktion in Fällen der [X.] ungleich größer sei als in [X.]. Die außergerichtliche Abmahnung auch einer Vielzahl von Abnehmern bedeute nur einen verhältnismäßig gerin-gen Aufwand. Die in der Vergangenheit in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des [X.]s gegen außergerichtliche Abnehmer-verwarnungen ausgesprochenen Verbote hätten nicht dazu geführt, dass [X.] stattdessen in erheblichem Umfang unmittelbar gerichtlich in Anspruch genommen worden seien. Dem Betroffenen den deliksrechtlichen Schutz zu entziehen, wäre dem im Interesse der Allgemeinheit liegenden Ziel eines an-gemessenen und praktisch wirksamen Ausgleichs zwischen dem Schutz der geistigen Leistung einerseits und dem Schutz des freien [X.] außer-- 13 - halb des Schutzbereichs bestehender Ausschließlichkeitsrechte andererseits abträglich. 14 4. Dieser Beurteilung schließt sich der [X.]at an. Sie hat nicht nur zur Folge, dass die Regelung des § 823 Abs. 1 BGB weiterhin auf alle außerge-richtlichen Verwarnungen aus einem technischen Schutzrecht gegenüber einem Hersteller, einem Lieferanten, einem Importeur oder einem Abnehmer des strei-tigen Erzeugnisses anwendbar ist. Auch im Fall der Einleitung eines gerichtli-chen Verfahrens kann § 823 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz dadurch verursachter Schäden begründen, nämlich zugunsten dessen, der nicht als [X.] an dem betreffenden Verfahren beteiligt ist. Denn im Verhältnis zu dem Nichtbeteiligten greift die Regel nicht, dass nicht rechtswidrig in ein geschütztes Rechtsgut seines [X.] eingreift, wer ein staatliches, gesetzlich eingerichtetes und geregeltes Verfahren einleitet oder betreibt ([X.] [X.], 1692). Dem etwa durch einen gegen seinen Abnehmer gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beeinträchtigten Hersteller oder Lieferan-ten kann daher Ersatz sowohl der Schäden zuzusprechen sein, die ihm durch eine vorherige Abnehmerverwarnung entstanden sind, als auch der Schäden, die ihm der anschließende Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung oder ein klageweises Vorgehen gegen den Abnehmer verursacht hat. Letzteres [X.] seinen Sinn auch darin, dass der Hersteller oder Lieferant die Einleitung eines gegen seinen Abnehmer gerichteten gerichtlichen Verfahrens zur Durch-setzung eines unberechtigten Unterlassungsanspruchs nicht seinerseits durch Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs verhindern kann, weil insoweit das prozessuale Privileg zu beachten ist, das Bestehen eines behaupteten [X.] aus einem Schutzrecht gerichtlich klären zu lassen ([X.] [X.], 1690, 1693). Auch im Streitfall kommt deshalb ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Schäden in Betracht, die ihr durch die Verwarnung der beiden Unternehmen der [X.] und/oder deren - 14 - gerichtliche Inanspruchnahme entstanden sind, ferner für die Schäden, die der Klägerin dadurch entstanden sind, dass sie ihrerseits von der [X.] [X.] verwarnt worden ist. 15 Damit weicht der [X.]at nicht von dem [X.]eil des [X.] Zivilsenats des [X.] vom 29. Juni 1977 ([X.], GRUR 1977, 805 - Klarsichtverpackung) ab. Der [X.] Zivilsenat hat in dieser Entscheidung die [X.] vertreten, in der unberechtigten Verwarnung eines Mitbewerbers we-gen vermeintlicher Verletzung eines Ausstattungsschutzrechts (heute § 4 Nr. 2 [X.]) sei nicht zugleich ein zum Schadensersatz verpflichtender unmittel-barer Eingriff in den Gewerbebetrieb des Lieferanten der angegriffenen Ausstat-tung zu sehen. Er hat dies damit begründet, dass sich die [X.] ausschließlich gegen dasjenige Unternehmen gerichtet habe, das die von der damaligen Klägerin hergestellte Klarsichtverpackung als Ausstattung für Süßwaren verwendet habe, und dass nur dieses Unternehmen als Verletzer in Betracht gekommen sei, weil es eben diese Waren mit der angegriffenen [X.] versehen und in den Verkehr gebracht habe (§ 25 [X.]). [X.] folgt aus § 9 Nr. 1 [X.], dass auch derjenige, der ein patentgeschütztes Erzeugnis in den Verkehr bringt, das Patent verletzt. Das ist schon dann der Fall, wenn die vermeintlich patentverletzende Ware wie hier an einen gewerbli-chen Abnehmer geliefert wird. Dies genügt zur Bejahung der Unmittelbarkeit (Betriebsbezogenheit) des Eingriffs in den Gewerbebetrieb der Klägerin. 5. Was Schäden anbelangt, die durch die gerichtliche Inanspruchnahme der Klägerin selbst entstanden sind, kann der Auffassung des Berufungsge-richts nicht beigetreten werden, bei Nichtigerklärung eines Patents kämen [X.] nach § 945 ZPO nicht in Betracht (so auch Vollkommer in [X.], ZPO, 25. Aufl., § 945 Rdn. 8; [X.] in [X.], ZPO, 21. Aufl,. § 945 Rdn. 19a; [X.], GRUR 1968, 17; [X.], GRUR 1976, 512; [X.], [X.], 442; offen gelassen in [X.] 75, 116, 120 - [X.]). Vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Patents wirken gegenüber [X.] auf den [X.]punkt der Anmeldung der Erfindung zum Patent zurück (ex tunc; vgl. Busse/Schwendy, [X.], 6. Aufl., § 21 [X.] Rdn. 135, 136 mit Nachw. zur entsprechenden Rechtsprechung vor Inkrafttreten des [X.]; [X.], [X.] u. [X.], 9. Aufl., § 22 [X.] Rdn. 63 m.w.N.). Sie ha-ben zur Folge, dass Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche in dem [X.], in dem das Patent widerrufen oder für nichtig erklärt worden ist, von [X.] an nicht bestehen. Daraus ergibt sich, dass die Rechtsstellung, die durch ein Patent erlangt wird, das in dem für nichtig erklärten Umfang nicht hätte er-teilt werden dürfen, dem Patentinhaber von Gesetzes wegen bereits anfänglich nicht zusteht. Dem Patentinhaber erwächst durch den Bestand eines zu Un-recht erteilten Patents auch keine geschützte Rechtsstellung ([X.]at, [X.]. v. 05.07.2005 - [X.]/03 - [X.]). Im Ergebnis ist die Rechtslage daher nicht anders als in dem Fall, dass sich die einstweilige Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt erweist. Das ist aber gerade einer der in § 945 ZPO geregelten Fälle. 6. Die Verneinung eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb insgesamt sowie eines Anspruchs aus § 945 ZPO durch das Berufungsgericht kann auf dieser Grundlage keinen Bestand haben. 17 V. Dem [X.]at ist allerdings eine abschließende Entscheidung in der [X.] verwehrt. Ob die [X.] ein Verschulden trifft, kann in der [X.] nicht geklärt werden. Das Berufungsgericht hat es - von seinem Rechts-standpunkt aus folgerichtig - unterlassen, abschließende tatrichterliche Feststel-lungen hierzu zu treffen. Es hat lediglich darauf abgestellt, dass nicht ange-nommen werden könne, das Verhalten des [X.] sei rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig gewesen. Das ist aber jedenfalls, soweit eine Haftung nach 18 - 16 - § 823 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, nicht der maßgebliche Maßstab. Die Überlegungen, die das Berufungsgericht hierzu angestellt hat, erweisen sich zudem nicht in vollem Umfang als tragfähig. Dass ein auf den Bestand des [X.] gestütztes Verhalten nicht schuldhaft sein könne, wie es das Berufungs-gericht annehmen will, trifft, worauf die Revision zutreffend hinweist, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Ein dahin gehender Rechtssatz besteht jedenfalls dann nicht, wenn der Patentinhaber weitergehende Kenntnisse als die [X.] über den Stand der Technik hat, diese Kenntnisse aber entgegen seiner nunmehr in § 34 Abs. 7 [X.] normierten Wahrheitspflicht zurückhält, aber auch dann nicht, wenn ihm möglicherweise der Schutzfähigkeit entgegenstehendes Material nachträglich bekannt geworden ist und er wusste, dass dieses Material der Schutzfähigkeit des Streitpatents entgegensteht, oder er sich dieser Er-kenntnis in vorwerfbarer Weise verschlossen hat. Ob solches der Fall war, wird das Berufungsgericht nunmehr zu prüfen haben. Dabei wird es nicht allein dar-auf abstellen können, dass das Streitpatent erteilt worden ist und das Bundes-patentgericht eine Nichtigerklärung im Umfang seines Patentanspruchs 2 nicht ausgesprochen hat. Letzteres besagt nämlich nur, dass sich das Bundespa-tentgericht insoweit nicht in der Lage gesehen hat, das Vorliegen eines geltend gemachten [X.] positiv festzustellen. - 17 - Sofern das Berufungsgericht bei erneuter Befassung zu dem Ergebnis gelangt, dass die [X.] ein Verschulden trifft, wird es sich weiter mit der Frage zu befassen haben, wieweit ein Schaden der Klägerin auf das gerichtli-che Vorgehen der [X.] zurückzuführen ist, für das diese nur nach den Regeln der Prozessgesetze (etwa nach § 945 ZPO) haftet. Eine sich daraus möglicherweise ergebende Haftungsprivilegierung wird schon dann eingreifen müssen, wenn und soweit das gerichtliche Vorgehen für den Schaden lediglich mitursächlich war. 19 Scharen [X.] Mühlens

[X.] Kirchhoff Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 17.09.2002 - 4a [X.]/01 - O[X.], Entscheidung vom 25.03.2004 - 2 U 151/02 -

Meta

X ZR 72/04

21.12.2005

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2005, Az. X ZR 72/04 (REWIS RS 2005, 88)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 88

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