Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.07.2020, Az. X ZR 42/17

10. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 770

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Gegenstand

Folgen einer zu weit gehenden Schutzrechtsverwarnung als Eingriff in das Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III


Leitsatz

Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III

1. Erfolgt eine Schutzrechtsverwarnung teilweise zu Recht, geht sie aber ihrem Umfang nach über das hinaus, was der Rechtsinhaber berechtigterweise fordern kann, liegt darin kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn das zu Unrecht beanstandete Verhalten vom Verwarnten nach den gesamten Umständen vernünftigerweise nicht zu erwarten ist.

2. Soweit die an einen Abnehmer gerichtete Schutzrechtsverwarnung unberechtigt ist, liegt darin kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Herstellers, wenn ihr insoweit die Eignung fehlt, dessen Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Teilurteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 9. März 2017 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die gegen die Beklagten zu 2 und 3 gerichtete Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 20. Juli 2011 den Antrag betreffend zurückgewiesen hat, die Beklagten zu 2 und 3 aus abgetretenem Recht zur Zahlung eines Betrags von 1.091.200 Euro nebst Zinsen zu verurteilen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin und die Beklagte zu 1 sind im Bereich der [X.] geschäftlich tätig. Die Beklagte zu 1 war Inhaberin des am 18. Februar 1999 erteilten [X.] Patents 44 04 978 (im Folgenden: Patent), das eine Antennenanordnung für Satellitenempfänger betrifft.

2

Die im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierenden Patentansprüche 3 und 4 des Patents lauten:

3. Verfahren zur Übermittlung von Steuersignalen von einem Wiedergabegerät (7) mit einem der Erzeugung eines den Sendebereich bestimmenden [X.]s für einen Empfangskonverter (6) dienenden Generator (9) an eine [X.] (4) über ein Koaxialkabel zur Übermittlung der Empfangssignale und der Sendebereichssteuersignale, dadurch gekennzeichnet, dass bei Programmumschaltung von dem Wiedergabegerät das [X.] zur Bestimmung des Sendebereichs gemäß einer Steuersequenz kurzzeitig ein- oder mehrmals unterbrochen wird, wenn es im eingeschalteten Zustand ist, bzw. angeschaltet wird, wenn es in einem ausgeschalteten Zustand ist, und dass die [X.] (4) diese Signale zur Steuerung der Antenne empfängt und den Empfangskonverter (6) auf die gewünschte Position einstellt.

4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Einstellung der Position durch Abfragen der Ist-Position des Empfangskonverters (6), Auslesen einer [X.] aus dem Speicher und Regelung des [X.] (1) entsprechend der Abweichung zwischen [X.] und Ist-Position erfolgt.

3

Das [X.] hat das Patent mit Urteil vom 29. April 2009 im Umfang der Patentansprüche 3 und 4 für nichtig erklärt. Die dagegen eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben ([X.], Urteil vom 27. Oktober 2011 - [X.]/09).

4

Im Februar 2007 ließ die Beklagte zu 1 durch ein Drittunternehmen zahlreiche Abnehmer der Klägerin aus dem Fachhandel zur Abgabe eines schriftlichen Angebots über eine drehbare Satellitenempfangsanlage auffordern. Abnehmer der Klägerin, die darauf eingingen, wurden im März 2007 von dem [X.] zu 2, der mit der [X.] zu 3 eine Rechtsanwaltskanzlei betrieb, als anwaltlicher Vertreter der [X.] zu 1 wegen unmittelbarer Verletzung des Patents abgemahnt (im Folgenden: erste Verwarnung). Mit Schreiben vom 2. April 2007 legitimierte sich der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der [X.] zu 1 und wies die Abmahnung für 400 Abnehmer der Klägerin zurück, nachdem die Klägerin eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben und ihre Abnehmer entsprechend informiert hatte.

5

Die Klägerin erwirkte beim [X.] am 22. März 2007 eine einstweilige Verfügung, mit der der [X.] zu 1 Abmahnungen mit dem ausgesprochenen Inhalt mit der Begründung untersagt wurden, dass allenfalls eine mittelbare Patentverletzung seitens der verwarnten Abnehmer in Frage komme. Die Beklagte zu 1 gab daraufhin eine entsprechende Unterlassungserklärung ab. Im Widerspruchsverfahren stellte das [X.] die Erledigung des [X.] in der Hauptsache fest. Die dagegen gerichtete Berufung der [X.] zu 1 blieb ohne Erfolg.

6

Mit Schreiben vom 22. Juni 2007 mahnte der Beklagte zu 2 als anwaltlicher Vertreter der [X.] zu 1 die Abnehmer der Klägerin wegen mittelbarer Patentverletzung ab (im Folgenden: zweite Verwarnung). Nach erneuter Kostenübernahmeerklärung und Information der Abnehmer legitimierte sich der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin wiederum gegenüber der [X.] zu 1 und wies die Abmahnungen für 313 Abnehmer zurück.

7

Die Klägerin hat die [X.] wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen auf Schadensersatz in Höhe von 1.500.000 Euro in Anspruch genommen. Das [X.] hat die Beklagte zu 1 zur Zahlung von 272.800 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nach Einlegung der Berufung durch die Klägerin ist über das Vermögen der [X.] zu 1 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Rechtsstreit insoweit unterbrochen worden. Hinsichtlich der gegen die [X.] zu 2 und 3 gerichteten Klage hat das Berufungsgericht die Berufung durch Teilurteil zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Senat dieses Teilurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen ([X.], Urteil vom 1. Dezember 2015 - [X.], [X.]Z 208, 119 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II).

8

Das Berufungsgericht hat die gegen die [X.] zu 2 und 3 gerichtete Berufung abermals zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihren Berufungsantrag in Höhe von 1.091.200 Euro nebst Zinsen insoweit weiterverfolgt, als das Berufungsgericht Ansprüche der Klägerin aus eigenem, hilfsweise aus abgetretenem Recht aufgrund der ersten Verwarnung verneint hat.

Entscheidungsgründe

9

Über die Revision der Klägerin ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagten zu 2 und 3 im Verhandlungstermin säumig waren. Trotz der Säumnis der [X.] beruht das Urteil auf einer vollständigen rechtlichen Nachprüfung im Umfang der Anfechtung (vgl. nur [X.], Urteil vom 13. September 2005 - [X.], [X.], 223). Diese führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses die Berufung auch hinsichtlich der Ansprüche der Klägerin aus abgetretenem Recht ihrer Abnehmer zurückgewiesen hat. Im Übrigen bleibt die Revision erfolglos.

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung ([X.], [X.], 877 = [X.], 461), soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Das [X.] habe Schadensersatzansprüche aus eigenem Recht der Klägerin wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu Recht verneint.

Die Verwarnungen seien nicht zu beanstanden, soweit sie den Betrieb von sogenannten [X.] umfassten. Auch durch die Verwendung von Empfangskonvertern in einer solchen Anlage werde von der Lehre des Patents Gebrauch gemacht.

Die Verwarnungen seien zwar unberechtigt, weil das Patent später für nichtig erklärt worden sei, doch treffe die Beklagten in Bezug auf die Fehleinschätzung hinsichtlich des [X.] des Schutzrechts kein Verschulden.

Die erste Verwarnung sei zudem insoweit unberechtigt, als von den Abnehmern der Klägerin nicht lediglich ein Unterlassen einer mittelbaren Verletzung der in Anspruch 3 geschützten Lehre verlangt wurde, sondern ein Unterlassen der Benutzungshandlung einer unmittelbaren Verletzung. Darin liege jedoch kein Eingriff in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, weil entsprechende Handlungen der verwarnten Händler nicht zu erwarten gewesen seien. Das vermeintliche Verbot der Einfuhr begründe keinen Eingriff, weil die Klägerin als inländische Herstellerin von dieser Beschränkung ihrer Abnehmer nicht betroffen gewesen sei.

Ohne Erfolg bleibe die Berufung der Klägerin auch im Hinblick auf abgetretene Schadensersatzansprüche ihrer Abnehmer. Die Klägerin mache allein die Kosten der Rechtsverteidigung gegen die beiden Verwarnungen geltend. Ein Schaden der Abnehmer sei jedoch insoweit wegen der Kostenübernahmeerklärung der Klägerin nicht ersichtlich.

II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand, soweit das Berufungsgericht Ansprüche der Klägerin aus eigenem Recht aufgrund der ersten Verwarnung verneint hat.

1. Nach der Rechtsprechung des [X.] kann die unberechtigte Verwarnung aus einem gewerblichen Schutzrecht unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten. Richtet sich die Verwarnung an Abnehmer der beanstandeten Waren, kann ein entsprechender Anspruch auch einem Hersteller zustehen, der die Abnehmer beliefert. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der notwendige Ausgleich zwischen dem durch Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Schutzrechtsinhabers, sein Recht geltend machen zu können, und dem gleichfalls durch das Grundgesetz geschützten Interesse des [X.], sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu können, nicht mehr wirksam gewährleistet wäre, wenn es dem Schutzrechtsinhaber gestattet wäre, Schutz in einem Umfang zu beanspruchen, der ihm nicht zusteht, und wenn er den wirtschaftlichen Nutzen aus einer schuldhaften Verkennung des Umfangs des ihm zustehenden Schutzes ziehen dürfte, ohne für einen hierdurch verursachten Schaden seines Mitbewerbers einstehen zu müssen ([X.], Beschluss vom 15. Juli 2005 - [X.], [X.]Z 164, 1 Rn. 15 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung I; Urteil vom 1. Dezember 2015 - [X.], [X.]Z 208, 119 Rn. 15 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II).

2. Ein Anspruch auf Schadensersatz kann auch gegenüber dem vom Schutzrechtsinhaber im Hinblick auf eine Schutzrechtsverwarnung eingeschalteten Rechtsanwalt begründet sein. Dieser ist gegenüber dem später [X.] verpflichtet, von einer Verwarnung abzusehen, wenn er den Schutzrechtsinhaber in einer die Rechtslage unzutreffend oder unvollständig darstellenden Weise über die Berechtigung der Schutzrechtsverwarnung beraten hat ([X.]Z 208, 119 Rn. 16 ff. - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II).

3. Zu Recht hat das Berufungsgericht der Klägerin auf dieser Grundlage Schadensersatzansprüche aus eigenem Recht wegen der ersten Verwarnung versagt.

a)Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung zutreffend und von der Revision unbeanstandet zugrunde gelegt, dass die Verwarnung nicht zu beanstanden war, soweit sie auch den Betrieb von [X.] umfasste.

b) Soweit die Verwarnung unberechtigt war, weil das Patent sich später als nicht rechtsbeständig erwies, hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Beklagten in Bezug auf die Fehleinschätzung hinsichtlich des [X.] des Patents kein Verschulden trifft. Auch insoweit erhebt die Revision keine Einwände.

c) Die erste Verwarnung war zudem insoweit unberechtigt, als das Unterlassen einer unmittelbaren statt einer mittelbaren Verletzung verlangt wurde, die abgemahnten Händler insbesondere aufgefordert wurden, auch die Herstellung und die Einfuhr der beanstandeten [X.] zu unterlassen.

aa) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagten insoweit ein Verschulden trifft. Daher ist revisionsrechtlich das Vorbringen der Klägerin zugrunde zu legen, wonach der Beklagte zu 2 hätte erkennen können und müssen, dass die verwarnten Fachhändler allenfalls mittelbare Verletzungshandlungen begingen.

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass es an einem Eingriff in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fehle, soweit die abgemahnten Fachhändler mit der ersten Verwarnung auf Unterlassung von [X.] in Anspruch genommen wurden, da mit solchen Handlungen der [X.] vernünftigerweise nicht zu rechnen gewesen sei.

Diese Beurteilung, die von der Revision nicht beanstandet wird, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

Erfolgt eine Schutzrechtsverwarnung teilweise zu Recht, geht sie aber ihrem Umfang nach über das hinaus, was der Rechtsinhaber berechtigterweise fordern kann, liegt darin kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn das zu Unrecht beanstandete Verhalten vom [X.] nach den gesamten Umständen vernünftigerweise nicht zu erwarten ist. Bei einer solchen Sachlage ist die Verwarnung von vornherein nicht geeignet, den [X.] in seiner wirtschaftlichen Betätigung zu beeinträchtigen.

Richtet sich die Verwarnung an einen Abnehmer, fehlt es damit jedenfalls dann zugleich an einem Eingriff in die Rechte der ihn beliefernden Hersteller, wenn auch für diesen erkennbar ist, dass das beanstandete Verhalten vom [X.] vernünftigerweise nicht zu erwarten ist.

Danach hat das Berufungsgericht einen Eingriff in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Bezug auf [X.] zutreffend verneint. Die Verwarnung richtete sich an Händler, von denen die Herstellung von [X.] oder von wesentlichen Teilen davon nicht zu erwarten war.

cc) Soweit die Abnehmer der Klägerin wegen der Einfuhr von [X.] und Teilen dafür verwarnt wurden, hat das Berufungsgericht einen eigenen Anspruch der Klägerin mit der Begründung verneint, als inländische Herstellerin erleide die Klägerin keine Nachteile, wenn ihre Abnehmer zu Unrecht auf Unterlassung der Einfuhr der beanstandeten Vorrichtungen in Anspruch genommen würden.

Auch insoweit ist das angefochtene Urteil, anders als die Revision meint, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Zwar trifft es zu, dass eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung nicht nur in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb desjenigen eingreift, an den die Verwarnung gerichtet ist. Daneben und sogar stärker wird vielfach der Hersteller getroffen, der den [X.] mit den Gegenständen beliefert, die Anlass für die Verwarnung sind ([X.]Z 164, 1 Rn. 16 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung I).

Soweit die an einen Abnehmer gerichtete Schutzrechtsverwarnung unberechtigt ist, liegt darin aber kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Herstellers, wenn ihr insoweit die Eignung fehlt, dessen Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen.

So liegt es hier: Eine Verwarnung in Bezug auf die Einfuhr der beanstandeten [X.] konnte den Geschäftsbetrieb der Klägerin nicht beeinträchtigen, da diese ihren Sitz im Inland hat, ihre Produkte mithin von den verwarnten Händlern nicht in das Gebiet der [X.] eingeführt werden müssen. Soweit die Verwarnung zu einer Beeinträchtigung anderer, im Ausland ansässiger Hersteller geführt haben mag, kann die Klägerin hieraus keine Ansprüche ableiten.

III. Dagegen erweist sich die Revision als begründet, soweit das Berufungsgericht Ansprüche der Klägerin aus abgetretenem Recht ihrer Abnehmer verneint hat.

1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob vernünftigerweise damit zu rechnen war, dass die verwarnten Händler Anlagen oder Teile hiervon einführen. Es hat ferner keine Feststellungen zu dem Vorbringen der Klägerin getroffen, wonach die Abnehmer Ansprüche auf Schadensersatz an sie abgetreten haben, sondern angenommen, den Abnehmern sei jedenfalls kein Schaden entstanden, weil die Klägerin sich bereit erklärt habe, die ihnen aus der Rechtsverteidigung gegen die Verwarnungen entstehenden Kosten zu übernehmen.

2. Diese Erwägungen vermögen die angefochtene Entscheidung nicht zu tragen. Auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin können Vermögensschäden der verwarnten Abnehmer nicht verneint werden.

a) Die bisherigen Feststellungen geben keinen Anhalt dafür, dass ein Eingriff in deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bereits deshalb ausscheidet, weil entsprechende Handlungen der Abnehmer vernünftigerweise nicht zu erwarten waren.

Nach dem Vorbringen der Klägerin wurden im Zeitpunkt der Verwarnung in [X.] [X.] und Teile solcher Anlagen beworben und vertrieben, die von Herstellern stammen, die ihren Sitz nicht im Gebiet der [X.] haben und hier auch keine Vertriebsorganisation unterhalten. Wenn sich dieser Vortrag als zutreffend erweist, war im Zeitpunkt der Verwarnung bei der insoweit gebotenen typisierenden Betrachtung damit zu rechnen, dass Fachhändler solche Vorrichtungen zumindest auf entsprechenden Kundenwunsch einführen. Die Verwarnung stellte dann auch insoweit einen Eingriff in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

b) Die zur Abwehr einer aus diesem Grunde rechtwidrigen Verwarnung erforderlichen Aufwendungen stellen auch dann einen ersatzfähigen Schaden der verwarnten Händler dar, wenn sich die Klägerin ihnen gegenüber zur Kostenübernahme verpflichtet hat.

aa) Die Ersatzpflicht des Schädigers umfasst auch Aufwendungen, die der Geschädigte zur Abwendung des Schadenseintritts oder zur Geringhaltung des Schadens vornimmt, sofern er sie nach Lage der Dinge für erforderlich halten durfte. Entsprechend ist anerkannt, dass Rechtsanwaltskosten, die für die Abwehr einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung aufgewendet werden, einen Schaden des [X.] darstellen können ([X.], Urteil vom 12. Juli 2011 - [X.], [X.], 995 Rn. 35 - Besonderer Mechanismus; Urteil vom 21. Dezember 2011 - [X.], [X.], 756 Rn. 25 - Kosten des Patentanwalts III).

Nach den Feststellungen des [X.]s, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, ist der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Auftrag der verwarnten Händler tätig geworden, als er die erste Verwarnung mit Schreiben vom 2. April 2007 zurückwies. Mit der Erteilung eines Auftrags an diesen Rechtsanwalt sind die verwarnten Händler die Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung eingegangen. Damit ist ihnen ein Schaden aus der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung entstanden.

bb) Der Umstand, dass sich die Klägerin zur Übernahme der anfallenden Kosten verpflichtet hat, führt nicht zur Verneinung eines ersatzfähigen Schadens.

Die Frage, ob ein ersatzfähiger Schaden im Hinblick auf Zuwendungen eines [X.] zu verneinen ist, beurteilt sich nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung. Danach können nur solche Umstände zur Verneinung eines Schadens führen, die mit dem Schadensereignis in adäquatem ursächlichem Zusammenhang stehen und deren Berücksichtigung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entspricht, den Geschädigten nicht unzumutbar belastet und den Schädiger nicht unbillig begünstigt (vgl. nur [X.], Beschluss vom 1. Juni 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1683 Rn. 17).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Schaden der verwarnten Händler nicht dadurch entfallen, dass die Klägerin sich bereit erklärt hat, die Kosten zu übernehmen. Die Kostenübernahme erfolgte nicht auf Veranlassung der Beklagten. Sie beruht vielmehr auf einer Absprache zwischen der Klägerin und den Händlern, mit denen letztere nur intern von entstehenden Aufwendungen freigestellt worden sind. Eine Vereinbarung dieses Inhalts führt auch dann nicht zur Entlastung des Schädigers, wenn sie in Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung getroffen wird (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juni 1954 - [X.], [X.]Z 10, 107, 108 f.; Urteil vom 22. Juni 1956 - [X.], [X.]Z 21, 112, 117; Urteil vom 15. November 1967 - [X.], [X.]Z 49, 56, 62; [X.], Urteil vom 22. Juni 1992 - [X.], NJW 1992, 3167, 3175).

IV. Soweit sich die Revision danach als unbegründet erweist, ist sie zurückzuweisen. Das Urteil beruht insoweit nicht auf der Säumnis der Beklagten.

V. Soweit es um Ansprüche der Klägerin aus abgetretenem Recht geht, kann der Senat hingegen in der Sache nicht abschließend entscheiden. Insoweit ist die angefochtene Entscheidung deshalb aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

1. Das Berufungsgericht wird Feststellungen zu dem Vorbringen der Klägerin zu treffen haben, wonach in [X.] [X.] und Teile solcher Anlagen beworben und vertrieben werden, die von Herstellern stammen, die ihren Sitz nicht auf dem Gebiet der [X.] haben und hier auch keine Vertriebsorganisation unterhalten. Bestätigt sich dieser Vortrag, war im Zeitpunkt der Verwarnung damit zu rechnen, dass Fachhändler solche Vorrichtungen zumindest auf entsprechenden Kundenwunsch einführen. Danach stellte die Verwarnung insoweit einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, ohne dass es darauf ankäme, ob der einzelne Händler in der Vergangenheit bereits entsprechende Einfuhren vorgenommen hat oder solche Handlungen konkret bevorstanden. Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls ferner zu prüfen haben, ob die unberechtigte Verwarnung auf einer fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage durch den Beklagten zu 2 beruhte, weil dieser die Beklagte zu 1 über die Rechtslage nicht zutreffend und vollständig beraten hat. Schließlich sind Feststellungen zu der Frage erforderlich, ob die verwarnten Händler ihre Schadensersatzansprüche an die Klägerin abgetreten haben.

2. Sollte sich ergeben, dass der Klägerin dem Grunde nach Anspruch auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht zusteht, werden zusätzlich folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein:

a) Der Geschädigte kann Erstattung der Aufwendungen für die Verteidigung gegen eine Schutzrechtsverwarnung nur insoweit verlangen, als diese durch einen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb veranlasst wurden.

Anhaltspunkte dafür, dass die verwarnten Händler das Mandat darauf beschränkt haben, die Verwarnung abzuwehren, soweit Unterlassung auch der Einfuhr der beanstandeten Satellitenanlagen oder von Teilen derselben gefordert wurde, sind bislang nicht ersichtlich. Reichte der Auftrag weiter, wird nur eine anteilige Erstattung der Kosten in Betracht kommen. In welchem Umfang danach Schadenersatz verlangt werden kann, ist gegebenenfalls im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) zu bestimmen.

b) Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls zu klären haben, ob es sich bei der Wahrnehmung der Rechte der verwarnten Händler um eine einheitliche Angelegenheit im Sinne von § 15 RVG gehandelt hat.

Nach der Rechtsprechung des [X.] betreffen anwaltliche Leistungen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann ([X.], Urteil vom 6. Juni 2019 - [X.], [X.], 1044 Rn. 24 - Der Novembermann).

Ein einheitlicher Auftrag an einen Rechtsanwalt kann auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird. Ob der Rechtsanwalt für die verschiedenen Auftraggeber gemeinsam oder für jeden von ihnen gesondert tätig werden sollte, ist durch Auslegung zu ermitteln ([X.], Urteil vom 27. Juli 2010 - [X.], NJW 2010, 3035 Rn. 18; Urteil vom 19. Oktober 2010 - [X.], NJW 2011, 155 Rn. 18; Urteil vom 21. Juni 2011 - [X.], NJW 2011, 3167 Rn. 11).

c) Sollte sich ergeben, dass es sich nicht um eine Angelegenheit handelte, wird das Berufungsgericht dem Einwand der Beklagten nachzugehen haben, der Ansatz einer 2,0-fachen Gebühr aus einem Wert von 100.000 Euro für jeden Auftrag sei überhöht.

aa) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen.

Ist die Gebühr von einem [X.] zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Insoweit kann zu berücksichtigen sein, dass der Rechtsanwalt in zahlreichen Parallelverfahren vorgerichtlich in gleicher Weise tätig wird. Es wird regelmäßig naheliegen, dass die Parallelität der Sachverhalte den zeitlichen Aufwand für die Bearbeitung der einzelnen Mandate ganz erheblich verringert (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2013 - [X.], [X.], 283 Rn. 62).

bb) Der maßgebliche Wert bestimmt sich nach dem Interesse der Fachhändler an der Abwehr der an sie gerichteten Verwarnung.

Ein Anhaltspunkt für die Wertbemessung kann sich aus der Wertangabe in der Verwarnung ergeben. Der Beklagte zu 2 hat diesen Wert in der ersten Verwarnung noch mit 25.000 Euro, in der zweiten Verwarnung dagegen mit 100.000 Euro angegeben. Den Beklagten wird gegebenenfalls Gelegenheit zu geben sein, dies zu erläutern.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist beim [X.] in [X.] von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

[X.]     

        

Grabinski     

        

Hoffmann

        

Deichfuß      

        

[X.]      

   

Meta

X ZR 42/17

07.07.2020

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 9. März 2017, Az: 6 U 161/11, Teilurteil

§ 823 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.07.2020, Az. X ZR 42/17 (REWIS RS 2020, 770)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 1388-1389 REWIS RS 2020, 770


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZR 170/12

Bundesgerichtshof, X ZR 170/12, 01.12.2015.


Az. X ZR 42/17

Bundesgerichtshof, X ZR 42/17, 07.07.2020.


Az. 6 U 161/11

OLG Frankfurt am Main, 6 U 161/11, 28.10.2021.

OLG Frankfurt am Main, 6 U 161/11, 08.11.2012.


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