Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012, Az. B 12 R 8/10 R

12. Senat | REWIS RS 2012, 1768

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Gegenstand

Rentenversicherung - Befreiung von der Versicherungspflicht - Erstreckung der Befreiung auf eine andere, vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung - Statthaftigkeit und Zulässigkeit der Feststellungsklage - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

Eine Erstreckung einer für eine andere Beschäftigung erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine andere, vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung setzt voraus, dass die ursprünglichen Befreiungsvoraussetzungen (Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer) weiterhin vorliegen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass er Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren nicht zu entrichten hat.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer für eine Tätigkeit als Steuerberater erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]).

2

Der 1977 geborene Kläger war als Steuerberater in einer Steuerberaterkanzlei beschäftigt. Auf seinen Antrag befreite ihn die beklagte [X.] ([X.]) [X.] durch Bescheid vom [X.] von der Versicherungspflicht in der [X.] ab 10.2.2005 hinsichtlich seiner Beschäftigung bzw Tätigkeit als Steuerberater aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer und seiner Mitgliedschaft in der [X.] Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung in der [X.] Versorgungskammer. Mit Schreiben vom [X.] teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er zum 3.4.2006 als Referendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten und demzufolge seine Steuerberaterzulassung mit Ablauf des [X.] niederlegen werde. Die [X.] informierte die Beklagte darüber, dass der Kläger bis [X.] kraft Gesetzes ihr Pflichtmitglied gewesen sei; die Mitgliedschaft werde ab 1.4.2006 freiwillig fortgesetzt. Die Beklagte hob daraufhin den früheren Befreiungsbescheid mit Bescheid vom 17.5.2006 auf, da der Kläger aus der Steuerberaterkammer ausgeschieden sei. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und beantragte die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs 5 [X.] über den [X.] hinaus. Er habe auf seine Zulassung als Steuerberater für die Dauer des Referendariats verzichten müssen; die bisher ausgeübte Tätigkeit in der Steuerberaterkanzlei werde als genehmigte Nebentätigkeit zum Referendariat auf 400-Euro-Basis fortgeführt; an die zuständige Versorgungskammer werde er den Grundbeitrag abführen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

3

Die dagegen erhobene Klage hat das [X.] durch Urteil vom 14.2.2008 abgewiesen, die Berufung hat das L[X.] durch Urteil vom 17.12.2009 zurückgewiesen: Bei der vom Kläger während der Referendarzeit ausgeübten Beschäftigung als Steuerberater habe es sich um die Beschäftigung gehandelt, für die die Beklagte ursprünglich die Befreiung von der Versicherungspflicht ausgesprochen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um eine "andere" versicherungspflichtige Tätigkeit iS von § 6 Abs 5 S 2 [X.] gehandelt habe. Mit dem Ausscheiden des [X.] aus der Steuerberaterkammer seien die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs 1 Nr 1 [X.] entfallen. Über den zusätzlichen Antrag des [X.] auf Abführung der Rentenversicherungsbeiträge an die [X.] sei nicht zu entscheiden, weil er erstmals nach Ablauf der Klagefrist geltend gemacht worden sei. Der Antrag setze zudem die Aufhebung der angefochtenen Bescheide voraus, dem schon nicht stattzugeben sei.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 [X.]G, § 62 [X.]G iVm Art 103 Abs 1 GG, § 75 Abs 2 [X.]G sowie von § 6 Abs 5 S 2 [X.]. Das L[X.] habe die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten, indem es seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, dass er während des Referendariats als Steuerberater weitergearbeitet habe. Tatsächlich habe es sich bei der Tätigkeit mit einem wöchentlichen Zeitdeputat von fünf Stunden um eine Hilfstätigkeit gehandelt, die eine Qualifikation als Steuerberater nicht voraussetzte. Die Abweisung des zweiten Klageantrags wegen Verfristung sei [X.] überraschend erfolgt. Die [X.] Knappschaft-Bahn-See habe als zuständige Einzugsstelle beigeladen werden müssen. In der Sache erfülle die ab 1.4.2006 ausgeübte Beschäftigung die Voraussetzungen nach § 6 Abs 5 S 2 [X.], da sie befristet gewesen sei und die Vorschrift das weitere Vorliegen der Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 [X.] nicht verlange.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des [X.] Landessozialgerichts vom 17. Dezember 2009 und des Sozialgerichts München vom 14. Februar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2006 aufzuheben und

        

1.    

festzustellen, dass die im Bescheid der Beklagten vom 7. April 2005 ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch die ab dem 1. April 2006 ausgeübte Beschäftigung in einer Steuerberaterkanzlei erfasst,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die in ihrem Bescheid vom 7. April 2005 ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch auf diese Beschäftigung zu erstrecken,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, die für ihn im Zeitraum vom 1. April 2006 bis 31. März 2008 an die Einzugsstelle abgeführten Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 1896 Euro zu seinen Gunsten an die [X.] zu überführen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

7

Sie verweist auf den Gesetzeswortlaut von § 6 Abs 5 S 2 [X.], der ausdrücklich von einer "Erstreckung" der Befreiung von der Versicherungspflicht spreche. Demzufolge müssten die Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 [X.] auch bei Ausübung einer Tätigkeit oder Beschäftigung iS von § 6 Abs 5 S 2 [X.] weiterhin vorliegen. Dafür gebe es entgegen der Ansicht des [X.] auch durchaus Anwendungsfälle.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] ist insgesamt unbegründet.

9

Die vorinstanzlichen Urteile lassen Rechtsfehler zu Lasten des [X.] nicht erkennen. Das [X.] hat die Rechtmäßigkeit der durch die angegriffenen Bescheide der beklagten [X.] erfolgten Aufhebung des ursprünglichen Bescheides über die [X.] von der Versicherungspflicht in der [X.] zu Recht angenommen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die [X.] von der Versicherungspflicht entfallen sind und daher die ursprüngliche [X.] von der Versicherungspflicht die im streitigen Zeitraum vom [X.] bis 31.3.2008 ausgeübte Beschäftigung nicht umfasst. Im Ergebnis zutreffend hat das [X.] ferner entschieden, dass sich die [X.] von der Versicherungspflicht in der [X.] nicht auf die ab [X.] ausgeübte Beschäftigung "erstreckt". Schließlich hat es die [X.]lage hinsichtlich des Begehrens auf Überführung der insoweit geleisteten Rentenversicherungsbeiträge an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung rechtsfehlerfrei abgewiesen.

1. Die [X.]lage ist hinsichtlich der Frage der [X.] von der Rentenversicherungspflicht als Anfechtungs- und Feststellungsklage, der Hilfsantrag als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (dazu a); hinsichtlich der Überführung der geleisteten Beiträge zur [X.] an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ist die [X.]lage unzulässig (dazu b). Einer Beiladung der [X.] [X.]nappschaft-Bahn-See zum Rechtsstreit noch im Revisionsverfahren (vgl § 168 [X.] S[X.]) bedurfte es bei alledem nicht (dazu c).

a) Soweit sich der [X.]läger gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2006 wendet, ist seine [X.]lage als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 S[X.]) verbunden mit einer Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 [X.]) bzw verbunden mit einer Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 S[X.]) zulässig. Eine isolierte Anfechtungsklage würde seinem Begehren nur unzureichend Rechnung tragen. Es ist nämlich nicht auf die Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Aufhebung des ursprünglichen Bescheides über die [X.] von der Versicherungspflicht in der [X.] beschränkt. Vielmehr macht der [X.]läger geltend, dass er auch in der im streitigen Zeitraum ausgeübten Beschäftigung von der Versicherungspflicht befreit bzw zu befreien sei.

Für das [X.] des [X.] ist die Feststellungsklage statthaft und zulässig, weil er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Bestehens und des Umfangs seiner [X.] von der Versicherungspflicht hat. Für sein Hilfsbegehren ist die Verpflichtungsklage statthaft. Zwar legt der Wortlaut von § 6 Abs 5 [X.] [X.] nicht zwingend des Schluss nahe, dass über die Erstreckung der [X.] von der Versicherungspflicht ein Verwaltungsakt zu ergehen hat, weil der darin verwendete Begriff der "Erstreckung" dahingehend verstanden werden könnte, dass es lediglich um eine unmittelbar aus dem Gesetz abzuleitende Definition der Reichweite der [X.] von der Versicherungspflicht geht (so werden die Ausführungen in [X.]-2600 § 6 [X.] interpretiert; vgl hierzu Fichte in [X.]/[X.], [X.], Stand Einzelkommentierung 5/2008, [X.] § 6 Rd[X.]36 mwN; [X.] in [X.]asseler [X.]omm, Stand Einzelkommentierung Oktober 2011, § 6 [X.] Rd[X.]1). Hiergegen spricht jedoch, dass über die "Erstreckung" der [X.] - ebenso wie über die ursprüngliche [X.] selbst - vom Rentenversicherungsträger durch Verwaltungsakt entschieden werden muss (vgl hierzu Fichte in [X.]/[X.], [X.], Stand Einzelkommentierung 5/2008, [X.] § 6 Rd[X.]36). Ein solcher ist mit der Verpflichtungsklage zu erstreiten.

b) Hinsichtlich der vom [X.]läger begehrten Überführung der geleisteten Beiträge an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung hat das [X.] die [X.]lage insoweit zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil der [X.]läger sein Begehren erstmalig im [X.]lageverfahren geltend gemacht hat, damit nicht zuvor an die Beklagte herangetreten, keine entsprechende Verwaltungsentscheidung ergangen und auch kein Vorverfahren durchgeführt worden ist. Entgegen der Auffassung des [X.] ist seine [X.]lage insoweit auch nicht als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 S[X.] zulässig, weil dies voraussetzen würde, dass ein entsprechender Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil der [X.]läger schon deshalb ein über die Geltendmachung eines Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Beiträge nach § 26 Abs 2 SGB IV hinaus gehendes Begehren verfolgt, weil er ausdrücklich eine unmittelbare Überführung der geleisteten Beiträge an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung beantragt hat. Darüber hinaus wäre eine Entscheidung der Beklagten auch deshalb erforderlich, weil ein Beitragserstattungsanspruch nach § 26 Abs 3 [X.] nur demjenigen zusteht, der die Beiträge "getragen" hat. Da der [X.]läger auch eine Überführung des von seinem Arbeitgeber getragenen Beitragsanteils begehrt und sich insoweit auf eine entsprechende Abtretung beruft, wäre eine Entscheidung der Beklagten über deren Wirksamkeit erforderlich gewesen.

c) Einer abschließenden Sachentscheidung des Senats steht in prozessualer Hinsicht die unterbliebene Beiladung der [X.] [X.]nappschaft-Bahn-See nicht entgegen. Auf eine Beiladung im Revisionsverfahren kann nämlich verzichtet werden, wenn das Ergebnis des Rechtsstreits den [X.] weder verfahrens- noch materiell-rechtlich benachteiligen kann (so zB [X.], 190 = [X.] 4-4300 § 421g [X.], Rd[X.]0 mwN; [X.]-1500 § 55 [X.]). So verhält es sich hier. Da die [X.]lage hinsichtlich der begehrten Überführung der Beiträge bereits unzulässig ist, ist eine Betroffenheit der [X.] [X.]nappschaft-Bahn-See unter keinem verfahrens- oder materiell-rechtlichen Aspekt denkbar.

2. Die Vorinstanzen haben in der Sache zu Recht entschieden, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind (dazu a) und zutreffend angenommen, dass die ursprünglich ausgesprochene [X.] von der Versicherungspflicht in der [X.] die im streitigen Zeitraum vom [X.] bis 31.3.2008 ausgeübte Beschäftigung nicht umfasst (dazu b), sowie - im Ergebnis - zutreffend eine Verpflichtung der Beklagten zur "Erstreckung" der ursprünglichen [X.] von der Versicherungspflicht auf die spätere Beschäftigung abgelehnt (dazu c).

a) Die Aufhebung des die [X.] von der Versicherungspflicht regelnden ursprünglichen Verwaltungsakts vom [X.] durch die hier angefochtenen Bescheide der Beklagten ist rechtmäßig, weil in den Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

aa) Die Beklagte war grundsätzlich zur auf diese Regelung gestützten Aufhebung des ursprünglichen Bescheides berechtigt, weil das Recht des [X.] insoweit keine Sonderregelung iS von § 37 S 1 SGB I enthält.

Zwar hat der 5. Senat des BSG entschieden, dass sich aus dem Tätigkeitsbezug der [X.] nach § 6 Abs 1 [X.] iVm Abs 5 und § 231 [X.] eine von vornherein auf die jeweilige Tätigkeit oder Beschäftigung beschränkte Wirkung der [X.] ergebe. In Bezug auf eine andere Beschäftigung werde der [X.]sbescheid nicht rechtswidrig, sondern lediglich gegenstandslos (so [X.], 74, 78 = [X.] 3-2600 § 56 [X.]2 S 59). Ein solcher [X.]sbescheid erledige sich auch nicht iS des § 39 Abs 2 SGB X auf andere Weise, da er bei der erneuten Aufnahme der ursprünglichen Beschäftigung Wirkungen entfalte und es insoweit keines neuen [X.]santrags bedürfe. Der - im vorliegenden Revisionsverfahren zuständige - 12. Senat des BSG hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen und ausgeführt, dass ein [X.]sbescheid selbst bei [X.]en, die vor dem [X.] nach § 7 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz ausgesprochen worden sind, nicht aufgehoben werden muss, da die Versicherungspflicht in einer anderen Beschäftigung kraft Gesetzes eintritt ([X.] 3-2600 § 6 [X.]). Gegenstand dieser Rechtsprechung waren allerdings jeweils Sachverhalte, in denen über die Reichweite einer früher ausgesprochenen [X.] von der Versicherungspflicht gestritten wurde, nicht aber ging es - wie vorliegend - um die Rechtmäßigkeit einer erfolgten ausdrücklichen Aufhebung eines Verwaltungsakts über die [X.] von der Versicherungspflicht. Die zitierte Rechtsprechung schließt daher nicht aus, dass der Rentenversicherungsträger jedenfalls gleichwohl einen entsprechenden Verwaltungsakt über die [X.] von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs 1 SGB X - quasi deklaratorisch - aufhebt.

bb) Eine von der Beklagten zugrunde gelegte Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist hier bereits deshalb anzunehmen, weil der [X.]läger mit Ablauf des [X.] nicht länger als Steuerberater tätig war. Mit der Niederlegung seiner Zulassung als Steuerberater und infolgedessen seinem Ausscheiden aus der Steuerberaterkammer mit Ablauf des [X.] entfiel die von § 6 Abs 1 S 1 [X.] [X.] idF des [X.] in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004 ([X.]) vorausgesetzte, kraft gesetzlicher Verpflichtung bestehende Mitgliedschaft in einer berufsständischen [X.]ammer. Der nachträgliche Wegfall der [X.]svoraussetzungen führt regelmäßig zur Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsakts gemäß § 48 Abs 1 S 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft (so für das Ausscheiden aus der Berufsgruppe, für die die Versorgungseinrichtung errichtet wurde, [X.], 215, 217 und [X.] = [X.] 3-2940 § 7 [X.]; BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 R[X.] 20/96 - US[X.] 1997-9733).

cc) Die Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ist auch "wesentlich" iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X, da sie zum Wegfall einer Voraussetzung für die [X.] von der Rentenversicherungspflicht führt und ein Fortbestand des [X.]sstatus nicht in Betracht kommt. Bereits die Aufgabe der Tätigkeit als (zugelassener) Steuerberater ist als "wesentliche" Änderung zu qualifizieren, da § 6 Abs 5 S 1 [X.] die [X.] von der Versicherungspflicht auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt (vgl bereits [X.], 74, 77 = [X.] 3-2600 § 56 [X.]2 mwN; [X.]-2600 § 6 [X.] ff; s hierzu nunmehr auch näher Senatsurteile vom 31.10.2012 - [X.] R 3/11 R und [X.] R 5/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Die frühere [X.] von der Versicherungspflicht konnte daher weder die in der Steuerberaterkanzlei ab [X.] verrichtete Beschäftigung umfassen (dazu b) noch kommt eine "Erstreckung" der [X.] auf diese Beschäftigung in Betracht (dazu c).

dd) Der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 17.5.2006 ist im Übrigen nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte den [X.]läger nicht gemäß § 24 Abs 1 SGB X vor Erlass des Bescheids angehört hatte. Die Anhörung holte die Beklagte im Widerspruchsverfahren nach, wodurch Heilung eintrat (§ 41 Abs 1 [X.] und Abs 2 SGB X).

b) Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass der [X.]läger in seiner im streitigen Zeitraum ausgeübten Beschäftigung, hinsichtlich derer der [X.]läger nach den Feststellungen des [X.] auf die Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung (vgl § 5 Abs 2 [X.] [X.] idF vom [X.], [X.]) verzichtete, nicht von der Versicherungspflicht in der [X.] befreit war. Die insoweit ausgeübte Beschäftigung führte auch nicht zu einer Pflichtmitgliedschaft in der Steuerberaterkammer und erfüllte daher nicht die Voraussetzungen für eine [X.] von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 [X.] [X.]. Schließlich umfasste die für die frühere Tätigkeit als Steuerberater ausgesprochene [X.] von der Versicherungspflicht nicht die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung, da der Verwaltungsakt über die [X.] von der Versicherungspflicht zu Recht von der Beklagten mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wurde.

c) Im Ergebnis zu Recht hat das [X.] die vom [X.]läger hilfsweise begehrte Verpflichtung der Beklagten abgelehnt, die ursprüngliche [X.] von der Versicherungspflicht auch auf die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung als andere versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 6 Abs 5 [X.] [X.] zu "erstrecken".

aa) Der Auffassung des [X.], die Anwendung von § 6 Abs 5 [X.] [X.] sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung mit der zuvor verrichteten Tätigkeit als Steuerberater identisch gewesen sei und daher keine andere versicherungspflichtige Tätigkeit im Sinne der Vorschrift vorgelegen habe, ist allerdings nicht zu folgen. Zwar führte der [X.]läger noch im Widerspruchsverfahren aus, dass er seine bisher ausgeübte Tätigkeit in der Steuerberaterkanzlei J. [X.]., auf die sich die bisherige [X.] nach § 6 Abs 1 [X.] [X.] bezog, als genehmigte Tätigkeit zum Referendariat auf "400 [X.]" fortführe. Eine "Identität" der früheren Tätigkeit als Steuerberater mit der ab [X.] ausgeübten Beschäftigung kann aber schon deshalb nicht vorliegen, weil der [X.]läger nach eigenen Angaben mit Ablauf des [X.] seine Zulassung als Steuerberater niedergelegt hatte; nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (vgl § 163 S[X.]) war er aus der Steuerberaterkammer ausgeschieden und durfte daher nicht länger als Steuerberater tätig sein (vgl § 32 Abs 2, § 40 Abs 1 S 1, § 46 Abs 2 Steuerberatungsgesetz ).

bb) Im Ergebnis zutreffend hat das [X.] eine Verpflichtung der Beklagten zur "Erstreckung" der ursprünglichen [X.] von der Versicherungspflicht auf die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung nach § 6 Abs 5 [X.] [X.] abgelehnt. Es kann offenbleiben, ob die Erstreckung nach § 6 Abs 5 [X.] [X.] - ebenso wie die ursprüngliche [X.] nach § 6 Abs 1 S 1 [X.] - von einem vorherigen Antrag (§ 6 Abs 2 [X.]) abhängig ist. Hierfür könnte sprechen, dass nach der Systematik des [X.]srechts ggf auch die Erstreckung auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit in der Dispositionsfreiheit des Versicherungspflichtigen liegen muss. Jedenfalls verlangt die Anwendung der Vorschrift ua das ununterbrochene Vorliegen der [X.]svoraussetzungen nach § 6 Abs 1 [X.] und 2 [X.] (= Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen [X.]ammer). Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, ihrer systematischen Stellung und ihrem Sinn und Zweck.

(1) Nach dem Wortlaut des § 6 Abs 5 [X.] [X.] "erstreckt" sich die [X.] in den Fällen des Abs 1 [X.] und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die [X.] den Erwerb [X.] Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Die danach vorgesehene "Erstreckung" der [X.] auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit kommt nur in Betracht, wenn der zur ursprünglichen [X.] führende Sachverhalt (= Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen [X.]ammer) auch weiterhin vorliegt; denn nach dem Wortsinn kann nur ein überhaupt noch bestehender [X.]sstatus auf eine andere Tätigkeit erstreckt werden.

(2) Die systematische Stellung der Vorschrift im [X.] an die gesetzliche Definition des auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkten Bezugspunkts der [X.] von der Versicherungspflicht in § 6 Abs 5 S 1 [X.] verdeutlicht im Zusammenhang mit der in ihr genannten Tatbestandsvoraussetzung einer zeitlich begrenzten anderen Tätigkeit, dass die Vorschrift lediglich eine Regelung enthält, die sich auf eine andere vorübergehende selbstständige Tätigkeit bzw Beschäftigung bezieht, und daher keinen von den grundlegenden Voraussetzungen in § 6 Abs 1 S 1 [X.] losgelösten eigenständigen [X.]statbestand darstellt. Da im vorliegenden Fall diese frühere Tätigkeit unterbrochen wurde, braucht der Senat die in der sozialrechtlichen Literatur umstrittene Frage der Anwendbarkeit von § 6 Abs 5 [X.] [X.] auf eine andere Tätigkeit, die neben einer zur [X.] von der Versicherungspflicht führenden Tätigkeit ausgeübt wird, nicht zu entscheiden (verneinend: Boecken in G[X.]-[X.], Stand Januar 2007, § 6 Rd[X.]82; bejahend: Voelzke in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - Rentenversicherungsrecht, 1999, § 17 RdNr 74; Fichte in [X.]/[X.], [X.], Stand [X.]/08 Lfg 5/08, [X.] § 6 Rd[X.]33; [X.] in [X.]reikebohm, [X.], 3. Aufl 2008, § 6 RdNr 96).

(3) Diese Auslegung wird auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Zum Zweck der Vorschrift wird im Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.], [X.] und [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - [X.] 1992) angeführt, sie solle sicherstellen, dass eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit nicht zu einem Wechsel des [X.] führt. Die Regelung solle insbesondere für die [X.] gelten (Gesetzentwurf, aaO, BT-Drucks 11/4124 [X.] zu § 6 Abs 5). Diese Begründung knüpft ebenfalls allein an den vorübergehenden Tätigkeitswechsel an (vgl Boecken, aaO). Sie beinhaltet keine Aussage dahin, dass das Ziel der Vermeidung eines Wechsels des Alterssicherungssystem auch dann eine Erstreckung der [X.] von der Versicherungspflicht legitimieren soll, wenn die grundlegenden [X.]svoraussetzungen - insbesondere die Pflichtmitgliedschaften in der berufsständischen Versorgungseinrichtung und in der berufsständischen [X.]ammer - nicht bzw nicht mehr vorliegen.

(4) Entgegen der Auffassung des [X.] ist § 6 Abs 5 [X.] [X.] bei der aufgezeigten Auslegung nicht etwa ohne Anwendungsbereich. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf eine [X.]onstellation hingewiesen, die sich aus dem Berufsrecht der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ergeben kann: Die dortige Regelung der Untersagung der Ausübung des Berufs als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt in § 47 Abs 1 Bundesrechtsanwaltsordnung ([X.]) hat einen weitergehenden Anwendungsbereich als die entsprechende Regelung im Recht der Steuerberaterinnen und Steuerberater in § 59 S 1 StBerG und erfasst ua Verwendungen als [X.] oder Beamte, ohne auf Lebenszeit ernannt zu sein. Im Anwendungsbereich des § 47 Abs 1 [X.] behält der Rechtsanwalt aber seine Zulassung und ist ua verpflichtet, den [X.]ammerbeitrag zu zahlen (vgl [X.]ilian in Henssler/Prütting, [X.], 3. Aufl 2010, § 47 Rd[X.], 12 mwN). Eine derart weitgehende zulassungserhaltende Untersagung der Berufsausübung ist dem Berufsrecht der Steuerberater fremd. § 59 S 1 StBerG sieht ein Verbot der Berufsausübung als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter grundsätzlich nur in den Fällen vor, in denen ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis als [X.] auf Zeit oder ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis eingegangen ist. Im Übrigen gilt hinsichtlich der Inkompatibilität mit anderen Tätigkeiten die Grundnorm in § 57 [X.] Ein weiterer Anwendungsfall des § 6 Abs 1 S 1 [X.] [X.] ist etwa bei einem Privatschullehrer denkbar, der vorübergehend, zB zu Fortbildungszwecken, an eine staatliche Schule abgeordnet wird, seine Bezüge aber weiterhin von einer Privatschule erhält (vgl [X.]om[X.], Stand September 2011, § 6 Rd[X.]1).

3. Die gewonnene Auslegung verletzt im Übrigen keine Grundrechte des [X.]. Von Verfassungswegen besteht kein Wahlrecht, das es ermöglichen würde, im Laufe eines Berufslebens die jeweils günstigste Versorgungsmöglichkeit zu wählen oder an ihr festzuhalten und die Anwendung aller anderen Versicherungspflichttatbestände auszuschließen ([X.] [X.]ammerbeschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 1776/97 - [X.] 4-2600 § 6 [X.] Rd[X.]1). Demzufolge hat es das [X.] (ebenda) - unter Bestätigung der Rechtsprechung des Senats ([X.], 215 = [X.] 3-2940 § 7 [X.]) - als mit dem [X.] vereinbar angesehen, dass die [X.] von der Rentenversicherungspflicht wegen der Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk endet, wenn der Betroffene der Berufsgruppe nicht mehr angehört, für die das Versorgungswerk errichtet wurde. Daran ist festzuhalten.

4. Auch die vom [X.]läger geltend gemachten Verfahrensmängel führen schließlich zu keinem ihm günstigen Ergebnis.

Die Feststellung des [X.], wonach der [X.]läger sein bisheriges Beschäftigungsverhältnis als Steuerberater im streitigen Zeitraum fortgeführt habe, ist zwar unzutreffend, wirkt sich auf das Ergebnis des Rechtsstreits nicht aus, weil das [X.] ebenfalls - im Revisionsverfahren unbeanstandet - festgestellt hat, dass der [X.]läger seine Zulassung zum Steuerberater zum [X.] niederlegte. Diese Feststellung hat das [X.] - wie dargelegt - zu Recht seinem Urteil zugrunde gelegt und entschieden, dass damit die Voraussetzungen für die [X.] von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 [X.] [X.] entfielen.

5. Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 193 S[X.]. Der Senat hat die demgegenüber vom [X.] getroffene, auf § 192 S[X.] gestützte [X.]ostenentscheidung geändert (vgl allgemein zur entsprechenden Befugnis des Rechtsmittelgerichts [X.] in [X.]/[X.]/[X.], S[X.], 10. Aufl 2012, § 193 Rd[X.]a mwN), weil hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen der qualifizierten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 192 Abs 1 S 1 S[X.], insbesondere diejenigen der [X.] (Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung) nicht ersichtlich sind.

Meta

B 12 R 8/10 R

31.10.2012

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG München, 14. Februar 2008, Az: S 26 R 3236/06, Urteil

§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 vom 09.12.2004, § 6 Abs 5 S 1 SGB 6, § 6 Abs 5 S 2 SGB 6, § 231 SGB 6, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, § 31 SGB 10, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012, Az. B 12 R 8/10 R (REWIS RS 2012, 1768)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1768

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