BT-Drucksache 18/98

Gemeinsam die Haftung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler beenden - Für einen einheitlichen europäischen Restrukturierungsmechanimus

Vom 27. November 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/98

18. Wahlperiode 27.11.2013

Antrag

der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Annalena Baerbock,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Katharina Dröge, Harald Ebner,
Dr. Thomas Gambke, Kai Gehring, Anja Hajduk, Britta Haßelmann, Priska
Hinz (Herborn), Dieter Janecek, Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmeink,
Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden), Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner,
Peter Meiwald, Beate Müller-Gemmeke, Lisa Paus, Tabea Rößner, Claudia
Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Frithjof
Schmidt, Jürgen Trittin, Beate Walter-Rosenheimer und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gemeinsam die Haftung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler beenden –
Für einen einheitlichen europäischen Restrukturierungsmechanimus

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Europäische Zentralbank wird bis Ende 2014 die Aufsicht über die größten Institute
in der Eurozone übernehmen und notfalls bei jeder der 6 000 Banken in der Währungs-
union die Aufsicht an sich ziehen können. Damit verschiebt sich die Verantwortung für
die Bankenaufsicht insbesondere über große, überregional tätige Institute von der natio-
nalen auf die europäische Ebene. Bis zum Beginn der Finanzkrise war der Einfluss nati-
onaler Banken gegenüber der lokalen Bankenaufsicht immens. Banken konnten unver-
hohlen mit der Abwanderung und damit dem Verlust von Arbeitsplätzen und Bank-
dienstleistungen im Inland drohen, wenn die Aufsicht nicht den Aufsichtsstandard des
Mitgliedstaats mit der vermeintlich laxesten Aufsicht kopierte. Der damit verbundene
Wettlauf um die schwächste Bankenaufsicht war ein wesentlicher Faktor zur Entstehung
der Finanzkrise.

Um die seit der Finanzmarktkrise verlorene Stabilität in Europa zurückzugewinnen, um
die Rezession zu überwinden und die Staatsverschuldung auf Dauer zu senken, müssen
die Ursachen der Krise, nicht nur ihre Symptome, bekämpft werden. Um Vertrauen
wiederzugewinnen, ist die Bändigung der Finanzmärkte unausweichlich. Wer Risiken
eingeht, muss auch haften. Erste Schritte sind ein europäisches Abwicklungsregime und
eine europäische Abwicklungsbehörde für insolvente Banken sowie ein Bankenfonds,
mit dem die Eigentümerinnen und Eigentümer der Banken, die von Gewinnen profitie-
ren, in Zukunft auch selbst für die Kosten bei Restrukturierung und Rekapitalisierung
aufkommen.

Der Bankenfonds soll gespeist werden durch eine substantielle Bankenabgabe, deren
individuelle Höhe sich nach der Größe, der Art der Finanzierung, der Interdependenz
und dem Systemrisiko der jeweiligen Bank richtet. So werden gezielt diejenigen an den
Kosten von Bankenrettungen beteiligt, die am meisten davon profitieren: die Banken
selber. Ein gemeinsamer europäischer Abwicklungsmechanismus für Banken muss

Drucksache 18/98 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

dabei zwingend auch über eine europäische Bankenabgabe und nicht über nationale
Bankenabgaben finanziert werden.

Ein europäisches Abwicklungsregimes ist nicht nur aus Gründen der Verteilungsgerech-
tigkeit notwendig, sondern ergibt sich auch zwingend aus der Entscheidung, die Ban-
kenaufsicht in der Eurozone gemeinschaftlich zu organisieren. Da die Verantwortung
für die Beaufsichtigung insbesondere großer, überregional tätiger Banken zukünftig auf
europäischer Ebene liegt, muss die Verantwortung für mögliche Bankenabwicklungen
analog auch auf die europäische Ebene übertragen werden. Verantwortung und Haftung
dürfen nicht auseinanderfallen. Eine gemeinsame Aufsicht wäre ohne einen Abwick-
lungsmechanismus, der über ein ausreichendes Finanzvolumen verfügt, um Institute
kontrolliert und marktschonend abzuwickeln, unglaubwürdig.

Wie bei der gemeinsamen Bankenaufsicht bereits ausverhandelt wurde, muss auch bei
einem gemeinsamen Abwicklungsmechanismus eine Lösung gefunden werden, wie
Vertreter von Nicht-Euro-Staaten an der Ausgestaltung des Bankenabwicklungsmecha-
nismus beteiligt werden können. Denn die Abwicklung einer „Euro-Bank“ kann vor
allem für zentral- und osteuropäischen Banken massive Auswirkungen haben.

Das aktuell von der Bundesregierung befürwortete System nationaler Abwicklungsbe-
hörden, die sich in einem intergouvernementalen Netzwerk abstimmen, kann den Not-
wendigkeiten rascher Abwicklungsentscheidungen nicht gerecht werden. Ein gerechtes
Abwicklungsverfahren muss bei einer gemeinschaftlichen Institution angesetzt werden,
damit diese auch europaweit einheitliche Maßstäbe für Bankenrestrukturierungen im
Sinne der Steuerzahler/-innen und Sparer/-innen treffen kann. Bei einem Netzwerk nati-
onaler Behörden besteht die Gefahr, dass die beste Lösung für die Gemeinschaft in poli-
tischen Deals der Mitgliedstaaten untergeht. Die zwischenstaatliche Lösung birgt die
Gefahr, dass Standards durch politisch opportune Vetos der Mitgliedstaaten erheblich
erodieren. Daher ist eine gemeinschaftliche Institution analog zum amerikanischen Ein-
lagensicherungsfonds FDIC dringend einer intergouvernementalen Lösung vorzuziehen.

Nur so können Fehlanreize vermieden, Steuerzahler/-innen geschont und die fatale
wechselseitige Abhängigkeit zwischen Banken und deren Heimatstaaten beendet wer-
den. Eine Zwischenfinanzierung bei Abwicklungslösungen kann auch über öffentlich
finanzierte Lösungen erfolgen, solange sichergestellt ist, dass diese Vorschüsse und
mögliche Verluste aus Abwicklungen letztlich aus dem Fonds und damit von der Fi-
nanzbranche getragen werden. So wäre endlich sichergestellt, dass Steuerzahler/-innen
und Staatshaushalte nicht erneut für Verluste aus Bankenrettungen aufkommen müssen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich im Rat für Wirtschaft und Finanzen (EcoFin) sowie im Europäischen Rat dafür
einzusetzen, dass

1. ein einheitlicher europäischer Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus
analog zur gemeinsamen Bankenaufsicht als gemeinschaftliche Institution einge-
richtet und einer intergouvernementalen Lösung eine Absage erteilt wird;

2. ein von den erfassten Banken finanzierter europäischer Restrukturierungsfonds
eingerichtet wird.

Berlin, den 27. November 2013

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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