Vom 22. September 2015
Deutscher Bundestag Drucksache 18/6060
18. Wahlperiode 22.09.2015
Antrag
der Abgeordneten Katja Keul, Volker Beck (Köln), Dr. Valerie Wilms, Luise
Amtsberg, Annalena Baerbock, Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger,
Harald Ebner, Matthias Gastel, Anja Hajduk, Dieter Janecek, Uwe Kekeritz,
Tom Koenigs, Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Renate Künast,
Markus Kurth, Monika Lazar, Steffi Lemke, Dr. Tobias Lindner, Peter Meiwald,
Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Omid Nouripour,
Friedrich Ostendorff, Brigitte Pothmer, Claudia Roth (Augsburg), Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Markus Tressel, Jürgen Trittin, Dr. Gerhard Schick,
Dr. Frithjof Schmidt, Kordula Schulz-Asche, Hans-Christian Ströbele, Dr. Julia
Verlinden, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
UN-Nachhaltigkeitsziel 16 in Deutschland schon jetzt umsetzen – Friedliche
und inklusive Gesellschaften im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung
fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und effektive,
rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen
aufbauen
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Im Gipfeljahr 2015 haben wir die Chance, einen echten Durchbruch für Klimaschutz
und globale Gerechtigkeit zu erreichen. In einer Zeit, in der weltweit Millionen von
Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, hängen Hunger, gewaltsame
Konflikte, Verlust der Biodiversität, Klimakrise, Armuts- und Ressourcenkrisen eng
zusammen, globale Gerechtigkeit und Klimaschutz lassen sich nicht getrennt vonei-
nander erreichen. Die Ergebnisse der Verhandlungen bei den Vereinten Nationen in
New York für globale Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals) wer-
den zusammen mit den Verhandlungen um ein neues Klimaabkommen in Paris für
die kommenden Jahrzehnte die internationale, europäische und deutsche Politik prä-
gen. Sie sind entscheidend für die Frage, ob wir endlich die Chance für eine nach-
haltige und gute Zukunft für alle nutzen wollen.
Eine nachhaltige Entwicklung, der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und
echter Klimaschutz können global nur dann erreicht werden, wenn alle damit bei
sich zu Hause anfangen. Deutschland ist von echter Nachhaltigkeit noch weit ent-
fernt und hat zugleich als führendes Industrieland in der EU eine besondere Verant-
wortung. Für einen Aufbruch in nachhaltiges Leben und Wirtschaften fordert der
Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, sich für Politikkohärenz im Sinne von
Frieden, Demokratie und einer menschenrechtsbasierten nachhaltigen Entwicklung
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einzusetzen, wofür es eine bessere ressortübergreifende Abstimmung braucht. Zu-
dem muss die Bundesregierung für jedes der von den Vereinten Nationen vorgeleg-
ten 17 Nachhaltigkeitsziele entsprechende Maßnahmen zur Umsetzung gerade auch
in Deutschland und innerhalb der EU ergreifen.
UN-Nachhaltigkeitsziel 16 in Deutschland umsetzen
Das UN-Nachhaltigkeitsziel 16, friedliche und inklusive Gesellschaften zu fördern,
Zugang zur Justiz für alle zu ermöglichen und effektive, rechenschaftspflichtige und
inklusive Institutionen aufzubauen, bringt zum Ausdruck: Für nachhaltige Entwick-
lung braucht es demokratische Transformationen, Rechtsstaatlichkeit und wirksa-
men Diskriminierungsschutz. Das sind auch Kernpunkte ziviler Krisenprävention.
Um international glaubwürdig für demokratische, rechtsstaatliche und friedens-
schaffende Transformationen eintreten zu können, müssen auch in Deutschland be-
stehende Defizite angegangen werden.
Für eine offene und inklusive Gesellschaft muss der Kampf gegen Diskriminierung,
gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Homo- und Transphobie, Be-
hindertenfeindlichkeit und alle anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeind-
lichkeit verstärkt werden. Rechtsextreme, Rassistinnen und Rassisten dürfen sich
nicht breit machen und die Fundamente angreifen, auf denen unser freiheitlicher de-
mokratischer Rechtstaat aufgebaut ist. Der gleiche Zugang zum Recht gehört zur
demokratischen Grundversorgung. Um diesen unabhängig vom Einkommen zu ge-
währleisten, muss es eine gut ausgestattete und funktionsfähige Justiz geben.
Die Politik der Bundesregierung untergräbt vielfach die Glaubwürdigkeit deutscher
Positionen. Wer von anderen Korruptionsbekämpfung einfordert, muss für transpa-
rente Verfahren sorgen und darf hierzulande nicht eine effektivere Korruptionsbe-
kämpfung blockieren, z. B. einen gesetzlichen Whistleblower-Schutz oder ein ver-
pflichtendes Lobbyistenregister, das transparent macht, wer mit wie viel Geld mög-
licherweise Einfluss auf ein Gesetz oder politische Entscheidungen genommen hat.
Ebenso an der Glaubwürdigkeit rüttelt, dass die Rüstungsexporte Deutschlands 2015
erneut stark zugenommen haben. Besonders kräftig stiegen die Genehmigungen für
Ausfuhren in arabische und nordafrikanische Staaten. Auch hier fehlt es an echter
Transparenz und effektiver parlamentarischer Kontrolle ebenso wie an gesetzlich
verankerten Grundsätzen zur Beschränkung von Rüstungsexporten.
II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die Förderung zivilgesellschaftlicher Arbeit zur Demokratiestärkung, gegen
Rechtsextremismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlich-
keit als Daueraufgabe nachhaltig zu gestalten, sie finanziell strukturell abzusi-
chern und dabei die Unabhängigkeit zivilgesellschaftlichen Engagements zu
respektieren;
2. den Zugang zum Recht für alle Menschen unabhängig von ihrem Einkommen
und diskriminierungsfrei zu gewährleisten, insbesondere durch ausreichende
Verfahrenskosten- und Beratungshilfe, die auch barrierefreie Kommunikation
im vorgerichtlichen Bereich einschließen muss, durch barrierefreien Zugang zu
Behörden und Gerichten sowie durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für
im Justizwesen tätige Personen im Umgang mit Diversität;
3. Korruption effektiver zu bekämpfen, insbesondere durch ein bundesweites
Korruptionsregister für wirtschaftskriminell auffällig gewordene Unterneh-
men, einen gesetzlichen Whistleblower-Schutz, ein verpflichtendes Lobbyis-
tenregister, die Stärkung der Informationsrechte und ein transparenteres Partei-
engesetz, das Parteispenden auf natürliche Personen und eine jährliche Höchst-
grenze beschränkt;
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4. mit einem Rüstungsexportkontrollgesetz sicherzustellen, dass keine Kriegswaf-
fen oder sonstigen Rüstungsgüter aus deutscher Produktion in die Hände re-
pressiver und korrupter Regime gelangen, indem die jeweilige Menschenrecht-
lage, die Gefahr innerer Repression und die Verwicklung in einen bewaffneten
Konflikt ausdrücklich als Entscheidungskriterien gesetzlich verankert werden;
5. konzeptionell, finanziell und strukturell Deutschland wieder zu einem Vorreiter
für die zivile Krisenprävention zu machen mit einem ganzheitlichen Ansatz
friedens-, demokratie- und rechtsstaatsfördernder Maßnahmen.
Berlin, den 22. September 2015
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
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