BT-Drucksache 17/9426

Barrierefreies Bauen im Baugesetzbuch verbindlich regeln

Vom 24. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9426
17. Wahlperiode 24. 04. 2012

Antrag
der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W. Birkwald, Steffen
Bockhahn, Dr. Martina Bunge, Roland Claus, Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Diana
Golze, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig,
Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Cornelia Möhring, Kornelia
Möller, Jens Petermann, Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers, Kathrin Senger-Schäfer,
Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Kathrin Vogler, Harald
Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Barrierefreies Bauen im Baugesetzbuch verbindlich regeln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die demografische Entwicklung und die ungenügende Inklusion von Menschen
mit Beeinträchtigungen in der Bundesrepublik Deutschland stellten die Gesell-
schaft auch auf dem Feld der Wohnungspolitik sowie der Stadt- und Regional-
entwicklung vor neue, große Herausforderungen.

Der Bestand an barrierefreien und barrierereduzierten Wohnungen in Deutsch-
land deckt bei weitem nicht den tatsächlich vorhandenen Bedarf. Massive Ein-
schränkungen der Lebensqualität, der Teilhabe und Mobilität für einen zuneh-
menden Teil der Bevölkerung sind die Folgen.

Auch der Zustand und die Entwicklung der Infrastruktur entsprechen häufig
nicht den Bedürfnissen der Gesamtbevölkerung.

Weder beim Neubau von Wohnungen und öffentlichen Gebäuden noch bei Mo-
dernisierungen im Bestand wird den gegenwärtigen und den künftigen Anforde-
rungen an Barrierefreiheit und Barrierereduziertheit ausreichend Genüge getan.

Die gegenwärtig anstehende Novellierung des Baugesetzbuches durch das „Ge-
setz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und wei-
teren Fortentwicklung des Städtebaurechts“ könnte einen wesentlichen Beitrag
zur Umsetzung der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte der
Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) leisten und
die Bedarfsgerechtheit im Neubau und der Modernisierung von Wohn- und Ge-
sellschaftsbauten sowie bei der Stadt- und Regionalentwicklung fördern.
Der vorliegende Gesetzesentwurf berücksichtigt dieses wichtige gesamtgesell-
schaftliche Anliegen allerdings nicht in dem erforderlichen Maße.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– die Verpflichtungen aus der am 26. März 2009 in Kraft getretenen UN-Behin-
dertenrechtskonvention auch bei der Novellierung des Baugesetzbuches umzu-

Drucksache 17/9426 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
setzen und das Grundrecht auf Barrierefreiheit und Teilhabe in die Zielsetzung
des „Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Ge-
meinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts“ aufzunehmen;

– die Baunutzungsverordnung dahingehend zu überprüfen, inwieweit darin die
Belange älterer Menschen und von Menschen mit Beeinträchtigungen be-
rücksichtigt sind und diesbezüglich notwendige Änderungen vorzunehmen;

– die Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Bauleitplanung so
auszugestalten, dass die Rechte und Belange älterer Menschen und von Men-
schen mit Beeinträchtigungen verpflichtend in angemessener Weise zu be-
rücksichtigen sind;

– für Genehmigungsverfahren von Bau- und Infrastrukturvorhaben – ähnlich
der Umweltverträglichkeitsprüfung – eine Pflicht zur Prüfung auf deren
Nutzbarkeit für alle einzuführen;

– Förderprogramme aufzulegen, die dem tatsächlichen Bedarf entsprechende
staatliche Mittel für den barrierefreien Neubau sowie den Umbau des Gebäu-
debestandes und der Infrastruktur bereitstellen und einen Anreiz schaffen für
notwendige Kofinanzierungen, und

– die Umsetzung dieser Förderprogramme mit den Ländern in Verwaltungs-
vereinbarungen oder mit anderen geeigneten Instrumenten verbindlich zu
regeln.

Berlin, den 24. April 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Belange älterer Menschen und von Menschen mit Beeinträchtigungen und
deren Rechte zu berücksichtigen und zu schützen, gehört zu den grundlegenden
Pflichten eines Sozialstaates.

Dem nachzukommen, erfordert entsprechende rechtliche Regelungen auf allen
Rechtsgebieten. Gerade mit der Weiterentwicklung des Baurechts müssen wirk-
same Impulse für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung gesetzt werden.

Bisher geltende landesrechtliche Bestimmungen werden unterschiedlich konse-
quent und bei weitem nicht bedarfsdeckend angewendet, so dass eine bundes-
einheitliche Grundsatzregelung zur Durchsetzung des Prinzips „Nutzen für alle“
durch barrierefreies Bauen eingeführt werden sollte.

Die jetzt vorgesehenen Neuregelungen im „Gesetz zur Stärkung der Innenent-
wicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des
Städtebaurechts“ berücksichtigen diese Anforderungen nicht ausreichend und
müssen daher entsprechend ergänzt werden.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.