BT-Drucksache 17/11604

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/10200, 17/10202, 17/10823, 17/10824, 17/10825 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013)

Vom 20. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11604
17. Wahlperiode 20. 11. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Katja Dörner, Sven-Christian Kindler,
Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, Agnes Brugger, Ekin Deligöz, Harald Ebner,
Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Ingrid Hönlinger, Uwe Kekeritz, Memet Kilic,
Ute Koczy, Tom Koenigs, Oliver Krischer, Stephan Kühn, Undine Kurth
(Quedlinburg), Jerzy Montag, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Konstantin v. Notz,
Omid Nouripour, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Tabea Rößner, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Gerhard Schick,
Ulrich Schneider, Dr. Harald Terpe, Markus Tressel, Daniela Wagner, Beate
Walter-Rosenheimer, Dr. Valerie Wilms, Josef Philip Winkler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/10200, 17/10202, 17/10823, 17/10824, 17/10825 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013
(Haushaltsgesetz 2013)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP haben die Chance, die Neu-
verschuldung in Zeiten historisch guter Rahmenbedingungen dauerhaft und
strukturell zu senken, nicht genutzt. Die Absenkung der Neuverschuldung auf
17,1 Mrd. Euro verdanken wir keinen schwarz-gelben Heldentaten, sondern einer
guten Konjunktur mit entsprechend hohen Steuereinnahmen, niedrigen Zins-
kosten und einem stabilen Arbeitsmarkt. 800 Mio. Euro höhere Steuereinnahmen
kann der Bund nach der aktuellen Steueranpassung im kommenden Jahr erwar-
ten. Gleichzeitig sinken die Zinsausgaben um über 440 Mio. Euro. Da ist es kein
Wunder, dass die Neuverschuldung sinkt. Nachhaltige Konsolidierung ist das
jedoch nicht. Vor dem Hintergrund der Krise in Europa muss man keine Pessi-
mistin/kein Pessimist sein, um vorherzusagen, dass die Bedingungen nicht immer

so gut bleiben werden und strukturelle Konsolidierung dringend nötig wäre.

In der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundes-
tages haben die Koalitionsfraktionen die Neuverschuldung nach vollmundigen
Ankündigungen um gerade einmal 1,7 Mrd. Euro abgesenkt. Allein durch die
höheren Steuereinnahmen, erneut sinkende Zinsausgaben und billige Buchhal-
tungstricks, wie die Verschiebung der Privatisierungserlöse ins kommende Jahr,

Drucksache 17/11604 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

müsste die Neuverschuldung aber bereits 1 Mrd. Euro niedriger sein als be-
schlossen.

Die schwarz-gelbe Koalition verlässt sich lieber weiterhin auf die gute Kon-
junktur oder greift ungeniert nach dem Geld der Beitragszahlenden der Sozial-
versicherungen. Die Kürzungen von 2 Mrd. Euro beim Gesundheitsfonds wur-
den im Anschluss an den Koalitionsausschuss noch einmal um 500 Mio. Euro
erhöht. Bei der Rentenversicherung streicht Schwarz-Gelb 1 Mrd. Euro ein. Die
Bundesagentur für Arbeit treibt die Koalition im nächsten Jahr in ein Milliar-
dendefizit, indem sie ihr 2 Mrd. Euro entzieht, die künftig nicht mehr für Quali-
fizierung und Arbeitsförderung zur Verfügung stehen. Weil CDU, CSU und
FDP nicht selber sparen wollen, müssen die Beitragszahlenden bluten.

Auch bei der Privatisierungspolitik geht es der Bundesregierung mehr um den
Anschein einer Absenkung der Nettokreditaufnahme als eine tatsächliche Ein-
grenzung der Neuverschuldung. In Wirklichkeit hat die Koalition noch am Tag
der Bereinigungssitzung 800 Mio. Euro Privatisierungserlöse aus dem laufenden
Jahr nach 2013 verschoben – angeblich aus technischen Gründen. Dadurch steht
das Geld zwar 2012 nicht zur Verfügung. Schwarz-Gelb will sich damit jedoch
im Wahljahr 2013 schmücken. Das hat mit Haushaltswahrheit nichts zu tun. Der
Bund darf Privatisierungsprojekte nicht nach dem Wahlkalender planen.

Neben solchen Taschenspielertricks, der Plünderung der Sozialversicherungen
und der Mitnahme von Konjunktureffekten hat die Koalition leider keine eige-
nen Konsolidierungsbeiträge geleistet – im Gegenteil: Trotz des Kuhhandels im
Koalitionsausschuss werden für das unsinnige Betreuungsgeld im kommenden
Jahr noch immer 55 Mio. Euro rausgeschmissen, obwohl selbst die Mehrheit
der Koalition es ablehnt, obwohl die Ausgestaltung ineffizient und bürokratisch
ist und obwohl dadurch Kinder aus Kitas und Mütter vom Arbeitsmarkt fernge-
halten werden sollen. Der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung, Dr. Peter Ramsauer, erhält auch dieses Jahr wieder Sondermittel für sei-
nen Etat: 750 Mio. Euro von denen rund 80 Prozent in die Straßen fließen und
lediglich ein symbolischer Anteil von 5 Prozent in den umweltfreundlichen
Verkehrsträger Schiene. Das ist kein Infrastrukturbeschleunigungsprogramm,
sondern ein Straßenneubauprogramm, also mehr Geld für neue öffentlichkeits-
wirksame Spatenstiche im Wahljahr. Gehen die Steuereinnahmen aber zurück
oder die Zinskosten nach oben, führt diese Politik der Koalition direkt in die
Neuverschuldung.

Noch schafft es die Koalition, dies durch weitere Plünderungen zu verschleiern.
Die KfW Bankengruppe soll 2014 1 Mrd. Euro Gewinn abführen und nicht mehr
– wie bisher – in neue Projekte z. B. im Bereich der Mittelstandförderung, der
energetischen Gebäudesanierung und der Entwicklungszusammenarbeit reinves-
tieren. Der Konsolidierungseffekt dieser Maßnahme für den Bundeshaushalt ver-
pufft jedoch, sobald der Gewinn aufgebraucht ist. Weitere 2 Mrd. Euro entnimmt
die Koalition 2014 dem Gesundheitsfonds. So bastelt sich die Koalition ihren
Wahlkampfhaushalt mit geschönten Zahlen. Aber die Realität wird den Bundes-

Steuermehreinnahmen + 800 Mio. Euro

Verschobene Privatisierungserlöse + 800 Mio. Euro

Zinsausgaben – 440 Mio. Euro

Neue Kürzung Gesundheitsfonds – 500 Mio. Euro

Minderausgaben Betreuungsgeld – 245 Mio. Euro

Summe der Verbesserungen 2 785 Mio. Euro
haushalt nach der Wahl einholen. Die Bundesagentur für Arbeit wird über keine
stabile Rücklage verfügen, mit der sie im Krisenfall interventionsfähig wäre,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11604

sondern stattdessen voraussichtlich ein Defizit in Milliardenhöhe ausweisen.
Durch die Kürzungen im Gesundheitsfonds werden Zusatzbeiträge der Kranken-
kassen erforderlich werden. Konjunkturabkühlungen werden bereits prognos-
tiziert. Aber für mögliche Verschlechterungen sorgt die Bundesregierung nicht
vor. Das ist Politik nach dem Motto „Nach Schwarz-Gelb die Sintflut“.

Die Neuverschuldung könnte 4,6 Milliarden niedriger sein.

Für einen soliden Bundeshaushalt müssen endlich die Weichen so gestellt wer-
den, dass die Höhe der Neuverschuldung nicht allein von äußeren Umständen
abhängt. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat in den Haushalts-
beratungen konkrete Vorschläge gemacht, mit denen die Neuverschuldung ge-
genüber dem von der Koalition beschlossenen Haushalt im kommenden Jahr
um 4,6 Mrd. Euro entlastet wird.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat dazu in nahezu jedem Einzeletat
einen Konsolidierungsbeitrag erbracht. Der Abbau ökologisch schädlicher Sub-
ventionen, wie die Ausnahmen bei der Ökosteuer oder teure Klientelpolitik wie
die von Schwarz-Gelb eingeführte Mövenpick-Steuer, belasten den Bundeshaus-
halt jährlich mit Milliardensummen und müssen dringend abgeschafft werden.

Die Bundesregierung ist bei der Bundeswehr an ihren eigenen Einsparvorgaben
gescheitert. Die Reform macht die Streitkräfte nicht wie versprochen günstiger.
Im Gegenteil: Der Verteidigungshaushalt steigt auf ein Rekordniveau an. Dem
Gebot der Haushaltsklarheit zum Trotz wurden weitere Bundeswehrpersonal-
mittel in Milliardenhöhe in den allgemeinen Teil des Haushaltes ausgelagert.
Diese müssen dem Bundeswehretat sogar noch hinzugerechnet werden. Die
Bundesregierung hat es verpasst, zu Beginn ihrer Bundeswehrreform eine
grundlegende und ehrliche Auftragskritik für die Streitkräfte durchzuführen,
mit dem Ziel diese auf die wesentlichen Kernaufgaben und Fähigkeiten zu kon-
zentrieren. So werden nun mit noch mehr Geld verkleinerte Strukturen finan-
ziert. Die Chance, den Verteidigungshaushalt zu ordnen und nachhaltig zu
strukturieren, wurde vertan. Der Koalition fehlt Kraft, politischer Wille und ein
klares strategisches Konzept, um notwendige Einsparungen bei der Bundes-
wehr umzusetzen. Deutschland ist keiner unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt,
sondern von Bündnispartnern umgeben. Größe, Struktur und Umfang der Bun-
deswehr müssen endlich an diese Realität angepasst werden.

Starke Schultern müssen mehr tragen. Haushaltskonsolidierung geht nur ge-
recht. Der Spitzensteuersatz für Besserverdienende muss daher auf 49 Prozent
erhöht werden. Kapitaleinkünfte sollten wieder progressiv wie Arbeitseinkom-
men besteuert werden. Mit einer Vermögensabgabe für Millionäre will die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nachhaltig und gerecht die Schulden
aus der Banken- und Finanzkrise abbauen.

In die Zukunft investieren.

Neben Konsolidierung ist aber auch eine inhaltliche Neuausrichtung des Bun-
deshaushalts notwendig. Die Prioritäten müssen insbesondere auf einem Stopp
der massiven Kürzungen im Sozialbereich der letzten Jahre liegen. Dazu gehört
nicht nur die Aufstockung des Arbeitslosengeld-II-Regelsatzes auf 420 Euro
zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums, sondern vor allem auch
Investitionen in Bildung und Qualifizierung.

Der Bildungs- und Forschungsetat wächst 2013 – jedoch auf Kosten der Zu-
kunft. Die Bundesregierung zieht Mittel aus künftigen Jahren vor, um im Wahl-
kampfjahr 2013 zu glänzen. Sie verzichtet dazu mittelfristig auf eine angemes-
sene Vorsorge, agiert nach dem Motto „Nach uns die Sintflut!“ Schwarz-Gelb

setzt die falschen Prioritäten und gibt mit der mittelfristigen Finanzplanung

Drucksache 17/11604 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

keine Antworten auf die dringendsten Fragen im Wissenschaftssystem. Im
Gegenteil, wichtige Instrumente, wie der Hochschulpakt 2020, sind nicht aus-
finanziert. Im Bildungsbereich gilt es aber, künftig mehr Menschen den Bil-
dungsaufstieg und einen Hochschulabschluss zu ermöglichen. Um dem Fach-
kräftemangel entgegenzutreten, müssen mehr Bildungsaufstiege ermöglicht
und lebenslanges Lernen stärker in der Gesellschaft verankert werden.

Um im deutschen Wissenschaftssystem dem wissenschaftlichen Nachwuchs
eine verlässliche Perspektive zu bieten, müssen Bund und Länder, einen Pakt
für den wissenschaftlichen Nachwuchs und zukunftsfähige Personalstrukturen
an den Hochschulen schließen.

Das Erreichen des 10-Prozent-Ziels (7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für
Bildung, 3 Prozent für Forschung) ist unerlässlich und ein entscheidender Bei-
trag für soziale Sicherheit und Wohlstand sowie Innovationskraft und Kreativität
unserer Volkswirtschaft und Gesellschaft. Um es zu erfüllen, ist es zwingend
notwendig, das Kooperationsverbot im Grundgesetz aufzuheben.

Um in der Forschung den Anteil der privaten Mittel für Forschung und Entwick-
lung (FuE) zu erhöhen, bedarf es u. a. der Einführung einer steuerlichen For-
schungsförderung. Die Vergabe von öffentlichen Mitteln bedarf einer möglichst
hohen Legitimation. Bei öffentlich geförderten Forschungsprojekten muss eine
hohe Transparenz herrschen, etwa bezüglich der Projektinhalte, -ziele und -be-
teiligten. Der Zugang zu den Forschungsergebnissen muss gemäß dem Open-
Access-Prinzip gestaltet werden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Mittel für die Schaffung eines
sozialen Arbeitsmarktes für Personen bereitgestellt, die auf dem regulären Ar-
beitsmarkt derzeit keine Chance haben. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN hat mit der Aufstockung der Mittel zur Arbeitsförderung mehr Geld in
Qualifizierung und Weiterbildung investiert.

Beim Kita-Ausbau sind stärkere Anstrengungen notwendig, um den Rechtsan-
spruch auf Kinderbetreuung erfüllen zu können. Noch immer fehlen bis zu
220 000 Kita-Plätze. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deshalb ein
Sonderprogramm für Kommunen mit besonders hohem Bedarf in Höhe von 200
Mio. Euro beantragt sowie 300 Mio. Euro für den Ausbau der Ganztagsbetreu-
ung und Qualitätsverbesserungen in frühkindlichen Bildungseinrichtungen. Um
Planungssicherheit zu schaffen, will die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
für beide Programme Mittel in gleicher Höhe auch für 2014 bereitstellen. Insge-
samt soll so eine Milliarde mehr für Kitas investiert werden.

In der Entwicklungszusammenarbeit wurden die Einhaltung der international
zugesagten Quote der Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) von
der Bundesregierung deutlich verfehlt. Als ersten Schritt hat die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1,2 Mrd Euro mehr ODA-Mittel beantragt als der
Haushalt der Koalition. Über 900 Mio. Euro davon allein im Etat des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, weitere
300 Mio. Euro in anderen Einzelplänen.

Die Energiewende und den Klimaschutz fährt die Bundesregierung gezielt vor
die Wand. Anstatt die notwendigen Programme über den Abbau ökologisch
schädlicher Subventionen zu finanzieren und damit gleichzeitig noch einen
Konsolidierungsbeitrag zu leisten, beharrt die Bundesregierung weiterhin auf
ihrem umwelt- und haushaltspolitisch kontraproduktiven Sondervermögen dem
„Energie- und Klimafonds“. Dies ist fatal, denn aufgrund der unsicheren Ein-
nahmesituation beim Emissionshandel werden die Lücken bei der Energieeffi-
zienz und dem internationalen Klima- und Biodiversitätsschutz nur noch größer.
Anstatt eines Sondervermögens muss Investitionssicherheit beim Marktanreiz-

programm (MAP) für erneuerbare Wärme und den Programmen der Nationalen
Klimaschutzinitiative geschaffen werden. Eine Effizienzoffensive mit einem mit

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11604

3 Mrd. Euro ausgestatteten Energiesparfonds bringt einen doppelten Gewinn,
das Klima wird geschützt und Arbeitsplätze im Handwerk und der regionalen
Wirtschaft werden gesichert und geschaffen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

Ausgabenkritik, Einnahmeverbesserung und Subventionsabbau

• den Bundeshaushalt 2013 durch Ausgabekürzungen, Subventionsabbau und
Einnahmeverbesserungen strukturell deutlich zu entlasten und die ökologi-
sche und soziale Schieflage durch die nachfolgend angeführten Maßnahmen
zu bekämpfen;

• ökologisch schädliche Subventionen wie bspw. das Dienstwagenprivileg,
Ausnahmen bei der Ökosteuer oder Privilegierung des Flugverkehrs durch
Nichtbesteuerung von Kerosin abzubauen und damit mehr als 8 Mrd. Euro
jährlich einzusparen;

• eine Vermögensabgabe und die Finanztransaktionssteuer einzuführen;

• den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer auf 8 500 Euro bei unverän-
dertem Tarifverlauf anzuheben und den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent zu
erhöhen;

• Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer wie die Mövenpick-Steuer abzuschaf-
fen;

• einen signifikanten Konsolidierungsbeitrag des Einzelplans 14 zum Bundes-
haushalt zu erbringen, dessen Umfang mittelfristig den 2010 durch die Bun-
desregierung beschlossenen Einsparvorgaben in Höhe von 8,3 Mrd. Euro
entspricht. Dazu erfolgt eine grundlegende Aufgabenkritik der Bundeswehr,
mit dem Ziel, die Fähigkeiten der Streitkräfte im europäischen und nordat-
lantischen Rahmen zu bündeln und unnötige Doppelungen von Fähigkeiten
abzubauen. Dies ermöglicht weitere Reduktionen des Personalumfangs, der
Materialumfänge und die Beendigung anachronistischer und überdimensio-
nierter Beschaffungsprojekte;

Investitionen in soziale und ökologische Gerechtigkeit

• den Regelsatz beim Arbeitslosgengeld II auf 420 Euro anzuheben, um das
soziokulturelle Existenzminimum sicherzustellen;

• die Kürzungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik für Arbeitsuchende in
Höhe von 500 Mio. Euro zurückzunehmen. Die Mittel sollen für die Schaf-
fung eines sozialen Arbeitsmarkts sowie für mehr und bessere Qualifizie-
rungsangebote zur Verfügung stehen. Das schafft neue Perspektiven und
Teilhabe für diejenigen, die von der Koalition im Stich gelassen wurden;

• die von der schwarz-gelben Koalition eingeleitete Abkehr von der ODA-
Quote zu stoppen. Um das 0,7-Prozent-Ziel langfristig zu erreichen, müssen
über mehrere Einzelpläne hinweg 1,2 Mrd. Euro zusätzliche ODA-Mittel be-
reitgestellt werden, insbesondere im Bundeministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung sowie im Auswärtigen Amt. Die Kürzun-
gen der Koalition in diesem Etat sind mit den internationalen Zusagen
Deutschlands nicht vereinbar und müssen zurückgenommen werden;

• auf das Betreuungsgeld zu verzichten und stattdessen ein zweijähriges Son-
derprogramm Kita-Ausbau für Kommunen, deren Bedarf an U3-Betreuungs-
plätzen oberhalb des erwarteten durchschnittlichen Bedarfs von 35 Prozent
liegt und die nachweislich bereits eigene Anstrengungen zur Sicherstellung
des Rechtsanspruchs ab dem 1. August 2013 geleistet haben, mit einem

Volumen von insgesamt 400 Mio. Euro sowie ein zweijähriges Sonder-
programm für den Kita-Ganztags-Ausbau und die Qualitätsverbesserungen

Drucksache 17/11604 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

in frühkindlichen Bildungseinrichtungen mit einem Gesamtvolumen von
600 Mio. Euro aufzulegen;

• das Sondervermögen Energie- und Klimafonds aufzulösen, die Einnahmen
aus dem CO2-Emissionshandel vollständig im Einzelplan 16 zu etatisieren
und die für Energiewende und Klimaschutz wichtigen Programme (bspw.
CO2-Gebäudesanierungsprogramm, Marktanreizprogramm für erneuerbare
Wärme, internationaler Klima- und Umweltschutz) aufzustocken, in die je-
weiligen Einzelpläne umzuschichten und damit wieder dem Gesamt-
deckungsprinzip zuzuführen;

• einen Energiesparfonds mit einem Volumen von 3 Mrd. Euro einzuführen,
mit dem vorwiegend einkommensschwache Haushalte, aber auch kleine und
mittelständische Betriebe beim Energiesparen unterstützt werden können;

• die Mittelausstattung der Städtebauförderung umgehend auf ein Niveau von
610 Mio. Euro zu erhöhen und die gegenseitige Deckungsfähigkeit der Pro-
gramme untereinander auch mit dem Programm Soziale Stadt innerhalb der
Städtebauförderung wiederherzustellen und dieses mit einem Programmvo-
lumen von 105 Mio. Euro auszustatten;

• die Mittel für Investitionen in Schienenwege und Lärmschutz um rund
850 Mio. Euro zu erhöhen und so die Investitionsmittel der Eisenbahnen des
Bundes auf knapp 5 Mrd. Euro aufzustocken. Zukünftig statt teurer Prestige-
projekte solche Neu- und Ausbaumaßnahmen zu realisieren, die Engpässe
beseitigen und für das Verkehrsgesamtnetz von hohem Nutzen sind;

• den Schwerpunkt in der Landwirtschaftspolitik der Bundesregierung auf die
Förderung und Stärkung des ökologischen Landbaus zu legen. Die Mittel für
Exportförderung werden entsprechend umgewidmet. Den Etat des Bundes-
wirtschaftsministerium dahingehend zu verändern, dass das Bundesministe-
rium einen wichtigen Beitrag für das Gelingen der Energiewende leisten
kann. Dazu werden die branchenzentrierten Förderungsprogramme für die
maritime Wirtschaft sowie für die Luft- und Raumfahrt abgeschmolzen und
die Mittel für die Energieforschung und Energieeffizienz aufgestockt. Das
Bundeswirtschaftsministerium soll so die ökologische Modernisierung der
Wirtschaft vorantreiben;

• den Etat für Bildung und Forschung als Zukunftsinvestition deutlich zu stär-
ken. Dazu wird das Kooperationsverbot im Grundgesetz aufgehoben, um
Bund und Ländern eine dauerhafte Kooperation zu ermöglichen. Der Hoch-
schulpakt 2020 wird in 2013 um 259 Mio. Euro angehoben und mittelfristig
auf mindestens 1,45 Mrd. Euro (2014) und 2,16 Mrd. Euro (2015) auf-
gestockt, um zusätzliche Studienplätze zu schaffen und die Lehrqualität zu
verbessern. Die Fördersätze und Freibeträge des BAföG werden um 5 Pro-
zent angehoben, um mehr unterrepräsentierte Gruppen und potenzielle
Bildungsaufsteiger und -aufsteigerinnen für ein Hochschulstudium zu gewin-
nen. Das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz wird zu einem „Erwachse-
nenbildungsförderungsgesetz“ weiterentwickelt. Für die Neujustierung der
Bund-Länder-Forschungsfinanzierung nach dem Auslaufen der Wissen-
schaftspakte wird mittelfristig eine Vorsorge in den Haushalt eingestellt. Um
die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verbessern, wird u. a.
ein Förderprogramm „Juniorprofessur“ für insgesamt ca. 1 000 Juniorprofes-
suren aufgelegt. Um den Anteil privater FuE-Mittel zu erhöhen, wird eine
Steuergutschrift für Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Unter-
nehmen mit bis zu 250 Beschäftigten eingeführt. Die Vergabe öffentlicher
Forschungsmittel wird an die Erfüllung von Transparenz und Open-Access-
Bedingungen geknüpft, die den Empfehlungen der Enquete-Kommission
„Internet und digitale Gesellschaft“ entsprechen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/11604

• das Förderprogramm „Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und
Demokratie“ im Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend durch ein neues Bundesprogramm „Maßnahmen für eine demo-
kratische Kultur, gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und
Rechtsextremismus“ zu ersetzen und die Mittel auf 50 Mio. Euro jährlich zu
erhöhen sowie die „Extremismusklausel“ als Zuwendungsvoraussetzung zu
streichen und die Vergabe der Zuwendungen im Rahmen dieses Programms
nicht an eine Unterzeichnung einer solchen Erklärung zu knüpfen;

• die finanzielle Ausstattung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu
erhöhen: Die Integrationskurse sind seit langem unterfinanziert. Migrantin-
nen und Migranten wird die Teilnahme durch Kürzung beim Fahrkostenzu-
schuss erschwert und die Integrationskurslehrer und -lehrerinnen bekommen
einen Stundenlohn, mit dem es unmöglich ist, den Lebensunterhalt zu sichern.
Zur Umsetzung der Forderung der 7. Integrationsministerkonferenz, Asyl-
suchenden und Geduldeten den Zugang zu den Integrationskursen zu ermög-
lichen, werden jeweils 10 000 Integrationskursplätze für Asylantragsteller
und -stellerinnen sowie für erwachsene Geduldete angeboten;

• die Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung zu stärken und die
Haushaltskürzungen für das Haushaltsjahr 2012 zurückzunehmen. Die Bun-
deszentrale für politische Bildung leistet einen wichtigen Beitrag bei der De-
mokratiebildung und wirkt somit in hohem Maße rechtsextremer Einstellung
in breiten Schichten der Bevölkerung entgegen;

• die Arbeit des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz stärker auf den Schutz der Verbraucher und Verbraucherinnen
auf dem Finanzmarkt und beim Konsum auszurichten und die Vermittlung
von Informationen über gesunde Ernährung zu verbessern. Die finanziellen
Mittel werden entsprechend verstärkt;

• die Kürzungen bei den Bundeszuschüssen zum Gesundheitsfonds, in Höhe
von 500 Mio. Euro zurückzunehmen.

Berlin, den 19. November 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.