BT-Drucksache 17/11546

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen17/10200, 17/10202, 17/10811, 17/10823, 17/10824, 17/10825 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) hier: Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Vom 19. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11546
17. Wahlperiode 19. 11. 2012

Änderungsantrag
der Abgeordneten Diana Golze, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W. Birkwald,
Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Dr. Martina Bunge, Roland Claus,
Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Katrin Kunert,
Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert, Thomas Lutze, Cornelia Möhring,
Kornelia Möller, Jens Petermann, Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert,
Kersten Steinke, Kathrin Senger-Schäfer, Sabine Stüber, Alexander Süßmair,
Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/10200, 17/10202, 17/10811, 17/10823, 17/10824, 17/10825 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013
(Haushaltsgesetz 2013)

hier: Einzelplan 11
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Die Ausgaben im Kapitel 11 12 Titelgruppe 01 (Arbeitslosengeld II) werden
um 15 Mrd. Euro erhöht, um folgende Änderungen zu finanzieren:

a) die Anhebung des Regelsatzes für eine alleinstehende Person (Regel-
bedarfsstufe 1) in der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) auf 500 Euro sowie die entspre-
chende Anhebung für die weiteren Regelbedarfsstufen;

b) die Integration von Asylsuchenden, Geduldeten und Bürgerkriegsflücht-
lingen in die Sicherungssysteme nach dem SGB II und SGB XII;

c) Aufhebung der Anrechnung des Elterngeldes und des Betreuungsgeldes
auf die Arbeitslosengeld-II-Leistungen und
d) Anhebung des Krankenkassenbeitrags für die SGB-II-Leistungsberechtig-
ten auf eine angemessenes Niveau.

2. Die Titel für das Arbeitslosengeld II sowie die Leistungen für Unterkunft und
Heizung werden mit einem Haushaltsvermerk versehen, der gewährleistet,
dass diese Mittel für eine aktive Arbeitsmarktpolitik zur Eingliederung Leis-
tungsberechtigter eingesetzt werden können (sog. Passiv-Aktiv-Transfer).

Drucksache 17/11546 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Die Gesamtausgaben im Kapitel 11 12 Titelgruppe 01 (Beteiligung des Bun-
des an den Leistungen für Unterkunft und Heizung) werden um 6,1 Mrd.
Euro erhöht, um höhere Ausgaben für die Leistungen für Unterkunft und
Heizung für die Kommunen infolge der Erhöhung des Regelsatzes auf
500 Euro zu refinanzieren und die Bundesbeteiligung an den Kosten der Un-
terkunft und Heizung gemäß der tatsächlichen Entwicklung der Kosten zu
erhöhen.

4. Die Gesamtausgaben im Kapitel 11 12 Titelgruppe 01 (Eingliederungstitel)
werden um 2,7 Mrd. Euro erhöht, um die Kürzungen der arbeitsmarkpoliti-
schen Leistungen zu verhindern. Die finanzielle Ausstattung des Eingliede-
rungstitels wird stattdessen auf dem Niveau von 2010 stabilisiert. Nicht ver-
ausgabte Haushaltsmittel aus dem Haushaltsjahr 2012 werden auf das
Folgejahr übertragen.

5. Der Titel 636 31 (Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförde-
rung) wird nicht gestrichen.

6. Der Titel 632 01 (Beteiligung des Bundes an der Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung) wird um 1,6 Mrd. Euro aufgestockt, um die An-
hebung der Regelbedarfe auf 500 Euro in der Regelbedarfsstufe 1 sowie die
entsprechende Anhebung für die weiteren Regelbedarfsstufen.

7. Im Kapitel 11 02 Titelgruppe 06 wird der Titel 684 64 „eGovernment-Leis-
tungen zur Teilhabe behinderter Menschen, Aktionsplan zur Behinderten-
politik, Neukonzeption des Behindertenberichts“ in „eGovernment-Leistun-
gen zur Teilhabe behinderter Menschen, Aktionsplan zur Behindertenpolitik
und Realisierung von Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Konvention über
die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie Neukonzeption des
Behindertenberichts“ umbenannt und der Ansatz um 500 Mio. Euro auf
503 500 000 Euro erhöht. Der Betrag von 500 Mio. Euro wird zur „Realisie-
rung erster Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte
von Menschen mit Behinderungen“ verwendet. Diese Mittel sind übertrag-
bar.

8. Die Gesamtausgaben in Kapitel 11 13 Titel 636 81 (Zuschuss des Bundes an
die allgemeine Rentenversicherung) werden um 4,9 Mrd. Euro erhöht, um
zur Umsetzung des Prinzips gleiche Rente für gleiche Leistung erste Schritte
zu einer Angleichung der Ostrenten auf Westniveaus zu finanzieren. Zudem
ist auf die Kürzungen des Bundeszuschusses an die gesetzliche Rentenversi-
cherung durch das Haushaltsgleitgesetz 2013 und die Beitragssatzreduzie-
rung zu verzichten.

Berlin, den 19. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Haushaltspolitik der schwarz-gelben Regierung, die im Einzelplan 11 des
Haushaltsgesetzes 2013 ihren sichtbaren Niederschlag findet, ist unsozial und ist
ökonomisch falsch. Eine der wesentlichen Ursachen der Finanzmarktkrise – die
Polarisierung von Einkommen und Vermögen – wird nicht bekämpft.

Daten des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung zeigen den
dramatische Zustand der ungleichen Verteilung des gesellschaftlichen Reich-

tums in Deutschland: Der Anteil der reichsten 10 Prozent verfügt über mehr als
50 Prozent des gesamten Vermögens. Gleichzeitig verfügt die untere Hälfte über

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11546

fast überhaupt kein Vermögen. (vgl. 4. Armuts- und Reichtumsbericht, Entwurf,
der Wochenbericht 4/2009 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
e. V., S. 59 weist eine noch stärkere Polarisierung aus). Die vorübergehenden
Einbußen durch die Finanzmarktkrise 2008 haben die Vermögenden schon
längst wieder kompensiert.

Die soziale Polarisierung wird durch die Haushaltspolitik fortgesetzt: Öffent-
liche Gelder an die Sozialversicherungen werden durch das Haushaltsbegleit-
gesetz 2013 in einer Höhe von über 5 Mrd. Euro allein in 2013 gestrichen. Ins-
besondere die Bundesagentur für Arbeit wird durch die Streichung des Bundes-
zuschusses zur Arbeitsförderung massiv belastet; der Rentenbeitragssatz wird
gesenkt anstatt die aktuell verfügbaren Gelder für einen Ausbau der rentenpoli-
tischen Leistungen – oder etwa die Aussetzung der Rente erst ab 67 – zu nutzen.

Gleichzeitig verzichtet die Bundesregierung aus ideologischen Gründen auf die
einnahmenfördernden und ausgabenreduzierenden Wirkungen eines all-
gemeinen gesetzlichen Mindestlohns. Die Prognos AG hat den fiskalischen
Gesamteffekt der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in der Höhe von
10 Euro/Stunde auf über 12 Mrd. Euro geschätzt. Hier zeigt sich deutlich, dass
der Regierung an einem Programm der sozialen Gerechtigkeit nicht gelegen ist.

Dem ist ein grundsätzlich anderer Ansatz entgegen zu stellen: Es wird eine
Politik der massiven sozialen Umverteilung angestrebt. Dies ist sowohl sozial
gerecht, als auch ökonomisch vernünftig. Ein derartiger Politikwechsel wirkt
zudem zukünftigen Krisen entgegen. Die Änderungen im Einzelplan 11 konkre-
tisieren die Strategie der Umverteilung durch den Ausbau von sozialer Sicher-
heit und von Maßnahmen zur sozialen Eingliederung.

1. Rücknahme von Kürzungen

Die Haushaltspolitik der schwarz-gelber Regierung folgt im Grundsatz einer
falschen Strategie. Die Haushaltsprobleme sind wesentlich verursacht durch die
Finanz- und Wirtschaftskrise. Diese Krise ist nicht von Hartz-IV-Leistungs-
berechtigten ausgelöst worden. Insbesondere dieser Gruppe wird aber die Kri-
senbewältigung unverändert maßgeblich aufgenötigt. Durch die Konzentration
der Haushaltskonsolidierung durch Kürzungen bei den Sozialleistungsberech-
tigten wird die soziale Spaltung vorangetrieben.

Die Mittel sind bereitzustellen, um die folgenden Kürzungen rückgängig zu
machen:

• Anrechnung des Elterngeldes auf das Arbeitslosengeld II,

• Streichung des befristeten Zuschlags nach Auslaufen des Anspruchs auf Ar-
beitslosengeld,

• Reduktion des Eingliederungstitels; der Eingliederungstitel ist stattdessen
auf dem Niveau von 2010 zu konsolidieren, um eine Verstärkung der beruf-
lichen Weiterbildung und einen bundesweiten Aufbau eines öffentlich geför-
derten Beschäftigungssektors (ÖBS) zu realisieren.

2. Menschenwürdige Existenzsicherung durch erhöhte Grundsicherungsleis-
tungen

Die Bundesregierung hat durch willkürliche Manipulationen das Existenzmini-
mum kleingerechnet. Das Sozialgericht Berlin teilt die Auffassung einer verfas-
sungswidrigen Ermittlung des Existenzminimums und hat das zu Grunde lie-
gende Gesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt.

Eine sachgerechte Ermittlung des Regelsatzes („Regelbedarfsstufe 1“) liegt in

der Größenordnung von 500 Euro für eine erwachsene Person. Die Leistungen
der weiteren Regelbedarfsstufen sind analog zu erhöhen. Höhere Ausgaben der

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Kommunen infolge dieser Maßnahme werden vom Bund in entsprechender
Höhe kompensiert.

Zugleich soll ein Deckungsvermerk eingeführt werden, der eine „Aktivierung“
der Leistungen gestattet, d. h. die Mittel für das Arbeitslosengeld II und die Leis-
tungen für Unterkunft und Heizung können für einen öffentlichen Beschäf-
tigungssektor (ÖBS) genutzt werden.

3. Angemessene Krankenversicherungsbeiträge für Hartz-IV-Leistungsberech-
tigte

Die Beiträge zu den Krankenkassen müssen angemessen sein. Dies sind die der-
zeitigen Beiträge für die Arbeitlosengeld-II-Beziehenden nicht. Als Orientie-
rungswert für die Höhe der Anhebung können die pro Monat und Mitglied
durchschnittlich entrichteten Beiträge dienen. Die Krankenkassen würden da-
durch Mehreinnahmen erzielen, wodurch die Einnahmeseite der gesetzlichen
Krankenkassen gestärkt würde.

4. Bessere Finanzausstattung der Bundesagentur für Arbeit

Der Bund beteiligt sich weiter anteilig an den Kosten der Arbeitsförderung der
Bundesagentur für Arbeit. Angesichts der absehbaren Trendwende auf dem
Arbeitsmarkt sind die zur Verfügung gestellten Mittel zum Aufbau eines finan-
ziellen Polster für eine arbeitsmarktpolitische Abfederung des nächsten Kon-
junkturabschwungs zu nutzen.

5. Rechte von Menschen mit Behinderungen umsetzen

2011 hat die Bundesregierung den Aktionsplan der Bundesregierung zur Um-
setzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
(BRK) verabschiedet. Schockierend ist, dass die Bundesregierung in ihrem
Haushaltsentwurf 2013 fast keine finanziellen Mittel zur Realisierung konkreter
Umsetzungsmaßnahmen ausgewiesen hat. Der Ansatz von 500 Mio. Euro kann
nur für den Beginn dieses Prozesses ausreichen, um zum Beispiel Konzepte und
Maßnahmen zur verstärkten Bewusstseinsbildung (gemäß Artikel 8 BRK) sowie
Schaffung von Barrierefreiheit (gemäß Artikel 9 BRK) zu entwickeln und
durchzuführen.

6. Rente ausbauen

Der Rentenwert Ost ist zügig an das Westniveau anzugleichen. Das Prinzip glei-
che Rente für gleiche Leistung muss mehr als 20 Jahre nach der Vereinigung
endlich umgesetzt werden. Die Angleichung der Renten im Osten an das West-
niveau ist mehr als überfällig. Damit sie schrittweise bis 2016 abgeschlossen
werden kann, ist für einen Angleichungszuschlag die Summe von 2,4 Mrd. Euro
in den Haushalt einzustellen. Der Bund darf sich zudem nicht auf Kosten der
Sozialkassen konsolidieren. Die Gelder des allgemeinen Bundeszuschusses
werden in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Verbesserung solidari-
scher Ausgleichsmaßnahmen gebraucht. Sie dürfen nicht gekürzt werden. Der
Verzicht auf eine Beitragssatzsenkung führt zu höheren Zahlungen des Bundes
an die Rentenversicherung in Höhe von 1,5 Mrd. Euro.

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