BT-Drucksache 17/11373

Sozial und regional - Tourismus in ländlichen Räumen stärken

Vom 7. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11373
17. Wahlperiode 07. 11. 2012

Antrag
der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch,
Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Steffen
Bockhahn, Dr. Martina Bunge, Roland Claus, Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Diana
Golze, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig,
Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Jens Petermann, Yvonne
Ploetz, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, Kersten Steinke,
Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Kathrin Vogler, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Sozial und regional – Tourismus in ländlichen Räumen stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In vielen strukturschwachen ländlichen Gebieten hat sich der Landtourismus zu
einem wichtigen Standbein regionaler Wirtschaft entwickelt. Durch die hohe
Arbeitsintensität, die mit touristischen Angeboten verbunden ist, leistet er einen
bedeutenden Beitrag zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Davon profitieren vor
allem die entsprechenden ländlichen Regionen.

Der Landtourismus bietet ökologische Vorteile durch kurze Anreisewege und
wenige Emissionen, er trägt zur sozialen und wirtschaftlichen Stabilität in länd-
lichen Räumen bei, fördert die regionale Wertschöpfung, ist besonders familien-
freundlich, gesundheitsfördernd und sozial verträglich.

Aufgrund dieser Gegebenheiten ist der Landtourismus gut geeignet, die Ent-
wicklung des Sozialtourismus in Deutschland zu fördern und auszubauen.

Viele touristische Attraktionen liegen nicht allein im Angebot des einzelnen
touristischen Leistungsträgers, sondern sind mit der Qualität der Umwelt, der
Attraktivität der Landschaft und kulturellen Angeboten verbunden. Hinzu kom-
men die Qualität der Verkehrsanbindung und die Infrastruktur öffentlicher Ver-
sorgung wie z. B. ein ausreichendes medizinisches Versorgungsangebot oder
die Anbindung an ein schnelles Internet.

Eine von der Politik geförderte Entwicklung im Bereich des Landtourismus
muss daher weit über die sektorspezifische Förderpolitik hinausgehen. Elemente
der Wirtschafts-, Verkehrs-, Agrar- und Umweltpolitik greifen hier ein und müs-

sen Berücksichtigung finden. Das ist bisher nicht ausreichend gelungen.

Vergleiche mit Österreich oder Dänemark zeigen, dass in diesen Ländern pro-
zentual wesentlich mehr ausländische Touristinnen und Touristen einen Land-
urlaub verbringen als in Deutschland. Hier gibt es für die Bundesrepublik
Deutschland ein großes Ausbaupotenzial.

Drucksache 17/11373 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Für den ländlichen Tourismus existiert kein ausreichendes Zahlenmaterial.
Statistische Angaben über Art und Umfang aller Unterkünfte in ländlichen Räu-
men sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden, obwohl sich die Forschungs-
gemeinschaft Urlaub und Reisen e. V. in ihrer alle zwei Jahre durchgeführten
Reiseanalyse um eine Erhebung entsprechender Daten bemüht.

Anbieter im Landurlaub sind meistens kleine und mittelständische Unterneh-
men, die einen hohen Beratungsbedarf haben. Die Beratungsförderung und die
Unterstützung von Vereinen, die sich um diese Unternehmen besonders küm-
mern, sind weitgehend eingeschränkt oder ganz eingestellt worden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• eine Tourismuskonzeption für den ländlichen Raum vorzulegen, wie sie im
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vereinbart wurde, und dabei
angemessen die Querschnittsfunktion des Tourismus zu berücksichtigen;

• eine bundesweite SWOT-Analyse (Analyse der Stärken, Schwächen, Chan-
cen und Risiken) zum Landtourismus zu befördern und die überregionale
Vernetzung touristischer Regionen und Gebiete zu verbessern;

• eine bundesweite Grundlagenuntersuchung zu veranlassen, die belastbare
Daten liefert, um Tourismus in ländlichen Räumen als wichtigen Wirtschafts-
faktor zu verankern;

• Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Förderung von Projekten im Land-
tourismus auf Länderebene zu harmonisieren, die Beratung touristischer An-
bieter auszudehnen und die Entwicklung länderübergreifender Strategien zu
unterstützen;

• mit den Ländern in Gespräche einzutreten, dass Bauernhöfe, Natur- und Na-
tionalparke sowie Biosphärenreservate als außerschulische Lernorte stärker
ins Schulwesen integriert werden, um bei Jugendlichen das Bewusstsein für
nachhaltige Landwirtschaft, gesunde Ernährung und Umweltschutz zu för-
dern. Auf der Kultusministerkonferenz sollte dies thematisiert und sollten
entsprechende Empfehlungen gegeben werden. Projekte von Anbietern des
Bauernhof- und Landurlaubs, die hierfür entsprechende Angebote machen,
sind besonders zu unterstützen;

• Jugendunterkünfte und Familienfreizeitheime, insbesondere Kindererho-
lungszentren (KIEZe), Jugendherbergen, Schullandheime, in die Planungen
besonders einzubeziehen, um Menschen mit geringem Einkommen, Familien
und Jugendlichen einen Aufenthalt in ländlichen Gebieten zu ermöglichen;

• die Sicherung artenreicher und attraktiver Landschaften über das Nationale
Naturerbe, die bestehenden Nationalen Natur- und Kulturlandschaften (Na-
tionalparke, Biosphärenreservate, Naturparke) und das Bundesprogramm
„Biologische Vielfalt“ im Interesse einer nachhaltigen Tourismusentwick-
lung in Deutschland zu verstärken;

• nachhaltige Konzepte für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in ländlichen
Räumen, verbunden mit flexiblen und innovativen Verkehrsprodukten (z. B.
Bürgertaxis), zusammen mit den Bundesländern zu entwickeln und zu för-
dern;

• bei den anstehenden Diskussionen über die Weiterentwicklung der EU-Poli-
tik nach 2013 für die Fortführung einer starken ersten Säule und für eine
finanziell gut ausgestattete zweite Säule der gemeinsamen EU-Agrarpolitik
einzutreten. Agrarumweltprogramme und Vertragsnaturschutz sowie die
Förderung der Diversifizierung dienen der Stärkung des Tourismus in länd-

lichen Gebieten;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11373

• Barrierefreiheit in ländlichen Räumen durch Schaffung entsprechender Rah-
menbedingungen zu verbessern, die Anbieter touristischer Angebote dies-
bezüglich stärker durch spezifische Informationen und geeignete Fördermaß-
nahmen zu unterstützen;

• Förderinstrumente zu reaktivieren, die die Förderung der kleinen und mittel-
ständischen Unternehmen im ländlichen Tourismus und ihre Vereine als
Schwerpunkt haben;

• die Bedeutung des Internets für die Informationsvermittlung touristischer
Angebote zu berücksichtigen und für einen zügigen Ausbau der Breitband-
technologie in ländlichen Regionen zu sorgen;

• die finanzielle Förderung von Projekten an die Erfüllung sozialer Mindest-
standards wie die Einhaltung von Tarifverträgen und die Gewährung eines
Mindestlohnniveaus vergleichbarer Branchen zu koppeln;

• darauf hinzuwirken, dass die Deutsche Zentrale für Tourismus e. V. (DZT)
ihre Auslandsaktivitäten im Hinblick auf den Incomingbereich des länd-
lichen Tourismus verstärkt;

• ein Innovationsförderprogramm speziell für den ländlichen Tourismus zu
entwickeln.

Berlin, den 7. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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