BT-Drucksache 16/1667

Meinungs- und Versammlungsfreiheit für Lesben und Schwule in ganz Europa durchsetzen

Vom 31. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1667
16. Wahlperiode 31. 05. 2006

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Marieluise Beck
(Bremen), Birgit Bender, Dr. Uschi Eid, Kai Boris Gehring, Anja Hajduk, Thilo
Hoppe, Ute Koczy, Monika Lazar, Jerzy Montag, Kerstin Müller (Köln), Claudia Roth
(Augsburg), Dr. Gerhard Schick, Rainder Steenblock, Silke Stokar von Neuforn,
Hans-Christian Ströbele, Jürgen Trittin, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Meinungs- und Versammlungsfreiheit für Lesben und Schwule
in ganz Europa durchsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag unterstützt die Entschließung des Europäischen Par-
laments vom 18. Januar 2006 zu Homophobie in Europa. Darin werden die
Mitgliedstaaten der EU aufgefordert, „das Schüren von Hass gegen Homo-
sexuelle bzw. die Aufstachelung zu Hass und Gewalt nachdrücklich zu verur-
teilen und dafür zu sorgen, dass die Demonstrationsfreiheit, die in allen Men-
schenrechtsvereinbarungen garantiert wird, in der Praxis gewährleistet ist“.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, gegenüber den-
jenigen Staaten, in denen Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender das
Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit beschnitten wird, mit
Nachdruck auf die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention zu
drängen.

Ebenso muss die Bundesregierung unmissverständlich deutlich machen, dass
Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender derselbe Respekt, derselbe
rechtliche Schutz und derselbe Schutz vor Gewalt zuteil werden müssen wie
allen anderen Bürgerinnen und Bürgern auch.

Berlin, den 31. Mai 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

In vielen Staaten Osteuropas sehen sich Lesben, Schwule, Bisexuelle und
Transgender mit schweren Diskriminierungen und mit Gewalt konfrontiert.
Deutschland muss ein klares Signal gegen diese besorgniserregende Entwick-
lung setzen.

Drucksache 16/1667 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
In Moskau haben die Behörden eine für den 27. Mai 2006 angemeldete
Demonstration für Toleranz gegenüber Homosexuellen verboten. Moskaus
Bürgermeister, Juri Luschkow, hatte erklärt, Schwulen- und Lesbenparaden
seien in Russland „absolut inakzeptabel“. Teilnehmerinnen und Teilnehmer
einer Konferenz über die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen
und Transgender, die in Moskau am 27. Mai einen Kranz am Grab des unbe-
kannten Soldaten niederlegen wollten, wurden von der Polizei daran gehindert
und von gewalttätigen Rechtsextremen angegriffen, ohne dass die Polizei sie
schützte. Einige der Lesben und Schwulen wurden dabei verletzt und zeitweise
von der Polizei festgenommen.

Im Nachbarland Polen sind in den vergangenen Jahren ebenfalls mehrfach
Demonstrationen für Toleranz gegenüber Homosexuellen verboten worden, so
2005 in Poznan sowie 2004 und 2005 in Warschau durch den damaligen
Bürgermeister und heutigen Staatspräsidenten Lech Kaczynski. Auch in Polen
fühlen sich Rechtsradikale sowie religiös-fundamentalistische Gruppen dadurch
ermutigt und bedrohen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender offen mit
Gewalt.

So tritt die „Allpolnische Jugend“, die offizielle Jugendorganisation der polni-
schen Regierungspartei Liga Polnischer Familien (LPR), immer wieder mit
gewaltsamen Übergriffen auf Homosexuelle in Erscheinung und skandiert bei
ihren Aufmärschen Parolen wie „Schwule ins Gas“ (vgl. z. B. „WELT am
SONNTAG“ vom 14. Mai 2005).

Der Vizevorsitzende der polnischen Regierungspartei LPR, Wojciech Wierzejski,
hat kürzlich dazu aufgerufen, die für den 10. Juni 2006 in Warschau geplante
Gleichheitsparade erneut zu verbieten, und gleichzeitig öffentlich mit Gewalt
gedroht. Medienberichten zufolge hat Wojciech Wierzejski gesagt: „Wenn die
Abartigen demonstrieren, brauchen sie den Knüppel.“ Zur angekündigten Teil-
nahme deutscher Parlamentarierinnen und Parlamentarier an der geplanten
Gleichheitsparade erklärte Wojciech Wierzejski: „Wenn die eine Tracht Prügel
erhalten, werden sie ein zweites Mal nicht mehr kommen“ („Der Standard“
vom 18. Mai 2006).

Auch in Lettland haben die Behörden 2005 versucht, eine Demonstration für
die Rechte von Homosexuellen in Riga zu verbieten. Das Verbot wurde aber
noch vor dem Demonstrationstermin gerichtlich aufgehoben.

Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind elementare Grundrechte der Demo-
kratie. Sie sind von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert.
Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender haben wie alle Bürgerinnen und
Bürger Europas das Recht, mit friedlichen Demonstrationen auf ihre Probleme
und ihre politischen Forderungen aufmerksam zu machen. Wer dies behindert
oder gar verbietet, verlässt den europäischen Konsens. Aufgabe eines Unter-
zeichnerstaates der Europäischen Menschenrechtskonvention ist es, die Mei-
nungs- und Versammlungsfreiheit für alle Bürgerinnen und Bürger zu sichern
und diese gegebenenfalls auch gegen Gewalttäter durchzusetzen.

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