BT-Drucksache 16/1064

Kinderrechte in Deutschland vorbehaltlos umsetzen - Erklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurücknehmen

Vom 28. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1064
16. Wahlperiode 28. 03. 2006

Antrag
der Abgeordneten Ekin Deligöz, Josef Philip Winkler, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Grietje Bettin, Kai Boris Gehring, Katrin Göring-Eckhard, Britta
Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Krista Sager, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute
Koczy, Monika Lazar, Jerzy Montag, Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei,
Claudia Roth (Augsburg), Irmingard Schewe-Gerigk, Rainder Steenblock, Silke
Stokar von Neuforn, Hans-Christian Ströbele, Jürgen Trittin, Wolfgang Wieland
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kinderrechte in Deutschland vorbehaltlos umsetzen – Erklärung zur
UN-Kinderrechtskonvention zurücknehmen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag hat bereits mehrfach die Rücknahme der Erklärung
zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonven-
tion) gefordert, welche die von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP gebil-
dete frühere Bundesregierung bei der Ratifzierung 1992 hinterlegt hat (Bundes-
tagsdrucksachen 15/4724, 15/136, 14/4884, 14/1681). Diese Beschlüsse sind
bislang nicht umgesetzt worden. Die Bundesregierung sollte diesen längst über-
fälligen Schritt endlich vollziehen.

Im Interesse des Kindeswohls aller hier lebenden Kinder, sowie um einer glaub-
würdigen Kinderpolitik Willen ist die Aufrechterhaltung der Vorbehaltserklä-
rung nicht vertretbar. Auch die außenpolitische Glaubwürdigkeit der Bundes-
republik im Hinblick auf die konsequente Umsetzung von Kinderrechten ist
durch die Erklärung erheblich beeinträchtigt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

schnellstmöglich die von der von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP ge-
bildeten früheren Bundesregierung am 6. März 1992 bei dem Generalsekretär
der Vereinten Nationen hinterlegte Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik
Deutschland zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes zurückzuneh-
men.
Berlin, den 28. März 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Drucksache 16/1064 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde am 20. November 1989 durch die UN-
Vollversammlung beschlossen.

Die UN-Kinderrechtskonvention ist ein Meilenstein in der Geschichte der Kin-
derrechte – sie hat quasi den Rang einer Menschenrechtserklärung für Kinder.
Durch sie wird erstmals die Subjektstellung von Kindern herausgestellt. Ent-
sprechend ihrem Alter und Entwicklungsstand sind sie mit ihren Interessen,
Bedürfnissen und Wünschen ernst zu nehmen.

Die UN-Kinderrechtskonvention ist das weltweit am häufigsten gezeichnete
Menschenrechtsdokument.

Nach Beteiligung der Länder gemäß dem Lindauer Abkommen und der Ratifi-
zierung im Deutschen Bundestag trat die Kinderrechtskonvention am 5. April
1992 in Kraft.

Die damalige Bundesregierung hat bei der Hinterlegung der Ratifikations-
urkunde bei dem Generalsekretär der Vereinten Nationen eine Vorbehaltserklä-
rung hinterlegt, die aus fünf Punkten besteht. Vier dieser fünf Punkte wurden
durch Änderungen im Kindschaftsrecht, der kind- und jugendgerechten Ausle-
gung des Jugendstrafrechts sowie mit der Ratifizierung des Fakultativprotokolls
betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten inzwischen
geregelt.

Von besonderer Relevanz ist daher der vierte Punkt der Vorbehaltserklärung, der
ausländerrechtliche Fragen betrifft.

Aufgrund des ausländerrechtlichen Vorbehalts zur Kinderrechtskonvention wird
der besonderen Schutzbedürftigkeit unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in
Deutschland nicht ausreichend Rechnung getragen. Besonders prekär ist die
Situation unbegleiteter Minderjähriger zwischen 16 und 18 Jahren. Das Kindes-
wohl muss aber für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge generell Vorrang vor
ausländerrechtlichen Aspekten haben.

Die in Bezug auf ausländische Kinder abgegebene Erklärung ist nicht mit Ziel
und Zweck der Konvention vereinbar. Gemäß Artikel 2 der UN-Kinderrechts-
konvention garantieren die Vertragsstaaten allen ihrer Hoheitsgewalt unterste-
henden Kindern die Einhaltung der Rechte ohne jede Diskriminierung. Die
Vorbehaltserklärung sieht jedoch eine unterschiedliche Behandlung von auslän-
dischen und inländischen Kindern vor.

Kinderrechtsverbände und -organisationen fordern die Rücknahme der Vorbe-
haltserklärung seit vielen Jahren vehement.

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat 2004 in seinen „Abschließen-
den Beobachtungen“ anlässlich der Anhörung der Bundesregierung zum zwei-
ten Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland empfohlen, die Vorbehalts-
erklärung so schnell wie möglich zurückzunehmen. Bereits nach Abgabe des
ersten Staatenberichts der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1995 an den
Ausschuss in Genf, hat dieser Kritik an der Erklärung geübt und der damaligen
Bundesregierung eine Rücknahme nahegelegt.

Die Vorbehaltserklärung wurde von der von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gebildeten früheren Bundesregierung als Interpretationserklä-
rung ohne Rechtsfolgen erachtet. Denn es handele sich „im Wesentlichen um Er-
läuterungen, die Fehl- oder Überinterpretationen des Vertragswerks vermeiden
sollten. Die Auslegung der Kinderrechtskonvention würde im gleichen Maße
gelten, wenn die Erklärung nicht abgegeben worden wäre.“ Dies spreche „aus

Sicht der Bundesregierung für eine – vollständige – Rücknahme der Erklärung“
(Bundestagsdrucksache 15/1819).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1064

Aus politischer Rücksichtnahme auf die Länder, die sich mehrheitlich gegen
eine Rücknahme ausgesprochen hatten, verzichtete die Bundesregierung auf
diesen Schritt.

Formalrechtlich ist eine Befürwortung der Rücknahme der Vorbehaltserklärung
durch die Länder jedoch nicht erforderlich.

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